Arno Geiger - Es geht uns gut

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    Inhalt


    Philpp Erlach, Mitte 30, seines Zeichens Schriftsteller, lethargisch und ohne wirkliche Perspektive, erbt das Haus seiner Großeltern. Weil ihn die Geschichte seiner Familie nicht interessiert, entsorgt er wahllos sämtliche Gegenstände, Briefe und andere Erinnerungsstücke in einen großen Müllcontainer. Zwischen den Kapiteln über Philipps Aufräumaktion und sein Leben im Jahr 2001 wird in Rückblenden die Geschichte seiner Familie erzählt, beginnend mit der Naziherrschaft 1938. Die wechselnden Erzählerperspektiven (Großvater, Großmutter, Mutter, Vater) und auch Zeitsprünge verleihen der Geschichte einen sehr großen Horizont, Begegnungen, Gefühle, politische Strömungen werden so von mehreren Seiten beleuchtet und machen das Buch sehr lebendig.


    Geschildert werden die falschen Illusionen der der Jugend während der Hitler-Herrschaft, von den schweren Nachkriegsjahren, Ehefreud und Eheleid, von den Anfängen der Emanzipation der Frauen, von Idealen und Wünschen, von Enttäuschungen und Schicksalen und v.a. vom Umgang mit der Vergangenheit und der Erinnerung. "Ganz normale" Lebensläufe, wie man denkt, und doch so voller Wehmut, voller verpasster Gelegenheiten und der Gewissheit, dass man Geschehenes nicht ungeschehen machen kann.


    Arno Geiger wikipedia


    Geiger wuchs in der vorarlbergischen Gemeinde Wolfurt auf. Er studierte Deutsche Philologie, Alte Geschichte und Vergleichende Literaturwissenschaft in Innsbruck und Wien. 1993 verfasste er eine Diplomarbeit über Die Bewältigung der Fremde in den deutschsprachigen Fernreisetexten des Spätmittelalters.


    Seit 1993 lebt er als freier Schriftsteller. 1986 bis 2002 war er im Sommer auch als Videotechniker bei den Bregenzer Festspielen tätig.


    1996 und 2004 nahm er am Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt teil. 2005 erhielt er für "Es geht uns gut den Deutschen Buchpreis des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels.


    Geiger lebt in Wolfurt und Wien.


    Meine Meinung:


    Ich fand das Buch ganz großartig!
    Es werden so viele Themen angesprochen, die Geschichte ist so schön verwebt, man erfährt erst nach und nach und mit großen Zeitsprüngen von der Familie. Die traurigen Momente überwiegen, was dem Buch doch eine melancholische Stimmung verleiht, dennoch bleibt Hoffnung und Zuversicht.


    Vieles bleibt offen und doch ist am Ende alles gesagt. Geiger verzichtet auf genaue Details, Mutmaßungen und Spekulationen bleiben großteils dem Leser überlassen.


    Das Hauptthema - wie gehen wir mit der Vergangenheit und mit Erinnerungen um, sind sei Teil unseres Lebens oder können wir sie verwerfen, uns ihrer entledigen - wird von vielen Seiten beleuchtet. Es geht um vertane Chancen, vergeudete Zeit, um Fehler, die nicht mehr gutzumachen sind und Gelegenheiten, die verpasst wurden.


    Doch auch der Humor kommt nicht zu kurz und für mich gab es viele Erinnerungen an meine Kindheit (Geiger ist fast mein Jahrgang), die schon in Vergessenheit geraten sind.


    Für mich ganz große Literatur mit österreichischer Färbung! Empfehlenswert!


    ich vergebe aus ganzer Überzeugung 5ratten

    :blume:&nbsp; Herzliche Grüße!&nbsp; :blume: <br />creative

    Einmal editiert, zuletzt von Alfa_Romea ()

  • creative:
    meine Arbeitskollegin hat mir das Buch ans Herz gelegt, ich hoffe, sie bringts mir heute oder morgen mit zur Arbeit...


    Deine Rezi klingt gut und ich bin schon sehr gespannt darauf, es selbst zu lesen!


    lg, Frau 32

  • Hallo Creative,


    ich bin gerade bei der Hälfte des Buches und finde dieses ebenfalls großartig und hat meiner Meinung nach zu Recht den Buchpreis erhalten.


    Ich bin zwar keine gebürtige Wienerin, aber vieles erinnert mich denoch sehr, wie z.B. die Stadtbahn die damals in den 13.Bez. gefahren ist usw..


    Wirklich zu empfehlen.


    Liebe Grüße
    Ita :smile:

  • *off topic*
    @klassikfreund: magst Du Deine Meinung vielleicht hier genauer begründen? Ich wäre sehr neugierig was Dir nicht gefallen hat!


    Klar, mache ich gerne.


    Vor allem die Sprache hat uns allen nicht gefallen. Ich habe das Buch jetzt nicht vorliegen, so dass ich keine Beispiele zitieren kann. Es gibt aber etliche triviale (nichtssagende) Sätze, unschöne Klammereinschübe, die man heutzutage häufig in E-Mails findet (auch hier bei mir im Unternehmen (und in diesem Satz)), aber in einem Roman haben sie nichts zu suchen. Geiger zeigt auch nicht, dass dies eine bewusste Masche von ihm ist.


    Die Sprache / der Stil ist in allen beschriebenen Perioden gleich. Das wäre ein Buch gewesen, in dem der 2. Weltkrieg stilistisch anders beschrieben wird als die Neuzeit, in der Neuzeit hätte ich mir seine Sprache ja noch gefallen lassen, er wendet diesen Stil aber vor allem für die ersten Jahre an.


    Dann die Belanglosigkeit der Handlung. Ab den 1970er Jahren kann ich das Lebensgefühl selber beurteilen und er beschreibt es schon korrekt. Er beschreibt es wie mein Leben(sgefühl) war (immerhin mal was Positives), ich hätte das aber auch so aufschreiben können - das reicht mir nicht. Wenn man schon belanglosen Inhalt darstellt, dann muss die "Kunst" über die Sprache kommen. Das gelingt Geiger nicht. So wirkt es platt und einfallslos. Was will er zeigen? Die Belanglosigkeit des Lebens, die Einsamkeit des Menschen? Das gelingt nicht überzeugend.


    Von meinen Kollegen wurde das Kapitel über den 2. Weltkrieg gelobt, ich denke, es gibt hier viel Besseres, zuletzt in Grass' Biografie nachzulesen.


    Die Personen wirken blass und bleiben das ganze Buch blass.


    Das Buch wurde uns letztlich von einem Lehrer empfohlen, der es als eines der besten Bücher seit "Thomas Mann" bezeichnet hat. Wir schütteln alle den Kopf darüber (von der Leserin, die eher Seichteres mag bis hin zur studierten Germanistin).


    EDIT: die Bewertung habe ich vergessen, hole ich hiermit nach:


    2ratten


    Schöne Grüße,
    Thomas


    edit fairy: Beitrag wurde vom Lesekreis-Thread abgetrennt.

    Einmal editiert, zuletzt von Klassikfreund ()

  • Das Buch wurde uns letztlich von einem Lehrer empfohlen, der es als eines der besten Bücher seit "Thomas Mann" bezeichnet hat. Wir schütteln alle den Kopf darüber (von der Leserin, die eher Seichteres mag bis hin zur studierten Germanistin).



    Das ist ja eine seltsame Aussage. :confused: Auch ich schüttele den Kopf!


    Trotzdem hat mir das Buch gut gefallen.


    Dieses Buch zwingt geradezu dazu, sich mit der Nachkriegsgeschichte Österreichs auseinanderzusetzen.
    Ein Thema, das in deutschen Schulen (auch im Geschichtsleistungskurs eines Gymnasiums) allzu sehr vernachlässigt wird. Bei uns wurde gelehrt, was den 2. Weltkrieg auslöste, was während der Zeit passierte und was in Deutschland bis Stresemann passierte. Für mehr bleibt keine Zeit (obwohl der Lehrplan sicher mehr vorschreibt)... während die Verbindung Deutschlands und Österreichs ab 1938 immer wieder thematisiert wurde, sprach von unseren Lehrern keiner über die Zeit nach dem Waffenstilstand. Ich wusste nichtmal, dass auch Österreich in 4 Zonen aufgeteilt wurde Verlegen und ihm durch den Staatsvertrag seine Unabhängigkeit gegeben wurde...


    Ich fand "Es geht uns gut" sehr gut zu lesen. Die Familiengeschichten, die Arno Geiger zwischen die Gegenwartsgeschichten einschob, sind sehr gut ausgewählt, um dem Leser ein Gefühl für die Familiengeschichte zu geben, ihn aber nicht mit Details zu überladen. Natürlich hätte ich mir gewünscht über die jeweilige Zeit mehr zu erfahren - auch und insbesondere über die Beziehungen der einzelnen Personen zueinander. Man hätte über jedes Paar auch hervorragend einen eigenen Roman schreiben können, soviel Stoff hätte es gegeben.


    Gerade wegen der möglichen Informationsfülle fand ich den jeweiligen Fokus gut gewählt. Schön ist auch, dass jeder mind. einmal zu Wort kommt (außer der Schwester Phillips, Sissi, die außerhalb der Familie steht, aber sicher auch seeehr interessantes zu sagen gehabt hätte! )


    Ich habe ein Interview mit Arno Geiger gelesen, das ich noch nicht kannte. Teile davon möchte ich euch nicht vorenthalten.


    Ich werde kein&nbsp;Geld hinterlassen. Ich werde keinen Aufwand und Luxus hinterlassen. Aber ich möchte ein engagiertes Leben hinterlassen.<br />(Martin Luther King)

  • Über den Inhalt ist ja hier schon einiges gesagt, das schenke ich mir also. Darüber hinaus schließe ich mich Klassikfreunds Meinung an, und das aus den gleichen Gründen: Es ist sprachlich schwach und präsentiert Belanglosigkeiten mit Hilfe blasser Figuren. Mag ja sein, daß es in Österreich eine wichtige Funktion erfüllt(e), weil dort die Auseinandersetzung mit der neueren Geschichte in Art und Umfang meines Wissens eine andere als in Deutschland ist oder zumindest war, aber rechtfertigt das ein solches Buch? Verschiedene meiner Vor-Leser bei Bookcrossing haben sich an der unchronologischen Erzählweise gestört, das Argument finde ich hingegen nicht tragfähig. Die Konstruktion ist im Rahmen dessen, was Geiger wahrscheinlich vermitteln wollte, sogar eine gute Lösung. Insgesamt vergebe auch ich dafür nur


    2ratten


    Schönen Gruß,
    Aldawen

  • Danke für deine Einschätzung, Aldawen. Ich bin bisher nicht über Seite 68 hinausgekommen, trotz das ich vor dir angefangen hatte. :rollen:


    Die Sprache geht so gar nicht an mich...und zunächst hatte ich gedacht, es läge an mir. Als du aber geschrieben hast, dass du schon ein Viertel des Buchs gelesen hattest und dir die Sprache nicht gefiel, habe ich die Hoffnung schon fast aufgegeben.


    Lohnt es sich denn wenigstens, bis zum Ende durchzuhalten? Deine 2 Ratten geben mir doch noch einen kleinen Hoffnungsschimmer am dunklen Horizont.


    Viele Grüße
    Muertia

    :lesen: Rebecca Gablé - Der dunkle Thron<br />SuB: 6 (+16 bereits bestellte Bücher, um den SuB mal ein wenig aufzuwerten)

  • Sprachlich ändert sich bis zum Ende nichts am Buch, wenn das für Dich ein entscheidendes Kriterium ist, dann leg es weg und lies etwas anderes, was Dir mehr zusagt. Die Familienepisoden sind sicher Geschmackssache und vermutlich im Empfinden auch davon abhängig, welcher Jahrgang man selbst ist, da kann ich also keine hilfreichen Hinweise geben ...


    Schönen Gruß,
    Aldawen

  • Ich fand das Buch gut und lesenswert. Die Blassheit der Figuren, insbesondere des Protagonisten, ist m. E. einer der Figur und damit vom Autor beabsichtigt, nicht ein Manko des Schreibens oder der Fähigkeiten des Autors. Zudem - ich muß mich erinnern, die Lektüre liegt jetzt knapp zweieinhalb Jahre zurück - sehe ich nicht wirklich Belanglosigkeiten in Aussage und Konzeption, wohl aber vieles, das verdrängt und verschwiegen wurde und von den Belanglosigkeiten der Handelnden übertüncht wurde. Irgendwo in meinem Blog findet sich auch eine Rezension dazu....

  • dankeschön ihr beiden. Ich werde dem Buch dieses Wochenende noch eine Chance geben.


    Viele Grüße
    Muertia

    :lesen: Rebecca Gablé - Der dunkle Thron<br />SuB: 6 (+16 bereits bestellte Bücher, um den SuB mal ein wenig aufzuwerten)

  • Hallo,


    Das Buch habe ich vor einigen Jahren gelesen. Die Geschichte Österreichs ist eben doch sehr wichtig im Roman und soweit ich mich erinnere, auch die Mentalität der jungsten Generation. Also, schlecht war der Roman nicht, übertrieben fand ich nur den Vergleich mit den Buddenbrooks. Nun, natürlich spielt in den Buddenbrooks die damalige Zeitgeschichte auch eine große Rolle.


    Liebe Grüße
    mombour

  • So, letztes Wochenende habe ich mich dann doch durch das Buch gequält. Hier noch meine Meinung:


    Ich hatte keinen guten Start mit diesem Buch. Ich konnte mich, wahrscheinlich auch bedingt durch die Zeitsprünge, überhaupt nicht mit den Hauptpersonen anfreunden. Da ich anfangs aber auch immer nur sehr kleine Abschnitte am Stück gelesen habe, wollte ich dem Ganzen noch eine Chance geben, indem ich mir einen großteil des Sonntags Zeit genommen habe, um längere Abschnitte zu lesen. Diese Methode hat es mir zumindest erleichtert, den roten Faden nicht so leicht zu verlieren, wie zu Beginn. Allerdings hat sich für mich das eigentliche Problem auch hierdurch nicht gelöst: ich wurde bis zum Schluss nicht warm mit den Personen und der Geschichte, die es zu erzählen hatte. Phillipp blieb für mich seltsam farblos und vollkommen uninteressant als Mensch. Jedes Mal, wenn über dem Kapitel das Jahr 2001 stand (und es somit von ihm handelte), war mein Wunsch weiterzulesen gleich Null. Einzig Alma und Ingrid konnten mich zeitweise unterhalten und mit Interesse von Ihren Gefühlen lesen lassen. Insgesamt aber war "Es geht uns gut" kein Roman für mich. Das Meiste war nichtmal im Ansatz spannend zu verfolgen, die Geschehnisse langweilten mich oftmals und selbst die tragischen Ereignisse prallten völlig an mir ab. Schade eigentlich, denn ich hatte mir recht viel von der Kurzbeschreibung und einigen positiven Meinungen zu dem Buch versprochen. Familiengeschichten im Allgemeinen interessieren mich sehr, sodass ich eventuell einfach mit zu hohen Erwartungen gestartet bin.


    Deshalb von mir leider nur eine winzige Ratte


    1ratten


    Viele Grüße
    Muertia

    :lesen: Rebecca Gablé - Der dunkle Thron<br />SuB: 6 (+16 bereits bestellte Bücher, um den SuB mal ein wenig aufzuwerten)

  • Ich lese erst jetzt die letzten Beiträge zu diesem Buch. Bin ja nun beruhigt, dass ich doch nicht ganz allein darstehe, nachdem es im Jahr 2006 viel Jubel um das Buch herum gab. Das Buch selber mag ein ganz durchschnittliches Buch sein (auch wenn ich es schlechter ansehe), aber warum Juroren es als überdurchschnittlich ansehen, das bleibt mir nach wie vor ein Rätsel. Das Buch kommt mir so vor wie so manche Heidenreich-Empfehlung, die Bücher sind ja nett runtergeschrieben, aber wirklich bewegen können mich die wenigsten ihrer Vorschläge. Im Kopf scheint mir immer mitzuschweben, dass man unbedingt 100.000 Leser erreichen müsste und das dies nur mit bestimmten, recht einfach geschriebenen Büchern gelingen könne (dass es auch anders gehen würde, zeigen einst erfolgreiche Empfehlungen zu Javier Marias). Der deutsche Buchpreis hat für mich keine Bedeutung, wer spricht heute noch von Katharina Hacker? Die Büchner-Preisträger haben da schon etwas mehr Nachwirkung.


    Gruß, Thomas


  • Das Buch selber mag ein ganz durchschnittliches Buch sein (auch wenn ich es schlechter ansehe), aber warum Juroren es als überdurchschnittlich ansehen, das bleibt mir nach wie vor ein Rätsel.


    Da kann ich dir nur voll und ganz zustimmen Klassikfreund!

    :lesen: Rebecca Gablé - Der dunkle Thron<br />SuB: 6 (+16 bereits bestellte Bücher, um den SuB mal ein wenig aufzuwerten)