Leonardo Padura - Handel der Gefühle (Havanna-Quartett: Frühling)

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    Frühlingsfreude verbreitet der Frühlings-Band des Havanna-Quartetts gar nicht, da darf man sich vom Titel nicht täuschen lassen. Stattdessen beginnt auch der zweite Band mit einem verkaterten Morgen danach. Diesmal kommt zu dem allgegenwärtigen Weltschmerz des kubanischen Ermittlers Mario Conde auch noch Liebeskummer. Er ist frisch verliebt, doch ist die Frau seiner Träume zunächst auf Dienstreise außer Reichweite. Die wichtige Ermittlung auf die er angesetzt wird, kann ihn auch nicht wirklich ablenken. Eine junge Lehrerin wurde ermordet, man hat Rauschgiftspuren in ihrer Wohnung gefunden und sie hat ausgerechnet an der Schule gearbeitet, an der Mario selbst Schüler war. Das schwemmt unerwünschte Erinnerungen herauf an eine Zeit, als noch alles möglich schien – wieder ein Grund mehr seine Enttäuschung mit Rum herunterzuspülen.


    Das Verbrechen ist Nebensache, es geht mehr darum ein Alltagsbild Kubas zu zeichnen. Durch Mario Condes eingestreute Erinnerungsfetzen erfährt man auch immer wieder etwas aus der Vergangenheit Kubas. Auch Probleme des Alltags werden nicht ausgespart, Padura schreibt von Schlangen vor Geschäften oder der schlechten Verfügbarkeit von Alltagsgegenständen und dass Menschen Kuba verlassen, wird ebenfalls nicht totgeschwiegen, das Ganze zeichnet ein Bild fernab vom Urlaubsidyll.


    Rum ist allgegenwärtig als Freund und Beschwichtiger. Würde ich die Padura-Bücher hintereinander weg lesen, würde ich wahrscheinlich zum Alkoholiker mutieren. Vielleicht aber auch nicht, merkt man Leser doch ganz genau, dass Alkohol nur für den Moment hilft und der Katzenjammer nicht fern ist. Mario will kein Mitleid, aber unwillkürlich sieht der Leser viel deutlicher als er selbst, wie kaputt er ist und dass er das Gefühl sein Leben vergeudet zu haben abschütteln muss oder sein Leben ändern. In einer Szene betet er am Grab einer Wunderheilerin: "Ich möchte glücklich sein. - ist das zuviel verlangt?" Nein, möchte man als Leser sagen, ich würde es dir wünschen, so kann es nicht weiter gehen. Trotzdem gehört die Melancholie ebenso zu Conde wie der Rum, die Zigaretten und der Genuss des guten Essens bei der Mutter seines besten Freundes.


    4ratten


    Nebenbemerkung:
    Ich fand es etwas seltsam, welcher Aufstand um eine Marihuana-Zigarette gemacht wird und dass das tatsächlich als großes Drogen-Problem dargestellt wird. Für mich gehört es (vor allem in Kleinmengen) doch eher zu den harmlosen Sachen, die unter Jugendsünden laufen. Klar, an einer Schule sollte so etwas nicht gehandelt werden, aber in der Realität gab es doch immer Mitschüler, von denen man ahnte oder wusste, dass sie etwas besorgen können - so etwas bekommt man sogar als Nicht-Konsument mit. Kuba scheint da eine deutlich härtere Politik zu fahren.

  • Gerade habe ich mir noch einmal meinen Kommentar zum ersten Band angesehen und eigentlich könnte ich etliches daraus ohne Änderung hierhin übernehmen. Zwar hatte ich nicht ernsthaft erwartet, daß Conde plötzlich seinen Alkoholkonsum reduziert, das ändert aber nichts daran, daß mich dieses übermäßige und eigentlich grundlose Saufen abstößt. Und da der Teniente sich immer noch vor allem im Selbstmitleid suhlt, wird er mir auch nicht sympathischer – im Gegenteil.


    Erschwerend kommt hier noch etwas hinzu, was mir im Winter-Band zumindest nicht so extrem aufgefallen ist: eine ziemliche Vulgarität im Ausdurck und im Umgang nicht nur Condes mit seinem Freund Carlos, sondern insgesamt. Es ist nicht so, daß mich dergleichen entsetzt oder abstößt, aber es ist etwas, was ich nur in unmittelbarer Mündlichkeit gut ertrage, geschrieben, jedenfalls als „tragende Stimmung“ in einem Buch und nicht nur für einzelne Szenen, finde ich es eher langweilig bis nervtötend.


    Da mich dieser Band also noch weniger überzeugt hat als sein Vorgänger, werde ich von der verbleibenden Quartett-Hälfte dann doch Abstand nehmen. Die Lesezeit kann ich wohl für mich sinnvoller verwenden.