[Nigeria] Chinua Achebe – Der Pfeil Gottes

Es gibt 3 Antworten in diesem Thema, welches 3.346 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Kirsten.

  • Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Inhalt: Ezeulu ist der Oberpriester von Umuaro, einer Gemeinschaft aus sechs Igbo-Dörfern. Noch ist das Leben relativ unbeinflußt von der britischen Kolonialverwaltung, auch wenn es eine Missionsstation und eine Schule gibt. Auch in einen Landstreit zwischen Umuaro und der Nachbargemeinschaft Okperi hat Distriktkommissar Winterbottom schon einmal zugunsten Okperis eingegriffen. Um zu verstehen, was die Weißen so überlegen macht, schickt Ezeulu einen seiner Söhne, Oduche, zur Schule und zur Mission. Es kommt zu einem Eklat, als in einem Kasten, der Oduche gehört, eine eingesperrte Python gefunden wird. Ein Sakrileg! Die Götter werden bestimmt für diesen Frevel strafen. Das eigentliche Verhängnis nimmt aber seinen Lauf, als Winterbottom Ezeulu nach Okperi beordert, um ihn zum Chief von Umuaro zu „befördern“. Ezeulu mißfällt die Form der „Einladung“, macht sich aber gleichwohl schließlich auf den Weg. Als er von Winterbottoms Ansinnen erfährt, lehnt er die angetragene Position aus verschiedenen Gründen ab. Man nimmt ihn quasi in Beugehaft. Als er nach Wochen endlich zurückkehrt, hat Ezeulu einige Neumondbestimmungen verpaßt, und er weigert sich, die Ernte und das Fest des neuen Yams auszurufen, als die Zeit dafür eigentlich gekommen wäre. Eine Hungersnot droht, und die christliche Kirche macht verlockende Angebote ...



    Meine Meinung: Chinua Achebe ist vermutlich der meistgelesene Autor Nigerias, und das sicher nicht zu Unrecht. Deshalb denke ich, kann man ihn ohne weiteres unter Weltliteratur einordnen. Über sein Romangesamtwerk hinweg zeigt er die Strukturen, Werte und Normen der Igbo-Gesellschaft und ihren Wandel unter dem Einfluß der Kolonialherrschaft. Dieser Roman ist etwas später angesiedelt als sein Erstling Okonkwo oder das Alte stürzt, denn das setzt vor dem Auftauchen der Briten ein, während hier schon eine Verwaltung errichtet ist. Gerade diese beiden Romane zusammengenommen ergeben ein sehr plastisches Bild vom Leben im Igbo-Land an diesem Scheidepunkt.


    Bemerkenswert war für mich, daß die Hauptpersonen beider Bücher, hier Ezeulu, dort Okonkwo, mir nicht im eigentlichen Sinne sympathisch waren. Aber sie sind beide sehr starke Charaktere, die für ihre Überzeugungen und für Traditionen einstehen und dabei auch den eigenen Nachteil in Kauf nehmen. Man kann das einfach nur reaktionär und dumm finden, aber damit unterschlüge man, daß die Gemeinschaften funktioniert haben und durchaus wandlungsfähig und nicht starr waren. Sie funktionierten eben nur nach anderen Prinzipien, die einen mehr egalitären, fast sogar demokratischen Charakter hatten. Die übrigen Personen verblassen sowohl neben Ezeulu als auch neben Okonkwo schon ein wenig, aber das wirkte im realen Leben vermutlich auch nicht viel anders. Interessant für mich waren die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede, die sich zwischen dem Priester Ezeulu und dem angesehenen Dorfbewohner Okonkwo zeigen. Sie kommen wegen ihrer sozialen Prägung zwar zu ähnlichen Ergebnissen, aber auf Grund unterschiedlicher Erwägungen.


    Nicht alle Ausgaben des Buches scheinen über ein Glossar zu verfügen, in dem die zahlreichen Igbo-Begriffe erläutert werden, in der oben verlinkten Ausgabe ist dies allerdings der Fall. Hier gibt es auch noch eine graphische Übersicht über Ezeulus Familie und ein lesenswertes Nachwort von Thomas Brückner, in dem er Achebes Leben und Werk kurz in Beziehung zueinander und zu den äußeren Rahmenbedingungen seines Schreiben setzt.


    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:


    Schönen Gruß,
    Aldawen

    Einmal editiert, zuletzt von Aldawen ()

  • Vielen Dank für die Rezi, Aldawen, mit der Du es geschafft hast, dass ich nicht nur Der Pfeil Gottes sondern auch Okonkwo lesen möchte. :zwinker:


    Viele Grüße
    Breña

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges


  • Vielen Dank für die Rezi, Aldawen, mit der Du es geschafft hast, dass ich nicht nur Der Pfeil Gottes sondern auch Okonkwo lesen möchte. :zwinker:


    Immer gerne doch :breitgrins:Okonkwo habe ich hier übrigens auch schon als Hörbuch kommentiert: klick.

  • Hallo!


    Nachdem mir Aldawen Chinua Achebe so ans Herz gelegt hat will ich natürlich mit meiner Meinung nicht hinterm Berg halten :zwinker:


    Die Geschichte fängt sehr ruhig an, so dass das erste Auftauchen von Captain Winterbotton fast wie ein Schock war. Mein erster Eindruck von ihm war: kalt, unglücklich auf seinem Posten und mit seiner Position. Auch scheint ihm das richtige Verständnis für die Menschen, die ihm anvertraut wurden, zu fehlen. Sein Auftritt passte so gar nicht zu den vorhergehenden Kapiteln, in denen mehr gesagt wurde als dass wirklich passierte. So erging es mir jedes Mal wenn die Kolonialherren auftauchten. Sie schienen mir eine Unterbrechung des beschaulichen Lebens im Dorf zu sein. Dabei war dieses LEben gar nicht beschaulich. Sowohl innerhalb des Dorfs als auch innerhalb von Ezeulus Familie gab es immer wieder Spannungen, wie sie eben in einer Gemeinschaft vorkommen. Doch je weiter die GEschichte geht, desto stärker werden die Spannungen und Ezeulu scheint auch von seiner Autorität zu verlieren. Am Ende ist klar, dass sich die Dinge verändern werden. Auch wenn ich nicht das GEfühl hatte, dass das Buch mitten in der Handlung endete: für mich hätte es gerne noch weitergehen können, denn ich fand den Stil zwar ein wenig ungewohnt, aber dennoch nicht unangenehm.
    3ratten :marypipeshalbeprivatmaus:


    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.