Alan Gurney: Der weiße Kontinent

Es gibt 8 Antworten in diesem Thema, welches 3.344 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von finsbury.

  • Hallo zusammen,


    passend zum kalten und hoffentlich schneereichen Januar wollen jääkaappirunous und ich folgendes Buch lesen und werden unsere Eindrücke hier statt Rezi posten:


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    Vom Buchrückumschlag:


    Die Suche nach der Terra australis incognita -
    "Die große Abenteuergeschichte ... wunderbar geschrieben, in dichter detaillierter Prosa.
    Alan Guerney erzählt von der Suche nach mystischen Zielen, von dem Willen, die Gefahren unbekannter Gewässer zu bezwingen, und von dem Hunger der Menschen, der solche Unternehmungnen antreibt." (Dava Sobel)


    Morgen starten wir!


    Euch allen ein angenehmes Sylvesterfest und ein gutes 2009.


    HG
    finsbury

  • Hallo jääkaappi und alle, ein frohes neues Jahr!


    Es brachte mir gleich eine gemütliche Frühstückslesestunde mit dem "weißen Kontinent" und ich konnte das erste Kapitel konsumieren. Hier beschreibt Guerney die seit Jahrtausenden andauernde Sehnsucht nach der geheimnisvollen "terra australis", deren Existenz bereits die Griechen vermuteten und die immer wieder Abenteurer, Wissenschaftler und Kaufleute faszinierte. Aber man ging bis zu Cooks Entdeckungsfahrten in den 70er Jahren des 18. Jahrhunderts von einer viel größeren und fruchtbaren Landfläche aus, als die Antarktika nun wirklich ist.
    Mir hat ein kleiner naturwissenschaftlciher Update gutgetan, indem Guerney nochmal erklärt, wie bereits die Griechen die Kugelgestalt der Erde durch Winkelmessungen des Schattens am 21. Juni in Alexandria nachwiesen, weil Erasthosthenes wusste, dass zur gleichen Zeit
    die Sonne in Assuan, also am nördlichen Wendekreis, im Zenith steht. Da man außerdem die Entfernung zwischen Alexandria und Assuan kannte, konnte man sogar schon den Erdumfang berechnen, indem man den Winkel in Alexandria (ca 7°) durch die 360° des Kreises teilte und mit der Entfernung multiplizierte. Faszinierend, was die Griechen schon so drauf hatten :zwinker:.
    Erst im 17. Jahrhundert konnte man dann mit einer ähnlichen Methode einen Schritt weiter gehen und die Abflachung der Pole beweisen.


    Nun geht es mit dem zweiten Kapitel an die eigentliche Entdeckung der Antarktika.
    Das Buch ist wirklich spannend und leicht verständlich geschrieben!


    HG
    finsbury


  • Faszinierend, was die Griechen schon so drauf hatten :zwinker:.
    Erst im 17. Jahrhundert konnte man dann mit einer ähnlichen Methode einen Schritt weiter gehen und die Abflachung der Pole beweisen.


    Nun geht es mit dem zweiten Kapitel an die eigentliche Entdeckung der Antarktika.
    Das Buch ist wirklich spannend und leicht verständlich geschrieben!


    Es ist erstaunlich, daß bereits zu so "früher" Zeit ohne greifbares Erforschen, nur durch reine Überlegungen und Berechnungen ein Kontinent "entdeckt" wurde. Und seit dieser Vermutungen glaubte man daran, daß dort im Süden noch etwas ist.
    Was ich bisher nirgends so explizit herauslesen konnte und was mich erstaunt hat, ist daß Cook einen direkten Auftrag hatte, dieses Südland zu finden.


    Mittlerweile habe ich mir mal die Karten und das Inhaltsverzeichnis genauer angesehen. Guerney geht es mit diesem Buch nicht so sehr um die Endeckung des Südpols bzw. Bezwingung der Antarktis (Amundsen/Scott), sondern er faßt die reinen Anfänge der "Suche" zusammen. Er beschränkt sich dabei nicht auf die Namen der Entdecker sondern beginnt ganz am Anfang mit den Grundlagen einer erfolgreichen Seefahrt. So erläutert er kurz und verständlich im zweiten Kapitel den Kampf um die Berechnung der Längengrade als Grundlage der wissenschaftlichen Navigation.


    Und so geht es dann im Kapitel 3 auch um ein weiteres Problem der frühen Seefahrt, denn nicht nur Wind, Wasser, Schiffbruch etc. setzten den Seeleuten zu sondern die "Die Geißel der Meere" namens Skorbut war eine ernstzunehmende Schwierigkeit, die es zu überwinden galt, um längere Expeditionen erfolgreich abzuschliessen....

  • Hallo,


    bin jetzt erst im dritten Kapitel und wundere mich über die Hartnäckigkeit der englischen Marine, die viele Jahrzehnte lang ihre Seeleute unnötig in Krankheit (Skorbut) und den Tod schickte, obwohl man schon lange um die Segen des Zitronensaftes wusste. Es geht einem wirklich das Messer in der Tasche auf, wenn man mal wieder liest, wie viel Unglück die Ignoranz und Besserwisserei von verantwortlichen Personen über die Menschen und die Umwelt gebracht hat. Der Zusammenbruch des Finanzsystems ist nur ein weiteres Beispiel dazu.


    Erheiternd war dagegen die Anekdote mit der Ziege, die zweimal die Welt umrundete. Guerney lässt sich viel Zeit, bis er zu seinem eigentlichen Thema kommt, er erzählt aber spannend und unterhaltsam.


    HG
    finsbury

  • Gurney versteht es jedenfalls trockene Zahlen und Fakten durch kleine Anekdoten der Seefahrt aufzulockern obwohl das im eigentlichen Sinne nicht wirklich zum lachen ist. Wenn man bedenkt, unter welchen schwierigen Bedingungen diese weiten Seereisen durchgeführt wurden. Es wird dabei auch klar, daß ein Menschenleben nicht viel wert war und man oftmals an den falschen Enden gespart hat - sei es an der Ausrüstung, am Proviant oder bei der Rekrutierung des "Schiffskoches". Dazu kommt noch eine Portion Unwissenheit hinsichtlich der Auslöser für die entsprechenden Krankheiten oder der richtigen Konservierung der Lebensmittel.


    Meines Erachtens ist Gurney bereits beim eigentlichen Thema :zwinker: Er beleuchtet im Vordergrund die Aspekte die das Gelingen oder Scheitern der Expedition entscheidend mitbestimmen. Im Verlauf der Geschichte wird sich das sicherlich noch zeigen.


    Aber textlich gesehen, nähern wir uns mit jedem Kapitel dem weissen Kontinent im Süden.
    Kapitel 4 geht dabei vor allem auf das Südpolarmeer und dessen Fauna ein, der sicherlich neben dem Drang neues Land zu endecken und zu erobern eine hohe Bedeutung hinsichtlich der "wirtschaftlichen" Nutzung/Ausbeutung zukommt.
    Letztendlich waren es ja im Süden wie im Norden Robben- und Walfänger, die nach neuen Jagdgebieten suchten.


    Was mir an diesem Kapitel wenger gefiel, ist wohl die persönliche Einstellung/Wertung von Gurney. Ich habe immer einen faden Beigeschmak, wenn man Schwertwale als "Mörderwale" bezeichnet. Dies ist zwar ein geschichtlich geprägter Begriff, der die frühere Einstellung und Sichtweise aufzeigt aber meines Erachtens in der heutigen Zeit nicht nicht mehr haltbar ist. Hier wäre eine nähere Erläuterung nötig gewesen als sich ewig über die ungeklärte entymologische Bedeutung des Wortes Pinguin auszulassen, die ja nicht eindeutig geklärt ist. :breitgrins:

  • Hallo,


    obwohl ich momentan nur sehr wenig Zeit zum Lesen habe, ist das Buch doch so spannend, dass ich die tiefen Stunden der Nacht nutze und nun bis ins achte Kapitel vorgedrungen bin.


    Gurney ist schon ein leidenschaftlicher Erzähler und Faktensammler, deshalb ist dieses Buch nicht nur eine Geschichte der Antarktis-entdeckungen, sondern allgemein der Seefahrt zum Zwecke der Forschung.


    Wir erfahren in den ersten Kapiteln - wie bereits geschildert - Grundlegendes zu den Legenden um den Südkontinent, zur Ortsbestimmung auf offener See und zu Ernährung und Gesundheit der Seeleute. Zum Mittleren, der Ortsbestimmung, kann ich übrigens nur Dava Sobels tolles Buch "Längengrad - Die wahre Geschichte eines einsamen Genies, welches das größte wissenschaftliche Problem seiner Zeit löste" empfehlen. Sie schreibt die Biografie des englischen Tüflters und genialen Uhrmachers John Harrison, dem es als erstem gelang, eine Uhr zu bauen, die erstens bereit in der Mitte des 18. jahrhunderts auch langfristig auf die Sekunde genau ging und zweitens so konstruiert war, dass sie sowohl extremem Seegang als auch ebensolchen Temperaturschwankungen trotzte. Damit war das Problem der Längengradbestimmung gelöst und das Entdecken und genaue Vermessen konnte erst richtig losgehen.


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    Um zu unserem Buch zurückzukehren: Gurney stellt den großen Entdecker James Cook sehr liebevoll und einprägsam dar. Am Anfang muss dieser sich erst langsam in der Handelsmarine und Royal Navy empordienen, bevor sein Talent ihm dann das Kommando über die "Resolution" und "Adventure" zur Erforschung des Südpazifik und des bis dahin vermuteten großen und fruchtbaren Südkontinents übergibt.
    Cook entdeckt zwar nicht die Antarktika, obwohl er sich ihr bis auf 60 Seemeilen nähert, aber er weist nach, dass es keinen nutz- und besiedelbaren Südkontinent unter erträglichen Temperaturen gibt. Er erkennt bereits auch aufgrund der hohen Dichte der Eisberge, dass es rund um den Südpol eine untentdeckte Landmasse geben muss, die er aber eben aufgrund der extremen Klimaverhältnisse nicht aufsuchen kann.


    Das Buch ist spannend geschrieben, verlangt aber waches Mitdenken und, wenn man alles verstehen will, viel Vorwissen.
    Das Kapitel über Vermessung ist bedauernswerterweise etwas an mir vorbeigerauscht, weil ich mich nur noch rudimentär an die Inhalte der sphärischen Trigonometrie erinnern kann und bei der Vorstellung der nicht weiter erklärten Gerätschaften wie den Theodoliten völlig versage. Unter den astronomischen Details, wie der Berechnung der geografischen Länge nach Mondphasen oder Venusdurchgang kann ich mir schon eher etwas vorstellen und verstehe auch, warum das Vorhandensein von Eisbergen auf Land schließen lässt, aber Gurney lässt einen mit solchen Rückschlüssen ziemlich allein.


    Wie dir, jääkaaappi, ist auch mir eine gewisse Arroganz und Unüberlegtheit in der Wortwahl aufgefallen: Nicht nur, dass „Mörderwal“ populistisch und falsch ist, auch seine Schilderung der Naturvölker, denen Cooks Expedition begegnet, ist manchmal ein wenig reißerisch und auch von gewisser kolonialer Arroganz bestimmt. Dabei fallen mir seine farbigen Ausmalungen zu den menschenfresserischen Maori und seine schon als beleidigend anzusehenden Bemerkungen zu den Yahgan, einem Volksstamm am Kap Hoorn, ein. Sicherlich will er nicht unbedingt so einen Eindruck erwecken, aber wenn er indirekt Passagen aus zeitgenössischen Werken zitiert, täte der Konjunktiv recht gut. Natürlich kann das auch an der Übersetzung liegen.


    Insgesamt aber ein Sachbuch, das sich spannender liest als so mancher Roman!


    HG


    finsbury

  • Ich habe meine Lektüre gerade beendet und ich bin positiv überrascht. Ich hatte bereits einige Bücher über die Entdeckung der Antaktis gelesen und muss feststellen, daß diese nicht in dem Umfang auf die eigentliche Sichtung der Antarktis eingehen, sondern sich eher auf die Eroberung des Südkontinent beziehen. Die eigntlichen Entdecker wurden dabei meist in nur relativ kurzen Absätzen erwähnt. Dies mag aber auch der Aktualität (1997) dieses Buches geschuldet sein, da viele Berichte/Logbücher erst sehr spät überhaupt wiedergfunden bzw. übersetzt wurden.


    Gurney hat es geschafft diese umfangreiche Materie aus teilweise parallel verlaufenden Reisen in einen spannenden Kontext zu bringen und zeigt oftmals auch deren Schnittpunkte miteinander als auch zu früheren Entdeckungsreisen.
    Es wird klar, daß nicht nur wirtschaftliche Interessen (Robben- und Walfang) die Menschen in diese "lebensfeindlichen" Gebiete trieb. Die Sichtungen der verschiedenen Inseln und des Südkontinents fanden zwar ausschließlich durch Robbenfänger statt, ihre Kapitäne/Kommandanten waren aber durchaus charismatische Persönlichkeiten mit Verstand. Insbesondere James Wedell, der selbst am Robbenschlachten beteiligt war, erkannte, daß auch Maßnahmen der Arterhaltung getroffen werden müssen.
    Traurig ist letztendlich, daß gerade diese Persönlichkeiten meist in Armut oder unter tragischen Umständen ums Leben kamen. Einige Namen bleiben jedoch in Erinnerung, sie fanden ihre Ehre in der Namensgebung für Meere/Iseln/Tiere.


    Alles in allem ein sehr zu empfehlendes Buch für Interessierte.
    Bei der deutschen Ausgabe finde ich allerdings die Titelgebung für das Buch sehr unpassend. Möglicherweise ist dieser Titel eher werbewirksam, da man mit diesem die bekannteren Namen wie Scott, Shackleton und Amundsen verbindet.
    Der Originaltitel "Below the Convergence: Voyages toward Antarctica 1699-1839" ist meiner Meinung nach aussagekräftiger.


    Von mir gibt es 4ratten

  • Hallo jääkaappi und alle,


    Ich habe meine Lektüre gerade beendet und ich bin positiv überrascht.


    Ganz so weit bin ich noch nicht, aber auf den letzten 70 Seiten.


    Ansonsten kann ich mich deiner Meinung nur anschließen:Guerney berichtet sehr ausgewogen über negative und positive Aspekte der Entdeckungsfahrten.
    Mir war bisher nicht klar, welche große Rolle der Tran von Meeressäugern bei der frühen Industrialisierung gespielt hat sowie die Felle von Pelzrobben in der damaligen Mode und zu welchen Abschlachtungsorgien es schon zu Ende des 18. und vor allem dem Beginn des 19. Jahrhunderts gekommen war.


    Bezüglich des Titels kann ich dir nur zustimmen: Das Buch ist im Deutschen völlig falsch benannt und weckt falsche Leseerwartungen, weil es eben kaum um das Festland, sondern um die großen Segelreisen geht. Bisher wurden Amundsen und Scott nur am Rande erwähnt.
    Gerade aber Guerneys Blickfeld macht das Buch so interessant, weil zumindest ich über diese Entdeckungen der Küsten und Inseln im äußersten Süden bisher nur wenig wusste.


    HG
    finsbury

  • Hallo,


    seit ein paar Tagen bin ich auch mit dem Buch fertig und kann nur jäakaappis Abschlussdarstellung unterstreichen.
    Ich will nur noch hinzufügen, dass Gurneys Grundhaltung nur eine bedingt ökologische, sondern eher utilitaristische ist: Für
    bekennende Tierschützer ist dieses Buch vielleicht in einigen Kapiteln nur schwer zu ertragen.
    Außerdem strahlt Gurneys Nationalstolz auf die englische Seefahrt -trotz durchaus kritischer Töne - zwischen vielen Seiten hervor. Das aber nuram Rande, es beeinträchtigt die Qualität des Buches nicht.
    HG
    finsbury