David Grossman - Sei du mir das Messer

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    Jair sieht Mirjam nur ein einziges Mal, doch dieses eine Mal genügt, um etwas ganz besonderes an ihr zu bemerken. Er fängt an ihr Briefe zu schreiben und auch Mirjam findet Gefallen daran. Die beiden schreiben nicht über ihren Alltag, ihre Familie oder den Beruf, vielmehr geht es um Gefühle, Gedanken, intime Details aus ihrem Leben.


    Zu Beginn kommt nur Jair zu Wort, der Leser muss sich mit seinen Briefen begnügen, den Inhalt von Mirjams Briefen kann man sich nur selten aus Jairs Antworten zusammensetzen. Jair öffnet sich total, der Leser erfährt jeden kleinen Gedanken von ihm, er ist wie ein offenes Buch. Mirjam hingegen bleibt sehr lange ein Geheimnis. Details aus ihrem Leben erfährt man erst sehr spät im Buch, vieles muss man sich selbst zusammenreimen. Dieser Gegensatz zwischen den beiden Personen hat mir sehr gut gefallen.


    Jair ist eine sehr faszinierende Figur, einerseits bleibt er das ganze Buch über unsympathisch, zumindest mir, andererseits kann er so gut mit Worten umgehen, dass er den Leser in seinen Bann zieht. Mirjam selbst kommt erst im letzten Viertel des Buches selbst zu Wort und ich habe dadurch ein ganz anderes Bild von ihr bekommen, als ich es zuvor hatte.


    Faszinierend fand ich den letzten Teil des Buches,

    denn man erfährt nicht nur was die einzelnen Personen sagen, sondern auch abwechselnd ihre Gedanken über die andere Person und die Situation.


    Sprachlich ist das Buch sehr ansprechend, wenn auch nicht immer leicht zu lesen. Durch die vielen Vergleiche, Anspielungen und die allgemein sehr poetische Sprache kann man das Buch nur sehr konzentriert lesen, was sicher auch einer der Gründe war, dass ich drei Anläufe gebraucht habe, um es fertig zu lesen.


    Es ist kein Buch der großen Taten, vielmehr ein Buch der Worte, der Gefühle, ein sehr ruhiges Buch, das einen zum Nachdenken anregt, über die Liebe, über das Leben, über Beziehungen.


    Einerseits hat es mich berührt und mir sehr gut gefallen, andererseits war es anstrengend zu lesen und ich war froh, als ich es fertiggelesen hatte. Das wären in Ratten dann ungefähr 3ratten und :marypipeshalbeprivatmaus:

    ~~better to be hated for who you are, than loved for who you&WCF_AMPERSAND're not~~<br /><br />www.literaturschaf.de

  • ich habe heute ebenfalls mit diesem Buch zu lesen begonnen. Ich habe schon einige Bücher von Daiv Grossman gelesen und wurde noch nie enttäuscht, so habe ich mir jetzt dieses Buch genommen. Schon nach den ersten Kapiteln kann ich sagen, dass es mir gut gefällt, wenn es auch, wie von Stefanie oben erwähnt, stellenweise nicht leicht ist zu lesen.


    Nun habe ich die ersten Kapitel gelesen und so langsam baut sich ein Verständnis für den Protagonisten und gleichzeitig Briefeschreiber auf. In diesen ersten Kapiteln wird auch relativ schnell der Titel des Buches zur Sprache gebracht. Einer Sprache, die so typisch ist für David Grossman. Voller Bilder, Metaphern und sehr viel Emotionen. Meist absolut ungefiltert und frei herausgeschrieben.
    Der Briefeschreiber beschreibt noch einmal genau, warum ausgerechnet Mirjam von ihm auserkoren wurde, dass er sich ihr öffnet und ihr seine geheimsten und innersten Gedanken anvertraut. Er sah dieses Frau 5 Minuten lang und er ahnte, dass es nur sie sein konnte, der er von seinem Leben, seinen Träumen und Wünschen erzählen kann. Von Mirjam allerdings bekommt der Leser keinen Brief gezeigt. Diese bleiben nur Jair, dem Schreiber vorbehalten, aber er geht in seinen Briefen auf diese ein, so dass man ansatzweise eine Vorstellung davon bekommt, was darin gestanden haben könnte.


    Die Briefe von Jair sind fesselnd. Sie enthalten keine direkten Erzählungen von seinem Leben, seinem Tag, sondern bestehen oft nur aus Gedankenblitze, aus ganz vielen, tiefen und sehr intimen Gefühlen. Diese Intimität hat jedoch nichts mit Sex zu tun. Sie ist so intim, weil es die direktesten Gedanken sind, die direkt aus dem Gehirn des Schreibers auf das Papier zu fließen scheinen und das ist doch ziemlich beeindruckend oder vielleicht sogar eher bewegend. Der Schreiber scheint ein sehr einsamer Mensch zu sein und mir scheint, er sucht einen Ausweg aus dieser Isolation. Wir erfahren nicht, zumindest zu diesem Zeitpunkt, warum er in dieser Isolation ist und er möchte auch keinen persönlichen Kontakt zu Mirjam. Nur das Papier ist der einzige Bote der Gedanken und das finde ich sehr schön. Wer schreibt denn heute noch Briefe und dann solche, von einer unglaublichen emotionalen Intensität.


    Ich kann nur sagen, dass ich mich schon darauf freue weiterzulesen.

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    OT: Sheti'i Li Ha-Sakin
    OA: 1998
    408 Seiten
    ISBN: 978-3446196537


    Inhalt:
    «Ich schliesse die Augen und sehe eine Frau an einem Tisch sitzen und schreiben», stellt sich Jair vor, der selber an einem Tisch sitzt und an die Frau, die er sich schreibend vorstellt, schreibt. Denn er möchte sich ihr «in Briefen mitteilen (hin und wieder)», und zwischen April und Oktober schickt er ihr unzählige, in denen er von seiner Sehnsucht und seiner Liebe erzählt. Die Geliebte antwortet ihrerseits in Briefen von schüchterner Intimität, und so entsteht zwischen Jair und Mirjam eine Liebesbeziehung, die nie erfüllt wird. Denn: «Wir beide stehen nicht im Leben», erklärt Jair einmal, «das heisst an keinem Ort, an dem die üblichen Gesetze zwischenmenschlicher Beziehungen herrschen und gewiss nicht die gängigen Schemata der Beziehungen zwischen Mann und Frau.» (Quelle: Amazon)



    Eigene Meinung:
    Dies ist auch wieder eines der Bücher, welche nicht alltäglich sind. Weder vom Stil noch vom Inhalt. Zuerst erfährt der Leser nur von Jair, indem er lediglich die Briefe von Jair zu lesen bekommt, ohne dass wir erfahren was Mirjam darüber denkt und auch schreibt. Diese Briefe von Jair sind so offen, so unverpackt und emotional, dass man als Leser das Gefühl hat, fast eine voyeuristische Handlung unternommen zu haben, in dem wir Briefe lesen, die nicht für unsere Augen bestimmt sind. Es entsteht in diesen Briefen ein Mensch, der fast nackt ist. Ohne Verstellung, ungefiltert und authentisch. So erfährt man auch von den weniger schönen Seiten des Briefeschreibers. Allerdings kann man ihm auf Grund seiner Ehrlichkeit noch nicht einmal irgendetwas übelnehmen. Seite für Seite wächst somit auch die Neugier auf Mirjam, die Empfängerin dieser Briefe, welche anscheinend ein ziemlich schweres Leben führt. Aufgrund der Briefe von Jair bahnt sich sukzessive eine Ahnung auf, um was es eigentlich in Mirjams Leben geht und worin diese unbarmherzige Härte liegt. Im letzten Drittel kommt dann endlich Mirjam zu Wort und man kann nur noch Achtung vor dieser außergewöhnlichen Frau empfinden.
    Der letzte Teil des Buches beinhaltet einen Dialog zwischen Mirjam und Jair bis zu dem Schluss, welchem man mit angehaltenem Atem entgegen strebt.
    Dieses Buch hat mich durch die Geschichte in einer permanenten Spannung gehalten und eine sehr große Bindung zu den beiden Protagonisten und ihren jahrelang unterdrückten Träumen aufgebaut. Es ist allerdings keine leichte Kost, denn vieles steht zwischen den Zeilen und das Buch verlangt vom Leser eine große Aufmerksamkeit, damit im nichts entgeht. Diese Aufmerksamkeit hat dieses Buch aber auch wirklich verdient.


    4ratten


    Tina


  • Es entsteht in diesen Briefen ein Mensch, der fast nackt ist. Ohne Verstellung, ungefiltert und authentisch.


    Das erinnert mich ein bisschen an Zeruya Shalev. Kann man Grossman und Shalev vergleichen?

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • In gewisser Weise schon. Sie beide sehen sehr auf die ungesagten, zwischenmenschlichen Beziehungen. Emotionen stehen bei beiden sehr im Vordergrund und werden auf eine sehr direkte Art benannt, manchmal schon fast so direkt, dass man sich wie ein Lauscher an der Wand vorkommt, aber Zeruya Shalev schreibt mehr,... ich bin mir nicht sicher wie ich es ausdrücken soll. Ihre Geschichten sind sehr klar geschrieben, haben eine ganz klare Handlung und ganz klare Dialoge. David Grossman dagegen erwartet von seinen Lesern ein sehr "aktives" mitlesen, denn sehr viel ist nur in Andeutungen verpackt und steht zwischen den Zeilen. David Grossman erinnernt mich in seinem Schreibstil oft an Kafka, nur dass sich bei Grossman das Verworrene doch in Grenzen hält; man findet immer wieder zur Realität zurück und bei Kafka erscheint einem das geschriebene doch meist wie ein böser Traum. Allerdings war ich bei Grossman auch schon das ein oder andere Mal etwas verunsichert, was jetzt Realität oder nur Einbildung seiner Protagonisten ist.


    Viele Grüße Tina

  • Ah, danke, jetzt kann ich mir das etwas besser vorstellen. Vielleicht lese ich erst mal in der Buchhandlung rein, bevor ich es kaufe. Auf verschwimmende Grenzen zwischen Realität und "Traumwelt" steh ich nur bedingt ... wobei, wenn es gut gemacht ist ... werde jedenfalls berichten, falls es mir mal zuläuft.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Also gerade bei diesem Buch geht es eigentlich. Was wirklich ein wenig anstrengend ist, ist die Tatsache, dass der überwiegende erste Teil des Buch (etwa 2/3), aus den Briefen von Jair besteht, ohne das man weiß, wie Mirjams Reaktionen darauf sind. So fragt man sich schon manches Mal, ist diese Begebenheit nun wirklich geschehen oder ist sie ein Hirngespinst, aber dies wird relativ schnell wieder aufgeklärt. Schlimmer war es in dem Buch "Stichwort: Liebe". An diesem Buch habe ich mir ganz schon die Gehirnwindungen verdreht.
    Da Du ja Zeruya Shalev und Meir Shalev mags, kann ich Dir da eher Yael Hedaya

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    ans Herz legen. Sie dürfte mehr nach Deinem Geschmack sein.



    Liebe Grüße Tina


  • Auf verschwimmende Grenzen zwischen Realität und "Traumwelt" steh ich nur bedingt ...


    Das dachte ich auch von mir. Bis ich "Kafka am Strand" von Murakami zu lesen begonnen habe. :zwinker: Und wenn ich mir Eure Beiträge hier so ansehe, könnte Sei du mir das Messer durchaus was für mich sein. Eine Handlung, die sich aus Briefen erschließt. Hört sich sehr interessant an. :smile: