Martin Suter - Der letzte Weynfeldt

Es gibt 6 Antworten in diesem Thema, welches 6.237 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Kiba.

  • Adrian Weynfeldt ist der letzte Spross einer großbürgerlichen, finanziell sehr gut gestellten Familie. Er selber ist unverheiratet, seine große Liebe Daphne verstarb bei einem Autounfall kurz nachdem die Beziehung beendet wurde. Seine Eltern sind bereits gestorben. Sein Leben ist ganz der Kunst gewidmet, auch im Privaten verbringt er die Zeit, wenn nicht alleine, mit den betagten ehemaligen Freunden seiner Eltern oder mit jungen (Möchtegern-)Künstlern, die sich bestens darauf verstehen, seine Großzügigkeit, seine Gutgläubigkeit und vor allem seine finanziellen Mittel und seine bedeutenden Beziehungen im Kunstmilieu auszunutzen.
    Eines Abends tritt Lorena in sein Leben, eine Frau, die ihn an seine unvergessene Daphne erinnert. Als er am nächsten Morgen Lorena von einem Selbstmordversuch abhalten kann, wird er eher ungewollt verantwortlich für deren Leben.


    Martin Suter erweist sich als Meister der deutschen Sprache. Sehr treffend, feinzüngig und voller Ironie skizziert Martin Suter den Charakter des Kunstmäzens Adrian Weynfeldt, sowie das Künstlermilieu im Allgemeinen. Eingebettet in den ihm ererbten guten Namen und materiellen Reichtum führt er ein sehr bequemes Leben. Nach außen hin oberflächlich, kumpelhaft und fast schon naiv erkennt er sehr wohl die Zusammenhänge und weiß auch, warum die Freundschaften zu ihm aufrecht erhalten werden. Doch er will nicht anecken, nicht auffallen, er genießt es, von allen geliebt zu werden und so spielt er den freigebigen Gönner. Die neue Bekanntschaft Lorena schafft es beinahe, dieses Leben aus den Fugen und ihn in den Dunstkreis von Kunstfälschung geraten zu lassen. Die Story selber war absehbar, das Ende fand ich persönlich etwas zu platt, doch habe ich die paar Stunden in der Welt des Adrian Weynfeldt sehr genossen.


    4ratten


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    :blume:&nbsp; Herzliche Grüße!&nbsp; :blume: <br />creative

  • Hi!


    Der positiven Meinung von creative kann ich mich leider nicht ganz anschliessen, für mich hatte das Buch trotz Suters Sprachkunst doch zu viele Mängel. Hier ist meine Meinung:



    Inhalt:
    Der Kunsthändler und Multimillionär Adrian Weynfeldt handelt gegen seine Gewohnheiten, als er eines Abends die hübsche Lorena, die er in einer Bar kennen gelernt hat, mit nach Hause nimmt. Als sie am nächsten Morgen droht, Selbstmord zu begehen und von seinem Balkon zu springen, kann Weynfeldt sie davon abhalten und beginnt so eine fatale Beziehung, während der er noch öfter zu für ihn ungewohnten Mitteln greifen muss.


    Meine Meinung:
    Adrian Weynfeldt mangelt es nicht an Geld, aber ganz eindeutig an einem ehrlichen Umfeld. Seine Freunde teilen sich in zwei Kategorien auf: Zum einen die alten Säcke, die selber Geld haben und für die Weynfeldt einer von vielen Bekannten ist. Zum anderen sind da die jungen Schmarotzer, alles mässig erfolgreiche Leute in künstlerischen Berufen, die sich in harten Zeiten stehts auf ein Darlehen vom guten Weynfeldt verlassen können. Dafür ertragen sie auch seine Gesellschaft. Nicht, dass Adrian Weynfeldt schwer zu ertragen wäre, im Gegenteil. Der Mann ist von ausgesuchter Höflichkeit und grosszügiger, als man auch mit dickem Portemonnaie sein sollte.
    So gesehen kann man die Geschichte um den einsamen, reichen Mann als die Geschichte einer Emanzipation lesen. Während Weynfeldt am Anfang des Buches Geld verteilt, als wäre es nicht seins, tut er das zwar am Ende der Geschichte immer noch; aber er hat dazugelernt und (eben auch mit Hilfe seines Geldes) seine so genannten Freunde hereingelegt – das war ihm am Anfang der Story schlicht nicht zuzutrauen. Schade ist nur, dass die Emanzipation nur eine halbe ist und er es für sich behält, wem er wie auf die Schliche gekommen ist.


    Wenn Weynfeldts Emanzipation vom blauäugigen Gutmenschen zum durchtriebenen Gutmenschen nur halb gelungen ist, so gilt das leider auch für das Buch. Während Suters Kurzgeschichten über die Business Class äusserst gelungen sind, so musste ich leider feststellen, dass sein Stil offenbar nicht für längere Bücher taugt. Der Mann scheint nur ein Erzähltempo zu beherrschen und diese Gemächlichkeit über 300 Seiten am Stück zu ertragen, ist dann schon viel verlangt. Und dann war es leider auch so, dass die Pointe der Geschichte total vorhersehbar war. Schade!


    Suters Stärke liegt definitiv woanders: Er kann in wenigen Sätzen Leute charakterisieren, mit wenigen Worten ganze Bilder entstehen lassen und mit ein paar angedeuteten Biographie-Eckpunkten ganze Charakterprofile überflüssig machen. Das hat er auch in «Der letzte Weynfeldt» bestens hinbekommen und dafür habe ich auch seine Business-Class-Geschichten geliebt. Aber nach spätestens 80 Seiten sollte Schluss sein – weiter trägt sein Beschreibungs- und Erzählmodell leider nicht.


    Fazit:
    Kann man gelesen haben, muss man aber nicht. Ich empfehle stattdessen Suters Kurzgeschichten aus der Business Class.


    5 von 10 Punkten


    :winken:


    Alfa Romea

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • Ich habe das Buch gemeinsam mit Alfa in einer Leserunde gelesen und ziehe mein Fazit auch eher wie sie:


    So recht warm wollte mir mit Martin Suters Buch über den Kunstexperten Adrian Weynfeldt nicht werden. Dabei ist die Geschichte dahinter eigentlich richtig gut: Adrian Weynfeldt ist über 50 und sein Vermögen speist sich aus dem Vermögen der Eltern und den Immobilien, die er teuer vermieten kann. Als Kunstexperte kümmert er sich gerade um die Versteigerung von Kunstwerken schweizer Künstler, als ihm ein Gemälde von Félix Vallotton angeboten wird. Der Verkäufer ist ein alter Freund Weynfeldts und benötigt das Geld für seinen Altersruhesitz. Der Vallotton wäre genau das richtige, um die Versteigerung sonst eher "kleinpreisiger" Werke aufzupeppen. Dessen Besitzer rechnet fest damit, dass ihm der diskrete, langjährige Freund einen ebenso diskreten Gefallen bei der Versteigerung seines Lieblingsgemäldes tut.
    Etwa zur gleichen Zeit wird er in einer Bar von einer jungen Frau angesprochen, die es auf einen reichen Fang abgesehen hat und bei Weynfeldt unwissentlich an den "Richtigen" gerät: Lorena erinnert ihn an eine verflossene Liebe und Weynfeldts Zurückhaltung bricht ein. Allerdings bringt Lorenas Lebensstil sie ansonsten mit wenig integeren Männern in Kontakt und schnell zieht jemand die nötigen Schlüsse, um Lorena als Lockvogel für seine Zwecke einzusetzen.


    Ansonsten ist das Leben Weynfeldts eher dröge: Einer seiner beiden Freundeskreise ist gut ein Dutzend Jahre jünger und lässt sich vom wohlhabenden Weynfeldt als Mäzen regelmäßig mit flotten Summen unterstützen. Oder die Freunde sind übernommene Bekanntschaften der Eltern, mindestens ein Dutzend Jahre älter. Wohlerzogen und korrekt pendelt Weynfeldt zwischen den Welten, ist immer Gentleman und stets ohne große Aufregung in seinem Leben. Den Menschen, die Einfluss auf Weynfeldts Entscheidungen und seinen Geldbeutel nehmen wollen, ist klar, wohin die Reise geht, viel zu vorhersehbar ist Adrian Weynfeldt. Mir als Leser war allerdings auch klar, wohin die Reise geht, nämlich in eine ganz andere Richtung. Doch während andere Romane oder Krimis mich trotz ihrer Vorhersagbarkeit bei der Stange halten konnten, fiel mir das hier etwas schwerer. Ich wollte nicht wissen, wie es weitergeht, ich wollte einfach nur lesen, weil sich da Buch eben ganz gut lesen ließ.


    Zu den Mankos der Story gehörten zudem die beiden Hauptpersonen Lorena und Adrian. Letzterer ist mir viel zu stumpf und lebensfremd gewesen und da half auch nichts, dass er am Ende pfiffiger agierte, als man es ihm zugetraut hatte. Ein Leben grau in grau. Lorena ist ein eher dummes Huhn, die sich mit Lebenserfahrung einiges rettet, aber das eigene Leben dennoch nicht in den Griff bekommt. Sie rettet sich von Job zu Job und sich Adrian als Liebhaber, Lebengefährte oder so etwas Ähnliches zu angeln, sorgt vermutlich für die am besten abgesicherte Phase ihres bisherigen Lebens. Beide sind keine Sympathieträger für mich gewesen. So schön das vorläufige Happyend für die beiden ist, erzählerisch hätte es zum Grauton der Erzählung super gepasst, wenn auch Lorena am Ende die Quittung für ihren Anteil am hinterlistigen Spiel bekommen hätte. Für Adrian ist Lorena aber wohl viel mehr eine späte Rache an der eigenen Mutter. Meinetwegen, das ist auch konsequent so, aber eben vorhersehbar.


    2ratten

    ☞Schreibtisch-Aufräumerin ☞Chief Blog Officer bei Bleisatz ☞Regenbogen-Finderin ☞immer auf dem #Lesesofa


  • Für Adrian ist Lorena aber wohl viel mehr eine späte Rache an der eigenen Mutter.


    Stimmt, daran dachte ich bisher gar nicht... und dabei passt es perfekt zur Umgestaltung des letzten Zimmers. Und der Satz, der mir von diesem Buch in Erinnerung bleiben wird, hat auch mit der alten Frau Weynfeldt zu tun. Es ist der letzte Satz von Kapitel 31 (in dem die Versteigerung stattfindet:


    "Sie [Adrians Mutter] ging für hundertachtzigtausend."


    :breitgrins: :breitgrins: :breitgrins:


    Ich könnte mir vorstellen, den dann und wann leise vor mich hinzumurmeln, wenn zum Beispiel eine unangenehme Person aus meinem Blickfeld verschwindet :smile:


    Banal, einfach, aber schön...

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.


  • "Sie [Adrians Mutter] ging für hundertachtzigtausend."


    :breitgrins: :breitgrins: :breitgrins:


    Ich könnte mir vorstellen, den dann und wann leise vor mich hinzumurmeln, wenn zum Beispiel eine unangenehme Person aus meinem Blickfeld verschwindet :smile:


    Das hätte wirklich etwas :lol:


    P.S. An der "Erkenntnis" bis Du nicht ganz unschuldig, da Du das Thema Emanzipation aufgebracht hast. Da hat es bei mir geklingelt, als ich die Rezi geschrieben habe. Insofern ist das Buch durchkomponiert und konsequent, aber es bleibt für mich zu durchsichtig.

    ☞Schreibtisch-Aufräumerin ☞Chief Blog Officer bei Bleisatz ☞Regenbogen-Finderin ☞immer auf dem #Lesesofa

    Einmal editiert, zuletzt von Bettina ()

  • Da ging mir doch tatsächlich auf Reisen der Lesestoff aus, und ich musste meine Frau anpumpen. Also ein Stück gehobene Unterhaltungsliteratur.


    Die Stärken von Martin Suter sind ganz klar: treffende Charakterzeichnungen und eine elegante, eingängige Prosa. Auch das Thema hier ist interessant gewählt, die Einbettung in die Fälschungsstory ist clever - und deren überraschender Schluss erst recht. Nur: die Geschichte eines Mannes, dessen festgefügtes Koordinatensystem durcheinander kommt, wird an einer ganz ungeeigneten Person durchexerziert. Weynfeldt ist einfach zu reich.


    Suter hätte wissen müssen, dass Leute vom Schlage eines Adrian Weynfeldt selbst im Falle des Strauchelns niemals irgendwo anders hinfallen, als auf die Füße. So kommt es, dass selbst eine handfeste Erpressung erstaunlich oberflächlich abläuft. Eine Person, die, wenn sie einen sechsstelligen chf-Betrag abliefert, allenfalls verärgert reagiert, geht niemandem wirklich nahe. Und so kommt es, dass mich die Geschichte, bei aller Raffinesse und allem stilistischem Geschick, merkwürdig unberührt lässt. Manchmal habe ich mich gefragt, ob die Geschichte nicht interessanter ausgesehen hätte, wenn sie aus der Perspektive von Lorena erzählt worden wäre, die ja ständig am Rande der materiellen und physischen Existenz lebt.


    Und noch eines, auch wenn's nicht entscheidend ist: das ständige Name-and-Label-Dropping ging mir mit fortschreitender Lektüre reichlich auf den Zeiger. Nach Beendigung des Buches habe ich nun ein Kompendium der Namen schweizerischer Maler und Möbeldesigner des 19. und frühen 20. Jahrhunderts beisammen, außerdem eine Sammlung diverser Damenmode-Marken. Am Rande gibt es noch eine kurze Aufzählung von Motorradherstellern aus Italien und Japan, mit einer kuriosen Besonderheit: das Messepersonal eines italienischen Herstellers kommt so schlecht weg, dass dessen Klarname zu "Ducelli" verballhornt werden musste - vermutlich fürchtete Suter juristische Nachstellungen, obwohl man sich an den fünf Fingern abzählen kann, wer gemeint war.


    Auch an den Maßstäben des Genres also nur ein Werk mittlerer Art und Güte mit


    3ratten

    Einmal editiert, zuletzt von Gronauer ()

  • Der letzte Weynfeldt


    Der Schweizer Dr. Adrian Weynfeldt ist über 50, seine hochbetagte Mutter ist seit einigen Jahren tot. Adrian war ein spätes Einzelkind, letzter Spross einer reichen Industriellenfamilie. Er könnte bequem von seinen Zinsen leben, arbeitet aber gern für eine Kunstgalerie. Er ist etwas altmodisch und kann sich verschiedene Marotten leisten: Maßanzüge, eine Haushälterin, eine ganze Wohnetage in eigenen Gebäudekomplex, der an eine Bank vermietet ist. Adrian führt ein ruhiges Leben, bewusst werden Traditionen gepflegt, seine beiden Freundeskreise erhält Adrian aufrecht. Seine „alten Freunde“ hat er von seinen Eltern geerbt, seine „jungen Freunde“ sind wiederum zu jung für ihn, und so steht Adrian irgendwo dazwischen, eigentlich ein bisschen einsam und ganz konkret durch seinen Reichtum immer in einer ihm eher unangenehmen Gönner- bzw Sponsor-Position. Ziemlich nachsichtig lässt Adrian sich von seinen Freunden ausnutzen.


    Als er Lorena trifft, die ihn an seine einzige große Liebe erinnert, bricht Adrian aus seinem Trott aus. Die Frau interessiert ihn, und er ist bereit, einiges für sie zu tun. Aber das scheint eher ein Griff ins Klo zu sein…


    Mein erstes Buch von Suter, und ich habe mich gut unterhalten. Ich war richtig gespannt, wie die Geschichte ausgeht.


    4ratten

    Bücher sind Magie zum Mitnehmen.