Charles Dickens - Große Erwartungen

Es gibt 34 Antworten in diesem Thema, welches 10.866 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Cuddles.

  • Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links

    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Inhalt:
    Der kleine Junge Pip, eine Vollwaise, lebt im öden, nebligen Marschland. Aufgezogen wird er von seiner älteren Schwester und deren Mann, dem biederen Dorfschmied Joe Gargery, in bescheidenen Verhältnissen. Pip begegnet auf dem Friedhof dem geflohenen Zuchthäusler Magwith, dem er hilft, sich von seinen Ketten zu befreien. Eine ihm unbekannte Welt lernt er kennen, als er der exzentrischen Miss Havisham und ihrer Pflegetochter Estella vorgestellt wird. Nachdem Miss Havisham am Hochzeitstag von ihrem Bräutigam verlassen wurde, hat sie der Männerwelt Rache geschworen und Estella zu einem lieblosen Wesen erzogen, das an ihrer Stelle Vergeltung am männlichen Geschlecht üben soll. Pip verliebt sich nichtsahnend in Estella und träumt davon, selbst ein Gentleman zu sein.


    Teilnehmer:
    Aldawen?
    Thanquola
    Breña
    fairy
    Cuddles
    Mobi
    Saltanah
    Whiskers
    Fingerkuss


    Viel Spaß!

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Hallo,
    ich habe bis jetzt bis zum Ende des 6.Kapitels gelesen. Die Kapitel sind recht kurz, was mir gut gefaellt, weil ich dann eher das Gefuehl habe, auch mit dem Lesen voranzukommen. :zwinker:


    Charles Dickens schreibt sehr stimmungsvoll. Die Beschreibungen des trueben, kalten Wetters und die trostlose Umgebung finde ich sehr gelungen.
    Sehr gut beschrieben hat er auch die Aengste des kleinen Pip (vor der Schwester haette ich auch Angst, wenn ich ihr den pork pie klauen wuerde :rollen:) und den Hunger und die Verzweiflung des Straeflings. Wer Kinderbacken appetitanregend findet, muss schon eine ganze Weile nichts zu essen bekommen haben.


    Bis jetzt tut mir der kleine Pip schon ziemlich leid, denn bei der Schwester gibt es bestimmt nicht viel zu lachen. Wenigstens hat er die Zuneigung von Joe und ausserdem regelmaessig Essen und ein Dach ueber dem Kopf. Das war zu dieser Zeit wahrscheinlich auch keine Selbstverstaendlichkeit. :sauer:
    Die Geschichte ist bis jetzt recht gut zu lesen, und ich bin schon gespannt, wie es weiter geht. :smile:

  • Hallo allerseits :winken: ,


    ich bin jetzt auch am Ende des 6. Kapitels angelangt und kann im Moment überhaupt nicht verstehen, wieso mir das Buch vor 25 Jahren nicht gefallen hat - es hat allerdings auch noch einige Zeit, mir zu missfallen.
    Mein erster Eindruck war allerdings ein Schock: Was, so viele Seiten hat dieses relativ schmale Bändchen?!? Mein Buch sieht von außen nämlich nach höchstens 300 Seiten aus und hat über 400. Der zweite Schock folgte auf dem Fuß: [size=6pt]mikroskopisch kleiner Stil[/size]! Selten habe ich so viele Buchstaben auf so kleinem Raum gesehen, was zusammengenommen bedeutet, dass das Buch viel länger ist, als ich angenommen hatte.


    Sprachlich und inhaltlich hat es alles, was ich mir von einem Dickens verspreche. Es baut gleich eine eindrucksvolle Atmosphäre auf (die in ihrer Trostlosigkeit übrigens an den Beginn meiner letzten Leküte, Poes "Der Untergang des Hauses Usher" erinnert), die Personen sind gerade so skurril, wie man es bei Dickens erwartet und der Stil ist einfach wunderbar. Bei allem Ernst ist es doch auch humorvoll und auch hier scheint meiner Meinung Dickens' große Menschenliebe hervor.


    Bei Pip habe ich mich lange gefragt, wie alt er denn sein könnte. Ich stelle ihn mir als 6- bis höchstens 7-jähriges Kind vor, aber genau wird das nie gesagt. Er ist ein genauer Beobachter, der doch die hinter den Ereignissen steckende Bedeutung nicht versteht. Mir gefällt, wie wir als Leserinnen mehr erfahren als eigentlich erzählt wird.
    Zu seiner Schwester und seinem Leid beim Weihnachtsessen brauche ich glaube ich nichts sagen; ich denke, er tut uns hier allen Leid. Umso erfreulicher, dass der entflohene Gefangene als "Soße" bei dem Essen funktioniert - welch eine wunderbare Formulierung! :breitgrins:


    Mir fiel im 6. Kap. eine Formulierung auf, die, nehme ich an, einen wichtigen Zug von Pips Charakter aufzeigt:

    Zitat

    In a word, I was too cowardly to do what I knew to be right, as I had been too cowardly to avoid doing what I knew to be wrong. I had had no intercourse with the world at that time, and I imitated none of its many inhabitants who act in this manner. Quite an untaught genius, I made the discovery of the line of action for myself.

    Pip-der-Erwachsene bezeichnet sich selbst als feige und ich glaube, dass wir ähnliches noch öfter lesen werden.


    Whiskers' Spoilerfrage zum 5. Kap. habe ich mir natürlich auch gestellt. Zwar habe ich wie gesagt das Buch schon einmal gelesen, aber das ist sehr lange her und ich erinnere mich nur noch an einzelne Szenen, nicht aber an die Auflösung dieses Rätsels.
    In diesem Kapitel gefällt mir das Mitleid, das Joe und Pip hier mit den Gefangenen haben, und das ich Dickens' eigener Sicht unterstelle. Ganz großartig dann der Vergleich des angeketteten Gefängnisschiffes mit den in Ketten gelegten Gefangenen selbst.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Saltanah,
    ich hoffe, dass Dir das Buch beim zweiten Durchgang besser gefaellt. Mein Buch hat nur 332 Seiten, ist aber grossformatig und hat zum Glueck eine normalgrosse Schrift. Angeblich ist es aber ungekuerzt, ich hoffe, das stimmt auch. :smile:


    Zitat von "Saltanah"

    Bei Pip habe ich mich lange gefragt, wie alt er denn sein könnte. Ich stelle ihn mir als 6- bis höchstens 7-jähriges Kind vor, aber genau wird das nie gesagt.


    So in etwa stelle ich ihn mir auch vor, er ist ja doch noch sehr leichtglaeubig und auch die Fantasie geht manchmal mit ihm durch.
    Im Kapitel 7 lernt er das Lesen und Schreiben, tut sich aber sehr schwer damit. Ich konnte wegen der vielen Schreibfehler den ganzen Satz gar nicht entziffern, den er fuer Joe auf seine Tafel gekritzelt hat. Durch Joes Erwiderung merkt man erst, wie simpel, aber trotzdem sympathisch und sehr gutmuetig er eigentlich ist.


    Mittlerweile bin ich bei Kapitel 10 angelangt und Pip hat schon die Bekanntschaft mit Miss Havisham und Estella gemacht. Das ganze Anwesen und deren beiden Insassen wurden so beschrieben, dass sie gut in einen Gruselfilm gepasst haetten. :krank:
    Interessant fand ich ja, dass die Schwester und Mr. Pumblechook keine Bedenken hatten, den kleinen Pip zu diesem Anwesen zu schicken, ohne dass auch jemand davon schon einmal Miss Havisham gesehen haette. Stattdessen wollen sie von Pip eine bruehwarme Beschreibung, sozusagen um ihre Neugier zu befriedigen. :rollen:
    Die ausgedachte Geschichte von Pip fand ich sehr lustig, da kommt gut der Humor von Charles Dickens zutage.
    Nur schade, dass Pip jetzt so unzufrieden mit sich selbst und seiner Umgebung ist. Vor allem der sonst so geliebte Joe wird jetzt mit sehr kritischen Augen betrachtet, seitdem Estella Pip auf seine Gewoehnlichkeit aufmerksam gemacht hat. Aber wie Dickens am Ende von Kapitel 9 so schoen schreibt, bestimmt dieser Besuch an dem Tag den weiteren Verlauf seiner Zukunft.

    Ein wenig OT:
    Ich habe nach einer Biographie von C.Dickens gegoogelt und bin dabei auf diese website gestossen. Dort gibt es saemtliche Werke von Klassikern online zu lesen. Wahrscheinlich werde ich dort irgendwann ein bisschen mehr stoebern und probelesen, bevor ich mir wieder einen Klassiker kaufe. :smile:


    Habe ich jetzt in meinem Beitrag zu sehr gespoilert? Wenn ja, kann ich gerne die Spoilermarkierungen machen.


  • Ich konnte wegen der vielen Schreibfehler den ganzen Satz gar nicht entziffern, den er fuer Joe auf seine Tafel gekritzelt hat.


    Wie, du hast auch nicht alles verstanden? Schade, dabei wollte ich dich gerade fragen, was die letzten Wörter bedeuten. Dann geht eben die Frage an alle:

    Zitat

    “MI DEER JO i OPE U R KR WITE WELL i OPE i SHAL SON B HABELL 4 2 TEEDGE U JO AN THEN WE SHORL B SO GLODD AN WEN i M PRENGTD 2 U JO WOT LARX AN BLEVE ME INF XN PIP.”


    So weit bin ich gekommen: "My dear Joe I hope you are quite well I hope I shall soon be able for to teach you Joe and then we shall be so glad and when I'm apprenticed to you Jo what ... Pip"
    So weit, so gut. Aber was um alles in der Welt bedeutet nur "LARX AN BLEVE ME INF XN"?

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Hallo zusammen,


    ich hatte schon befürchtet, dass ihr das halbe Buch schon inhaliert habt, bevor ich mich in die Leserunde einschalten kann. :zwinker: Abgesehen davon, dass ich mal wieder viel zu wenig Zeit zum Lesen habe, fordert mich das Original diesmal wirklich heraus. Viktorianisches Englisch geht ja, aber umgangssprachliches viktorianisches Englisch - argh! :wand:


    Ich habe jetzt die ersten sieben Kapitel gelesen und werde bald Miss Havisham kennen lernen.


    Dickens schafft (besonders zu Beginn des Buches) eine wirklich dichte Stimmung. Toll, wie er mit den Beschreibungen spielt: Friedhof und Marschland z. B. beschreibt er ausgiebiger, um Atmosphäre zu erzeugen, in der Schmiede konzentriert er sich auf die Personen und deren Hintergründe. Und dann diese komischen Elemente, die auch in den kritischen Situationen durchscheinen - herrlich. Etwa, dass Pip die komplette Grabinschrift zitiert, als er nach seinen Eltern gefragt wird. Oder die stille Verständigung zwischen Pip und Joe, wenn Mrs. Joe gerade eine Strafpredigt hält. :breitgrins:
    Und was mir auch ständig auffiel: die Aufzählungen. Egal worum es geht, Dickens liefert eine Liste dazu. Anfangs empfand ich es fast als störendes Stilmittel, inzwischen habe ich mich daran gewöhnt.


    Den armen Pip habe ich bereits lieb gewonnen, seine Schwester hingegen... :rollen: Und Joe scheint ein herzensguter, aber naiver Mann zu sein, nicht gerade das Standardbild eines Schmieds. Das Weihnachtsessen war ja unmöglich - die reinste Selbstbeweihräucherung für Mrs. Joe. Pip bekommt von allen Seiten verbal eins übergezogen (und auch unmittelbar durch Pumblechooks Ellbogen) und Joe benimmt sich selbst wie ein kleiner Junge. Da wurde besonders deutlich, was Pip damit meint, wenn er Joe und sich auf einer Ebene stehend sieht. Ganz putzig fand ich hingegen die Stelle, als Pip den Brief an Joe schreibt. Sein Wunsch Joe Lesen und Schreiben beizubringen resultiert doch bestimmt aus seinem schlechten Gewissen, weil er ihm in Bezug auf die Häftlinge nicht die Wahrheit gesagt hat.


    Überhaupt: die Episode um die flüchtigen Sträflinge scheint doch nur Vorgeplänkel für später zu sein, oder? Sicherlich tauchen die beiden noch mal auf, und hoffentlich wird dann das Rätsel um ihre Beziehung zueinander geklärt. Und warum derjenige, dem Pip Proviant bringt, auf dem Schiff gelandet ist, obwohl er einen recht vernünftigen Eindruck macht, solange die Sprache nicht auf seinen Widersacher kommt.
    Andererseits zeigt sich hier, dass Pip für sein Alter schon sehr verantwortungsvoll handelt. Er hätte genauso gut Joe von seiner Begegnung erzählen können, statt sich an sein Versprechen zu halten und Lebensmittel zu stehlen. Die Angst vor seiner Schwester ist bestimmt größer als die vor dem Flüchtigen, mit dem er schließlich nicht zusammenleben muss. Andererseits kompensiert er damit wahrscheinlich seine Selbstzweifel, die von der ständigen Erniedrigung durch Mrs. Joe stammen.


    Zuletzt noch eine Übersetzungsfrage: ist im deutschen Text auch davon die Rede, dass Pip für Miss Havisham spielen soll? Ich verstehe es im Sinne von aufwarten/ bedienen, irritiert bin ich aber doch, weil ich keine passende Übersetzung gefunden habe. :gruebel:


    Bis später
    Breña
    (die eine halbe Ewigkeit zum Schreiben und Posten gebraucht hat, weil der Rechner wieder spinnt. :grmpf:)

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges


  • Die Kapitel sind recht kurz, was mir gut gefaellt, weil ich dann eher das Gefuehl habe, auch mit dem Lesen voranzukommen. :zwinker:


    Great Expectations ist als Fortsetzungsroman in einer Wochenzeitung erschienen, die Dickens mitherausgegeben hat und deren Auflage er steigern wollte. Ist ihm gelungen. :zwinker: Man muss sich das mal vorstellen: das Buch hat 58 Kapitel! Die armen Leser!



    Habe ich jetzt in meinem Beitrag zu sehr gespoilert? Wenn ja, kann ich gerne die Spoilermarkierungen machen.


    Ich finde es ausreichend, wenn die Kapitelnummern am Anfang stehen, solange nicht ganz wesentliche Wendungen der Handlung verraten werden, etwa der Tod eines Protagonisten oder so. Aber ich bin mir auch oft unsicher, ob ich nicht zu wenig spoiler.



    So weit bin ich gekommen: "My dear Joe I hope you are quite well I hope I shall soon be able for to teach you Joe and then we shall be so glad and when I'm apprenticed to you Jo what ... Pip"
    So weit, so gut. Aber was um alles in der Welt bedeutet nur "LARX AN BLEVE ME INF XN"?


    Ich bin ähnlich weit gekommen, wobei ich "apprenticed" im Leben nicht entziffert hätte. "AN BLEVE ME" habe ich als "and believe me" gelesen. Vielleicht kann jemand den deutschen Satz posten?


    Viele Grüße
    Breña

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges

  • Zitat von "Brena"

    Great Expectations ist als Fortsetzungsroman in einer Wochenzeitung erschienen, die Dickens mitherausgegeben hat und deren Auflage er steigern wollte. Ist ihm gelungen. Zwinker Man muss sich das mal vorstellen: das Buch hat 58 Kapitel! Die armen Leser!


    Oh je, als Fortsetzungsroman finde ich das Buch dann doch eindeutig zu lang. Da liest man ja bei einer Wochenzeitung laenger als 1 Jahr daran.

    Zitat von "Brena"

    Zuletzt noch eine Übersetzungsfrage: ist im deutschen Text auch davon die Rede, dass Pip für Miss Havisham spielen soll? Ich verstehe es im Sinne von aufwarten/ bedienen, irritiert bin ich aber doch, weil ich keine passende Übersetzung gefunden habe. Gruebel


    Ich habe auch die englische Ausgabe, aber in Kapitel 11 meint Miss Havisham zu Pip:
    "Since this house strikes you old and grave, boy," said Miss Havisham, impatiently, "and you are unwilling to play, are you willing to work?"
    Und in einem frueheren Kapitel hat sie bemerkt, dass sie manchmal seltsame Vorlieben hat und gerne jemanden beim Spielen zuschaut. Also meint sie tatsaechlich das ganz normale Spielen. :smile:


  • Die Angst vor seiner Schwester ist bestimmt größer als die vor dem Flüchtigen, mit dem er schließlich nicht zusammenleben muss.


    Das glaube ich nicht. Dem Flüchtling ist es ja gelungen, sich in seinen Drohungen genau auf das Niveau eines kleinen Kindes zu bewegen. Er erzeugt in Pip eine alptraumhafte Angst, gegen die selbst die reale Angst vor der Schwester nicht ankommen kann.


    "And believe me" - ja natürlich! Was sollte es auch sonst heißen? Aber was soll Joe nur believen? Danke, Breña.


    :grmpf: Ich habe gestern abend den Klappentext meines Buches gelesen. Da wird nicht nur das wenige verraten, an das ich mich noch erinnere, sondern alles, einschließlich des Schlusses. Und alles in zwei/drei Sätzen. Als Zusammenfassung wirklich gelungen, aber als Klappentext einfach nur Sch***!

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Hallo ihr Lieben,


    ich habe gestern das Buch angelesen und bin leider so garnicht reingekommen. In dem Buch sind bei mir auch noch Fußnoten, wodurch sich das Ganze für mich auch noch nach Pflichtlektüre für die Uni anfühlt.
    Im Moment bin ich sowieso nicht so lesefreudig (um nicht zu sagen, kurz vor einer Lesekrise), deswegen möchte ich jetzt nicht ein Buch lesen, das mir Schwierigkeiten macht. Dann wird es nur noch schlimmer... :zwinker:


    Ich wünsche euch viel Spaß bei der Leserunde!


    LG, Mobi

  • Mobi:
    Schade, dass dir das Buch gerade nicht zusagt. Du hast recht, sich zum lesen zwingen taugt nichts. Aber gib dem Buch später noch mal eine Chance - es lohnt sich, finde ich.


    Ich habe gerade das 16. Kapitel beendet, habe also Miss Havisham schon vor längerer Zeit kennengelernt. Welch ein Charakter! An den Überresten ihrer Jugend krampfhaft festhaltend, ohne jegliche Bereitschaft, ihr Leben nach ihrer großen Enttäuschung anders weiterzuleben. Sehr beeindruckend! Passend dazu dann ihr gleichzeitig mit ihr verfallendes Haus - gruselig.


    Estella wirkt sehr unsympathisch. Mir scheint, Miss Havisham benutzt sie, um sich durch sie an den Männern (hier repräsentiert durch Pip) zu rächen. Estella soll Pips Herz brechen, so wie ein noch ungenannter Mann Miss H.s Herz gebrochen hat. Ich frage mich, ob Estella vielleicht den "young pale gentleman" in Kap 11 dazu angestachelt hatte, mit Pip zu kämpfen. Aber wer ist nur der Junge?


    Miss Havishams Besucher im 11. Kap. sind, so nehme ich zumindest an, ihre Möchtegern-Erben, die (vergebens) versuchen, sich bei ihr einzuschmeicheln. Nur Matthew kommt sie nicht besuchen, was natürlich die Frage aufwirft, wer Matthew ist. Kurz hatte ich überlegt, ob er vielleicht der untreue Bräutigam sein könnte (wobei ich voraussetze, dass Miss H.s Bräutigam zur Hochzeit nicht aufgetaucht ist; es könnte aber auch sein, dass er am Hochzeitstag starb - aber wieso dann der Hass auf die Männer?), glaube das aber nicht wirklich. Wieso sollte er auch kommen? Matthew ist wohl "nur" ein weiterer Verwandter.


    So - jetzt muss ich erst mal frühstücken; nachher mehr.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Frühstück gegessen, weiter geht's:


    Der Effekt, den Miss H. und Estella auf Pip haben, ist tragisch: Dass er beginnt, sich seiner "Unbildung" zu schämen ist schlimm genug, aber dass er sich auch für Joe schämt, ist zwar verständlich, aber noch schlimmer. Der Kontakt mit "besseren" Leute nimmt ihm seinen Stolz und sein Selbstbewusstsein - oder, könnte man sagen, lässt ihn sich erst seiner selbst bewusst werden. Er beginnt, sich und äuch Joe "von außen", mit dem Blick anderer Leute zu sehen. Eigentlich ist das eine Vertreibung aus dem Paradies, dem Kindheitsparadies, in dem alles natürlich und selbstverständlich ist. Ein notwendiger Schritt auf dem Weg zum Erwachsen-werden, leider aber früh und mit dem Verlust seines Selbstwertgefühles verbunden. Er ist noch zu klein, um dem "anderen Blick" Widerstand zu leisten, übernimmt ihn also und damit tut sich ein Abstand zwischen ihm und Joe auf. Vorher befanden sich die beiden auf einer Ebene, jetzt nicht mehr. Wobei mir auffällt, dass Joe, so simpel er auch ist, doch einiges versteht, wenn es um Menschen geht. Er hat verstanden, dass Miss Havisham Worte einen endgültigen Abschied bedeuteten und analysiert recht gut, wie Pips Besuch dort (Kap. 15) aufgefasst werden könnte. Wenn Pip ihm mittlerweile auch intellektuell überlegen ist, so hat Joe ihm einiges an Menschenkenntnis voraus.


    Das 15. Kap. endet spoilererfordernd dramatisch:

    Wer der Täter ist, ist ein Rätsel. Vielleicht einer der entflohenen Sträflinge? Sonderbarerweise werden die als mögliche Täter im 16. Kap. nicht erwähnt. Pips "Hauptverdächtiger" hat ein gutes Alibi und wird auch weiter entlastet. Interessieren würde mich auch, ob Pip mit seinem Verdacht, was die Tatwaffe angeht, recht hat. Das wäre ja schon ein Alptraum.


    Und da ich schon am Fragen stellen bin: Wer war eigentlich der geheimnisvolle Fremde mit der Feile in der Kneipe im 9. Kap.? Ein Bekannter des Sträflings, dem Pip geholfen hatte? Hier hat mich übrigens Pips Schwester angenehm überrascht: Ich hatte vermutet, sie würde die 2 Pfund gleich konfiskieren mit der begründung, ein so kleiner Junge könne mit so viel Geld nichts anfangen. Zwar nimmt sie ihm auch das Geld ab, aber nicht für sich selbst, sondern bewahrt es für den Fremden auf, der es vielleicht zurückfordern könnte. Eine ehrliche Seele also.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Nachtrag zum 15. Kap.:
    Mr Wopsle trägt dort ein Theaterstück vor: "George Barnwell" oder The London Merchant. Dickens hat dieses Stück sicherlich nicht zufällig ausgewählt. Einige Parallelen zu Pips Leben sind schon jetzt offensichtlich, weitere werden wir sicher beim Weiterlesen bemerken.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Mobi, dann hoffe ich, dass Du ein geeigneteres Buch findest, das Dich vor der Lesekrise bewahren kann. Vielleicht bist Du spaeter mal in der Stimmung fuer Dickens. :winken:


    Zitat von "Saltanah"

    Und da ich schon am Fragen stellen bin: Wer war eigentlich der geheimnisvolle Fremde mit der Feile in der Kneipe im 9. Kap.? Ein Bekannter des Sträflings, dem Pip geholfen hatte? Hier hat mich übrigens Pips Schwester angenehm überrascht: Ich hatte vermutet, sie würde die 2 Pfund gleich konfiskieren mit der begründung, ein so kleiner Junge könne mit so viel Geld nichts anfangen. Zwar nimmt sie ihm auch das Geld ab, aber nicht für sich selbst, sondern bewahrt es für den Fremden auf, der es vielleicht zurückfordern könnte. Eine ehrliche Seele also.


    Bei diesem Fremden in der Kneipe dachte ich zuerst, es waere der Straefling selbst gewesen. Es war dann aber doch nur ein Bekannter des Straeflings, wobei ich mich frage, ob er gezielt geschickt wurde oder ob er Joe und Pip nur zufaellig getroffen hat. Ich kann mir gut vorstellen, dass der Straefling ein schlechtes Gewissen dem kleinen Pip gegenueber hat.


    Ich bin die letzten 2 Tage nicht viel zum Lesen gekommen und bin jetzt erst bei Kapitel 12 angelangt.

    Zitat

    Estella wirkt sehr unsympathisch. Mir scheint, Miss Havisham benutzt sie, um sich durch sie an den Männern (hier repräsentiert durch Pip) zu rächen. Estella soll Pips Herz brechen, so wie ein noch ungenannter Mann Miss H.s Herz gebrochen hat. Ich frage mich, ob Estella vielleicht den "young pale gentleman" in Kap 11 dazu angestachelt hatte, mit Pip zu kämpfen. Aber wer ist nur der Junge?


    Es wuerde mich nicht wundern, wenn Estella ihn dazu angestachelt haette. Vielleicht war es sogar die Idee von Miss Havisham? Von der Beschreibung her stelle ich mir den Jungen als Albino vor.
    Nach dem Kampf hat Pip ein schlechtes Gewissen und Angst, dass er bestraft werden koennte. Er tut mir schon leid, immer muss er sich vor etwas fuerchten. :sauer:


    Zitat

    Miss Havishams Besucher im 11. Kap. sind, so nehme ich zumindest an, ihre Möchtegern-Erben, die (vergebens) versuchen, sich bei ihr einzuschmeicheln. Nur Matthew kommt sie nicht besuchen, was natürlich die Frage aufwirft, wer Matthew ist.


    Es war schon witzig, wie sich die Moechtegern-Erben einschmeicheln wollten. Ich glaube auch nicht, dass Matthew der Braeutigam ist. Womoeglich ist es gar ein Sohn?
    Je mehr ich ueber Miss Havisham lese, desto seltsamer finde ich es, dass man 2 Kinder in ihre "Obhut" schickt. Besonders Estella scheint ja richtig dort zu wohnen. :gruebel:
    Schade (wenn auch nicht verwunderlich), dass er kein Vertrauen zu seiner Schwester hat. Ich habe das Gefuehl, dass sie ihn von Miss Havisham fernhalten wuerde, wenn sie sie kennen wuerde. Schliesslich ist Pip ihr einziger lebender Verwandter und ich denke schon, dass ihr viel an ihm liegt. Wenn sie es auch nicht zeigen kann. :rollen

  • Hallo zusammen,
    whiskers, ich komme auch nicht besonders schnell voran.


    In Kapitel acht habe ich Miss Havisham kennengelernt, und in Kapitel elf gleich ein zweites Mal getroffen. Abgesehen davon, dass Satis House sehr stimmungsvoll beschrieben ist, fand ich es gut, wie Pip nach und nach all die Details entdeckte, die er sich selbst zusammenreimte bzw. später erklärt bekam. Miss Havisham ist wirklich eine sehr ungewöhnliche Figur (auch wenn ich gestehen muss, dass sich die Miss Havisham von Jasper Fforde immer ein wenig in mein Bild mischt...). Estella hingegen ist mir nicht nur unsympathisch, ihre Stellung innerhalb des Hauses finde ich auch fragwürdig, aber durchaus ins Bild passend. Tja, und die seltsame Gesellschaft scheint es tatsächlich auf Miss Havishams Vermögen abgesehn zu haben, wenig erfolgreich. :breitgrins: Aber wer ist dieser blasse Junge, mit dem Pip gekämpft hat? Und Matthew?


    Wie Pip in Kapitel neun seine Schwester und Mr. Pumblechook an der Nase herumführt und Pumblechook alles schön bestätigt fand ich zu köstlich. Sein schlechtes Gewissen Joe gegenüber konnte ich aber auch gut nachvollziehen.


    Kapitel zehn ist wieder mysteriös und bringt den entflohenen Sträfling wieder ein. Auf den Verlauf dieses Erzählstrangs bin ich besonders gespannt. Übrgens hätte ich gedacht, dass Mrs. Joe das Geld einstreicht, aber dass sie noch nicht mal Pips Münze einbehält rechne ich ihr hoch an.


    Später mehr, ich muss jetzt erst mal los. :winken:
    Breña

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges

  • Hallo,
    ich habe jetzt Kapitel 16 beendet und es hat sich einiges getan. Ich kann wirklich nicht behaupten, dass das Buch langweilig waere und auch von der Atmosphaere her gefaellt es mir sehr gut. :smile:
    Erschrocken bin ich darueber, dass


    Das Verhaeltnis zwischen Joe und Pip hast Du sehr gut beschrieben, Saltanah, und ich kann Dir nur beipflichten.
    Ich dachte anfangs, dass es gut fuer Pip waere, ihn von Miss Havisham und Estella fernzuhalten, aber im Grunde genommen macht das auch keinen Unterschied mehr. Er war wohl wirklich gleich vom ersten Tag an so sehr von Estella eingenommen, dass er nun in allem was er tut an sie denkt und sich vorstellt, was sie von ihm haelt.
    Miss Havisham ist natuerlich hocherfreut, als sie seine Verliebtheit bemerkt und stochert genuesslich in seiner Wunde. :rollen:


    Es wuerde mich schon interessieren, wie alt genau Pip mittlerweile ist. Ich kann das mittlerweile schlecht einschaetzen.

  • So, da bin ich wieder. Unterwegs konnte ich sogar ein wenig weiterlesen und habe zuletzt Kapitel 15 beendet.


    Pip hat mit den verschiedensten Schuldgefühlen zu kämpfen und obendrein mit Selbstzweifeln. Ich hoffe, er wird im Laufe des Buches selbstbewusster; Miss Havisham, Estella und Mrs. Joe haben wirklich ganze Arbeit geleistet. Ich muss mal herausfinden, ob Dickens auch so dominante Damen in seinem Umfeld hatte... Überhaupt ist er inzwischen sehr auf Estella fixiert und darüber hinaus hat er sich in den Kopf gesetzt, etwas Besseres werden zu wollen. Zu seiner Schwester und Pumblechook passen solche Ambitionen durchaus, aber Pip... Saltanah, deine Bemerkung, dass er aus dem Kindheitsparadies vertrieben wird, finde ich sehr pasend!


    Eine böse Überraschung ertwartet uns am Ende des 15. Kapitels. Welche Auswirkungen wird dieser Vorfall wohl für Pip, aber auch für Joe, haben?


    Bisher wurden mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Prinzipiell finde ich das nicht schlecht - ich hoffe, ich komme am Wochenende mehr zum Lesen um festzustellen, ob Dickens uns nicht mal wieder eine Antwort gönnt. :zwinker:



    Das glaube ich nicht. Dem Flüchtling ist es ja gelungen, sich in seinen Drohungen genau auf das Niveau eines kleinen Kindes zu bewegen. Er erzeugt in Pip eine alptraumhafte Angst, gegen die selbst die reale Angst vor der Schwester nicht ankommen kann.


    Stimmt schon, allerdings macht er sich auch ausgiebig Gedanken und sorgt sich um den Häftling. Angst hat er wohl eher vor dem "jungen Begleiter", sein Entflohener tut im hingegen leid.



    Ich frage mich, ob Estella vielleicht den "young pale gentleman" in Kap 11 dazu angestachelt hatte, mit Pip zu kämpfen. Aber wer ist nur der Junge?


    Gar kein so abwegiger Gedanke... Allerdings glaube ich eher, dass es indirekt geschah, denn die Aufforderung zum Kampf kam, nachdem Pip wahrheitsgemäß sagte, dass er von Estella hineingelassen wurde. Bleibt die Frage, wer der blasse Jüngling ist, der wohl auch ein Auge auf die junge Dame geworfen hat.


    Danke für den Hinweis auf das Theaterstück, Saltanah!

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges

  • Hallo,
    ich bin auch wieder ein wenig weiter gekommen. :smile: Gestern hatten wir keinen Internetanschluss, weil ein Arbeiter aus Versehen unsere Telefonleitung gekappt hat. Deswegen kommen jetzt erst meine Notizen, die ich waehrend dem Lesen gemacht habe.


    Kapitel 17
    Es hat mich gefreut, dass Pip in Biddy jemanden gefunden hat, der er sich anvertrauen kann. Sie ist sehr klug und sympathisch und ausserdem ein echter Segen fuer die Familie. Schade, dass Pip unbedingt ein Gentleman werden will und sich schon in Estella verguckt hat, sonst wuerden die beiden bestimmt ein nettes Paar abgeben.
    Kapitel 18

    Irgendwie bezweifle ich, dass es Miss Havisham ist und tippe eher auf Pips Straefling. Aber weiss der ueberhaupt, dass Pip ein Gentleman werden moechte?
    Es sind ja seltsame Bedingungen daran geflochten und ich waere auch nicht so gluecklich darueber, nun diesen herablassenden Anwalt als Vormund zu haben.
    Joe hat natuerlich schwer daran zu schlucken, dass Pip nun bald das traute Heim verlassen wird. :sauer:
    Kapitel 19
    Pip ist verstaendlicherweise ob seiner "Grossen Erwartungen" sehr aufgekratzt, aber er geht mir in diesem Kapitel trotzdem ein wenig auf den Geist. Ich denke, spaetestens jetzt hat auch Joe mitbekommen, dass er sich seiner schaemt. Und Pip sieht nicht, dass er keinen Grund hat, sich zu schaemen, selbst als Joe dezent darauf hinweist, dass er immerhin ein Meister in seinem Gewerbe ist.


    Ich fand sehr witzig beschrieben, was fuer ein Getue die verschiedenen Ladeninhaber um Pip machen, sobald er darauf aufmerksam macht, dass er zu Geld gekommen ist.
    Und was ist eigentlich in Pumblechook gefahren? War er tatsaechlich so ehrerbietig oder hat er dem unerfahrenen Pip einen Deal aufgeschwatzt?
    Zum Ende des Kapitels gibt Pip sich selbst gegenueber endlich zu, dass er Joe doch sehr vermissen wird. Uebrigens ein seltsamer Brauch mit dem Schlappen hinterher werfen! :breitgrins:
    Ich finde, dass Dickens dieses Losloesen von zuhause sehr schoen beschrieben hat. Nur viel Zeit hat man der Familie nicht gelassen, sich darauf einzustellen.

  • Hallo ihr beiden :winken: ,


    ich habe erst mal auf die Lesebremse getreten, um euch nicht zu weit davonzustürmen, habe aber trotzdem kürzlich das 24. Kapitel beendet.



    Kapitel 17
    Es hat mich gefreut, dass Pip in Biddy jemanden gefunden hat, der er sich anvertrauen kann.

    Biddy - ja, das ist eine rundum gute, vertrauenswürdige, kluge und sympathische Person, nur leider keine, in die man sich verliebt. Ich bin ja überzeugt davon, dass sie sich in Pip verliebt hat, aber leider wird das ja nicht erwiedert.



    Kapitel 18

    Irgendwie bezweifle ich, dass es Miss Havisham ist und tippe eher auf Pips Straefling.

    Das wäre natürlich möglich, aber es deutet ja doch alles auf Miss H. hin. Jaggers ist ihr Anwalt, Matthew Pocket (der Matthew, der sie nicht besucht!) wird sein Tutor und überhaupt sind alle davon überzeugt, dass sie es ist. Aber vielleicht sollte gerade diese allgemeine Überzeugung uns misstrauisch machen, vielleicht liegt es einfach zu nahe? Aber der Sträfling? Erst mal müsste der wieder auf freiem Fuße sein, dann müsste er zu Geld gekommen sein, müsste Jaggers kennen (was an und für sich sein könnte, da Jaggers ja als Anwalt vor Gericht arbeitet) und müsste schließlich einen weichen Fleck im Herzen für den kleinen Jungen haben, der ihm damals geholfen hat. Gerade der letzte Punkt erscheint mir schon etwas unglaubwürdig, ist aber einer Dickens-Figur schon zuzutrauen.
    Toll, dass wir endlich wissen, woher der Titel des Buches kommt.


    Kapitel 19
    Dieses Kapitel finde ich besonders gelungen. Die Freude Pips darüber, dass sein Wunsch, den engen Verhältnissen zu entkommen, wahr wird, die kriecherischen und schleimigen Reaktionen der Ladeninhaber - allen voran Pumblechook -, die Pip die "stupendous power of money" entdecken lässt und dann vor allem der Abschied, bei dem Pip entdeckt, dass er sich vielleicht doch nicht ganz angemessen gegenüber Joe und Biddy verhalten hat.
    Ich persönlich kann Pip gut verstehen, auch wenn er mir in seinen Anflügen von Arroganz nicht immer ganz sympathisch ist. Da erinnert mich einiges an meine einige Jugend ( :redface: ), was mir sein Verhalten noch realistischer erscheinen lässt. Dass Pip dann doch Zweifel an sich bekommt, sich einen besseren Abschied wünscht, und natürlich auch der kritische Blick des erwachsenen Pip, der über sein jugendliches Verhalten ziemlich hart urteilt, bietet dann doch versöhnliche Züge. Er war nun mal ein jugendliches A***loch, schön dargestellt in der "gallon of condescension", mit der er den Dörfler zum Abschied ein gutes Essen bieten will, aber er ist es sich zumindest im Nachhinein bewusst, dass er eins war. (Und, wie gesagt, der Wiedererkennungswert...)
    Das hat Dickens wirklich gut hinbekommen!


    [hr]


    Kap 20-21:
    Pips Ankunft in London bietet dann einen Antiklimax, auch für ihn selbst. Von den "Great Expectations" ist erst mal nicht zu bemerken - die Gegend, die er als erstes kennenlernt, ist eher ärmlicher als er es aus seinem Dorf gewohnt ist. Jaggers ist eine äußerst zweifelhafte Figur, die beruflich zu allem fähig ist und nicht gerade Vertrauen in das britische Rechtssystem erweckt.
    Etwas aufgehoben wird dieser erste negative Eindruck von London durch die Bekanntschaft mit Herbert Pocket, Matthews Sohn, der mir ebenso gut und zuverlässig wie Biddy erscheint und der für eine ordentliche Überraschung sorgt. In ihm hat Pip einen guten Freund gefunden - hoffentlich erhält er sich diese Freundschaft!


    Kap. 22:
    Von Herbert erfährt er dann auch einiges über Miss Havisham. Sie wurde tatsächlich von ihrem Bräutigam am Hochzeitstag verlassen, aber überraschender und wichtiger scheint mir noch die Existenz ihres (Halb-)bruders. Ob der vielleicht der "böse" Sträfling war? Aber wer war dann "Pips"?


    Kap. 23:
    Die hoffnungslos unpraktischen Pockets sind wieder eine typisch dickens'sche Schöpfung, allerdings erscheinen sie mir härter, unbarmherziger gezeichnet als vergleichbare Figuren aus früheren Werken.
    Mit ihnen hat Pip wohl wieder Pech. Er bräuchte jemanden, der ihn im Zaume hält, ihn lenkt und ihm seine Flausen austreibt. Aber dafür sind weder Matthew noch Herbert die geeigneten Personen, von Jaggers ganz zu schweigen. Ihn sehe ich eher als eine Entsprechung zu Miss Havisham - er wird sicher gelassen zusehen, wie Pip in den Ruin treibt. Ich erwarte schlimmes.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Schoen, dass Du noch mitliest, Saltanah, ich hatte schon befuerchtet, wir haetten Dich mit unserem Lesetempo vergrault. :winken:


    Zitat von "Saltanah"

    Zitat von: whiskers am 23. August 2008, 23:31:17
    Kapitel 18


    Irgendwie bezweifle ich, dass es Miss Havisham ist und tippe eher auf Pips Straefling.
    Das wäre natürlich möglich, aber es deutet ja doch alles auf Miss H. hin. Jaggers ist ihr Anwalt, Matthew Pocket (der Matthew, der sie nicht besucht!) wird sein Tutor und überhaupt sind alle davon überzeugt, dass sie es ist. Aber vielleicht sollte gerade diese allgemeine Überzeugung uns misstrauisch machen, vielleicht liegt es einfach zu nahe? Aber der Sträfling? Erst mal müsste der wieder auf freiem Fuße sein, dann müsste er zu Geld gekommen sein, müsste Jaggers kennen (was an und für sich sein könnte, da Jaggers ja als Anwalt vor Gericht arbeitet) und müsste schließlich einen weichen Fleck im Herzen für den kleinen Jungen haben, der ihm damals geholfen hat. Gerade der letzte Punkt erscheint mir schon etwas unglaubwürdig, ist aber einer Dickens-Figur schon zuzutrauen.


    Ich wuesste nur nicht, warum Miss Havisham so ein Geheimnis daraus machen sollte? Von Pips Straefling weiss man ja eigentlich nichts, aber er taucht doch immer wieder sporadisch in der Geschichte auf, sodass ich mir denke, dass er noch eine tragende Rolle spielen wird. Und Jaggers koennte ja sein Verwalter sein, solange er inhaftiert ist. :zwinker: Aber das sind natuerlich alles nur Spekulationen...


    Kapitel 20
    Einen sehr heimeligen Eindruck macht das enge und haessliche London nicht auf Pip und auch der Anwalt ist kalt und berechnend.


    Kapitel 21
    Hier hat Dickens sehr bildhaft das verfallene "Barnard's Inn" beschrieben, Pips vorruebergehende Unterkunft. Fast konnte ich den Schimmelpilz riechen. :zwinker:


    Kapitel 22
    Hier trifft Pip wieder einen alten Bekannten, der ausserdem einige Fragen beantwortet, die wir uns schon gestellt hatten. Herbert Pocket macht wirklich einen sehr gutmuetigen Eindruck, und ist scheinbar leicht zufrieden zustellen.
    Ich weiss nicht, ob ich etwas ueberlesen habe, aber Herbert erzaehlt, dass Matthew ein Neffe von Miss Havisham waere. Auf die Frage, ob Miss H. noch weitere Geschwister haette, gibt er nur deren Halbbruder an. Der hat meines Wissens nach aber keine Kinder. Wie kann dann Matthew der Neffe sein? :gruebel:


    Kapitel 23
    Die Pockets fuehren wirklich einen Chaoshaushalt! Und Mrs. Pocket gibt mit ihrem Beinahe-Adelstitel eine schaurig abgehobene Gestalt ab, total realitaetsfremd.

    Zitat von "Saltanah"

    Die hoffnungslos unpraktischen Pockets sind wieder eine typisch dickens'sche Schöpfung, allerdings erscheinen sie mir härter, unbarmherziger gezeichnet als vergleichbare Figuren aus früheren Werken.
    Mit ihnen hat Pip wohl wieder Pech. Er bräuchte jemanden, der ihn im Zaume hält, ihn lenkt und ihm seine Flausen austreibt. Aber dafür sind weder Matthew noch Herbert die geeigneten Personen, von Jaggers ganz zu schweigen. Ihn sehe ich eher als eine Entsprechung zu Miss Havisham - er wird sicher gelassen zusehen, wie Pip in den Ruin treibt. Ich erwarte schlimmes.


    Da hast Du wohl Recht. Die Pockets haben nicht einmal ihr eigenes Leben im Griff, da kann man nicht erwarten, dass sie anderen eine echte Stuetze waeren.


    Kapitel 24
    Pip ist noch nicht lange in London und fragt schon nach Geld - Mr. Jaggers fuehlt sich in seiner schlechten Meinung von Pip bestaetigt.
    Ich bin ja mal gespannt, wie das weitergeht. :rollen: