Jan Graf Potocki - Die Handschrift von Saragossa

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    Amazon Kurzbeschreibung
    Die sechsundsechzigtägige Reise des Offiziers Alfons van Worden gibt den Handlungsrahmen ab für Potockis phantastisch-phantasievolles Erzählwerk 'Die Handschrift von Saragossa'. Seine Lust am Okkultismus wie die Lust am Galanten, gepaart mit einer intelligenten Immoralität, lassen den Roman ebenso reizvoll erscheinen wie seine Vorbilder 'Das Dekameron' und 'Die Erzählungen aus den 1001 Nächten'.


    Meine Meinung
    Tja, die Lobeshymnen, daß Potocki so etwas wie die 1001 Nächte des Abendlandes geschaffen habe, haben mich zu diesem Buch geführt.
    Es ist ein ziemlicher Wälzer, der erst im 20. Jahrhundert dem Vergessen entrissen wurde. Potocki war ein umfassend gebildeter Reisender, um dessen Tod sich so einige Legenden ranken.
    Am Anfang hat mich die Geschichte wirklich in den Bann gezogen, aber das Ganze mäandert permanent hin und her. Lebensberichte sind bis zu fünffach ineinander geschachtelt, das sich selbst die Protagonisten beschweren, den Überblick zu verlieren. Viele literarische Genre sind vertreten - Gruselroman, Abenteuergeschichte, love story... Das Nachwort ist voll des Lobes ob der künstlerischen Verarbeitung. Dem kann ich nicht so ganz zustimmen. Eine Straffung auf ca. ein Drittel des Buches hätte dem Leser einige Durststrecken ersparen können. Sicher gibt es einige witzige Passagen (am meisten mochte ich die Geschichte von Hervas), aber das reicht nicht für ein Buch von 900 Seiten. Daher nur 3ratten.

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001

  • Im Jahr 1739 reist Alfons van Worden, seines Zeichens Hauptmann der Wallonischen Garde und auf dem Weg nach Madrid, durch die Sierra Morena. Zwar wurde ihm davon abgeraten, es wimmele dort von Geistern und Gespenstern und überhaupt sei man dort als Reisender allen möglichen Gefahren ausgesetzt, aber Alfons will den kürzesten Weg nehmen. Dies entpuppt sich für ihn als Auftakt zu einer 66 Tage dauernden Odyssee durch die Sierra Morena, in deren Verlauf er zunächst seine beiden Diener verliert, dann zwei Damen kennenlernt, die sich als seine maurischen Cousinen vorstellen, weiterhin einen Einsiedler, einen Zigeunerhauptmann, einen Kabbalisten und seine Schwester, einen gedankenverlorenen Mathematiker sowie diverse andere mehr oder weniger merkwürdig Leute. Da die Tage und Nächte recht eintönig verlaufen, wird die Zeit mit dem Erzählen der jeweiligen Lebensgeschichten gefüllt, wozu jeder aus dieser Haupthandlung in unterschiedlichem Umfang beiträgt. Diese Geschichten machen es oftmals erforderlich zu berichten, wie dem Erzähler eine andere Lebensgeschichte erzählt wurde, in der wiederum diesem zweiten Erzähler eine Lebensgeschichte erzählt wird, in der ...


    Diese Lebensgeschichten, die häufiger drei-, mindestens an einer Stelle vierstufig geschachtelt waren (oder waren es sogar fünf? Da bin ich gar nicht mehr ganz sicher.), decken so ziemlich alles ab, was man sich wünschen kann: Grusel mit Geistern und Gespenstern aller Art, Abenteuer mit Piraten und Räubern, Verwechslungskomödien, unglückliche Liebe, Phantastik, Geschichte, Philosophie, Theologie, Mathematik und Naturwissenschaften, Kabbalistik, ... Dabei wirkte das Ganze auf mich nicht einmal überladen, und im Gegensatz zu BigBen fand ich es auch nicht um so vieles zu lang. Ja, auch für mich gab es die ein oder andere Länge, aber im großen und ganzen vermochte mich die Erzählung (oder vielmehr die Erzählungen) ohne Probleme über diese Strecke zu tragen, dafür sind sie durchaus abwechslungsreich genug. Und mir fiel es auch nicht besonders schwer, in den Schachtelungen die jeweils richtige Erzählebene wiederzufinden.


    Etwa nach der Hälfte dürfte es gewesen sein, daß ich es bedauert habe, kein Personenverzeichnis mit Familienstammbäumen anzulegen. Zu diesem Zeitpunkt fiel mir nämlich auf, daß es zwischen den Personen und ihren Geschichten Querverbindungen geben müsse, die nicht offensichtlich waren. Tatsächlich klärte sich das zum Ende hin auch, und ich glaube sagen zu können: vollständig, auf – wenn auch auf etwas andere Weise als ich zwischenzeitlich vermutet hatte. Es wäre eben nur schön gewesen, hätte mir ein solches mitgeführtes Verzeichnis das auch schwarz auf weiß bestätigt :zwinker:


    Der ganze Rhythmus der Erzählung(en) ist dabei durchaus etwas behäbig, wer sich häufiger in dieser Entstehungszeit literarisch herumtreibt, dürfte sich darüber nicht wundern. Potocki läßt sich manchmal durchaus Zeit, wirklich rasant ist die Handlung eher selten, obwohl Zotos Geschichte auch in dieser Hinsicht schon einiges zu bieten hatte. Daneben habe ich vor allem auch die Ausführungen des zerstreuten Mathematikers sehr genossen, aber eigentlich sollte hier jeder eine Lieblingsgeschichte finden können.


    4ratten


    Schönen Gruß
    Aldawen