James Hilton - Der verlorene Horizont

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  • James Hilton – Der verlorene Horizont


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    Inhaltsangabe:


    Wegen ausgebrochener Unruhen müssen vier Ausländer – drei Briten und ein Amerikaner – aus Indien evakuiert werden. Doch das Flugzeug, mit dem sie in Sicherheit gebracht werden sollen, wird entführt und muss in einem Sturm auf einer unwirtlichen Hochebene in Tibet notlanden, wobei der Pilot stirbt. Im nahe gelegenen Kloster Shangri-La werden die vier Reisenden gastfreundlich aufgenommen.
    Da sie nicht alleine den Weg in die „Zivilisation“ zurück finden können, müssen sie auf das Eintreffen einer Versorgungstruppe warten, welche regelmäßig alle paar Monate in das abgelegene Tal kommt, und mit der sie dann zurück reisen können.
    Die Hauptperson Conway – ein britischer Konsulatsangehöriger – lässt sich während der Wartezeit vom Leben in Shangri-La faszinieren und erfährt dabei in Gesprächen mit dem Hohen Lama, dass sie keineswegs zufällig hier sind. Im Gegenteil, sie wurden absichtlich als mögliche Novizen hierher gebracht.
    Staunend erfährt Conway von dem Geheimnis des Klosters – hier vergeht die Zeit langsamer, und die Mönche und Nonnen, die sich der Gelehrsamkeit verschrieben haben, werden uralt.
    Als dann die Möglichkeit zur Abreise kommt, müssen sich die vier Reisenden entscheiden, was sie tun wollen ...


    Diese Geschichte ist in eine Rahmenhandlung gebettet, die im Jahr 1933 spielt. Die Geschichte selbst ist einige Jahre vorher angesiedelt.


    Der erste Satz (Prolog):


    „Unsere Zigarren waren fast zu Ende geraucht, und allmählich spürten wir einen Anflug von jeder Enttäuschung, die alte Schulkameraden meistens befällt, wenn sie als Männer wieder zusammenkommen und entdecken, dass sie weniger gemeinsam haben, als sie annahmen.“


    Meine Meinung zum Buch:


    Beim Lesen dieses Buches bekommt man immer wieder Sehnsucht nach der Utopie von Shangri-La, der Oase der Ruhe, der Weisheit und der Gelehrsamkeit, abseits von Kriegen und Verbrechen.
    Ich habe mich aber trotzdem mehrfach gefragt, wie ich wohl an Stelle der vier „Novizen“ reagieren würde – würde ich mich als Gast oder als Gefangene fühlen? Zu utopisch erschien mir das beschriebene Leben dort, auf die Dauer zu ruhig, zu abgeklärt, zu leidenschaftslos. Diese Leidenschaftslosigkeit ist es aber, welche die Hauptperson Conway anzieht, und dies wird auch im Buch deutlich gemacht – Conway gehört zu der „Lost Generation“, welche im ersten Weltkrieg alle Illusionen verlieren musste, und das Leben in Shangri-La kommt seiner Einstellung sehr entgegen.
    Die übrigen Hauptpersonen sind eher flach charakterisiert, aber das stört keinesfalls, denn entscheidend sind ihre Motive für die Abreise oder das Bleiben im Kloster, und diese werden sehr gut deutlich.


    Bei Wikipedia habe ich gelesen, dass dieses Buch sehr stark den westlichen Blick auf Tibet geprägt hat – auf jeden Fall wäre dies ein sehr idealistischer Blick, eine Sehnsucht nach einer heilen Welt.
    Beeindruckt hat mich auch der vom Hohen Lama beschriebene Sturm: „Es wird ein Sturm sein, mein Sohn, wie ihn die Welt noch nie gesehen hat. Es wird keine Sicherheit durch Waffen geben, keine Hilfe von Herrschern, keine Antwort der Wissenschaft.“ Wenn man bedenkt, dass dieses Buch 1933 geschrieben wurde, erscheint mir diese Passage wie eine Prophezeiung.


    Mich wird dieses Buch noch eine lange Zeit beschäftigen, denn Hilton lässt kein ideales Leben und kein ideales Ende zu. Conway muss sich entscheiden, ob er in der gelehrsamen Abgeschiedenheit bleiben will oder ob er die Lebens-Leidenschaft – dargestellt im Mitreisenden Mallinson und der (scheinbar) jungen Chinesin Lo-Tsen – wählt. Und der Leser weiß, dass Conway mit jeder Alternative etwas verlieren wird, nach dem den Rest seines Lebens suchen muss.
    Ich habe die letzten Seiten mit einem Gefühl der Trauer gelesen. Trotzdem möchte ich das Buch empfehlen.


    Viele Grüße von Annabas :winken:

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    Dies ist ein Buch, das mich gefunden hat, in einer etwas chaotischen Second-Hand-Buchhandlung in Philadelphia. Ich hatte vorher noch nie von James Hilton und seinem berühmtesten, 1933 erschienenen Roman gehört, auch Shangri-La war mir nicht wirklich ein Begriff, zumindest keiner, den ich mit einem Buch in Verbindung brachte. Mir gefiel der Buchrücken im Regal, ich zog es heraus, das Cover gefiel mir auch und so nahm ich es mit, ohne groß auf die Inhaltsangabe zu schauen.


    Schon beim ersten Lesen hat es mich in seinen Bann gezogen, ich war tief beeindruckt und hin- und hergerissen zwischen der Sehnsucht nach diesem friedvollen, sorgenlosen Ort und dem Gefühl, mit einer solchen Leidenschaftslosigkeit niemals zurecht kommen zu können. Es ist ein Buch, das mich seitdem oft beschäftigt hat und sicher mit auf die Liste für die einsame Insel (oder das einsame Lama-Kloster :zwinker:) käme. Deswegen habe ich es auch als Wohlfühlbuch für diese Monatsrunde angemeldet und mich schon riesig darauf gefreut, es wieder in die Hand nehmen zu können.


    Bisher habe ich die ersten 83 Seiten gelesen.


    Das Buch beginnt mit einem Prolog, in dem der Ich-Erzähler der Rahmenhandlung an ein Manuskript gelangt, das Aufzeichnungen eines Gesprächs mit dem nach einer Flugzeugentführung offiziell als verschollen geltenden Glory Conway enthält und von seinen Erlebnissen nach der Entführung handelt. Conway war krank und ohne Gedächtnis in einer indischen Missionsstation aufgetaucht, hat später aber seine Erinnerungen wiedererlangt und ist seitdem wieder verschwunden.


    Die eigentliche Geschichte beginnt nun im Flugzeug, das vier Passagiere, zwei Mitglieder des Konsulats (einer davon ist Conway), eine Missionarin und einen Amerikaner aus der von Unruhen bedrohten indischen Stadt Baskul bringen soll. Bald fällt auf, das der Pilot einen falschen Kurs einschlägt, als Conway mit ihm sprechen will, wird er mit einer Wache bedroht. Das Flugzeug muss mitten in den Bergen notlanden, der Pilot stirbt, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass sich in der Nähe ein Kloster befindet.
    Gerade als die vier beschlossen haben, das Kloster zu suchen, kommt ihnen eine Gruppe Einheimischer entgegen, um sie dorthin zu begleiten. Sie werden freundlich empfangen, doch Conway argwöhnt bereits, dass es kein Zufall war, der sie in diesen abgelegenen Teil der Welt verschlagen hat.


    Schon jetzt werden sie Unterschiede in den Charakteren der vier Entführten klar. Conway hat den ersten Weltkrieg erlebt und überlebt und nimmt die Situation sehr leidenschaftslos an. Auch die Missionarin, Miss Brinklow, und der Amerikaner, Barnard, bleiben relativ gelassen. Nur der junge Mallinson ist außer sich und will am nächsten Tag sofort Träger und Führer finden, die sie wieder zurück in die Zivilisation bringen.

    :lesen: Anthony Powell - The Kindly Ones <br /><br />Mein SUB<br />Meine [URL=https://literaturschock.de/literaturforum/forum/index.php?thread/32348.msg763362.html#msg763362]Listen

  • Ich habe mittlerweile zwei Drittel des Buches gelesen.


    Es stellt sich heraus, das keiner der Bewohner des Tales bereit ist, als Führer oder Träger die vier Entführten wieder in die "Zivilisation" zurückzubegleiten, und so bleibt ihnen nichts anderes übrig, als auf den nächsten Besuch der Händler zu warten, die alle paar Monate das Kloster ansteuern.


    So gewöhnen sich Conway und seine Schicksalsgenossen an den Gedanken, länger im Kloster zu bleiben und finden sogar Gefallen daran, gibt es doch eine Bibliothek und ein Musikzimmer, viel Ruhe, gute Mahlzeiten und sogar moderne Badezimmer. Einzig der junge Hitzkopf Mallison hadert immer wieder damit, fügt sich aber zähneknirschend.


    Nach einiger Zeit wird Conway zum Hohen Lama gerufen, der ihm schließlich das Geheimnis von Shangri-La enthüllt und ihm und seinen Gefährten ein langes, ruhiges, friedliches Leben weitab der restlichen Welt im Kloster anbietet. Denn tatsächlich war die Flugzeugentführung kein Zufall, sondern von langer Hand geplant, da sich wegen der weltgeschichtlichen Ereignissen seit Jahren keine Neuankömmlinge mehr in das Tal verirrt haben.

    Conway begegnet diesen Neuigkeiten - wie allem anderen auch - so gut wie emotionslos. Seinen Streben nach Ruhe und Einfachheit käme das Leben im Kloster sogar sehr gelegen, so dass ihn die Vorstellung, sein Leben lang in Shangri-La zu bleiben, nicht schreckt.


    Seine Leidenschaftslosigkeit erklärt er mit dem Krieg 1914-1918, den er als Soldat durchlebt hat und in dem alle Emotionen aufgebraucht wurden, so dass nur noch ein Gefühl der grenzenlosen Langeweile übriggeblieben ist. Selbst der Hohe Lama, der ja eigentlich eine solche Mäßigung aller Gefühle anstrebt, staunt über Conway´s verhaltene Reaktionen.


    Conways Gefährten wurden bislang noch nicht in die Geheimnisse des Klosters eingeweiht und besonders Mallison rechnet fest damit, das Tal in wenigen Monaten wieder verlassen zu können.

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    Inhalt:
    Anfang der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts wird ein Flugzeug, das vier Passagiere aus der von Unruhen bedrohten indischen Stadt Baskul hätte evakuieren sollen, entführt. Der Pilot muss im tibetischen Hochland notlanden, die Entführten werden sehr gastfreundlich im nahegelegenen Kloster Shangri-La aufgenommen.
    Bald stellt sich heraus, dass es so schnell keine Möglichkeit geben wird, das Kloster wieder zu verlassen. Der britische Konsulatsangestellte Conway nimmt diesen Umstand sehr gelassen an, sein jüngerer Kollege Mallison dagegen will mit allen Mitteln versuchen, wieder in die "Zivilisation" zu gelangen.
    Conway beschleicht der Verdacht, dass die Entführung des Flugzeugs kein Zufall gewesen war.
    Tatsächlich bieten die Lamas den Neuankömmlingen ein langes friedliches Leben und die Zeit, sich ganz ohne Störungen ihren Interessensgebieten zu widmen. Dafür werden sie das Tal des blauen Mondes auch nie wieder verlassen.
    Während Conway und die beiden anderen Passagiere des Flugzeugs schnell von der ruhigen, fast traumartigen Atmosphäre Shangri-La´s eingenommen werden, will Mallison unter keinen Umständen sein Leben fernab von der Welt verbringen.


    Meine Meinung:
    Ich habe dieses Buch nun zum zweiten Mal gelesen und wieder hat es mich schwer beeindruckt. James Hilton hat mit diesem 1933 erschienenen Buch sicher einen Nerv getroffen in einer Welt, die einen verheerenden Weltkrieg hinter sich hat und nur wenige Schritte vor der erneuten Katastrophe (die im Buch erschreckend treffend prophezeit wird!) steht.


    Aber auch mich, die ich keinen Krieg erlebt habe, sondern nur die normale Hektik des Alltags im 21. Jahrhunderts kenne, spricht dieser Roman an.
    Wäre es nicht wunderbar, seine Tage nur mit den Dingen verbringen zu können, die einem Freude bereiten und die einen interessieren? Keine Termine mehr, keine Eile, keine To-do-Listen? Dafür Ruhe, Frieden und vor allem: ZEIT!
    Dann aber ist da der junge Mallison, der Shangri-La als Gefängnis empfindet, für den die Lamas Halbtote sind die ohne Gefühlsregungen vor sich hinvegetieren und deren Schicksal er auf gar keinen Fall teilen will. Und hat er nicht auch recht? Was wäre das Leben ohne Leidenschaften, ohne Liebe, ohne Mitleid?


    "Lost Horizon" ist aber nicht nur ein Roman über die unterschiedlichen Lebensanschauungen von Ost und West, Abendland und fernem Osten, auch wenn der Autor damit sicherlich das Bild Tibets in den Augen von Europäern und Amerikanern wesentlich geprägt hat.
    Es ist für mich auch ein Anti-Kriegs-Buch, zeigt es doch am Beispiel Conways, was die Leiden und Schrecken des Krieges aus den Menschen machen. Conway mag bedächtig und gefestigt erscheinen, und ist dabei doch nur leer, ausgebrannt und deshalb bereit, der Welt den Rücken zu kehren.


    Für mich gehört "Lost Horizon" sicher zu den Büchern, die mich am nachhaltigsten beschäftigen. Ich bin auch sicher, dass ich es nicht zum letzten Mal gelesen habe.


    5ratten

    :lesen: Anthony Powell - The Kindly Ones <br /><br />Mein SUB<br />Meine [URL=https://literaturschock.de/literaturforum/forum/index.php?thread/32348.msg763362.html#msg763362]Listen

    Einmal editiert, zuletzt von knödelchen ()

  • Conway hat sich bereits auf ein Leben in Shangri-La eingestellt, doch der ungestüme Mallison bringt ihn schließlich dazu, Shangri-La in einer Nacht und Nebel-Aktion zu verlassen, zusammen mit der - zumindest äußerlich - jungen Chinesin Lo-Tsen.


    Nachdem Conway wieder kurz in der Zivilisation aufgetaucht ist, verschwinden seine Spuren auch schon wieder. Sein letztendlicher Verbleib kann nicht geklärt werden, es ist jedoch zu vermuten, dass es wieder zurück wollte, nach Shangri-La, ins Tal des blauen Mondes.


    Dieses offene Ende macht sicher auch einen gewissen Reiz aus, kann sich jeder Leser so selbst ausmalen, wohin Conways Weg am Ende führte und was aus ihm geworden ist.


    Hier ist meine Rezi.

    :lesen: Anthony Powell - The Kindly Ones <br /><br />Mein SUB<br />Meine [URL=https://literaturschock.de/literaturforum/forum/index.php?thread/32348.msg763362.html#msg763362]Listen

  • Das hört sich super an, vielen Dank für die Eindrücke!


    Mich fasziniert es auch oft, wie treffend in vielen Büchern aus dieser Zeit der kommende 2. Weltkrieg vorhergesehen wird.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Ich hab den thread gerade erst entdeckt. Die bib hat es online nicht. Vielleicht bekomme ich es irgendwo anders online zum lesen.

  • Meine Meinung



    Mich fasziniert es auch oft, wie treffend in vielen Büchern aus dieser Zeit der kommende 2. Weltkrieg vorhergesehen wird.


    Das mag daran liegen, dass der Schrecken des ersten Weltkriegs noch sehr frisch war. Es ist den Menschen bewusst geworden dass so etwas wieder passieren kann. Und natürlich war das Thema ein gutes Motiv um den Umsatz eines Buchs anzukurbeln :zwinker:


    In dieser Zeit nach einem Garten Eden zu suchen, ist nur natürlich. So begeistert wie Conway anfangs ist, so skeptisch ist er später. Er ist zu sehr Vernunftsmensch, um sich auf das Shangri-La einzulassen. Erst später erkennt er, was er verloren hat. Auf der anderen Seite kann ich mir auch gut vorstellen, dass es ihm ähnlichgegangen wäre, wäre er dort geblieben. Er macht sich zu viele Gedanken, um so eine Entscheidung leichtfertig zu treffen. Dazu hat er zu viel erlebt und gesehen.


    Der verlorene Horizont ist definitiv ein Buch, das zum Nachdenken anregt und das man durchaus mehrmals lesen kann.
    4ratten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.