Angèle Ntyugwetondo Rawiri – Elonga

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  • ISBN: 9782903871727 (bei amazon.de unbekannt)


    Inhalt: Igowo, Sohn eines spanischen Vaters und einer afrikanischen Mutter aus dem fiktiven Land Ntsémpolo, verspricht seinem Vater auf dessen Sterbebett, in die Heimat der Mutter zu gehen und sich dort niederzulassen. Er solle sich an seinen Onkel Mboumba, den Bruder seiner Mutter, wenden. Igowo folgt diesem Wunsch und lebt sich in Elonga, der Hauptstadt Ntsémpolos, auch sehr schnell ein: er bekommt eine Anstellung als Dozent an der Universität und er lernt eine junge Frau kennen, die mit einer Freundin ein Unternehmen für afrikanische Mode betreibt. Die beiden heiraten und bekommen eine Tochter, Igowé. Igowos bester Freund arbeitet ebenfalls an der Universität, ein Franzose, der aus Neigung im Land „hängengeblieben“ ist und Igowo vieles über Traditionen, Hexerei und ähnliches berichten kann. Alles scheint in ruhigen und friedilchen Bahnen zu verlaufen. Seine eigene Familie macht Igowo zwar Sorgen, denn denen geht es finanziell nicht gut, obwohl nicht nur Mboumba, sondern auch der älteste Sohn Mpira Geld nach Hause bringen. Aber Igowo ist eben das lebende Beispiel dafür, was sie nicht erreicht haben. Mpira stört das dabei gar nicht, er schätzt seinen Cousin und liebt seine Nichte, aber Mboumba leidet unter dem Erfolg seines Neffen.


    Eines Tages befällt Igowo eine merkwürdige Krankheit, ein Hautausschlag, dem die Ärzte im Krankenhaus machtlos gegenüberstehen. Seine Frau und seine Schwiegereltern setzen sich durch und bringen ihn in die „Klinik“ eines traditionellen Heilers, der mit seinen Mitteln und Methoden tatsächlich Erfolg hat. Natürlich glaubt Igowo das ganze Gerede darüber nicht, daß sein Onkel ihm diese Krankheit angehext habe, obwohl es zuvor auch schon mehrfach merkwürdige Manifestationen von Geistwesen in und um ihr Haus gab. Auch weitere Unglücksfälle, die die Familie ereilen, bringen sowohl sein Freund Pierre Henry als auch vor allem seine Schwiegereltern mit Mboumba und dessen Hexerqualitäten in Verbindungen, was auch von verschiedenen anderen Sehern und Zauberern bestätigt wird. Igowo weist diese Zusammenhänge von sich ...



    Meine Meinung: Leider ist dieses Buch nicht übersetzt und nur auf französisch verfügbar. Leider, weil es nicht nur einen hervorragenden Einblick in den Geister- und Hexereiglauben gibt, der in den meisten afrikanischen Ländern ein soziales und ökonomisches, und damit sehr reales Problem (zumindest nach unserem Verständnis) darstellt, sondern auch Kritik an den Folgen dieses Glaubens übt, obwohl die Autorin geschickt versteckt, wo sie sich selbst zwischen dieser Kritik und dem Glauben verortet. Während der erste Teil eine reine Friede-Freude-Eierkuchen-Stimmung verströmt und ich mich schon fragte, wie lange diese Idylle denn wohl anhalten soll, kommt es ab dem zweiten Teil mit Igowos Krankheit und den nachfolgenden Ereignissen für die Familie und vor allem für Igowo selbst knüppeldick. So absurd es einem Europäer erscheinen muß: Einige Katastrophen hätten sich vermutlich vermeiden lassen, wenn Igowo mehr auf diejenigen gehört hätte, die ihn gewarnt haben – aber ganz sicher bin ich mir nicht.


    Die Personen haben eigentlich durch die Bank auf mich sehr glaubwürdig gewirkt, auch wenn ich nicht alle ihre Motive gutheißen, nicht alle ihre Vorstellungen im Detail nachvollziehen konnte. Ob Mboumba wirklich und absichtlich seinem Neffen Schaden zufügt, kann man ebenso glauben wie eine „rationale“ Erklärung für die Vorfälle. Rawiri überläßt die Entscheidung am Ende ganz explizit dem Leser, den sie sogar anspricht und ihn auffordert zu entscheiden, ob Igowo weiter den Grund für seine Sorgen in sich oder in fremden Einflüssen suchen muß, bevor sie ein letztes Mal einen Zauberer seine Kunst zeigen läßt.


    Ein weiterer wichtiger Aspekt, der in verschiedenen Gesprächen (durchaus auch, aber nicht nur) im Zusammenhang mit der Hexerei immer wieder eine Rolle spielt, ist das Verhältnis von „Weißen“ und „Schwarzen“ zueinander. Weder zieht sich Rawiri hier auf eine Position zurück, daß alles „Weiße“ schlecht und nur traditionsvernichtend sei, alles „Schwarze“ dagegen gut und erhaltenswert, noch schlägt sie sich eindeutig auf die entgegengesetzte Seite. Die Ausbildung einer stabilen Identität unter Nutzung beider Erbe, des langen eigenen und des kürzeren fremden kolonialen, wäre eine Alternative.


    Zum Glück war das Französisch nicht übermäßig kompliziert, sonst hätte ich nach gut 20 Jahren der konsequenten Nicht-Nutzung wohl erheblich größere Probleme gehabt. So war es für mich durchaus überraschend im wesentlichen ein Problem des mangelnden Vokabulars, das sich aber mit Wörterbuch leicht lösen ließ – wobei ich zwischendrin die Papierversion durch eine handlichere elektronische ersetzt habe. Wen die Sprache also nicht abhält und wer sich mit dem Thema der Hexerei in Afrika einmal auseinandersetzen möchte, ohne dafür eine wissenschaftliche Studie lesen zu müssen, dem kann ich dieses Buch nur empfehlen.


    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:


    Schönen Gruß,
    Aldawen

  • Genau dasselbe dachte ich mir beim Lesen der Rezi auch. Schade, hört sich sehr interessant an.

    "Man hat in der Welt nicht viel mehr, als die Wahl zwischen Einsamkeit und Gemeinheit." A. Schopenhauer

    :blume::engel::katze: