Frank Tallis - Die Liebermann-Papiere

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    Titel: Die Liebermann-Papiere
    Autor: Frank Tallis


    Allgemein:
    506 S.; Btb; 2006; 12 €



    Inhalt:
    Wien, Anfang des 20. Jahrhunderts:
    Die Wiender Polizei steht vor einem Rätsel. Das Medium Charlotte Löwenstein scheint sich umgebracht zu haben aber dennoch hat der emittelnde Beamte Reinhardt so seine Zweifel. Zuviel erscheint an ihrem Tod seltsam. Spielen etwa wirkliche übersinnliche Kräfte eine Rolle? Reinhardt bittet seinen Freund, den Arzt und Psychoanalytiker Max Liebermann um Hilfe. Dieser hat seine ganz eigenen Methoden den Fall zu lösen...


    Dies ist der erste Teil.
    2. Teil: Wiener Blut
    3. Teil: Wiener Tod
    EDIT: Es gibt inzwischen noch weitere Teile:


    4. Kopflos
    5. Rendezvous mit dem Tod
    Ein weiterer Band wird 2011 erscheinen allerdings ersteinmal auf englisch.


    Meine Meinung:
    Nachdem ich dem Irrtum aufgesessen war, es ginge in diesem Krimi um den Maler Max Liebermann (man sollte halt auch den Klappentext lesen :zwinker:), konnte ich mich dann doch recht schnell auf die Figur des Psychoanalytikers Liebermann einlassen. Für mich als Fan der Stadt Wien und Romanen die sich mit den Anfängen der Psychoanalyse und Psychologie beschäftigen, war dies auch nicht schwer.
    Max ist eine sympathische Figur und durch ihn wird die Geschichte auch recht lebendig. Überhaupt konnte man sich die Gesellschaft und die Stadt Wien sehr gut vorstellen. Tallis schreibt sehr bildhaft und auch gut verständlich. Es flutschte beim Lesen richtig gehend.


    Auf dem Buchdeckel steht der Krimi sei eine Art "Sherlock Holmes trifft Dr. Freud". So ähnlich habe ich das auch empfunden. Liebermann löst den Fall mit Hilfe seiner psychologischen Kenntnisse aber auch mit Hilfe seines Freundes Reinhardt. Leider fehlt es gerade diesem an Tiefe. Überhaupt zeichnet Tallis mit seine beiden Hauptfiguren fast zu glatt und moralisch über allem erhaben, wobei Liebermann insgesamt wenigstens ein paar Fehler aufweist. Am Ende wird der Fall sehr dramatisch gelöst, was ich ein klein wenig übertrieben fand.
    Was mir sehr gut gefallen hat war der geschichtliche Bezug zu Wien, die Figur des Max Liebermann und auch die Beschreibungen seiner Methoden, vor allem auch im Hinblick auf die damaligen ersten Schritte den Patienten nicht durch Wegsperrung in eine Anstalt zu helfen, sondern durch das Gespräch und die Anwendung der Freudschen Theorien. Der Kriminalfall selbst war jetzt eher durchschnittlich spannend, aber man wollte schon wissen wer nun der Mörder ist.


    Mir hat es jedenfalls Spaß gemacht und ich werde sicher bald wieder nach Wien reisen! Als Strandlektüre ist es jedenfalls hervoragend geeignet!


    3ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

  • Ich kann mich der obigen Meinung eigentlich nur anschließen. Das Buch ist flüssig geschrieben, die Handlung kommt gut voran und trotzdem zeichnet Tallis ein schönes Bild von der Zeit der Jahrhundertwende in Wien.
    Einziger Kritikpunkt, den ich dabei anfügen möchte: teilweise war es mir schon zu klischeehaft. Es war, wie man sich Wien eben vorstellt. Dauernd geht irgendwer ins Cafehaus und jedesmal wird eine andere Art Kaffee bestellt (der gleichzeitig auch erklärt wird) und auch die typischen Mehlspeisen kommen vor. Das war für mich als "Einheimische" schon fast zu viel des Guten.
    Dennoch kann man sich gut vorstellen, dass die Stimmung zu dieser Zeit wirklich so war, es ist stellenweise ähnlich wie die "Tante Jolesch" von Torberg zu lesen, der ja ungefähr zu dieser Zeit lebte. Auch positiv aufgefallen ist mir, dass die negativen Seiten nicht verschwiegen werden. Tallis zeigt den latenten Antisemitismus auf, ohne dabei belehrend zu sein.


    Alles in allem also ein lesenswertes Buch, wenn auch der Mord fast ins Nebensächliche rückt. Ich werde ganz bestimmt auch den zweiten und dritten Teil lesen.

  • Ich habe das Buch gestern beendet und teile eigentlich Holdens Meinung. Es hat mich nicht gestört, dass auf die Charaktere, genauer deren Gefühlslage nicht näher eingegangen wurde, das ist für mich Teil dieses Buches. Die Kaffeehausbeschreibungen haben mich nicht im Geringsten gestört, ich fand das sehr liebenswert. Auch die Beschreibung der Fahrten mit dem Riesenrad und der sich langsam durchsetzenden "neuen" Kunst und Medizin fand ich sehr gelungen, ebenso die altmodischen Redewendungen und Verhaltensweisen. Grundsätzlich mag ich es nicht besonders, wenn tatsächlichen historischen Figuren in einem Roman Worte in den Mund gelegt werden - wenn ihr versteht, was ich meine - aber hier haben mich die Bezugnahme und die Kurzauftritte von Dr. Freud nicht gestört, sie waren nicht Hauptsache und haben den Verlauf des Buches unterstützt.


    Für mich hat diese Ära eine besondere Melancholie, das Buch selbst war gut geschrieben, deshalb werde ich mir sicher den nächsten Band besorgen, ich bin neugierig, wie es mit Max Liebermann und Oskar Reinhardt weitergeht.


    lg, Frau 32