Günter Grass - Die Box: Dunkelkammergeschichten

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Nun hat auch der dritte große Altmeister der deutschsprachigen Literatur ein neues Buch auf dem Markt. Die Box - bei einem älteren Semester wie mir ruft das Erinnerungen wach, so ein Ding hatte ich auch mal; man konnte gerade mal acht Bilder knipsen, mehr war nicht drin... - in der heutigen digitalen Zeit kaum vorstellbar.

Die Box im Buch des GG macht aber auch Dinge sichtbar, die noch geschehen werden oder geschehen, aber nicht wahrgenommen werden.

Grass lässt das Familienleben in Erzählungen der Kinder auferstehen, die Sprache ist dadurch bisweilen sehr salopp, aber virtuos allemal, weil ein Sog entsteht, in den der Leser hineingezogen wird.

EDIT: Amazonlink eingefügt und Betreff angepasst. LG, Saltanah

...nein, bin in der Hälfte etwa. Mir gefällt es - obwohl auch ich einsehe, dass es nicht die ganz große Kunst ist; aber Grass ist ein versierter Erzähler, der weiß, wie man seinen Stoff an den Mann bringt...
...und Kritiken haben mich noch nie interessiert...

...habe nun zwei Drittel des Buches in nahezu einem Durchgang gelesen, weil man wirklich in einen Erzählsog gezogen wird. Von den rhethorischen Figuren, die der mündlichen Sprache geschuldet sind kann man ja absehen; den Blick für den Kern der Erzählung sollte man sich nicht verstellen lassen, eine kleine Hommage an eine ungewöhnliche Familie, aus der Sicht der Kinder erzählt. Es gibt ein paar erzählerische Konstanten wie die Wohnungen und Häuser, in denen die Familie oder Teile von ihr gelebt haben, auch die Werke, an denen der Autor, im Buch meist "Vatti" genannt, jeweils arbeitete - darüber hinaus aber ein fulminanter Bilderbogen an kleinen und kleinsten Geschichten, die wirklich fesselnd sind.
Über allem - als Muse? als guter Geist? - die Marie mit ihrer Agfa-Box, die Wünsche sichtbar werden lässt...

...auf MRR gebe ich schon lange nichts mehr; er hat sich mit vielen Fehlurteilen gründlich selbst desavouiert...

So - habe mich dem Sog nicht mehr entziehen können und das Buch ganz gelesen. Mein Fazit: Grass hat bestimmt schon bessere Bücher geschrieben - aber es ist dennoch ein gutes und lesenswertes Buch (meilenweit über dem sonstigen Schrott, der sich deutschsprachige Gegenwartsliteratur nennt).
Ich füge ein paar Zitate an:
Also fromm bin ich genau besehen nur, wenn ich mit Papier und Bleistiften zwischen Bäumen sitze und staune, was der Natur alles so einfällt.
...
Euer Vater ist immer gern woanders und weranders...

Vater sein ist nur eine Behauptung, die sich andauernd selbst zu bestätigen hat. So muß ich lügen, damit ihr mir glaubt.
...
Was war, ist gewesen und fertig.
...
Jeder hat Heimlichkeiten.
Keiner sagt alles.
...
...weil immer noch was in ihm tickt, das abgearbeitet werden muß, solang er noch da ist...

Zitat von Judith

Die Süddeutsche Zeitung hat den üblichen Verriss geschrieben, aber das stört mich schon lange nicht mehr.

Das stimmt doch nicht. Das Fazit ist doch recht positiv:

"Denn dieses Buch macht dem Grass-Leser ein Angebot zur freundlichen Übernahme. Er kann sich, wenn er will, vom Autor adoptieren lassen und am fortan Familienleben teilnehmen. Wem das gelingt, der wird an diesem Buch seine große Freude haben." (SZ vom 26.08.08).

Gruß, Thomas

Zitat von arbor

(meilenweit über dem sonstigen Schrott, der sich deutschsprachige Gegenwartsliteratur nennt).

Heute habe ich mir die Wiederholung des Literaturclubs angesehen. Das Buch wurde auch dort so dermaßen zerrissen, wie sonst kaum ein Buch in dieser Sendung.

Liebe Grüße
mombour

PS: Trotzdem gehört Grass wegen seiner Blechtrommel und Nobelpreis in die Rubrik Weltliteratur

Zitat von mombour

PS: Trotzdem gehört Grass wegen seiner Blechtrommel und Nobelpreis in die Rubrik Weltliteratur

Keine Frage, auch dieses Buch wird doch sofort in zig Sprachen übersetzt.

Gruß, Thomas

Zitat von mombour

Heute habe ich mir die Wiederholung des Literaturclubs angesehen. Das Buch wurde auch dort so dermaßen zerrissen, wie sonst kaum ein Buch in dieser Sendung.

Liebe Grüße
mombour

PS: Trotzdem gehört Grass wegen seiner Blechtrommel und Nobelpreis in die Rubrik Weltliteratur

Ja, wundert das denn einen? Die Kritikerzunft hat sich doch schon seit Jahren verschworen, Grass niederzumachen. Auf diese Schmeißfliegen gebe ich schon lange nichts mehr. Es ärgert diese Leute doch nur, dass die Menschen trotz ihrer Verrisse Grass (und auch andere Autoren) lesen.
Gerade was den Literaturclub mit dieser unsäglichen Frau R. angeht... - Hat irgendjemand ernsthaft Lust, sich das düstere Buch der Frau NDaiye, das sie hochgejubelt haben, anzutun. Ich jedenfalls nicht...

Zitat von arbor

Ja, wundert das denn einen? Die Kritikerzunft hat sich doch schon seit Jahren verschworen, Grass niederzumachen. Auf diese Schmeißfliegen gebe ich schon lange nichts mehr. Es ärgert diese Leute doch nur, dass die Menschen trotz ihrer Verrisse Grass (und auch andere Autoren) lesen.
Gerade was den Literaturclub mit dieser unsäglichen Frau R. angeht... - Hat irgendjemand ernsthaft Lust, sich das düstere Buch der Frau NDaiye, das sie hochgejubelt haben, anzutun. Ich jedenfalls nicht...

Lieber arbor,

Das ist mit doch ein wenig zu einspurig. Das Häuten der Zwiebel wurde im Literaturclub wohlwollender vorgestellt als die Box. Es kann der Kritik doch keine Verschworenheit vorgeworfen werden, nur weil die vier da im TV mal einer Meinung sind. Das viele Leser trotz Verrisse ihren Grass lesen, wurde von Frau Radisch bestätigt. Sie wollte sogar wissen, warum das so ist. Da sie die Sicht der Leser ergründen wollte, macht mir die Dame doch sehr sympathisch.

Nun, was die Schriftstellerin NDaiye betrifft, ich mag düstere Geschichten. Vielleicht war das sogar ein guter Tipp, wer weiß? :smile:

Was hältst du den von der Kritikerzunft in diesem Forum, von der Kritik der Normalleser, nicht eines MRR oder so?

Liebe Grüße
mombour

Zitat von arbor

Ja, wundert das denn einen? Die Kritikerzunft hat sich doch schon seit Jahren verschworen, Grass niederzumachen.

Ich kann diese Verschworenheit nicht erkennen. Die FAZ (sic!) und SZ haben das Buch recht wohlwollend besprochen. Zudem haben die Teilnehmer an der Fernsehdiskussion ihr Urteil auch begründet. Und dass die Leute Grass lesen, sollte doch jeden Kritiker beglücken. Grass kann "fabulieren", und er verkauft die Leser nicht für dumm. Das ist eine gute Grundlage für anspruchsvolle Literatur, nach denen sich doch mehr Leser sehen als man dies an so manchen anderen (niedrigen) Verkaufszahlen der anspruchsvollen Literatur ablesen kann.

Gruß, Thomas

@ mombour,
in der Tat, von der professionellen Kritikerzunft halte ich nichts - das ist für mich Schmarotzertum in Potenz...
...Sekundäres interessiert mich überhaupt recht wenig, ich mache mir lieber selbst ein Bild...

Zitat von Judith

Und dann @all

Ich goggle, seit ich das hier gelesen habe, ohne Erfolg nach NDaiye.

Sorry, Orthografie war falsch, und amazon hat sich auch im Romantitel verpatzt.

Marie Ndiaye: "Mein Herz in der Enge"

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Liebe Grüße
mombour