Regine Leisner - Die Rabenfrau

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    Regine Leisner - Die Rabenfrau


    Klappentext:


    Ravan die junge Vogelfrau der Eschleute, kämpt gegenden Schamanen Godain, der die Macht der Großen Mutter nicht anerkennt. Sie verstößt ihn aus dem Stamm, obwohl sie ihn liebt. Plötzlich bebt die Erde, eine Katastrophe kündigt sich an. Nur gemeinsam können Ravan und Godain ihr Volk retten.


    Meine Meinung:


    "Die Rabenfrau" ist die Geschichte von Ravan, der Vogelfrau der Eschensippe, die vor ca. 11.500 Jahren in der Nähe des Mains gelebt haben könnten. Ravan bekommt die Berufung als spirituelle Begleiterin ihres Stammes und hat kaum Zeit, sich in ihre Rolle einzufinden, als eine Naturkatastrophe das Leben der Sippe von Grund auf verändert und sie zum Handeln zwingt. Diese Zeit des Umbruchs ist nicht nur durch die veränderte Lebensweise der Sippe geprägt, sondern auch die Machtverhältnisse zwischen den Frauen und Männern, aber auch zwischen den höheren Wesen, die die Geschicke der Menschen lenken, kommen ins Wanken.


    Aus dieser Ausgangslage hat Regine Leisner eine wunderbare Steinzeitstudie geschaffen, die mich von Beginn an faszinierte. Mir gefiel die Darstellung des Lebens in dieser Zeit, als die Menschen sich mit einfachsten Mitteln ihre Lebensgrundlage schaffen mussten und trotzdem mit viel Elan und Geschicklichkeit ihr Leben meisterten. Das spirituelle Leben der Steinzeitmenschen, das geprägt von Schamanismus und Naturreligionen war, fand ich ebenso faszinierend. Und nicht zuletzt war es der Blick auf eine von Frauen beherrschte Welt, in der die Männer nur ein geduldetes Schattendasein führten, der die Lektüre so spannend machte.


    Die Konflikte, die durch das Aufbegehren der Männer in dieser frauenbeherrschte Gesellschaft aufkommen, spielen eine zentrale Rolle in der Handlung. Ich fand es sehr spannend, den Kampf zwischen den beiden Geschlechtern mal aus einer ganz anderen Perspektive zu beobachten und darüber hinaus auch die Auseinandersetzung zwischen den Naturgöttern zu beobachten, die diesen Kampf parallel dazu, aber auf einer anderen Ebene führen.


    Mit Ravan, der Vogelfrau und Godain, dem Schamanen hat Regine Leisner die idealen Hauptfiguren für diese Studie gezeichnet - ich fand die beiden Charaktere sehr fein ausgearbeitet, und insbesondere Ravan war mir durch den zeitweiligen Wechsel in die Ich-Perspektive sehr nahe. Aber auch sehr interessante Nebenfiguren hatten ihren Platz in der Geschichte, so zum Beispiel Imtu, die Vorgängerin von Ravan, oder auch Birkin, die von Anfang an meine Sympathien hatte, weil sie aus meinem neuzeitlichen Blickwinkel die modernste Einstellung hatte. Überhaupt kam mir die Eschensippe mit der Zeit wie eine Familie vor, die ich schon lange kenne. Extra erwähnen möchte ich noch Dachs, der als "verlorener Sohn" die Gemüter bewegt und sich bei mir sehr eingeprägt hat, weil er von Anfang an eine tragische Gestalt ist.


    "Die Rabenfrau" hebt sich wohltuend aus der Flut historischer Romane ab, denn der Roman vereint Spannung und Unterhaltung mit Anspruch und Tiefe. Ich finde "Die Rabenfrau" intelligent konstruiert und überzeugend umgesetzt. Mein einziger Kritikpunkt ist, dass der Erzählrhythmus nicht über die ganze Handlung hinweg beibehalten wird, sondern am Ende sehr getrieben wirkt, so dass die letzten Kapitel ein wenig an mir vorbeizogen. Aber damit kann ich gut leben, das Buch ist für mich trotzdem sehr gelungen und ich habe die Lektüre sehr genossen.


    Der Zyklus ist vorläufig auf fünf Bände ausgelegt, von denen der zweite bereits erschienen ist und zu Beginn der Bronzezeit spielt. Das Thema wird sich wie ein roter Faden durch alle Bände ziehen, nämlich wie hat sich die Menschheit in der Vergangenheit entwickelt, wann und wo sind wichtige Weichen für unser heutiges Leben gestellt worden - das klingt doch wirklich sehr spannend. Ich freue mich jedenfalls schon sehr auf die Fortsetzungen!



    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:


    Viele liebe Grüße
    Miramis

    :lesen: Kai Meyer - Die Bibliothek im Nebel

  • Hallo Ihr Lieben,


    nach der sehr interessanten Leserunde, kommt dann hier auch noch mein Fazit:


    Bei diesem Buch handelt es sich nicht um die "üblichen" historischen Romane mit einer weiblichen Hauptfigur, die sich gegen alle Widrigkeiten stellen muss und schließlich am Besten doch noch ihr Happy-End erlebt. Vielmehr geht es um Veränderungen, sowohl gesellschaftlicher, als auch umweltbedingter Art und wie die Menschen damit zurecht kommen.
    Im Mittelpunkt steht dabei Ravan. Sie erzählt in Rückblenden die Geschichte ihres Stammes an ihre Nachfolgerin als Vogelfrau ihrer Sippe. Dabei erlebt der Leser zuerst eine kurze Zeit des Idylls, wo zwar schon leichte Differenzen zu erahnen sind, man aber noch nichts von dem kommenden Unglück bemerkt. Der Leser erlebt die Sicht auf eine matriachalische Gesellschaft, in der die Frauen "den Ton angeben" und die Männer entweder in die Sippe aufgenommen werden oder weiter wandern müssen. Dabei wird aber kein Bild von einer ausgeglichenen Gesellschaft gezeichnet, sondern auch klar aufgezeigt, dass es in diesen Strukturen ebenso zu Ungerechtigkeiten kommt, wie in einer patriacharlichen Gesellschaft, nur dass sich die Benachteiligung gegen die Männer und nicht die Frauen richtet.


    Ravan wird zu einer kritischen Zeit zur Rabenfrau gewählt und muss schon bald ihre Sippe durch sehr schwere Zeiten bringen, in denen es nur noch ums nackte Überleben geht. Gleichzeitig trotz oder vielleicht sogar wegen der schweren Zeit, findet eine Umstrukturierung innerhalb der Sippe statt. Einige Männer wehren sich gegen die alten Strukturen und auch bei den Frauen beginnt ein Umdenken, als klar wird, dass beide Seiten ohne einander nicht überleben können. Jedoch zeigt sich bereits hier, dass es nicht einfach zu einem gleichberechtigten Dasein führen wird, sondern der Umschwung ins Patriachart zeichnet sich bereits ab.


    Die Autorin schafft es dabei beim Leser sehr intensive Bilder erstehen zu lassen und zumindest ich konnte sehr tief in die Geschichte eintauchen und das Buch beschäftigte mich sehr während dem Lesen, als auch noch einige Zeit danach. Die Schicksalsschläge, die die Menschen zu meistern haben, sind sehr bewegend geschrieben und mehr als einmal musste ich ziemlich stark mit den Tränen kämpfen.


    Mit der Vogelfrau Ravan wurde ein Charakter geschaffen, den ich sehr gut nachempfinden konnte und den ich sehr bewundert habe. Ravan ist keine Überfrau, die alles kann und immer perfekt ist, sondern der Leser darf auch bei ihren Ängsten dabei sein und sie als Mensch sehen. Als eine sehr starke und weise Frau, die schon früh sehr schwere Entscheidungen treffen muss, aber mutig ihren Weg geht und die Zeit der Veränderung erkennt und entsprechend handelt.


    Das Ende wird schließlich im Zeitraffer nur noch erzählt, was mich persönlich nicht gestört hat, da zu erkennen war, dass die Geschichte von Ravan zu Ende ist und jetzt ihre Nachfolgerin weitermachen muss. Für Ravan persönlich gibt es dann schließlich auch noch eine Art Happy End, dass ich sehr schön und bewegend fand und mich zu Tränen gerührt hat.


    Insgesamt ein sehr schönes Buch, dass ich jedoch nicht einfach mal so nebenbei lesen konnte, sondern für das man sich Zeit nehmen sollte.


    Auf die Nachfolgebände bin ich schon sehr gespannt!


    4ratten


    Liebe Grüße
    Tammy

    &WCF_AMPERSAND"Jeder der sich die Fähigkeit erhält, Schönheit zu erkennen, wird nie alt werden.&WCF_AMPERSAND" (Franz Kafka)

  • Ravan wird in einer Zeit des Umbruchs zur Vogelfrau und damit spirituellen Führerin ihres Stammes geweiht. Sie hat den Ruf der Göttin gespürt - ist dadurch aber nicht allwissend, sondern begegnet ihrer Aufgabe unsicher und mit vielen Fragen. Mir hat gefallen, wie genau wir ihren Weg und ihre Entwicklung zu einer weisen Vogelfrau mitverfolgen konnten. Durch das Aufbegehren der Männer gegen das Matriarchat und der Katastrophe eines Vulkanausbruchs hat sie es nicht leicht - was ihre Lehrerin Imtu im Voraus ahnte, ihre Ausbildung verlief deshalb womöglich auch etwas strenger.


    Beeindruckt hat mich auch die Darstellung der Männer und ihrer Gründe für das Aufbegehren gegen die Macht der Frauen. Oft ist es ja leider so, dass diese dann plump als machtgierige Wesen dargestellt werden. Hier ist das komplett anders! Die Ungerechtigkeiten gegenüber den Männern werden aufgezeigt, jedoch ohne erhobenen Zeigefinger. Und es gibt ganz bestimmte Dinge, wofür sie kämpfen - z.B. darum, auch ohne eine Frau bei ihrer Sippe bleiben zu können und nicht wandern zu müssen.


    Es gibt auch viele mystische Ereignisse, Elemente aus dem Schamanismus, die meine Neugier weckten. Dabei spürte ich schnell, dass hier jemand davon schrieb, der auch wirklich Ahnung von dem Thema hat und nicht nur einfach etwas geheimnisvolles in die Geschichte bringen wollte. Ich hatte auch den Eindruck, dass diese Erlebnisse nie ohne Grund beschrieben wurden, sondern immer der Verdeutlichung von Ravans Entwicklung dienten.
    Die Auseinandersetzung der Götter fand für mich dann auf einer anderen Ebene statt, in der sie durch die Körper von Ravan und Godain handelten. Es tat mir weh, die beiden als Gegner zu sehen - aber vielleicht wäre das Ende der Geschichte auch ganz anders gewesen, wenn sie sich nicht so nahe gestanden hätten.


    Zum Ende hin gab es einige Kapitel, in denen die Ereignisse nur kurz zusammengefasst wurden. Mich hat das nicht gestört, da ich diese als Übergang zum Ende der Geschichte empfunden habe. Das Buch hätte schon früher zu Ende sein können, aber so begleiten wir Ravan durch ihr komplettes Leben und verfolgen ihr letztes und so wichtiges Gespräch mit dem Raben, bevor es eine etwas andere Art des Happy-Ends gibt. Dieses für mich sehr runde Ende hinterließ mich sowohl glücklich als auch nachdenklich, und ich freue mich schon sehr auf die weiteren Bände. :breitgrins:


    5ratten

  • Auch ich wollte hier ja noch meine Eindrücke zum Buch posten!


    "Die Rabenfrau" zu lesen, hat mir großen Spaß gemacht. Ich fand es spannend und unterhaltsam. Dies ist nicht einer dieser historischen Romane, in denen die Personen wirken, als wären sie aus der heutigen Zeit in die Vergangenheit versetzt worden. In dem Buch "Die Rabenfrau" wird eine steinzeitliche Sippe dargestellt, mit unterschiedlichen Charakteren, mit ihrem Alltag, und in ihrer sozialen Dynamik, so, wie es wirklich gewesen sein könnte zur Zeit des Matriarchats und wie es in die steinzeitlichen Lebensbedingungen paßt. Dabei ist die soziale Dynamik gekonnt mit der äußeren Dynamik (einer Naturkatastrophe) verknüpft.


    Die Naturkatastrophe (ein Vulkanausbruch) macht schließlich die Unvollkommenheit der dargestellten matriarchalischen Kultur deutlich: einer Kultur, in der die Männer Menschen zweiter Klasse sind (ähnlich wie die Frauen im Patriarchat - stellenweise liest sich das regelrecht spiegelbildlich), und führt schließlich zur Veränderung der Machtverhältnisse und Stärkung des Stellenwerts der Männer. Dabei wird schon angedeutet, daß auch das Patriarchat keine ideale Gesellschaftsordnung ist (sein wird). Das Überleben der Sippe kann nur durch echte Partnerschaftlichkeit zwischen Männern und Frauen gelingen. Diese Partnerschaftlichkeit wird im Buch gelebt durch Ravan, die Rabenfrau, und Godain, den Schamanen. Da die Geschehnisse aus der Sicht Ravans erzählt werden, ist mir persönlich beim Lesen Ravan wesentlich näher gerückt als Godain, der insbesondere am Anfang des Buches doch ziemlich ungreifbar wirkte.


    Gezeigt wird im Buch auch, wie die religiösen Vorstellungen der Menschen mit ihrer Lebenssituation und ihrer psychischen Prägung zusammenhängen, und wie veränderte äußere Bedingungen sich vermutlich auf Gottesvorstellungen und Rituale ausgewirkt haben. Angenehm fand ich, daß das Buch dabei nie zu sehr ins Esoterische, Magische abgleitet, sondern die Trancezustände, Visionen und psychischen Vorgänge sich stets auf rationaler Grundlage erklären lassen.


    Kritikpunkte habe ich nur wenige. Wie Miramis empfand auch ich das Erzähltempo gegen Ende des Buches als etwas zu schnell, der weitere Lebensweg der liebgewordenen Sippe wurde sehr stichpunktartig dargestellt. Hin und wieder fand ich die Redeweise der Sippenmitglieder etwas zu "modern", und der Einfluß, den das Handeln und die Visionen einzelner Menschen (der Rabenfrau und des Schamanen) auf die Sippe als Ganzes haben können, schien mir stellenweise etwas zu groß. Andererseits ist das Buch ein Roman, also fiktiv, und es spricht nichts dagegen, gesellschaftliche Entwicklungen in etwas gedrängterer Form darzustellen, als sie vielleicht in Wirklichkeit ablaufen würden.


    Insgesamt fand ich das Buch rund und gelungen und auch für jemanden wie mich, mit begrenztem Wissen über die Steinzeit und nur mäßigem Interesse an psychosozialen Belangen, fesselnd und interessant. Man merkt beim Lesen, daß Regine Leisner für das Buch sehr gründlich recherchiert hat und archäologische wie auch anthropologische Erkenntnisse einfließen läßt. Auf jeden Fall ist "Die Rabenfrau" ein Buch, das Lust darauf macht, sich etwas mehr mit dem aktuellen Forschungsstand über die Steinzeit und mit Naturreligionen zu beschäftigen. Schließlich geht es um unsere Vorfahren, von deren Lebensweise und Mythen wir noch heute geprägt sind. Das Buch wirft Fragen auf, an die man vorher vielleicht noch nie gedacht hat und über die man durchaus ein Weilchen nachdenken kann, wodurch möglicherweise auch der eigene Blick auf Aktuelles geschärft wird.


    4ratten

    Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (R. Luxemburg)

    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.

    Einmal editiert, zuletzt von kaluma ()

  • Inhalt: Ravan wird zur "Rabenfrau" gewählt, einer Priesterin, die mit den Raben fliegen kann und die übersinnliche Mächte spürt. Als bald darauf Godain, der Schamane mit dem "Geweihmann" auftaucht, der für die Männer der Sippe das "Wandern" infrage stellt, kommt es zu Streitigkeiten. Auch ein Vulkanausbruch stellt die Sippe auf eine harte Probe.


    Meinung: Auch ich bin von diesem Roman, genauso wie meine Vorkommentatorinnen, begeistert. Regien Leisner stellt das Leben in der Sippe, ihren Alltag und das matriachale Gesellschaftssystem sehr plastisch dar. Auch die Figuren sind psychologisch gut ausgearbeitet und wirken allesamt gut "greifbar". Ravan war auch meine Lieblingsfigur. Neben dem Leben in der Sippe kommt es auch zu sensibel erzählten psychologischen Konflikten zwischen Männern und Frauen, bei denen die Männer (für die meisten anderen historischen Romane untypisch) nicht einseitig als raffgierige Rohe dargestellt werden. Ich fand vor allem diese sozialen Konflikte spannend, vor allem war es interesant zu sehen, dass das Machtverhältnis hier einmal umgekehrt war (Frau beherrscht Mann).
    Der Vulkanusbruch bringt Umbrüche in die Sippe: das Machtverhältnis beginnt sich zu verändern, die Sippe wird sesshaft, die Männer entwickeln Werkzeuge und gewinnen so an Macht über die Frauen.
    Das Nachwort und die Literaturliste haben mir ebenfalls gut gefallen, Leisner stellt im Nachtwort die archäologischen Fakten dar undf hat eine umfangreiche Literaturliste zum Weiterlesen benutzt.


    5ratten