Kriminalistische Genauigkeit und Recherche im Roman

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  • Hallo ihr Lieben,


    bei den historischen Romanen ist das ja ein absolutes Reizthema. Nun frage ich mich natürlich, warum sich die Gemüter bei anderen Genres nicht genauso erhitzen. Oder tun sie das vielleicht doch.


    Was muss ein Krimi / Thriller für euch haben - von Spannung und Unterhaltung abgesehen.


    Welchen literarischen, logischen und wissenschaftlich korrekten Anspruch habt ihr in dieser Hinsicht? Müssen die Ermittler nach realen Vorgehensweisen agieren? Oder kann das vom Autor vernachlässigt werden?


    Mir geht es wie bei den historischen Romanen - ich weiß nicht wirklich, wie ein Polizist hier (oder auch anderswo) ermittelt, wie ein Gerichtsmediziner untersucht oder wie die Spurensicherung tatsächlich vorgeht. Also gilt für mich erneut: Wenn mir das Buch gefällt, prüfe ich bestimmt nicht nach, ob der Autor Mist erzählt (solange er dies schlüssig tut).


    Beispiel Dan Brown und "Illuminati" - für mich ein sehr spannendes, lesenswertes Buch... bis auf die letzten 200 Seiten, die mir das komplette Werk verdorben haben. Hier war nichts mehr schlüssig, sondern einfach nur noch an den Haaren herbeigezogen. Das hat mich dann sehr genervt, aber ich mache mich über dieses "American Hero" Gehabe eher lustig.


    Ich bin mir sicher, dass die meisten Polizisten beim größten Teil der heutigen Kriminalliteratur aufschreien.


    Liebe Grüße
    nimue

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

    Einmal editiert, zuletzt von ()

  • Zitat von "nimue"

    Also gilt für mich erneut: Wenn mir das Buch gefällt, prüfe ich bestimmt nicht nach, ob der Autor Mist erzählt (solange er dies schlüssig tut).


    Ich sehe das wie Du, Nimue. Außerdem finde ich es ausufernd, alles genauestens nachzuprüfen und ich weiß auch gar nicht, ob man bei Krimis oder Thrillern einen hohen Realitätsanspruch haben sollte...


    Zudem möchte ich mich unterhalten und nicht demnächst als Gerichtsmedizinerin oder Kriminalistin arbeiten (Nein, eine neue Miss Marple kommt da nicht! :zwinker: ).


    Ich weiß aber zufällig aus einer Reportage, daß die gerichtsmedizinischen Details bei P.Cornwell stimmen...somit könnte aus mir vielleicht doch glatt eine Gerichtsmedizinerin werden, mit allen möglichen Sägen und sonstigem Zubehör bin ich vom Lesen vertraut... :zwinker:


    LG


    Bianca

  • Zitat von "nimue"

    ich weiß nicht wirklich, wie ein Polizist hier (oder auch anderswo) ermittelt, wie ein Gerichtsmediziner untersucht oder wie die Spurensicherung tatsächlich vorgeht. Also gilt für mich erneut: Wenn mir das Buch gefällt, prüfe ich bestimmt nicht nach, ob der Autor Mist erzählt


    So geht es mir auch. Wenn ein Buch sehr spannend ist, kann ich sogar einige Ungereimtheiten überlesen.
    Zwar habe ich auch Illuminati gerne gelesen, war aber doch von den "Superhelden" genervt: alle sehen gut aus und sind auch sonst perfekt. Da lobe ich mir dann doch z.B. Henning Mankell - Kommissar Wallander ist ein Mensch mit einer zerbrochenen Ehe und einer Tochter auf dem Selbstfindungstrip, ganz bestimmt kein Supermann.


    Wer außer einem Polizisten, Juristen oder Gerichtsmediziner weiß schon, wie das Prozedere bei einem Mordfall tatsächlich abläuft? Im Zweifel plädiere ich also für den Schriftsteller. :smile:

    viele Grüße<br />Tirah

  • Erstmal muß das Buch natürlich spannend und in sich schlüssig sein.


    Aber wenn dicke Fehler drin sind, verleidet es mir das Lesen total. :entsetzt: Wenn ein Polizist am Tatort eine Zyanose (blaue Lippen, blaue Finger etc) bemerkt und daraus messerscharf schließt, daß derjenige erstickt wurde, dann wachsen mir echt graue Haare.


    Oder eine Leiche hat 3 Monate in freier Natur verbracht und kein Insekt weit und breit zu entdecken, neeee da kann ich nicht drauf. Gerade bei Thrillern und Krimis muß wenigstens die wissenschaftliche Seite in Ordnung gehen. Und wenn nicht, pah dann kann das Buch bei mir keinen Blumentopf gewinnen. :pueh:

    Liebe Grüße<br />Galadriel<br /><br />Das Lächeln ist eine Kurve, die manches gerade biegt.

  • Galadriel


    ok, also bei soooo dicken Fehlern vergeht mir auch die Lust! :grmpf:


    Wobei bei solchen Fehlern ein Buch für mich auch sonst keine Unterhaltunswert mehr hat°


    LG


    Bianca

  • Hm, gute Frage ...


    Mit einem Buch-Beispiel kann ich leider gerade nicht dienen, aber im Fernsehen schau ich mir gerne "CSI: Miami" an. Ernst nehmen kann ich die Sendung überhaupt nicht - mal davon abgesehen, dass Opfer, Ermittler und Verdächtige prinzipiell aussehen wie frisch einer Modellagentur entsprungen, sind die Analysenmethoden (ich kann aber nur die genetischen und molekularbiologischen beurteilen) meistens total lachhaft an den Haaren herbeigezogen. Trotzdem - irgendwas hat die Serie an sich, was mich reizt, und deswegen wird sie angeschaut. Basta! :sonne:


    Ich denke mal, für meinen Teil lässt sich das so auch auf Kriminalromane und Thriller übertragen. Wobei es mir bei Illuminati genauso ging wie dir, nimue: hab das Buch eigentlich ziemlich genossen, aber der Schluss kostet einiges an Punkteabzug.


    LG, Bluebell

    [color=darkblue]&quot;Date a girl who reads. Date a girl who spends her money on books instead of clothes. She has problems with closet space because she has too many books. Date a girl who has a list of b

  • Ja, diese superschönen, superschlauen Superhelden gehen mir auch ziemlich auf den Keks (und auch ich fand das Ende von "Illuminati" sehr hollywoodig).


    Mich nerven auch wissenschaftliche Ungenauigkeiten (sofern ich sie beurteilen kann) in Krimis, aber auch Schlüsse, die die Ermittler scheinbar aus dem Nichts ziehen und die sich an nichts festmachen lassen :rollen:


    Galadriel: das mit der Zyanose find ich interessant ... vielleicht bin ich doof, aber ich hätte das jetzt spontan für richtig gehalten. Klär mich doch mal auf ;)

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • @ Valentine: Eine Zyanose kann unendlich viele Ursachen haben, unter anderem ein Herzleiden oder eben Erstickungstod. Aber nur den Anblick einer Zyanose als Aha! für einen gewaltsamen Tod durch Ersticken zu nutzen ist mehr als abenteuerlich. :breitgrins: (Ich weiß, ich bin ein Klugscheißer :redface: )

    Liebe Grüße<br />Galadriel<br /><br />Das Lächeln ist eine Kurve, die manches gerade biegt.

  • Ich bin auch eurer Meinung: Dass alles 100%ig korrekt ist, muss nicht sein. Wenns dann aber zu unlogisch wird, ist auch der Lesespaß futsch.
    So lange das Buch spannend ist, ist alles okay!

    [size=9px]&quot;I can believe anything, provided that it is quite incredible.&quot;<br />~&quot;The picture of Dorian Gray&quot;by Oscar Wilde~<br /><br />:leserin: <br />Henry Fielding - Tom Jones<br /><br />Tad Williams - The Dragonbone Chair<br /><br />Mark Twai

  • Hallo,


    ich weiß nicht wie ihr es seht,


    aber ich erachte es persönlich für mich als unfair gegenüber Autoren mit Ethik und Moral, nicht jene Literatur zu bevorzugen und hervorzuheben, die sorgfältiger recherchiert wurde.


    Bessere Leistungen sollten belohnt werden. Normalerweise sollte es eigentlich Standard eines Autors sein, so wenige Fehler wie möglich zu machen.


    Aber offensichtlich ist das für einzige schnurz piep egal. Oder sie machen absichtlich Fehler, um irgendein Vorurteil der Leser zu befriedigen, um so die Verkaufszahlen in die Höhe zu treiben.


    Deshalb fördere ich nur Romane, von denen ich schon vorher weiß, dass sie mit Sorgfalt und Fleiß verfasst wurden. ;)


    Viele Grüße
    His

  • Zitat von "Galadriel43"

    @ Valentine: Eine Zyanose kann unendlich viele Ursachen haben, unter anderem ein Herzleiden oder eben Erstickungstod. Aber nur den Anblick einer Zyanose als Aha! für einen gewaltsamen Tod durch Ersticken zu nutzen ist mehr als abenteuerlich. :breitgrins: (Ich weiß, ich bin ein Klugscheißer :redface: )


    Ach so, verstehe.


    Ich hab schon an mir gezweifelt, für den Fall, dass gewaltsames Ersticken tatsächlich keine Zyanose zur Folge haben sollte ;)

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Ich sehe das so ähnlich wie die meisten hier: Bei Krimis ist ein gerigerer Grad an "Realismus" akzeptabel. Allerdings muß schon alles in sich schlüssig sein, vor allem muß mich die Auflösung überzeugen. Es gibt aber auch supergute Krimis (insbesondere solche wie die von Lossau/Schumacher), in denen das Übernatürliche eine Rolle spielt. Das ist dann ein ganz anderes Thema.

  • Stimmt, das hat dann mit wissenschaftlich nachweisbaren Methoden nicht mehr viel zu tun, ist aber trotzdem spannend. Kennst Du die "Sophie-Anderland-Krimis" von Barbara Büchner? Die spielen im Wien der nahen Zukunft und behandeln ähnliche Themen. Ich habe bisher erst "Herz im Stein" gelesen, fand aber die Atmosphäre richtig gut und den Kriminalfall überzeugend.


    Ansonsten finde ich, wenn ein Autor schon mit seinem Wissen protzt, dann sollte es aber auch stimmen. Eine Authopsie im 19. Jh. lief sicher anders ab als eine in der heutigen Zeit und auch die Erkenntnisse, die eine solche Untersuchung brachte, waren ganz anders. Das ärgert mich und verdirbt mir kurzfristig den Lesespaß. Wenn aber der Rest stimmt, also die Atmosphäre, die Charaktere, die Spannung und wenn die Auflösung nicht ausschließlich an diesem falschen Detail hängt, dann kann ich so ein Buch trotzdem genießen.


    Viel schlimmer finde ich Logikfehler oder dieses "aus dem Hut zaubern" eines passenden Täters, also einer Person, die das ganze Buch über keine Rolle gespielt hat, oder wenn ein Verdächtiger so hingebogen wird, daß er zu den präsentierten Beweisen paßt ("Er hat sich jahrelang verstellt."). Das verdirbt mir so richtig den Spaß an einem Buch.


    Rio

  • Für mich ist das stark genreabhängig.


    Bei einem historischen Roman z.B. (wo sich die Geister ja scheiden) möchte ich ja nicht nur eine spannende Geschichte lesen, sondern auch einiges erfahren, irgendwelche Details, die ich in meinem Leben sonst so nicht erfahren hätte. Das ist einer der Gründe für historische Romane - dass sie einem doch eine Zeit nahebringen (so wie z.B. der Medicus), die man sonst nicht so kennt!


    Bei Krimis ist der Grund, einen zu lesen, gleich ein völlig anderer: Ich möchte da gut unterhalten werden, die Seiten ob der Spannung in den Händen fliegen lassen, ganz von dem Tempo und des Rätselratens, wer denn nun der Täter sein könnte, eingenommen werden.
    Zuviele Details stören da dann auch nur.
    So gibt es bei der Polizeiarbeit ja viel mehr Papierkram als viele denken. Aber wer will denn lesen, wie der Kommissar mal wieder einen Bericht abzufassen hat oder ihn die genauen Beweggründe vortragen zu lassen, um einen Durchsuchungsbefehl zu erwirken?
    Nein, da finde ich es schon spannender, wenn die Leute auf irgendwelche (in der Realität unverzichtbaren) Vorschriften auch mal pfeifen und einfach mal ne Verfolgungsjagd anzetteln, ohne groß nachzudenken ob das denn nun der Vorschrift entspricht.


    Eine Ausnahme gibts da allerdings: Wenn der Fokus nicht auf der Mördersuche, sondern auf den Lebensumständen des Helden selbst liegt.
    Da ist es dann schon spannend, Szenen aus dem "echten Leben" zu erfahren - und da kann die Szene nicht genau genug sein.


    Um mal Beispiele aus dem TV zu nehmen: Das "Großstadtrevier" mag ich sehr, weil man weiß dass das Polizeileben dort recht genau abgebildet wird. Da werden keine Helden, sondern Menschen gezeigt, und das geht am Besten mit dem normalen Alltag.
    Sehe ich aber sowas wie "Eurocops" o.ä., dann will ich die Spannungsschraube angezogen haben und mir keine Gedanken drüber machen wie unsinnig ist, dass z.B. die Leute die Drogen, die sie konfiszieren, per Zungenprobe erstmal selbst probieren um dann zu sagen: "Eindeutig Heroin" :totlach: , sondern da will ich Verfolgungsjagden, schwitzende Menschen, nervenzerrende Musik haben, basta.


    Kurz gesagt: Mir machts es also nicht besonders was aus, wenns mal etwas unglaubwürdiger zugeht :zwinker:

  • Für mich ist es wichtig auf welchen Roman ich mich eingelassen habe. Wenn ich einen Fantasy Roman lese ist klar das noch irgendwas abgehobenes kommt. Aber wenn ich z.B. einen Krimi von Minette Walters lesen würde, von denen ich der Meinung bin das dort minutiös recherchiert wird, winzige Details bei der Aufklärung später von Bedeutung sind und ich nach Beendigung des Buches mir denke, dass so was durchaus passiert sein könnte dann erwarte ich auch keine unrealistische Lösung. Beispiel der Seelenbrecher von Sebastian Fitzek.

    Obwohl mir das Buch ansonsten gut gefallen hat und es echt spannend war. Für mich ist also wichtig, dass mir als Laie nicht nur die Polizeiarbeit realistisch erscheint, sondern auch die ganze Geschichte passt.
    Außerdem würde mich auch bei der Polizeiarbeit interessieren inwieweit es möglich ist Aktivitäten auf dem PC nachzuvollziehen, Spuren wieder herzustellen. Es gibt mit Sicherheit für die Polizei Möglichkeiten, von denen in den Romanen nie die Rede ist.