Cesare Pavese - Junger Mond

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  • Junger Mond (1950)


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    „Junger Mond“ ist Paveses letzter Roman. Darin beschwört der Autor die Sehnsucht nach Heimat. Der Roman ist die Suche nach Kindheit, die der in Amerika reich gewordene Anguilla aber nicht mehr findet, als er nach vielen Jahren wieder in seinem Dorf in den Hügeln des Piemont einen Besuch abstattet:


    Zitat von "Pavese"

    Was würde ich dafür geben, könnte ich die Welt mit den Augen von Cinto noch eimal sehen..


    Cinto ist ein Junge, der wegen seinem verkrüppelten Bein, kaum die Chance hat, aus dieser Gegend jemals herauszukommen.


    Zitat von "Pavese"

    Um Cinto davon zu überzeugen, daß auch ich einmal ausgesehen hatte wir er, war es nicht genug, wenn ich so mit ihm von Gaminella sprach. Für ihn war Gaminella die Welt, und alle, die dort lebten, sprachen davon zu ihm wie von der Welt.


    Zitat von "Pavese"

    Der Höhenzug des Gaminella, ein langes, gleichmäßig fortlaufendes Gelände von Rebgärten und Uferhängen, fällt so unmerklich ab, daß man, wenn man den Kopf gebt, seinen Gipfel nicht sieht...


    Pavese erzählt von Schicksalen der Menschen, die damals, als er noch Kind war, im Tal des Belbo, in den Hügeln des Salto und in Gaminella wohnten. Die Hügel des Salto, so nennt der Autor im Roman sein Heimatdorf Santo Stefano Belbo. Anguilla weiß aber nicht genau, wo er geboren war, er ist aber als Findelkind in dieser Gegend aufgewachsen.


    Zitat von "Pavese"

    Ich wanderte unter dem Salto hin, wanderte unter dem Nido hin, sah die Mora liegen, die Linden reichten bis zum Dach, und dort war die Terassse der Mädchen, dort die Glastür, dort der niedere Teil mit den Bogen, wo wir anderen wohnten. Ich vernahm Stimmen , die ich nicht kannte, und zog weiter.


    So wird Vergangenheit mit der Gegenwart verwoben. In Erinnerungen durchstreift Anguilla die Landschaft seiner Kindheit. All die Menschen von damals sind verstorben, nur sein Freund Nuto, der nie aus dieser Gegend herausgekommen ist, und bei den Festen auf der Klarinette spielte, ist noch am Leben. Irgendwann reden sie von dem Jungen Cinto, und Nuto beklagt sich, weil Anguilla dem Buben die große weite Welt schmackhaft machen wollte; er sollte einfach nur wissen, was er verliert. Der kluge Nuto aber entgegnet:


    Zitat von "Pavese"

    Aber was soll ihm Amerika! Amerika ist schon hier. Millionäre und daneben solche, die Hungers sterben, das gibt es auch hier.“


    Das Tal des Belbo wurde auch nicht vom Krieg verschont. Viele Soldaten kehren nicht zurück. In den Bergen werden Leichen von Partisanen entdeckt, die schon einige Jahre dort herumliegen. Wenn man gezielt suchen würde, so würde man sicher noch viele finden. Aber die Zeit verstreicht, diejenigen Toten, die man nicht gerade zufällig findet, werden unbemerkt eins mit der Erde. Und Nuto, der in diesem Erdenwinkel die Not jeden einzelnen kannte, fragte nie danach, welchen Nutzen der Krieg vielleicht gehabt habe, sondern für ihn war der Krieg eine schicksalhafte Fügung. So fügt sich in diesen Hügeln, in diesen Dörfern, in denen der Duft der Weinreben lebt, jeder seinem Schicksal.


    In diesem Roman setzt Cesare Pavese noch ein letztes Mal dem Ort seiner Heimat ein Denkmal. Die Hügel des Piemont sind die wirklichen Protagonisten des Romans. Die Menschen fügen sich dort bloß ein. Wie stark die Verbundenheit zu dieser Landschaft ist,drückt Pavese im Roman sehr schön aus:


    Zitat von "Pavese"

    Ich überquerte aber auf der schmalen Brücke den Belbo, und wie ich so dahinschritt, überlegte ich mir, daß es nichts Schöneres gebe als einen Weinberg: gut gehackt, die Reben gut gebunden, die Blätter, wie sie sein sollen, und darüber ein Duft, wie Erde riecht, wenn die Augustsonne darauf brennt. Ein gut gehaltener Weinberg ist wie ein gesunder Körper, ein Leib, der lebt und seinen Atem hat und seinen Schweiß.


    In der Biografie von *Davide Lajolo erfahren wir noch überraschendes. Nuto, der mit wirklichem Namen Pinolo Scaglione hieß, hat es wirklich gegeben. Er hatte wie im Roman an der Straße nach Canelli, nicht weit von Paveses Geburtshaus, mit seinem Bruder eine Schreinerei. Pavese war von Kindheit an mit ihm befreundet. In den Jahren 1948-1950 schrieb Pavese von Tutin aus zahlreiche Briefe an Nuto und besuchte desöfteren S. Stefano Belbo. So erhielt er für seinen Roman viele Informationen über die Menschen in den Hügeln. Nuto machte ihn auch mit seinen Verwandten bekannt.



    „Junger Mond“ gilt als vollendetes Meisterwerk mit bleibenden Wert. Wie Pavese erzählt, ist für mich wahre Poesie, die mich maßlos einimmt. Durch die Kraft dieser Poesie kommen mir die Gestalten und die Landschaft des Piemont sehr nahe. In „Junger Mond“ wird immer wieder von den Weinbergen und Blütenduft erzählt. Niemals wird es langweilig, sondern alles fliegt in mein sehnsüchtiges Gemüt ähnlich wie Anguiella mit Sehnsucht nach seinen verlorenen Kindheit sucht. Was kann ich schon schöneres über diesen Roman noch sagen?


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    Liebe Grüße
    mombour


    PS: *Biografie: Davide Lajolo: Kadenz des Leidens, Leben und Werk des Cesare Pavese, Claassen Verlag, Hamburg, 1964

    Einmal editiert, zuletzt von mombour ()

  • Schöne Rezi. Auf den Autor bin ich gerade aufmerksam geworden durch so einige Rezension der Neuübersetzung seines Romans "Die einsamen Frauen".


    Gruß, Thomas