[Tibet] Alai - Roter Mohn

Es gibt 3 Antworten in diesem Thema, welches 2.457 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Aldawen.

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    Inhalt
    Der jüngere Sohn des Fürsten ist ein Idiot. Weil er von seinem Vater im Vollrausch gezeugt wurde gehen Eltern, der Bruder und auch die Angestellten davon aus dass er nicht richtig im Kopf ist und behandeln ihn dementsprechend. Er lebt ein friedliches Leben am Hof seines Vaters, des Fürsten Maichi und hat aufgrund seines Status als Idiot mehr Freiheiten als sein älterer Bruder der seinem Vater nachfolgen wird. Und obwohl er seltsam ist wird er von allen geliebt, wenn auch nicht geachtet. Obwohl das Leben am Hof sehr luxuriös ist hat sein Vater nur einen bescheidenen Reichtum angehäuft. Das soll sich bald ändern, denn Maichi will auf seinem Land Mohn anpflanzen und so seinen Reichtum vergrößern. Nur der Idiot kann die Gefahr in diesem Vorhaben erkennen.


    Meine Meinung
    Kann der Ruf, ein Idiot zu sein jemandem zum Idioten machen? Dieser Eindruck drängt sich mir auf. Sicher der zweite Sohndes Fürsten, von dem man in der gesamten Geschichte nie den Namen erfährt, ist ein wenig seltsam doch die Art mit der er seine Umgebung beschreibt zeigt dass er alles andere als blöd ist. Manche Dinge nimmt er einfach zu wörtlich, so wartet er nach einer Hinrichtung bei dem Verurteilten darauf, dass er dessen Seele zum Himmel aufsteigen sieht. In dieser Hinsicht erinnert er mich an ein Kind.


    In anderen Dingen dagegen ist er eher listig. Er kann Leute wunderbar manipulieren und erzieht sich so den Sohn des Henkers und den eines Leibeigenen zu seinen treuen Gefährten. Die beiden begleiten ihn sein Leben lang und werden ähnlich wie der Idiot selbst unterschätzt, ja manchmal sogar ignoriert. Die Menschen in ihrer Umgebung unterhalten sich ungeniert in ihrer Gegenwart und so kommen die Gefährten an Informationen, die eigentlich nicht für andere Ohren bestimmt sind.


    Dem neuen Reichtum durch den Mohn steht der Idiot kritisch gegenüber. Er erkennt sehr früh dass der neue Reichtum des Vaters Neid und Streit bei den benachbarten Fürsten hervorrufen wird und sieht einen Krieg voraus, an dessen Ende es keinen Fürsten mehr geben wird. Und seine Vorahnung bewahrheitet sich: bald brechen erbitterte Kriege aus und die Fürsten bekriegen sich gegenseitig. Doch vielleicht war es keine Vorahnung sondern nur ein besseres Erkennen der Zeichen den China hat gerade die Republik ausgerufen und da kommt es gerade recht, wenn sich die Fürsten bekriegen.


    Roter Mohn zeichnet kein schönes Bild von Tibet. Die Fürsten leben wie kleine Götter denen bedingungslos gehorcht werden muss, will man am Leben bleiben. Leibeigene werden für geringste Vergehen (auch der Herren) verpügelt und Menschen aus Launen heraus hingerichtet. Insgesamt zeichnet der Autor ein interessantes Bild vom Tibet dieser Zeit, das ich so nicht kannte. Der einzige Minuspunkt ist an manchen Stellen die Ausführlichkeit und die zu detailgenauen Beschreibungen die bei mir Langeweile hervorgerufen haben. Deshalb gibts eine Ratte Abzug, ansonsten ist es das Buch auf jeden Fall wert dass man es liest.
    4ratten


    Liebe Grüße
    Kirsten


    [size=1]Land im Betreff ergänzt. LG, Aldawen[/size]

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

    Einmal editiert, zuletzt von Aldawen ()

  • Über das hinaus, was Kirsten zum Inhalt bereits geschrieben hat, läßt sich auch nicht viel sagen. Höchstens noch, daß die Maichis mit dem Mohnanbau Pioniere sind, aber natürlich nicht die einzigen bleiben. Da der Idiot seinen Vater rechtzeitig davon überzeugt, wieder Getreide anzubauen, trifft sie der Preisverfall beim Opium praktisch nicht. Der Fürst geht zunehmend dazu über, seine Söhne in eine Wettbewerbsstellung zu bringen, um zu sehen, ob nicht vielleicht doch der idiotische Sohn der geeignetere Nachfolger wäre ...



    Meine Meinung: Der jüngere Sohn ist natürlich kein Idiot, etwas naiv in mancherlei Hinsicht vielleicht, aber nicht blöd. Er erkennt nur früh, daß es seiner Gesundheit und Lebenserwartung zuträglich ist, wenn er für die Nachfolge des Fürsten gar nicht erst gehandelt wird und sein Bruder ihn nicht als Konkurrenz empfinden muß. Als diese Konkurrenzsituation dann doch eintritt, ist es für den älteren der beiden quasi schon zu spät. Denn ob dieser wirklich der geeignetere Herrscher wäre, kann man durchaus bezweifeln, wenn man sich das unterschiedliche Verhalten während der Hungersnot bei den Nachbarn ansieht. Der ältere führ Krieg, um die eigenen Lagerbestände zu schützen und die Untertanen der Nachbarfürsten fernzuhalten, der jüngere dagegen errichtet am anderen Ende des Landes einen florierenden Markt und erweitert gar noch das Territorium. Handelt so ein Idiot? Eher nicht, und zu der Erkenntnis kommt auch der Vater. Zudem ist der Idiot der einzige, der erkennt, daß die Ereignisse in China in den 1930er und 1940er Jahren nicht ohne Auswirkungen auf die Fürsten bleiben werden, daß diese sich überlebt haben und untergehen werden. Ein Teil dieser Erkenntnisse kommt durch seine guten Berater, aber eben nicht nur. Aus diesem Spannungsverhältnis der Brüder bezog der Roman für mich seinen größten Reiz.


    Etwas schade fand ich, daß trotz der gut kenntlichen zeitlichen Einordnung des Romans zum Ende hin der Gesamtzeitraum für mich nicht abzuschätzen ist, weil man zwar erfährt, daß der Idiot zu Beginn 13 Jahre alt ist, aber nicht sein Alter während des Krieges am Ende. Ein weiteres eher störendes Element war der Stil, der mir doch ein bißchen arg naiv gehalten war und durch die daraus resultierenden Wiederholungen und Simplifizierungen auch die ein oder andere Länge erzeugte. Durch die Perspektive des Ich-Erzählers, die diesen Stil allerdings bedingt, denn er betont ja selbst ständig, daß er nur der idiotische Sohn des Fürsten sei, gibt es auch nur wenig Möglichkeiten, in die Gedankenwelt anderer Personen einzudringen, dabei wäre da mehr als einer sehr interessant gewesen. Durch die gewählte Kombination aus Stil und Perspektive wird hier manches am Potential der Erzählung verschenkt. Nichtsdestotrotz war es mal ein ganz anderer Blick auf tibetisches Leben, als man es aus den immer wieder mal aufflammenden Zeitungsberichten heutzutage gewinnt.


    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:


    Schönen Gruß,
    Aldawen

  • Hallo!


    Der jüngere Sohn ist natürlich kein Idiot, etwas naiv in mancherlei Hinsicht vielleicht, aber nicht blöd.


    Ich gebe zu dass meine Aussage ein bisschen hart wirkt, sie war aber eher ironisch gemeint.


    Nichtsdestotrotz war es mal ein ganz anderer Blick auf tibetisches Leben, als man es aus den immer wieder mal aufflammenden Zeitungsberichten heutzutage gewinnt.


    Und gerade diesen anderen Blick fand ich so interessant :winken:


    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.


  • Ich gebe zu dass meine Aussage ein bisschen hart wirkt, sie war aber eher ironisch gemeint.


    Das ist schon klar, meine Aussage bezog ich mehr darauf, daß er sich selbst auch immer als Idioten darstellt und bezeichnet. Das ist purer Selbstschutz.