Michael Moore - Fahrenheit 9/11

Es gibt 4 Antworten in diesem Thema, welches 1.632 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von chil.

  • Hm, ich finde ja, die Kategorie "Fachbuch" bzw. "Sachbuch" passt nicht hundertprozentig, wenn, dann eher "Populär-Sachbuch" oder sowas in die Richtung. Ich poste meine Rezension dennoch mal hier, sie kann ja verschoben werden, wenn ihr meint, eine andere Kategorie würde besser passen.


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    Kein anderes Ereignis hat die amerikanische Welt wohl mehr getroffen, als die Anschläge des 11. September. Eine ganze Nation trauerte, war wütend und verlangte nach Antworten. Viele dachten, Hilfe und Antwort von ihrem gewählten Volksvertreter, dem 43. Präsidenten der Vereinigten Staaten, George W. Bush, zu bekommen. Schuldige fanden er und seine Gefolgsleute in Osama bin Laden, der Al Quaida und im Irak.


    Michael Moore deckte in seinem Film „Fahrenheit 9/11“ die seltsamsten Verbindungen zwischen Präsidenten Bush und den bin Ladens auf, er zeigt, wie systematisch die Bevölkerung getäuscht wurde und ein Krieg gegen ein Land begann, das dem amerikanischen Volk nie etwas Böses wollte.


    Moore, der für „Fahrenheit 9/11“ die Goldene Palme in Cannes gewann, erregte damit nicht nur in den Vereinigten Staaten großes Aufsehen, sondern auch in Europa. Hüben wie drüben spalteten sich die Geister an der Frage nach der Authentizität des von ihm produzierten Dokumentarfilms. In diesem Buch nun hat er die Filmszenen transkribiert, im zweiten Teil seine Quellen (zumindest teilweise) offengelegt und im dritten Teil Reaktionen der Seher gesammelt. Der vierte Teil widmet sich Artikeln und Kritiken zum Film. Teil fünf befasst sich mit weiteren Artikeln zu Themen aus dem Film, während in Teil sechs Bilder und Karikaturen dazu angeführt sind.


    Zwar gehört Bush mittlerweile der Geschichte an, unumstritten ist wohl, dass er nicht gerade eine glorreiche Vergangenheit für die Welt brachte. Der Film war schon berührend, dann aber auch noch dummdreiste Kommentare Bushs schwarz auf weiß zu lesen, verstärkt diese Wirkung noch. Vielfach wurde Moore vorgeworfen, Fakten zu seinem Gunsten zu verdrehen und keinen wirklichen Dokumentarfilm gedreht zu haben.


    In seinem Buch legt er Quellen offen, die jedermann zugänglich und leicht selbst nachzuprüfen sind. Wie lückenlos diese Offenlegung ist, vermag ich nicht zu beurteilen, aber selbst wenn alles andere reine Erfindung sein sollte, reichen die von ihm angeführten Quellen aus, um zu erkennen, wie die Amerikaner an der Nase herum geführt wurden – von einem Präsidenten, den sie nicht gewählt hatten.


    Zum Thema Dokumentarfilm lässt sich nur sagen, dass Dokumentarfilme eben nicht immer langweilig sein müssen, sondern sich durchaus auch beißender Satire als Stilmittel bedienen dürfen. Dem Film entsprechend ist auch das erste Kapitel des Buches so aufgebaut und lässt sich flüssig und schnell lesen, obwohl durchaus auch nicht offensichtliche Tatsachen erklärt werden. Als Sachbuch kann man das Werk dennoch nicht bezeichnen, immerhin wurde es von einem bekennenden Demokraten verfasst, der damit auch eine Menge Geld verdient hat. Von Neutralität keine Spur.


    Leider hat Moore auch für die Darlegung von Publikumsreaktionen (Teil drei) und Pressereaktionen (Teil vier) gänzlich darauf verzichtet, auch negative Leserbriefe abzudrucken oder schlechte Kritiken zu veröffentlichen. Nicht besonders mutig oder gar ausgewogen. Teil fünf ist außerdem etwas langatmig geraten und einem Nicht-Amerikaner teilweise nicht besonders eingängig. Was „Fahrenheit 9/11“ betrifft, sollte man sich wohl eher den Film ansehen. Eine aufschlussreiche Diskussionsgrundlage – egal welche Meinung man nun vertritt – bietet dieser allemal.


    2ratten

  • Hallo chil,


    die Rezi gefällt mir gut, bis auf zwei Punkte. Deine Einschränkung, es sei vielleicht nicht 100pro ein Sachbuch, differenziert mir zu stark. Was soll es denn sonst sein? Es ist ein Sachbuch, auch wenn es eine Tendenz zeigt. Womit ich beim zweiten Punkt wäre. Der häufig zu lesende Vorwurf an Moore, er wäre nicht ausgewogen, berücksichtige keine negativen Leserbriefe oder schlechte Kritiken, greift meines Erachtens nicht. Moore verschleiert in seinen Arbeiten in keinem Moment seinen Anspruch. Und dieser ist der eines Pamphletes (- nicht negativ -). Er diskutiert nicht den Stand eines Diskurses oder erhebt einen (vorgeblich) wissenschaftlich-neutralen Anspruch. Ausgewogen sind nicht einmal ARD und ZDF in ihren Berichterstattungen zu Themen, die auch Moore bearbeitet, tun aber im Gegensatz zu diesem ständig so. Die Manipulierer finden sich wahrscheinlich nicht dort, wo jemand eine glasklare Position bezieht.


    Grüße,
    mohan

  • Tja, da haben wir eine unterschiedliche Definition zum Thema "Sachbuch". Für mich zeichnet sich ein Sachbuch eben dadurch aus, dass es gut recherchiert ist, seine Quellen lückenlos (hier ist wohl der springende Punkt) darlegt und ausgewogen (was nicht gleichbedeutend mit "neutral" ist) berichtet. Legt man diese (meine) Maßstäbe an das Buch, kann man es nicht als Sachbuch bezeichnen. Und ich bin halt der Meinung, dass man nicht Wasser predigen und Wein trinken soll. Mach was du kritisierst besser - um zu zeigen, wie mans eben machen sollte. Das wäre mein Wunsch an Moore gewesen.


    Versteh mich nicht falsch, ich fand das Prinzip und die Aussage des Films super und wichtig, ich bin auch keineswegs Bush-Fan oder Ähnliches. Der Film hat mir auch gefallen, dem hätte ich wahrscheinlich 5 Punkte gegeben. Aber ich würde ihn nicht als Dokumentarfilm bezeichnen (eben nach meinen Maßstäben). Als Buch jedoch weist die Story für mich Schwächen auf - in der Form, nicht im Inhalt, wohlgemerkt.

  • Hallo chil,


    vermutlich gehen wir nur aus von verschiedenen Differenzierungsebenen, nicht hingegen Definitionen. Zuerst unterscheide ich in Sachtexte und belletristische Texte. Auf einer Subebene lassen sich dann Sachbücher ausdifferenzieren. So in die von Dir geforderten ausgewogenen Texte oder in Pamphlete wie das von Moore.


    Ob Moore Wein trinkt, um in Deinem Bild zu bleiben, kann ich nicht beurteilen. Aber ich bin nicht der Meinung, dass man nur etwas kritisieren darf, wenn man es besser macht oder machen kann. Nicht zuletzt deshalb, weil wir ab einem bestimmten Grad an Komplexität alle die Klappe halten müssten, auch jenseits von Stammtischen, sobald z.B. Politiker oder Banker agieren. Etwas anders machen impliziert nicht zwingend, dass es besser ist.


    Ich halte niemanden für einen Bush-Fan, nur weil Kritik an Moore geübt wird...


    Grüße, mohan

  • Natürlich kann man etwas kritisieren, ohne es zwingend besser machen zu können, allerdings kommt Moore eine besondere Rolle zu. Er ist kein "Normalo" sozusagen, das was er sagt und behauptet, findet Aufmerksamkeit auf einer breiten öffentlichen Ebene. Und so wie er zumindest Ausgewogenheit fordert (weil Neutralität ja sowieso eine nette Illusion ist) sollte er selbst auch die Größe aufbringen, schlechte Kritiken zu veröffentlichen. Er kann sie ja dann wieder entkräften. Aber es würde ihm zusätzliche Seriosität verleihen - die, die ihm durch sein Erscheinungsbild abgesprochen wird :zwinker: