Wolf Haas - Das Wetter vor 15 Jahren

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    Vittorio Kowalski ist bei „Wetten dass…!?“ Wettkönig geworden, weil er das Wetter an jedem Tag der letzten 15 Jahre im Urlaubsort seiner Kindheit, dem österreichischen Alpendorf Farmach, auswendig hersagen konnte. Er hat jeden Tag die Frau Bachl angerufen, um das Wetter zu erfragen.


    Die traurige Geschichte hinter dieser Wette erfährt der Leser erst nach und nach, denn es hatte schon seine Gründe, warum der Kowalski das Wetter der letzten 15 Jahre hersagen konnte und er ausgerechnet bei der Frage nach dem Wetter am ersten Tag der vergangenen 15 Jahre ins Stocken geriet. Damals spielte nämlich das Wetter eine entscheidende Rolle, als er nämlich mit seiner Ferienliebe Anni in ein Unwetter gerät und dabei in doppelter Hinsicht seine Unschuld verliert. Er hat sich in die Anni verliebt, sie aber seit jenem Tag vor 15 Jahren nicht mehr gesehen. Und jetzt war er eben bei „Wetten dass…!?“ im Fernsehen und ist sogar Wettkönig geworden.


    Es verwundert ihn also nicht, dass er aus dem Urlaubsort seiner Kindheit eine Karte bekommt, obwohl diese eigentlich sein Freund Riemer abgeschickt hat, und macht sich auf den Weg in die Alpen. Er hofft darauf, die Anni zu sehen, in die er seit 15 Jahren verliebt ist. In Farmach jedoch überschlagen sich die Ereignisse, denn die Anni hat sich entschieden, den Lukki, Vittorios Peiniger aus der Kindheit, zu heiraten. Für Vittorio bricht eine Welt zusammen – und nicht nur die. Er gerät in eine höchst brenzlige Lage, aus der er sich nur mit roher Gewalt befreien kann. Doch kommt er noch rechtzeitig in die Kirche, um die Hochzeit von Anni und Lukki zu verhindern?


    So betrachtet scheint der Inhalt des Buches nichts Besonderes zu sein – eine tragische Liebesgeschichte eben. Allerdings liegt der Clou in der Erzähltechnik Haas‘. Das Buch um die Liebesgeschichte gibt es nicht wirklich, sondern der Leser erfährt nach und nach durch ein Interview davon. Das eigentliche Buch ist nämlich als Interviewsituation zwischen einer deutschen Journalistin und dem österreichischen Autor verfasst und in diesem Interview geht es eben um das Buch des Autors über die Liebesgeschichte zwischen Anni und Vittorio, in der natürlich auch ein bis zwei Leichen vorkommen – sonst wäre es ja kein Haas.


    Was auf den ersten Blick kompliziert erscheint, entpuppt sich beim Lesen als interessantes Experiment. Man liest zwar nur ein Interview über ein Buch, hat aber nach der Lektüre das Gefühl, nicht nur das Interview, sondern auch das Buch über die Anni gelesen zu haben. Mit Leichtigkeit findet man sich in den beiden Ebenen zurecht und kann zwischen ihnen umschalten, wie zwischen Fernsehkanälen.


    Mit viel Humor und gespickt mit typisch österreichischen Ausdrücken erzählt der Interviewte über die Entstehung seines fiktiven Werkes und spielt mit den Unterschieden Österreich – Deutschland, was sich über das ganze Werk hinzieht, aber immer geprägt von einer sympathischen Zuneigung ist, was auch dadurch gut zur Geltung kommt, dass die deutsche Journalistin bemüht ist, Haas zu verstehen und umgekehrt.


    „Das Wetter vor 15 Jahren“ ist ein Werk, dass sich gänzlich von den Brenner-Büchern, mit denen Wolf Haas seine größten Erfolge gefeiert hat, unterscheidet. Es besticht nicht so sehr durch die Geschichte, die zwar auch interessant ist, als vielmehr durch die Form. Der Leser kann sich nach der Lektüre die Anni-Vittorio Geschichte detektivähnlich zusammenpuzzeln und gleichzeitig erfährt man, was sich Autoren beim Schreiben denken könnten und nach welchen Motiven sie handeln könnten. Eine Erfahrung, auf die man sich einlassen sollte!


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    Broschiert: 224 Seiten
    Verlag: Dtv (September 2008)
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 3423136855



    4ratten

  • Tolle Rezi, Chil.
    Das Buch subt bei mir noch und du hast mir jetzt richtig Lust drauf gemacht :breitgrins: Nur leider passt das mir gerade gar nicht :rollen:


    :winken:

    Books are the ultimate Dumpees: put them down and they’ll wait for you forever; pay attention to them and they always love you back.<br />John Green - An Abundance of Katherines<br /><br />:lesewetter: Caprice

  • Keine Angst, chil! Ich hab das Buch auch gelesen und fand es ganz toll. In die Interviewform findet man schnell hinein und man hat das Gefühl, wie du auch sagst, zwei Bücher gleichzeitig zu lesen. Für mich war dieses Buch ein sehr gelungenes Experiment (und das, obwohl Brenner nicht mitspielt :zwinker:)


    LG, kat

  • Ganz ehrlich? Wozu muss man ein Buch in Interviewform schreiben? Wozu ist das notwendig? Ich finde das weder originell, noch fesselnd. Sorry. Ich habe es bis zur Hälfte versucht. Das kostet Lebenszeit.


    Daher: 1ratten

  • Ich denke nicht, dass das ein Außenstehender beurteilen kann, wie man liest.
    Daher: Das Buch lässt überhaupt nicht zu, dass man sich damit tiefer beschäftigen kann.
    ZUmindest gilt das für mich und meine Freundin, die immer alle Bücher fertig liest, egal, ob sie gut oder schlecht sind und das das Erste war, dass sie mitten drin geschlossen hat. Das sagt einiges.


    (Im Übrigen, auch wenn Du den Faden geöffnet hast und auch, wenn Du es toll findest, solltest Du andere Meinungen nicht beleidigend niederschmettern)

  • Beileidigend war das nicht gemeint. Lediglich auch ein Hinweis darauf, dass Meinungen hier auf jeden Fall erwünscht sind, allerdings hätte ich (und ich glaube, da bin ich nicht alleine) gerne eine tatsächliche Meinung, dh. auch eine, die begründet ist. Nicht begründet in meinen Augen, sondern eben von dir begründet. Warum fandest du es schlecht? Das sei dir durchaus gestattet und wird immer wieder vorkommen, allerdings finde ich persönlich halt eine unbegründete Aussage eben nicht relevant.

  • Habe ich schon gesagt. Die Geschichte an sich fand ich nicht schlecht. Keineswegs. Aber die Lesefreude wurde zum Lesefrust. Ich kann das nicht leiden, wenn etwas in Interviewform erzählt wird. Ich frage mich, was daran originell sein soll? Ich sehe es nicht.


  • Ich kann das nicht leiden, wenn etwas in Interviewform erzählt wird. Ich frage mich, was daran originell sein soll? Ich sehe es nicht.


    Ganz dumme Frage: wusstest du vorher nicht, dass das Buch in Interviewform gexschrieben ist?
    & noch dümmer wohl: geht es um Originalität? Wie originell wäre es, wäre das Buch schlicht als Roman verfasst?

  • Nein, es geht normalerweise nicht um Originalität. Nein. Aber, ich glaube, der Verlag + Autor wollten etwas "tolles" schaffen. Ich werde Mal ein Mail an Wolf Haas schreiben. Es interessiert mich, was man sich dabei denkt, wenn man sowas macht. Wie auch immer, nein, ich wusste das keineswegs. Mich hat das Buch im Vorfeld überhaupt nicht interessiert. Aber, da meine Freundin von einer Qual sprach, wollte ich es mit eigenen Augen sehen, sowas reizt mich ungemein.


    Übrigens: Wäre das Buch ein Roman, dann wäre er mittelmässig gewesen und jeder weiß das.


    Ich war nach meiner Lektüre bei seiner Lesung, weil mich ein Fan mitgeschleppt hat. Das Buch vorgelesen zu bekommen ist unerträglich.


    Chil, das verstehe ich schon...aber ich, als Frau, bin Frauenmagazingeschädigt. Den Rest kannst Dir denken.
    Lg cori


  • Übrigens: Wäre das Buch ein Roman, dann wäre er mittelmässig gewesen und jeder weiß das.


    Ich war nach meiner Lektüre bei seiner Lesung, weil mich ein Fan mitgeschleppt hat. Das Buch vorgelesen zu bekommen ist unerträglich.


    Chil, das verstehe ich schon...aber ich, als Frau, bin Frauenmagazingeschädigt. Den Rest kannst Dir denken.
    Lg cori


    Als Roman wäre das Buch schlicht nicht möglich gewesen! Wie weit hast du denn gelesen?


    Übrigens bin ich auch eine Frau und lese auch hin und wieder Frauenmagazine, in denen Interviews abgedruckt werden (ich glaube, darauf spielst du an, nicht auf die Rückschlüsse die man von Frauenmagazinlesen auf Lesegewohnheiten generell ziehen könnte), aber einem normalen Interview fehlt einfach diese zweite Ebene!


  • Ich werde Mal ein Mail an Wolf Haas schreiben. Es interessiert mich, was man sich dabei denkt, wenn man sowas macht.


    Ich hab gehört oder gelesen (weiß nicht mehr), dass Haas das Buch ursprünglich als normalen Roman geschrieben hat, damit aber nicht zufrieden war, überlegt hat, dass er in Magazinen immer zuerst die Interviews liest und diese Form sehr genießt und dann beschlossen hat zu versuchen, den Roman in Interviewform umzuschreiben.

  • Also ich habe dieses Buch mehr als genossen. Wie schon erwähnt, wäre das Buch als einfacher Roman wahrscheinlich eher mittelmäßig geworden. Zusätzlich zu seinem Spiel mit der Sprache (diesmal die typisch österreichischen Ausdrücke im Gegensatz zu deutschen) schafft er durch die Interviewform eine zweite Ebene. Und eigentlich gibt es ja noch eine dritte Ebene, da er behauptete, der (fiktive) Roman basiere auf einer wahren Begebenheit, bei der er noch dazu teilweise als Zuschauer dabei war. Für mich eindeutig
    4ratten

  • Ich habe das Buch gestern nachmittag mehr oder weniger in einem Rutsch durchgelesen und hatte sehr viel Spaß dabei. Die Form erschien mir anfangs auch etwas anstrengend, aber ich hatte mich schnell daran gewöhnt. Neben der eigentlichen Geschichte verfolgt das Buch viele kleine Nebenpfade, nicht zuletzt das Verhältnis zwischen Österreichern und "Piefkes", unübersehbar durch die konsequent durchgezogenen lautmalerischen Seitenhiebe ("Pfürti"). Und das, obwohl das Interview doch eigentlich ein Heimspiel für die Interviewerin sein müsste und nicht für den Herrn Haas, der gegen alle Logik, aber sehr zu meiner Freude, am Ende doch den Spott auf seiner Seite hat.


    Die Kerngeschichte ("Kerne und Ranken", hihi) bleibt ein bisschen blass, wie das eben ist, wenn man von einem Buch nur hört und es nicht liest. Ich muss auch sagen, dass ich auf das Buch, über das die beiden da schwatzen, ganz schön neugierig geworden bin, und das, obwohl ich den Inhalt bereits kenne.


    Originell im Sinne von "Das hat noch keiner je gemacht"? Sicher nicht. Ich fand die Lektüre dennoch sehr erfrischend und habe mich nebenbei gut amüsiert und unterhalten.


    Noch ein Pluspunkt: Sehr hübscher Titel, sehr schönes Cover.


    4ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

  • Zum Inhalt zitiere ich einfach Chil:



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    Vittorio Kowalski ist bei „Wetten dass…!?“ Wettkönig geworden, weil er das Wetter an jedem Tag der letzten 15 Jahre im Urlaubsort seiner Kindheit, dem österreichischen Alpendorf Farmach, auswendig hersagen konnte. Er hat jeden Tag die Frau Bachl angerufen, um das Wetter zu erfragen.
    Die traurige Geschichte hinter dieser Wette erfährt der Leser erst nach und nach, denn es hatte schon seine Gründe, warum der Kowalski das Wetter der letzten 15 Jahre hersagen konnte und er ausgerechnet bei der Frage nach dem Wetter am ersten Tag der vergangenen 15 Jahre ins Stocken geriet. Damals spielte nämlich das Wetter eine entscheidende Rolle, als er nämlich mit seiner Ferienliebe Anni in ein Unwetter gerät und dabei in doppelter Hinsicht seine Unschuld verliert. Er hat sich in die Anni verliebt, sie aber seit jenem Tag vor 15 Jahren nicht mehr gesehen. Und jetzt war er eben bei „Wetten dass…!?“ im Fernsehen und ist sogar Wettkönig geworden.
    Es verwundert ihn also nicht, dass er aus dem Urlaubsort seiner Kindheit eine Karte bekommt, obwohl diese eigentlich sein Freund Riemer abgeschickt hat, und macht sich auf den Weg in die Alpen. Er hofft darauf, die Anni zu sehen, in die er seit 15 Jahren verliebt ist. In Farmach jedoch überschlagen sich die Ereignisse, denn die Anni hat sich entschieden, den Lukki, Vittorios Peiniger aus der Kindheit, zu heiraten. Für Vittorio bricht eine Welt zusammen – und nicht nur die. Er gerät in eine höchst brenzlige Lage, aus der er sich nur mit roher Gewalt befreien kann. Doch kommt er noch rechtzeitig in die Kirche, um die Hochzeit von Anni und Lukki zu verhindern?


    Tja, eigentlich hätte dies ein ganz normaler 08/15-Roman werden können. Das wurde er aber nicht, und das ist einzig und allein auf Wolf Haas' wirklich ungewöhnliche Erzählart zurückzuführen. Er lässt eine Zeitungsreporterin, die für die Literaturbeilage arbeitet, den Autor Wolf Haas über dessen Roman interviewen. (Ich muss gestehen, dass ich das zwar mal diesen Thread gelesen, aber längst wieder vergessen hatte. So war ich nach dem zweiten Umblättern irritiert darüber, dass die vermeintliche Einleitung immer noch nicht zu Ende war, aber ein kurzes Vorblättern ließ mich die Wahrheit erkennen und versöhnte mich ganz schnell mit dem Buch.)
    Diese spezielle Form macht nicht nur eine sehr mündliche Ausdrucksweise möglich, wodurch der Stil lebhaft und locker wird, sondern lässt auch Reflexionen über schriftstellerische "Tricks" zu. Gerade dieser Aspekt hat mir gut gefallen. Wenn der interviewte Autor erzählt, dass er ein eigentlich wenig glaubwürdiges Ereignis über viele Seiten hinweg vorbereitet, um die Leser es schlucken zu lassen, oder er sich über die häufige Verwendung von Hundegebell ( :breitgrins: ) in der Literatur auslässt, so lässt mich das den Aufbau auch anderer Bücher mit neuen Augen sehen.


    Die Vermischung der verschiedenen Ebenen (angeblich reales Geschehen, dessen Verarbeitung in Romanform sowie das Interview über das Buch) ist so gut gelungen, dass ich dafür
    4ratten vergebe.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Hallo, ihr Lieben!


    Was für ein entzückendes, schnell gelesenes Buch! Wolf Haas gehört ja ohnehin seit Längerem zu meinen Lieblingen, weil er auch so unvergleichbar österreichisch ist. Hiermit ist ihm aber noch etwas Anderes gelungen. Ein Buch, das gar keines ist, sondern eines bespricht.


    Dass Wolf Haas selbst mit einer Interviewerin der Literaturbeilage einer deutschen Zeitung den gesamten Roman lang über sein Buch "Das Wetter vor 15 Jahren" spricht und somit die gesamte Geschichte aufarbeitet, ist ja schon eine tolle Idee. Wir lesen also nicht die eigentliche Geschichte des Herrn Kowalski, der bei "Wetten dass...?" gewonnen hat, weil er das Wetter an jedem Tag der letzten 15 Jahre in seinem Urlaubsort auswendig weiß. Nein, viel mehr ist dieses fiktive Buch in der fiktiven Welt bereits erschienen und Wolf Hass gibt ein langes Interview.


    Somit erfahren wir nicht alles chronologisch, ganz im Gegenteil. Er fängt sogar mit dem Schluss an. Auch zwischendruch werden Dinge vorhergenommen oder aufgeschoben, Stellen die Wolf Haas "aus dem Roman gestrichen" hat, werden im Interview doch erwähnt und es wird die Bedeutung seiner Szenen, seiner Wortwahl und der Handlungen der Charaktere diskutiert.


    Da dieses Buch praktisch nichts als ein 150 Seiten langer Dialog ist, ist natürlich wichtig, dass die beiden Gesprächspartner sympathisch sind. Die deutsche Interviewerin ist mir gleich ans Herz gewachsen. Sie fragt bei österreichischen Begriffen nach, was gemeint ist, macht sich ein bisschen über Wolf Haas lustig und stellt genau die richtigen Fragen. Wolf Haas selbst erinnert sehr an seinen Erzähler von den Brenner-Romanen, wenn auch mit weniger "ding" (das wird sogar erwähnt, ebenso wie das exzessive Hundegebell in Romanan :breitgrins:). Ebenfalls sehr liebenswert und extrem lustig. Er gesteht sogar im Interview einen Fehler ein, der ihm im Roman passiert ist. :elch: Da wird's dann schon gewaltig meta-literarisch, aber genau diese Ebene ist es, die dieses Buch besonders macht.


    Die Geschichte um Kowalski selbst und seine Anni ist ebenso spannend und trotz des verratenen Endes sogar ziemlich spannend. Von mir gibt's für diesen Haas wieder
    5ratten


    Liebe Grüße,
    Wendy

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