Hermann Hesse - Roßhalde

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  • Hallo,


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    Vor zwei Jahren, im Januar 2007, las ich „Demian“ und war sehr enttäuscht. Natürlich, auch ich habe in meinen jüngeren Jahren Hermann Hesse verzehrt, und war begeistert, weil Hermann Hesse in seiner Art zu schreiben mich innerseelisch sehr berührt hatte. War es nun jetzt vorbei mit Hesse, nur weil ich ein paar Jahrzehnte gealtert bin? Hat mich „Demian“ nicht angesprochen, nur weil ich meine Jugendzeit hinter mich gelassen habe? Das alles kann ich nicht wissen, denn in meiner Jugend war mir „Demian“ entgangen. Seit zwei Tagen weiß ich aber, dass ich mit Hermann Hesse längst nicht abgeschlossen habe – nie abschließen werde können, denn sein früher Roman „Roßhalde“ (1914), der mir wie „Demian“ entgangen war, belehrte mich nun eines Besseren, und ich kann sagen, Hermann Hesse hat seit langem wieder mal mein Herz getroffen.


    In einem Brief an seinem Vater vom 16.03.1914 schreibt Hesse, der Roman handele „vom Problem der Künstlerehe überhaupt, auf der Frage, ob überhaupt ein Künstler oder Denker, ein Mann, der das Leben nicht nur instintiv leben, sondern vor allem möglichst objektiv betrachten und darstellen will – ob so einer überhaupt zur Ehe fähig sei...“ (zit. aus Martin Pfeifer, Hesse-Kommentar zu sämtlichen Werken,1990 Seite 144; suhrkamp-TB).


    Der berühmte Kunstmaler Johann Veraguth lebt mit seiner Ehefrau Adele und seinem Sohn Pierre auf dem Herrensitz Roßhalde. Allerdings hat sich die Ehe auseinandergelebt, sodass das Paar auf verhältnismäßig engem Raum getrennt lebt. Frau Veraguth lebt mit Pierre im Obergeschoß, Johann lebt abgesondert vom Hauptgebäude in einem im Park errichteten Atelier, an dem zwei Zimmer als Wohnraum eingerichtet wurden. Das Zerwürfnis in der Familie hat auch dazu geführt, dass der ältere Sohn Albert auf auswärtige Schulen geschickt worden ist, nur in Ferienzeiten besucht Albert Roßhalde.


    Die beiden Söhne sind der Mutter sehr anhänglich. Albert hat für seinen Vater nur Unsympathie übrig. Johann Veraguth liebt den jüngeren Pierre abgöttisch. Auf keinen Fall möchte er ihn verlieren, darum scheut er die Ehescheidung. Trotzdem, Johann ist nicht für das Familienleben geschaffen, das sieht man z.B. daran, dass, wenn Pierre seinen Vater im Atelier besucht, was dem Vater erwünscht ist, er seinen Sohn aber nicht zuhört, wie Pierre es doch erwartet. Zu sehr ist Johann in seine Kunst vertieft, als das er sich nahestehenden Personen öffnen kann.


    Als sein Bruder Otto, ein Weltreisender, zu Besuch kommt, werden Johann die Augen geöffnet. Es wird eine Entwicklung in Gang gesetzt, die dazu führt, dass sich der Maler von seiner Familie lösen kann, um als freier Künstler zu leben. Als e Höhepunkt des Romans empfand ich, wie Otto Johanns schwierige Situation beleuchtet, dann der Höhepunkt sich ausdehnt, in dem erzählt wird, wie aus dem schicksalsergebenden Mann sich ein Mann entwickelt, der sein eigenes Schicksal in die Hand nimmt und sich eine erfüllende Wendung in seinem Leben schafft. Herrlich und medizinisch korrekt dargestellt ist die Meningitis des jüngsten Sohnes (vgl. Pfeifer, Seite 149ff..)


    An dieser Stelle weist Pfeifer im Hesse-Kommentar auf den Zusammenhang zwischen

    aus Thomas Manns „Doktor Faustus“ hin. Im Übrigen, den Pfeifer-Kommentar empfehle ich als Sekundärlektüre.


    Die Szenen, Johann Veraguth bildermalend, das sei noch gesagt, gefallen mir auch sehr gut, zumal mir Hesses Art zu schreiben sowieso gefällt, die Art, wie er schreibend die Natur einfängt und die innerseelische Entwicklung des Protagonisten. Damit trifft Hermann Hesse voll in mein Herz.


    Liebe Grüße
    mombour


  • Damit trifft Hermann Hesse voll in mein Herz.


    So lassen sich auch meine Eindrücke von Roßhalde auf einen Nenner bringen. Nach Unterm Rad, das mir aber auch schon sehr gut gefiel, und Demian, das mir nach einem starken Anfang zu mystizistisch wurde, war Roßhalde nun doch mein erster Hesse, der mich zutiefst berührt hat und in dem ich völlig versunken bin. Es ist ein Buch der leisen Töne mit einem ganz besonderen melancholischen Zauber, der ohne Kitsch und Pathos auskommt.


    Der Maler Johann Veraguth lebt zwar noch auf demselben Anwesen wie seine Frau, allerdings nicht zusammen mit ihr im Haupthaus, sondern in einem erweiterten Pavillon im angeschlossenen Park. Der kleine Sohn Pierre läuft mit der größten Selbstverständlichkeit hier wie dort ein und aus und scheint sich nicht an den ungewöhnlichen Familienverhältnissen zu stören, sondern eine unbeschwerte Kindheit zu haben. Außerdem gibt es noch einen älteren Sohn namens Albert, der sich mit dem Vater überworfen und Roßhalde schon länger verlassen hat.


    Die Feinfühligkeit und die raffinierten Details, mit denen Hesse dem Leser die Situation auf Roßhalde nahebringt, haben mich begeistert. Johann und Adele Veraguth scheinen sich zwar mit ihrer gescheiterten Ehe arrangiert und sich ganz gut auf die neuen Lebensverhältnisse eingestellt zu haben, aber unterschwellig liegen eben doch auf beiden Seiten Verbitterung, Einsamkeit und Resignation in der Luft.


    Frischer Wind kommt mit dem Globetrotter Otto Burkhardt nach Roßhalde. Sehr einfühlsam beschreibt Hesse, wie sich der Maler Veraguth vor seinem Jugendfreund für sein Leben schämt und am Anfang noch versucht, den wahren Familienzustand vor ihm zu vertuschen. Nach und nach verlässt ihn aber die Kraft dafür, und als auch noch sein älterer Sohn Albert nach Hause kommt und zusätzliche Spannungen mitbringt, kapituliert Veraguth schließlich und lässt das Theater ganz sein.


    Stattdessen setzt er Otto Burkhardt darüber ins Bild, wie es wirklich um ihn und seine Ehe bestellt ist und wie es mit seiner Frau und ihm so weit kommen konnte. Als Leser verfolgt man betroffen die traurige Logik hinter dem Schicksal zweier Menschen, von denen nun einmal keiner aus seiner Haut kann.


    Burkhardt scheint ein sehr liebevoller Mensch zu sein, aber auch nicht ganz uneigennützig: er hatte nämlich sowieso geplant, den Maler mit sich nach Indien zu locken, und da er jetzt dessen Unglück sieht und ihm gerne helfen möchte, hofft er, durch seine Einladung zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Der Maler antwortet mit "vielleicht"...



    Herrlich und medizinisch korrekt dargestellt ist die Meningitis des jüngsten Sohnes


    … die übrigens ca. das ganze letzte Drittel des Buches einnimmt. „Herrlich“ ist hier vielleicht eine etwas eigenwillige Bezeichnung :breitgrins: , aber sehr eindringlich und bestürzend ist die Schilderung allemal.



    zumal mir Hesses Art zu schreiben sowieso gefällt, die Art, wie er schreibend die Natur einfängt


    Das ist mir auch noch eine besondere Erwähnung wert, weil ich nämlich eigentlich gar kein großer Fan von Naturbeschreibungen bin bzw. mich bei so etwas schnell langweile. Hier entsteht allerdings in Kombination mit der



    innerseelischen Entwicklung des Protagonisten


    so eine dichte Atmosphäre, dass meine innere Uhr beim Lesen um Monate vorgerückt ist und ich geistig ganz im Sommer war.


    Mir hat die Lektüre wirklich viel gegeben. Die Charaktere und die zwischenmenschlichen Beziehungen sind so fabelhaft skizziert, und es tauchen Probleme und Thematiken auf, die ich eigentlich bisher hauptsächlich mit unserer modernen Zeit assoziiert habe (das Buch entstand 1913). Darüber hinaus habe ich einen Narren an der Sprache gefressen - ich finde, Hesse schreibt einfach wunderschöne Sätze mit einer schlichten Eleganz. Für mich ist dieses Buch ein kleines Juwel.


    5ratten

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