Lois McMaster Bujold - Barrayar: Gefährliche Missionen

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    Originaltitel: Miles, Mystery & Mayhem (Cetaganda, Ethan of Athos, Labyrinth)


    Auch dieser Sammelband, Band 3 der Barrayar-Sammelbände, besteht aus 2 Romanen und einer kürzeren Erzählung. Einen Thread zur Reihe gibt es hier, eine Rezension zum Vorgängerband hier


    Cetaganda
    Miles und sein Cousin Ivan sollen nur einen diplomatischen Auftritt bei Beerdigungsfeierlichkeiten absolvieren, stolpern dabei aber mitten in eine Erbfolgeauseinandersetzung und ein gefährliches Intrigenspiel. Dabei sind die Machtstrukturen der cetagandischen Kultur allerdings soweit vom barrayarschen Verständnis entfernt, dass es trotz seiner Intelligenz einige Zeit dauert, bis Miles die Manipulationen durchschaut. Man merkt im Vergleich zu den vorigen Bänden, dass Miles selbstbewusster aber auch selbstkritischer, einfach erwachsener, geworden ist. Er kann sich, andere und Situationen sachlicher abschätzen, seine Handlungen wirken nicht mehr so als würde er sich von einer Entscheidung zur anderen hangeln und durch das Geschehen schlittern. Das macht ihn aber glücklicherweise nicht weniger sympathisch.


    Ethan von Athos
    ist eine Geschichte in der Miles nur in Gesprächen auftaucht und nie selbst als Person. Hauptfigur ist besagter Ethan, ein Arzt in einem Reproduktionszentrum des Planeten Athos, dessen Gesellschaftsstruktur der des gleichnamigen griechischen Klosters nachempfunden ist. Als bei einer Lieferung von neuem Material für den Genpool Athos' etwas schief geht, wird er beauftragt, sich um Ersatz zu kümmern und verlässt zu diesem Zweck die abgeschottete Gemeinschaft. Mit Ellen Quinn lernt er eine Frau kennen, deren Ziele als Söldnerin von Miles Denarii-Truppe zufällig mit Ethans Plänen korrespondieren und es stellt sich heraus, dass hinter der misslungenen Lieferung noch mehr steckt. Das Ganze ist eindeutig ein Spionagethriller und überraschenderweise auch ohne Miles nett zu lesen. Dabei lebt die Geschichte auch von der Konfrontation zwischen Ethans Naivität und der gefährlichen Realität.


    Labyrinth
    ist nicht ganz so lang und präsentiert uns Miles in seiner Identität als Söldnerführer. Eigentlich soll er nur einen Überläufer abholen, dieser hat die im Preis inbegriffenen Daten allerdings ziemlich ungünstig versteckt, was zu einem abenteuerlicheren Auftrag als geplant führt. Miles sollte aufgrund seiner eigenen physischen Verfassung eigentlich wissen, dass man nicht vom Äußeren einer Person auf ihre Intelligenz oder Gesinnung schließen kann, bekommt in dieser Geschichte aber die Gelegenheit dieses Wissen auch an anderen anzuwenden und seine eigenen Vorurteile zu überwinden, als er jemandem mit gefährlichem Ruf gegenüber steht.


    Obwohl alle drei Geschichten ganz unterschiedlich waren, war ihnen doch ein gewisser unterschwelliger Humor gemeinsam und das Bewusstsein, dass die Herkunft nicht die entscheidende Prägung ausmacht. Es kommt nicht so sehr darauf an, als was man geboren wird, sondern welches Leben man mit seinen genetischen Gegebenheiten führt. Menschlichkeit ist nicht durch die Gene bestimmt und wird auch nicht einfach durch Mutation ausgeschaltet. Es ist eine Einstellung, die sich in verschiedensten Gesellschaftsformen wieder findet und in verschiedenen Ausprägungen auftreten kann – und sie ist ganz bestimmt nicht auf unser klassisches, äußerliches Bild vom Menschen beschränkt.


    Ich freue mich auf den nächsten Sammelband, eine halbe Ratte Abzug gibt es für den fehlenden Miles in der 2. Geschichte :zwinker:


    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

  • Barrayar- Gefährliche Missionen von Lois McMaster Bujold


    Kurzinhaltsangabe
    Cetaganda: Miles Vorkosigan und sein Cousin Ivan müssen ihren Planeten bei einem Staatsbegräbnis auf Cetaganda vertreten. Prompt tappen sie natürlich wieder in ein Nest aus Intrigen…
    Etan von Athos: Die reine Männerwelt Athos brauch neue Eizellkulturen. Der Arzt Ethan wird ausgewählt diese in den Weiten der Galaxie zu besorgen. Leider gerät er dadurch mitten in eine cetagandanische Verschwörung…
    Labyrinth: Miles soll mit Hilfe seiner Dendarii- Söldner einen Genetiker aus Jackson Hole befreien. Wie üblich funktioniert der Plan nicht wie er sollte…


    Rezension
    Auf den ersten Blick in die Inhaltsangabe wirken diese drei Geschichten wild zusammengewürfelt, nur durch ihre chronologische Reihenfolge im Miles- Universum zusammengehalten. Dies ist jedoch mitnichten so.
    Alle drei Romane drehen sich um dieselbe Technologie, nämlich den Uterusreplikator. Dieses medizinische Gerät übernimmt die gesamte Schwangerschaft, so eine Art Gebärmutterbrutkasten.
    Eine Technologie, drei unterschiedliche Kulturen, drei unterschiedliche Geschichten.


    Cetaganda
    Im ersten Roman erfahren wir endlich etwas über das Reich von Cetaganda (ein Planetenbund), den großen Feind der Barrayaraner. Auf den ersten Blick scheint Cetaganda sehr patriarchalisch, je tiefer wir mit Miles jedoch in die Intrigen eintauchen desto deutlicher wird das genaue Gegenteil. Zwar verhüllen sich die Frauen des cetagandanischen Adels vollkommen mit einem Energieschirm, wenn sie tatsächlich einmal (und das selten) ihre Häuser verlassen (erinnert eindeutig an den Islam und seine Unterdrückung der Frauen), aber die eigentliche Macht liegt in den Händen dieser Frauen. Denn sie bestimmen, wer gezeugt werden darf.
    Problematisch wird es nur dann, wenn die Gendatenbank nicht mehr zugänglich ist und man versucht die Schuld dem alten Feind Barrayar in die Schuhe zu schieben. Das kann Miles Vorkosigan natürlich nicht zulassen! Und schon sind wir wieder mittendrin in einem wunderbar bunten, intelligenten und spannenden Abenteuer, dem auch nicht der Humor fehlt.
    Etwas unrealistisch fand ich Miles Unwissenheit über die cetagandanische Gesellschaft. Miles ist Geheimdienstoffizier (und Zweiter in der inoffiziellen Erbfolge seines Planeten), von ihm erwarte ich hinsichtlich des großen Erbfeindes eigentlich mehr. Aber so kann der Leser zusammen mit Miles immer neue Schichten auf Cetaganda aufdecken, ohne dass zu Anfang für den Leser große, ermüdende Erklärungen gelesen werden müssten. So machte das doch viel mehr Spaß!


    Ethan von Athos
    Vom zweiten Roman war ich erst mal enttäuscht, weil er nicht aus der Sicht von Miles geschrieben ist, ja er taucht noch nicht einmal persönlich auf. Und ich wollte doch unbedingt mehr Miles!
    Aber bald zog mich die Handlung um Ethan in ihren Bann. Ethan stammt von einem religiösen Planeten, der nur von Männern bewohnt wird. Zum Glück gibt es ja den Replikator, der sie von Frauen unabhängig macht. Nur leider eben nicht ganz! Auch für den Uterusreplikator brauch man immer noch eine Eizelle und ein Spermium. Leider beginnen nach zweihundert Jahren der Isolation vom Rest der Galaxie die Eizellkulturen abzusterben und jetzt muss für Ersatz gesorgt werden. Nur wen soll man zu diesen schrecklich unnatürlichen und gefährlichen Wesens namens Frauen schicken?
    Das Los fällt auf den netten und integren Arzt Ethan. Schnell muss er einige seiner armseligen Vorstellungen von Frauen korrigieren um zu überleben. Denn als er in eine Operation des cetagandanischen Geheimdienstes tappt, kann ihn nur Elli Quinn von den Dendarii- Södnern helfen, die von Miles geschickt wurde die Cetagandaner zu überwachen.
    Ethans hinterwäldlerische Gedankengänge sind einfach nur putzig und zum Schießen komisch! Aber auch in diesem Buch fehlt es natürlich nicht an Spannung und komplexen Zusammenhängen.


    Labyrinth
    Im dritten Teil soll ein Genetiker vom Verbrecherplaneten Jackson Hole nach Barrayar gebracht werden, denn dank gewisser Ereignisse in den beiden vorhergehenden Romanen wird dort dringend ein guter Forscher gebraucht. Auf Jackson Hole beschäftigte sich der Mann bisher mit der Produktion von gewünschten menschlichen Objekten auf Bestellung: perfekte Soldaten, willenlose Diener, schöne Liebessklaven… aber auch mit ernsthafter Forschung, die er jetzt auf keinen Fall zurücklassen will. Leider sind die Forschungsergebnis inzwischen verschollen und Miles muss mitten in der korrupten Verbrechergesellschaft auf die Jagd gehen. Und die wird trotz oder gerade wegen der relativen Seitenzahlbegrenzung wirklich rasant und erstaunlich vielschichtig. Irgendwie schafft die Autorin es in der Kürze eine Menge von Nebenfiguren lebendig und realistisch einzuführen und alles zu einer runden Auflösung zusammen zu führen.



    Wie man sieht dreht es sich hier immer wieder alles um dasselbe Thema: Genetik und ihre Folgen, wirtschaftlich, politisch, gesellschaftlich, aber auch rein auf das Individuum bezogen. Mal zum Guten verwendet, aber auch ihre schrecklichen Ergebnisse bei Missbrauch.
    Durch dieses geschlossene Thema,das in drei so ganz unterschiedlichen Weisen behandelt wird, hat mir dieser Sammelband fast noch besser gefallen als der erste Miles- Band.
    Denn dieser Band bietet außer trockenem Humor, Spannung, komplexen Charakteren und Handlungssträngen auch noch eine tiefere Aussage: „Egal wie weit die Technologie fortschreitet, verliert nicht eure Menschlichkeit“, aber auch „Menschlichkeit lässt sich nicht an genetischen Komponenten messen“. Sie zeigt auf, wie eng die Grenzen zwischen dem Wunderbaren und Schrecklichen sind, aber auch, dass aus dem Schrecklichen wieder Wunderbares werden kann, wenn man sich auf die richtigen Werte besinnt.
    Ein Aufruf zu mehr Toleranz, denn nicht das Äußere zählt. So sind auch diesmal Miles Probleme durch seine körperliche Behinderung ein zentrales Thema, aber nicht nur Miles hat Schwierigkeiten damit anders zu sein.
    Somit führt dieses Buch den Grundgedanken aus dem ersten Miles-Band konsequent weiter.


    Absolut empfehlenswert!


    5ratten

  • Ich lese diesen Band gerade, konnte einfach nicht warten bis zum nächsten Urlaub. Stecke allerdings noch mitten in "Cetaganda" und kann noch nicht viel berichten.


    Mir ist aufgefallen, dass dieser erste Roman des Sammelbandes etwas anders ist als "Der Kadett" und "Der Prinz und der Söldner", in denen Miles auch schon die Hauptfigur war. Und das liegt nicht nur daran, dass die Handlung im Kaiserreich Cetaganda spielt, also auf gänzlich unbekannten Terrain, sondern u. a. auch am Schreibstil, den ich beinahe nicht wieder erkannt hätte. Also habe ich mir das Nachwort der Autorin durchgelesen und des Rätsels Lösung gefunden - "Cetaganda" ist aus dem Jahre 1996, also eine spätere Geschichte als z. B. "Barrayar".
    Fast zu schade, dass der Verlag die Romane in chronologischer Reihenfolge veröffentlicht hat, so kann man die Qualitätssteigerung nicht so gut beobachten.


    ***
    Aeria

  • Bei meinem ReRead der Barrayar-Reihe wollte ich "Ethan von Athos" eigentlich nicht lesen. Vom ersten Lesen hatte ich den Roman als nur mäßig spannend in Erinnerung, vor allem hat mir Miles gefehlt. Gut, dass ich mich doch für einen zweiten Versuch entschieden habe!


    Ethan stammt von der reinen Männerwelt Athos und wird in die grausame, von hinterhältigen Frauen bewohnte Galaxis hinausgeschickt, um Eizellkulturen zu besorgen. Kaum auf der ersten Station seiner Reise angekommen, stolpert er mitten hinein in eine cetagandanische Geheimoperation und muss von Elli Quinn, einer Söldnerin der Dendarii-Flotte, gerettet werden.
    Ich musste oft über den recht naiven Ethan schmunzeln, der so gar nichts vom Leben außerhalb seines beschaulichen Planeten zu verstehen scheint. Anfangs hat er solche Angst vor den "bösen" Frauen, dass er sich nicht einmal traut, ein Restaurant zu betreten. Stattdessen sucht er sich eine nur von Männern frequentierte Kneipe und erkennt, dass das auch wieder falsch war. Nach und nach aber begreift er, dass nicht alles so ist, wie man ihm immer glauben machen wollte. Gegen Ende des Romans ist er zu einem Menschen gereift, der bereit ist, seine Welt zu verändern.


    "Ethan von Athos" ist ein guter Roman, verliert jedoch haushoch gegen manch ein anderes Buch der Barrayar-Reihe, z. B. "Viren des Vergessens" oder "Barrayar".


    ***
    Aeria