Sigrid Löffler kritisiert hektischen Buchmarkt

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  • Kritik an hektischen Buchmarkt.


    Seht ihr das auch so? Gute Bücher geraten in Vergessenheit, viel Unsinn wird gekauft. Ich denke, es wird auch viel zu viel publiziert, was sich nicht lohnt. Wir leben in einer Gesellschaft, die von Kurzlebigkeit besessen ist. Es wird viel konsumiert, ich meine nicht nur die 100 verschiedenen Brötchensorten, sondern manchmal auch zuviel Bücher. Da lesen wir drei Bücher gleichzeitig. Vielleicht fliegen sie dann auch schnell wieder aus der Erinnerung. Es ist ja die Frage, mit wieviel Information kann ich den meinen Kopf fordern (oder spitz ausgedrückt vollmüllen). So ist mir aufgefallen, dass schon nach wenigen Jahren, so manche Bücher des deutschen Autoren Günter Ohnemus vergriffen sind. Warum? Schrieb er nur einen Roman, um sein Leben für drei jahre finanzieren zu können?


    Die Massenflut an Büchern ertränkt unsere Buchhandlungen. Wenn ich ein bestimmtes Buch kaufen will, ist es meistens nicht vorrätig, obwohl meine Buchwünsche, wenn ich in eine Buchhandlung gehe, sowieso nicht so ausgefallen sind. Die etwas ausgefalleneren Bücher bekomme ich schnell über das Internet.


    Im Buchmarkt/ Verlagswesen regiert meistenfalls der Kapitalismus, d.h. wieviel verdiene ich daran. Wenn eine Auflage veramscht wird, überlegt sich der Verleger dreimal, ob er noch eine Auflage herausbringt. Eine große Buchhandlung hat vielleicht 100 "Feuchtgebiete" auf Lager, weil es gerade geht. Und wenn es in ein paar Jahren nicht geht, ist das Buch vergessen. Aber sogar hervorragende Bücher, die nicht im Bewusssein der Bevölkerung sind, fristen ein ärmliches Dasein in irgendeinem Antiquariatsregal.


    Es liegt nicht nur an den Buchhandlungen, sondern auch an unserer Mentalität heutzutage. Ich glaube nicht, dass man im neunzehnten Jahrhundert soviel Bücher überkonsumiert hat, wie heutzutage so mancher Leser, der in die Buchhandlung rast, nur weil Frau Heidenreich was gesagt hat.


    Es geht auch darum, Kunst kann man nicht einfach so konsumieren. Gute Kunst ist langlebiger. Aber heutzutage gibt es auch viel zu viel schlechte Bucher, die sich nicht gerade lohnen.


    Liebe Grüße
    mombour

    Einmal editiert, zuletzt von mombour ()

  • Dass der Buchmarkt sehr schnelllebig geworden ist, stimmt schon, aber dafür ist die Auswahl gewachsen finde ich. Sicher, es wird auch mehr Müll produziert und man muss das Gute ein bisschen suchen, aber trotzdem.
    Außerdem ist es ja immer Geschmackssache, was "gut" ist (lassen wir die Bestseller mal außen vor), ich mag z.B sehr gerne Fantasy und sowas, da gibt es jetzt sicher viel mehr, als vorher, (deutsche) Klassiker mag ich meistens gar nicht... Ich bin froh, dass man so leicht an vieles heran kommt.


    Von daher finde ich das gar nicht so schlimm, denn wenn man ein Buch wirklich haben will, dann macht man sich, ist es denn vergriffen, auch die Mühe es zu suchen. Und durch das Internet ist das ja auch leichter geworden.

  • Nein, ich seh das nicht so. Sei mir nicht bös, aber das klingt für mich schon wieder nach Gejammer auf sehr hohem Niveau.


    1. Niemand wird gezwungen, sich 10, 20 oder mehr Schundromane im Monat reinzuziehn - jeder kann lesen, was und so viel er möchte. Jeder kann und darf den Unsinn konsumieren, der publiziert wird. Wenn es einen Markt dafür gibt, wird's natürlich auch publiziert - was muss mich das interessieren, wenn ich andere Vorlieben habe? Wenn ich ein Tschaikowski-Klavierkonzert kaufen will, such ich ja auch nicht im Charts-Regal. Und wenn die Leute den Tipps von Frau Heidenreich hinterher rennen, ist das noch allemal besser als wenn sie gar nicht lesen würden.
    2. Will sich hier ernsthaft jemand beschweren, dass es zu viel Auswahl an Büchern gibt?
    3. Der Massenmarkt ist nun mal kein Qualitätsmarkt, wieso sollte das bei Büchern anders sein als bei anderen Dingen? Dennoch gibt es gerade mit den neuen Medien unendlich viele Möglichkeiten, auch an vergriffene Bücher zu kommen - viel mehr als früher, und ein Buch geht heute auch durch viel mehr Hände als früher. Es gibt Internetshops, Online-Antiquariate, Tauschbörsen, jeder Minibuchladen kann heutzutage jedes gewünschte Buch innerhalb weniger Tage auftreiben. Wo ist das Problem?
    4. Bücher kann man genau so konsumieren wie jedes andere Kulturgut. Natürlich wurde im 18. Jahrhundert nicht so viel gelesen wie heute - weil es damals bei weitem nicht jeder konnte, und weil das Angebot tatsächlich elitär war. Willst Du etwa dahin zurück? Heutzutage ist Lesen für viele Menschen schlicht und einfach Unterhaltung, wie ein Film oder ein Computerspiel. In meinen Augen ist das völlig legitim.
    5. Wer soll entscheiden, welches Buch sich "lohnt" und welches nicht?

    Viele Grüße aus dem Zwielicht<br />[size=9px]Rihla.info | blooks - Rezensionen und mehr<br />[b][url=http://www.librarythi

  • Ich sehe es auch eher wie Twilight. Es ist nun mal so, dass sich auch Bücher rechnen müssen. Was wäre die Alternative: Vom Staat festangestellte Schriftsteller, die ein sicheres Beamtenleben haben? Kommt dabei mehr an guter Literatur heraus? Ich glaube, nicht in nennenswertem Umfang.


    Die hohe Zahl der Neuerscheinungen hat auch etwas Positives: Man kann es als Autor durchaus schaffen. Auf der Bestsellerliste zu landen, ist dennoch sehr, sehr unwahrscheinlich, aber das ändert sich nicht dadurch, dass die Anzahl künstlich beschränkt wird.


    Und es gibt sie doch immer wieder, die zur Literatur Berufenen. Nehmen wir Uwe Tellkamp. Hatte er nicht einen sicheren Job als Arzt? Er hat etwas gewagt, einen Wettbewerb gewonnen und nun Chancen auf den Deutschen Buchpreis.


    Und: Das Feuilleton fischt aus den 4.000 relevanten Neuerscheinungen doch die 500 interessantesten raus. Dort herrscht doch die Qualität, nicht im Handel. Als Leser muss man dann natürlich weiter reduzieren. Gerade die anspruchsvolle Literatur geht doch nicht so einfach unter, auch wenn sie im Laden nicht immer vorrätig sein mag. Das Mittelmaß hat es doch da viel schwerer. Aber wenn ich hier Mittelmaß schreibe, dann haben sich diese Autoren auch gegen eine Vielzahl von Konkurrenten bereits durchgesetzt. Will man ihnen verbieten, etwas zu veröffentlichen? Wohl kaum.


    Und heute werden insgesamt mehr Waren konsumiert als früher, logischerweise auch Bücher. Nur hier werden drei Bücher parallel gelesen, aber was spricht dagegen. Die breite Masse kauft 5 Bücher im Jahr, wenn überhaupt. 4 sind davon vermutlich von der Bestsellerliste und 1 von Heidenreich empfohlen. In anderen Bereichen ist es doch nicht anders, z.B. der Fotografie.


    Verleger muss man doch bewundern, dass sie immer wieder Literatur verlegen, von der man im voraus weiß, dass sie die Masse nicht anspricht. Und auch die Preise für Literatur sind moderat und Bibliotheken eröffnen Zugänge für ganz wenig Geld.


    Ich denke, literarisch lebt man heute doch schon fast im Paradies. So weit mein Gegenentwurf.


    Gruß, Thomas

  • Hallo zusammen,


    ein schwieriges Thema. Zugegebenermaßen finde ich auch, dass zu häufig zu viele Bücher erscheinen, was allerdings eher an meinem persönlichen Geschmack liegt (und ich lese bei weitem nicht nur anspruchsvolle Klassiker).
    Von Verlagsseite her kann ich es wiederum gut verstehen: die Bestseller spülen das Geld in die Kasse, aber die hellseherischen Fähigkeiten der Zuständigen sind natürlich begrenzt. Was wird ein Bestseller? Beißen sich die Verlage, die Charlotte Roches Buch abgelehnt hatten, jetzt noch in den Hintern? Ist es wirklich glücklich, auch einen Krümel vom Kuchen "Sakrileg" abhaben zu wollen und deshalb quasi die tausendste 'Kopie' zu verlegen? Muss man in hundert Tizel investieren um einen Bestseller zu kreieren? Wieviel Geld fließt inzwischen bei großen Verlagen ins Marketing - man siehe nur überlebensgroße Werbung in Innenstädten, Buchtrailer, seitenweise Werbung in DB-Magazinen, etc.?
    Der Kampf wird immer härter, andere Bandagen werden angelegt. Auch in den Buchhandlungen, die immer mehr Platz für die künftigen Renner locker machen, wichtige andere Titel fallen buchstäblich unter den Tisch.
    Den Buchkunden braucht das in der Regel alles nicht zu stören - er lässt sich entweder durch spezielle Sendungen 'steuern', durch Marketingmaßnahmen beeindrucken oder aber kauft das, was er schon immer haben wollte - jede/r nach seiner Fasson.


    Ich möchte nicht wissen, wie viele Bücher tagein, tagaus (zurecht :zwinker:) auf dem Müll landen; auflagenweise - weil das Konzept nicht funktioniert hat. Und andererseits lobe ich mir beispielsweise einen Suhrkamp Verlag, der eine immense Backlist hat, die sicherlich teuer, aber auch wichtig für den "guten" Literaturbetrieb ist.


    Eine gesunde Mischkalkulation ist mit Sicherheit vonnöten. Ich weiß noch, wie schon vor Jahren vom Rowohlt Verlag immer wieder kommuniziert wurde, wie wichtig eine Rosamunde Pilcher für junge, anspruchsvolle Literatur sein kann: sie finanziert sie (erstmal) mit.


    Schöne Grüße
    dubh

    Liebe Grüße

    Tabea

    Einmal editiert, zuletzt von dubh ()

  • Gut, ich habe gegoogelt und weiß nun, dass nur die Überschrift von mombour ist. :smile:


    Und da ich länger gegoogelt habe, habe ich entdeckt, dass die Löffler diesen Satz jedes Jahr in einer anderen Form ausspuckt, rechtzeitig zur Buchmesse. Ist richtig witzig das zu verfolgen. Irgendeinen Gewinn muss sie wohl selbst aus diesem Satz ziehen. :rollen:

  • Heutzutage ist Lesen für viele Menschen schlicht und einfach Unterhaltung, wie ein Film oder ein Computerspiel. In meinen Augen ist das völlig legitim.


    4. Bücher kann man genau so konsumieren wie jedes andere Kulturgut.


    Hier kommen wir der Sache schon näher, worauf ich hinaus will. Es gibt Bücher, die kann man wie ein Film, Computerspiel und Wurstbrot so herunterkonsumieren (das weiß ich natürlich auch) und dann gibt es Bücher, bei denen das so nicht geht. Entweder legt man solche Bücher dann in die Ecke, weil sie nicht so leicht weggehen wie ein Computerspiel, oder man setzt sich mit einem Roman auseinander. Es gibt ja durchaus Romane, die zum Nachdenken anregen. Die Überlegung ist dann folgende, ob das dann noch Konsum.


    Eine andere Überlegung, die sich daraus ergibt, ist Kunst zum Konsumzweck da, oder nicht? Ich glaube eher nicht daran. An Kunst mag man sich erfreuen, aber zweckdienlich ist sie nicht.


    Wenn nun, wie Frau Löffler im verlinkten Beitrag sagt, im Herbst sseien schon die Neuerscheinungen vom Frühjahr aus den Buchhandlungen herausgeflogen, besteht vielleicht doch die Gefahr, dass in so einer Zeit wie der unseren, wertvolle Kulturgüter (hier Bücher) schneller in den Hintergrund geraten und vergessen werden, als zu anderen Zeiten (auch weil es so unermesslich viele Bücher sind, wo manch gutes Buch auch mal einfach übersehen wird, manch guter Text vom Lektor nicht gelesen wird).


    Liebe Grüße
    mombour

  • Ich musste gerade sehr an mombours thread denken als ich im Fernsehen sah wie Dolly Buster auf dem Oktoberfest in einer Box interviewt wurde und sie voller Stolz sagte, dass nun ihr Buch auf den Markt kommt. :rollen:
    Ich denke ja, dass die Welt kein Buch von ihr braucht, aber vielleicht strafen mich die Verkaufszahlen dann Lügen. :rollen:
    Wenn ich Löffler verstehe, dann sagt sie ja, dass wir Leser gar keine Chance haben mehr mitzukommen, wenn im Herbst bereits die Neuerscheinungen vom Frühjahr aus den Buchläden verschwunden sind oder eben in 2.Reihe stehen.
    Das mag schon sein, aber mich stört das nicht. Ich entdecke ein Buch und lese und genieße es, so wie jetzt den Turm. Und ich bin überzeugt, dass das Buch im Frühjahr noch in den Läden steht.Das schafft das Buch durch seine Qualität. Und es wird nicht in Vergessenheit geraten.
    Ich kann ein Buch zur reinen Unterhaltung lesen. Ich kann ein Buch lesen um meinen Geist zu erweitern. Das Unterhaltungsbuch rechnet sich wahrscheinlich für den Verlag eher. Aber ich sehe zum Beispiel am Beckverlag, in dem ich mich ein wenig auskenne, wie gut so ein Verlag da steht obwohl er eigentlich nur ziemlich anspruchsvolle Bücher verlegt. Interessanterweise haben die aber seit drei Jahren auch eine tolle Krimireihe rausgebracht.
    Ich finde es schon toll, dass insgesamt so vielen Autorinnen und Autoren eine Chance gegeben wird ein Buch zu veröffentlichen.
    Aber ich kann auch nicht verhehlen, dass ich oft nicht fassen kann, dass Leute sich um Bohlenbücher, um Feuchtgebiete oder womöglich um Dolly Busterbücher reißen.
    Und doch ermahne ich mich zur Toleranz, denn die Verlage brauchen auch dieses Geschäft. Wahrscheinlich besonders dieses Geschäft.
    Man könnte der Frau Löffler auch entgegenhalten, dass sie doch froh sein kann, dass trotz der vielen Filme, Internet und Computerspiele so viele Bücher auf den Markt kommen, denn es hätte ja auch passieren können, dass die Autoren aufgeben und sich dem Computermarkt geschlagen geben.


  • Wenn ich Löffler verstehe, dann sagt sie ja, dass wir Leser gar keine Chance haben mehr mitzukommen, wenn im Herbst bereits die Neuerscheinungen vom Frühjahr aus den Buchläden verschwunden sind oder eben in 2.Reihe stehen.
    Das mag schon sein, aber mich stört das nicht. Ich entdecke ein Buch und lese und genieße es, so wie jetzt den Turm. Und ich bin überzeugt, dass das Buch im Frühjahr noch in den Läden steht.Das schafft das Buch durch seine Qualität. Und es wird nicht in Vergessenheit geraten.


    Das sehe ich ähnlich wie Du - allerdings bleibt schon die Frage, wieviele Bücher aus den Regalen verschwinden ohne dass man auf sie aufmerksam wurde (und sie dann schon irgendwie verloren gehen).
    Sicher, es gibt sehr viele Bücher bei denen wir nicht traurig sind, wenn sie in keinem Regal stehen - aber sind es wirklich alle, die auf den Müll wandern? Warum gibt es beispielsweise von so vielen Literaturnobelpreisträgern keine Werke mehr im allgemeinen Handel? Die Backlist-Haltung ist vermutlich zu teuer für die Verlage...


    Liebe Grüße
    dubh

    Liebe Grüße

    Tabea

  • Ich musste gerade sehr an mombours thread denken als ich im Fernsehen sah wie Dolly Buster auf dem Oktoberfest in einer Box interviewt wurde und sie voller Stolz sagte, dass nun ihr Buch auf den Markt kommt. :rollen:


    Ihre Autobiografie? Als Bilderbuch? :breitgrins:


    Warum gibt es beispielsweise von so vielen Literaturnobelpreisträgern keine Werke mehr im allgemeinen Handel?


    Weil der Spezialhandel mit Reihen bzw. Serien den Markt überschwemmt hat? Oder weil bei nicht wenigen die literarische Qualität nicht eben gross ist/war, und viele nur im zeitgenössischen Kontext noch interessieren können?


    Im übrigen: Es gab schon immer mehr schlechte als gute Bücher - jedenfalls seit dem der Buchdruck einigermassen rationalisiert war. Vulpius brachte Neuauflage um Neuauflage seines Rinaldo Rinaldini auf den Markt, während die Gesammelten Werke seines Schwagers Goethe sich zum Ladenhüter entwickelten. Lessing, Schiller oder Hölderlin wären verhungert, hätten sie nur vom Erlös ihrer Bücher leben müssen. Goethe übrigens auch. Von Cotta ist nichts derartiges bekannt ...

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • PS - eine Schlagzeile, die gerade über meinen Bildschirm geistert: Ein Fünftel der Bundesbürger hat 2008 noch kein Buch gelesen :winken:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Weil der Spezialhandel mit Reihen bzw. Serien den Markt überschwemmt hat? Oder weil bei nicht wenigen die literarische Qualität nicht eben gross ist/war, und viele nur im zeitgenössischen Kontext noch interessieren können?


    Ja, da magst Du sicherlich recht haben - Literaturnobelpreis bedeutet nicht gleich hervorragende Qualität und der zeitgenössische Kontext fehlt bei einigen Autoren inzwischen, aber es war ja nur ein Beispiel.


    Interessant zum Beispiel auch der FAZ-Artikel von Daniel Kehlmann, der ein ähnlich geartetes Problem schildert: Bücher, die nicht auf der Longlist zum Deutschen Bücherpreis stehen, haben kaum Chancen ausführlich rezensiert zu werden - obwohl sie durchaus nicht schlecht sind.



    Zitat

    Im übrigen: Es gab schon immer mehr schlechte als gute Bücher - jedenfalls seit dem der Buchdruck einigermassen rationalisiert war. Vulpius brachte Neuauflage um Neuauflage seines Rinaldo Rinaldini auf den Markt, während die Gesammelten Werke seines Schwagers Goethe sich zum Ladenhüter entwickelten. Lessing, Schiller oder Hölderlin wären verhungert, hätten sie nur vom Erlös ihrer Bücher leben müssen. Goethe übrigens auch. Von Cotta ist nichts derartiges bekannt ...


    Ja, sicher, gibt es jede Menge schlechte Bücher im Gegensatz zu den guten. Aber was ich meinte, ist doch eher die Flut der nichtssagenden, floppenden Bücher. "Schlecht" ist immer auch Geschmackssache und wenn ich einen Pilcher-Roman als schlecht empfinde, will ich ihn längst nicht verbannen, im Gegenteil: mir ist es recht, dass auch diese Leserschaft bedient wird und im Gegenzug andere, unbekanntere und vielleicht schwierigere Literatur eine Chance bekommt.
    Wie schon geschrieben: die Trennung zwischen überflüssig und verkaufbarem Mainstream (der noch nicht mal unbedingt gelesen wird, aber gekauft) ist sehr schwierig.



    Liebe Grüße
    dubh

    Liebe Grüße

    Tabea

  • Meine grundsätzliche Einstellung zum Thema hat sich sicherlich in der letzten Zeit herumgesprochen : Bücher als Konsumware sind überflüssig, Literatur ist Kunst. Dementsprechend sehe ich die Überproduktion im Buchmarkt - und das wird nicht nur in Deutschland, sondern auch in den USA diskutiert - ziemlich kritisch, zumal es mittlerweile auch (wirtschaftliche) Folgen für Verlage und Buchhandlungen hat. Die Buchhandlungen senden, dank eines wenig restriktiven Remissionsrechts, unverkaufte Bücher in immer kürzer werdenden Zeiträumen zurück, ein grauer Markt von sogenannten "Mängelexemplaren" entsteht, die Buchpreisbindung gerät in Gefahr. Andererseits zeichnet sich ab, daß das eigentlich für Buchhandlungen überlebenswichtige Remissionsrecht irgendwann in der Zukunft massiv beschnitten oder ganz abgeschafft werden könnte. Das würde die Verlage von den Folgen ihres eigenen Versagens nämlich befreien und das Risiko - wenigstens kurzfristig - auf den Einzelhandel verlagern. Mittelfristig allerdings würde sich die Einkaufspolitik der Buchhandlungen ändern (müssen). Das Versagen der Verlage besteht übrigens nicht darin, Konsumware zu produzieren oder zu hohe Auflagen drucken zu lassen, sondern darin, einerseits gerade im Konsumbereich zu viele "Versuchsballons" auf der Suche nach potentiellen Bestsellern auf den Weg zu schicken, andererseits Moden bis zum Exzess totzureiten, ohne etwa eine Qualitätsüberprüfung vorzunehmen : verkaufen sich "historische Romane" wird der Markt mit unzähligen neuen Varianten zugeschüttet, auch wenn die nachfolgenden Generationen der Autoren / Bücher dem Boom - auslösenden Vorbild längst nicht mehr gerecht werden können - weder in der Qualität noch in den Verkaufszahlen. Schlimmer noch : manche Titel werden schlicht falsch etikettiert, werden zu Krimis, Frauenbüchern, Chick - Lit, historischen Romanen gemacht, obwohl sie es nicht sind. Es kann vorkommen, daß ein Autor kurzerhand zu einer Frau gemacht wird, nur weil er vermeintlich über ein "weibliches Thema" schreibt, so passiert bei "Fräulein Niemand" von Tomek Tryzma, zumindest in der btb - Taschenbuchausgabe, beim Nachfolgeroman "Zauberer" im selben Verlag ist der Autor dann korrekt als männlich identifiziert. Da in der Regel auch bei lizensierten Übersetzungsausgaben ein Kontakt zwischen Übersetzer / und oder Lektor mit dem Autor vorausgesetzt werden kann, glaube ich nicht an ein Versehen, sondern an eine zweifelhafte Marketingmaßnahme. Oder das übliche Spiel, auf jedes Buch "Roman" zu drucken, selbst wenn es sich um eine Novelle, Erzählung, Prosa oder gar um mehrere Erzählungen handelt....


    Das Grundproblem der Verlage besteht darin, nicht zu wissen, was sich verkauft, was sich gut verkauft. Da niemand in die Zukunft schauen kann, wird eben breit gestreut, auf daß an wenigen Titeln dennoch genug Umsatz hängen bleibt, um dem Verlag stattliche Gewinne zu ermöglichen. Das Risiko, nur wenige Titel zu produzieren, die dann allesamt floppen, ist den Verlagen gerade in Zeiten einer zunehmenden Konzentration im Verlagsbereich und bei den Buchhandlungen zu groß. Bücher sind zunehmend ausschließlich als Wirtschaftsgüter - wie Toilettenpapier, Spielekonsolen oder auch CDs - definiert, der kulturelle Aspekt gerät mindestens unter Druck. Dazu trägt die Konzentration im stationären Buchhandel bei, denn Ketten hätten gerne eine übersichtliche Palette an Stapeltiteln und sind meist nicht daran interessiert, sich im kleinteiligen, aufwendigen und Lagerpflege erfordernden Segment wirklich zu engagieren, denn das setzte ja eine ebenso aufwendige, relativ teure Personalpolitik voraus, in Zeiten ungelernter 400 - Euro - Jobber für Nebentätigkeiten im Buchhandel eher undenkbar.
    Es gibt Auswege aus dem Dilemma : einerseits, und das dann doch relativ überraschend, kann der Internetbuchhandel gerade die Backlists der verschiedensten Verlage beflügeln, denn das Stöberpotential - unabhängig von einer realen Lagerhaltung - ist immens groß, und wenn es die Betreiber schaffen, das im Moment noch relativ blind herumstochernde Empfehlungssystem zu optimieren, kann sich jeder Titel relativ gut verkaufen lassen. Andererseits bringen technische Neuerungen möglicherweise neue Ansätze : mit Print On Demand, das gerade erst der Suhrkamp Verlag für sich entdeckt hat, wäre es theoretisch möglich, alle Bücher des Verlages unendlich lieferbar zu halten, ohne diese in corpore vorrätig halten zu müssen. Auch dies würde die Backlists vermutlich eher fördern, vielleicht aber auch den derzeit herrschenden Aktualitätsdrang / - zwang vielleicht etwas dämpfen.
    Es sind ja nicht Autoren wie Pilcher oder King das Problem, die ihre angestammten und recht großen Lesergemeinden haben und damit stabile Umsätze garantieren, sondern deren Adepten, die Pseudo - Grusel - Großmeister, die neuentdeckten Schmalzinen, die angeblich den Charme, die Intensität der Altvorderen erreichen können und es oftmals nicht tun. Und selbst bei den Arrivierten, selbst bei den wirklich literarisch wertvollen Autoren gibt es Mechanismen, die nicht immer hohe Qualität zulassen : kaum ein Autor kann allein vom Schreiben leben. Und : ein Autor muß Präsenz zeigen, sodaß in den Verträgen mit Verlagen nicht selten eine Frist von zwei Jahren für ein neues Buch abgefordert wird. Nur wenige können sich diesem Druck wirklich entziehen, sich mal fünf oder zehn Jahre zurückziehen, recherchieren oder schreiben. Denn erstens müßten sie vermutlich verhungern oder den eigentlichen Broterwerb zuungunsten des Schreibens ausdehnen, zum anderen kräht sieben Jahre nach einem erschienenen Buch kaum noch ein Hahn nach dem Nachfolgeroman. Das geht nur bei den Bestseller - Garanten wie Hoeg, Garcia Marquez, Walser oder Lenz, Autoren wie Kern, Kleeberg wären recht bald aus dem Markt verschwunden. Und selbst bei den Großen gibt es seitens der Verlage ein nicht ganz unberechtigtes Interesse, in kalkulierbaren Abständen verlässliche Umsätze zu erzielen. Allerdings scheint dieses System - zunächst in den USA, mehr und mehr aber auch hier - ins Wanken zu geraten : Literaturagenten verändern massiv das Verhältnis zwischen Autoren und Verlagen. Längerfristige Bindungen zwischen beiden Seiten sind längst nicht mehr garantiert bzw. auf Etappen beschränkt. Ein Autor erhält einen Vertrag über ein Buch drei Bücher (etwa Stephen L. Carter), danach ist er frei. oder ein Agent bemüht sich, für einen Titel das Beste herauszuschlagen, wobei es nicht unbedingt der Stammverlag des Autoren ist, der am meisten bietet. Hier allerdings entsteht eine neue Gefahr für das Überfluten des Marktes : erstens ist der Autor gezwungen, sich mit neuem Material immer wieder neu und schnell anzubieten, zweitens sind Agenten ja marketingtechnisch geschult und werden jedes ihnen anvertraute Buch als "Meisterwerk" und vor allem Umsatzgarant verkaufen. So entstehen zum einen schon jetzt Bieterschlachten - etwa um den neuen Roman von Ruiz Zafon, die die Preise für die Rechte in die Höhe treiben, die dann von den Verlagen refinanziert werden müssen (und jeder Flop eines solchen Buches hätte verheerende Folgen). Andererseits - und die zurückgehende Qualität im Lektorat, die auch bei angesehenen Verlagen inzwischen manchmal schmerzhaft spürbar wird - könnte es zu einer Quasi - Delegation von Publikationsentscheidungen von der inhaltlichen, lektorierenden Abteilung hin zu den ökonomischen Entscheidungsträgern geben : d.h. : alles was - vermeintlich - Umsatz verspricht, wird eingekauft und veröffentlicht. Und es geht da um den schnellen, zur Not auch einmaligen Umsatz. Das kann man in der gegenwärtigen Musikindustrie am besten beobachten : die Pflege von Talenten, der Aufbau von Können und Kreativität gehört da inzwischen zu den Ausnahmeerscheinungen. Wenn eine Band keinen Umsatz mehr in den erwarteten Dimensionen bringt, ist sie schnell raus, drei neue Bands nehmen ihren Platz ein....

    Einmal editiert, zuletzt von tinius ()


  • Das Versagen der Verlage besteht übrigens nicht darin, Konsumware zu produzieren oder zu hohe Auflagen drucken zu lassen, sondern darin, einerseits gerade im Konsumbereich zu viele "Versuchsballons" auf der Suche nach potentiellen Bestsellern auf den Weg zu schicken, andererseits Moden bis zum Exzess totzureiten, ohne etwa eine Qualitätsüberprüfung vorzunehmen [...]


    Ein entsetzliches Phänomen, das nicht nur dem Handel auffällt: als Dan Brown im deutschsprachigen Raum richtig durchstartete kamen unendlich viele Nachahmer bei den unterschiedlichsten Verlagen heraus. Jeder will eben was vom Kuchen abhaben, auch wenn man sich letzten Endes die Leserschaft, die schnell übersättigt ist, nur gegenseitig wegzuschnappen versucht.
    Ein ähnliches Phänomen sind die unzähligen Kleber, die vor allem im Taschenbuch benutzt werden um den Leser zu ködern: da wird mit bekannten Schriftstellern verglichen dass sich die Balken biegen, diverse Rezensenten (allen voran Elke Heidenreich) werden zitiert und Tipps der unterschiedlichsten TV-Sender kreiert, von denen - ich zumindest - noch nicht einmal gehört habe (RTL Crime, etc.)...


    Angesichts der erwähnten Verlusterwartungen (und natürlich der Hoffnung, den einen Kracher dabei zu haben) wird zudem offensichtlich kräftig gespart - mir fällt dies bei einigen Verlagen schon länger an ihrem Lektorat auf... Beziehungsweise: man fragt sich angesichts zahlreicher Rechtschreib- und Grammatikfehler auf den ersten fünzig Seiten des öfteren, ob der entsprechende Verlag überhaupt noch eines besitzt.


    Immer auffälliger sind auch Doppelfinanzierungen: ein renommierter Verlag kann sich den Einkauf eines bestimmten Buches nicht leisten, also zieht er den BertelsmannClub mit ins Boot - man teilt sich das Sümmchen gerecht und der Club darf etwas früher starten...



    Irgendwie ganz schön bitter, wenn man sich die harten Fakten mal genau anschaut... Die Kultur spielt beim Medium Buch inzwischen nur noch eine hinten angestellte Rolle - wenn überhaupt.



    Liebe Grüße
    dubh



    @tinius: Ein schöner, wenn auch ernüchternder Beitrag!

    Liebe Grüße

    Tabea

  • Immer auffälliger sind auch Doppelfinanzierungen: ein renommierter Verlag kann sich den Einkauf eines bestimmten Buches nicht leisten, also zieht er den BertelsmannClub mit ins Boot - man teilt sich das Sümmchen gerecht und der Club darf etwas früher starten...


    Der Bertelsmann Club war wohl immer schon im Boot ... Die Bertelsmann AG ist Besitzerin nicht nur des Clubs sondern auch von Random House. Und damit u.a. von Blanvalet, btb, Goldmann, Heyne, Knaus, Luchterhand, Manesse, Bantam Dell, Double Day, Del Rey ...

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Im Boot war er immer, aber das Konzept der "Club - Premiere", also einen potentiellen Bestseller um Monate früher im Club erscheinen zu lassen, bevor er dann für alle Leser veröffentlicht wird, ist relativ neu. Das finde ich ziemlich problematisch, zumal die Club - Bücher auch noch billiger als die spätere Buchhandelsausgabe sind. Theoretisch würde das dem stationären Buchhandel auf Dauer Umsätze, Kunden entziehen, denn gerade durch die Verquickung Bertelsmann und etlicher Random House Verlage hat man relativ viele Buchrechte in der Hand.... Allerdings beruhigt etwas, daß das Clubgeschäft auch für Bertelsmann / Random House nicht wirklich zu den "Bringern" zählt, vor Monaten war noch über einen Komplettverkauf des Clubgeschäftes nachgedacht worden.


    dubh : Danke. :smile:


    In Amerika gibt es keine Aufkleber, sondern da wird so etwas schlicht auf das Front - Cover gedruckt. Letztens kam ein Debütroman eines Amerikaners bei mir an, der auf dem Cover den Lobpreis von Stephen King aufgedruckt hatte.... Nur die Überlegung, daß King möglicherweise einen besseren Geschmack als eigene Qualitäten hat, und die problematische Rücksendung nach Iowa hat mich von einer spontanen Rücksendung Abstand nehmen lassen.... (Allein schon der Balkencode auf Büchern war in meinen Augen schon eine Verschandelung). LG tinius


  • Der Bertelsmann Club war wohl immer schon im Boot ... Die Bertelsmann AG ist Besitzerin nicht nur des Clubs sondern auch von Random House. Und damit u.a. von Blanvalet, btb, Goldmann, Heyne, Knaus, Luchterhand, Manesse, Bantam Dell, Double Day, Del Rey ...


    Ja, klar. Aber selbst RandomHouse schafft so manche Summen nicht. Gerade die historischen Romane werden oft zwischen Club und Droemer geteilt... Liegt aber vermutlich auch an der Stellung des DroemerKnauer-Verlages in diesem Genre.
    Offensichtlich rentiert sich der Deal aber für den "normalen" Verlag - vermutlich sind die Mitgliederzahlen im Club auch nicht mehr so extrem nennenswert, dass man befürchtet, dass der Nicht-Club-Käufer ernsthaft schwindet...




    In Amerika gibt es keine Aufkleber, sondern da wird so etwas schlicht auf das Front - Cover gedruckt. Letztens kam ein Debütroman eines Amerikaners bei mir an, der auf dem Cover den Lobpreis von Stephen King aufgedruckt hatte.... Nur die Überlegung, daß King möglicherweise einen besseren Geschmack als eigene Qualitäten hat, und die problematische Rücksendung nach Iowa hat mich von einer spontanen Rücksendung Abstand nehmen lassen....


    Hehe. :breitgrins: Nein, im Ernst: ich habe Stephen King schon häufiger als Anstifter zum Lesen eines Buches entdeckt - ich tippe, er liest für sich ganz andere Literatur. Aber womit sich nun mal seit Jahrzehnten jede Menge Geld verdienen lässt... Trotzdem finde ich ihn (und das ist jetzt ganz Bauchgefühl) irgendwie unpassend für anspruchsvolle Literatur - ohne ihm zu nahe treten zu wollen oder gar einen guten Geschmack abzusprechen. Aber wie schon zuvor geschrieben, finde ich die extremen Werbemaßnahmen mit bekannten Autorenstimmen sowieso daneben (auch wenn ich es natürlich durchaus in Ordnung finde, dass sie ihren Senf abgeben - aber auf einem Cover hat das für mich nichts zu suchen).



    Liebe Grüße
    dubh

    Liebe Grüße

    Tabea

  • Sehr interessante Beiträge hier.


    Eine Anmerkung zum Club: In Deutschland hat er doch kaum eine Bedeutung - trotz aller Vorabveröffentlichungen etc. gelingt es nicht, die Mitgliederzahlen stabil zu halten. Immer wieder denkt Bertelsmann über einen Ausstiegt aus dem Buch-Club-Geschäft nach.


    Gruß, Thomas