Meine Meinung zum Buch:
"Die Bücherdiebin" war für mich ein ganz besonderes Buch, das mich sehr beeindruckt hat. Sehr geschickt eingefädelt, fungiert hier der Tod als Ich-Erzähler und schafft einen Rahmen für die Geschichte des Mädchens Liesel, das während des zweiten Weltkriegs in einem kleinen Ort bei München aufwächst.
Der Tod macht das recht unterhaltsam; er erzählt gerne von sich, wie er die Welt sieht und was an seiner Arbeit das Besondere ist. Immer wieder schweift er vom Thema ab, aber ich bin ihm gerne gefolgt auf seinen kleinen philosophischen Ausflügen. Am Beginn eines jeden Kapitels werden die Mitwirkenden aufgezählt; das können Personen, Dinge, aber auch Ereignisse sein, die dem Leser schon eine kleine Vorahnung dessen geben, was ihn demnächst erwartet. Überhaupt greift der Tod gerne vor und erzählt von Dingen, die später passieren werden. Das geschieht so beiläufig, dass mich der Schock beim Lesen oft erst mit Verzögerung erreichte und ich nicht glauben konnte, was ich da lesen musste. Außerdem streut der Tod häufig kleine Zwischenbemerkungen in die Erzählung ein und kommentiert das Geschehen auf seine ganz spezielle Weise. Dieser erzählerische Kniff schafft eine gewisse Distanz zur Geschichte, die mir über manche Szene sehr gut hinweggeholfen hat.
Die eigentliche Geschichte ist sehr mitreißend erzählt und ich konnte das Buch fast nicht aus der Hand legen. Liesel wächst bei ihren Adoptiveltern auf und erlebt die Naziherrschaft in Molching bei München von Beginn an mit. Dabei steht dieser Aspekt zunächst nicht im Vordergrund; das harte und entbehrungsreiche Leben dieser kleinen Familie wird beleuchtet, vor allem die innige Beziehung von Liesel zu ihrem Adoptivvater und die etwas robustere zu ihrer Adoptivmutter, ihre Freundschaften und ihre Umgebung. Nur langsam schleicht sich das Gift der Nazis in den Alltag ein; Liesel geht beispielsweise zum Bund der Jungmädel und es scheint völlig normal, da alle dies tun. Nach und nach aber bekommt die augenscheinliche Normalität Risse - Bücher werden verbrannt, Juden werden verfolgt und irgendwann bricht der Krieg aus, der den Menschen drastische Lasten auferlegt, sowohl in psychischer Hinsicht als auch in physischer.
Eine sehr wichtige Rolle spielen die Bücher in Liesels Leben; aus ihnen schöpft sie ihre Kraft und Lesen ist ihr Lebenselixier. Anfangs scheint jedes Buch eine unüberwindbare Hürde zu sein, aber je besser sie das Lesen lernt, desto mehr Faszination üben Bücher auf sie aus und der Titel verrät ja bereits, dass sie zur Bücherdiebin wird und so manches Exemplar stibitzt. Mich hat das sehr gerührt, mit welche Inbrunst sie ihre wenigen Bücher immer wieder und wieder liest, und mit welche Ehrfurcht sie vor einem Bücherregal steht.
Trotz sehr vieler beklemmender Szenen habe ich mich nie unwohl mit dem Buch gefühlt; über lange Strecken hinweg begleitet ein positiver Beiklang auch die schlimmsten Szenen. Die Figuren machen das Beste aus ihrer Lage und nehmen ihr Schicksal an. Doch je weiter der Krieg voranschreitet, desto hoffnungsloser sieht es für sie aus und am Ende des Buches wird der Leser dann doch mit den sehr harten nackten Tatsachen des Krieges konfrontiert. Der Schluss hat mich sehr bewegt und mir so einige Schniefer beschert, aber ich verließ Liesel trotz allem mit einem guten Gefühl.
Erzählerisch und sprachlich hat mich das Buch vollkommen in seinen Bann gezogen; insbesondere die eingestreuten Kurzgeschichten und Illustrationen, die Teil der Geschichte sind, fand ich einfach nur genial gemacht. "Die Bücherdiebin" hat mich nach der Lektüre noch sehr lange beschäftigt und ich möchte das Buch uneingeschränkt weiterempfehlen, da es eines der besten ist, die ich seit langem gelesen habe.