Judith Kern - Das Leuchten des Sanddorns

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  • Hallo Ihr Lieben,


    im Rahmen einer Testleseraktion von Droemer Knaur habe ich das Manuskript zu diesem Buch zugeschickt bekommen. Erscheinungstermin für das Buch ist der
    01.05.2009. Meine Meinung dazu möchte ich Euch jedoch jetzt auch schon schreiben! :breitgrins:


    Bin mir übrigens nicht sicher, ob ich das Buch in die richtige Kategorie zugeordnet habe. Da es aber die Jahre 1900 bis 1953 abdeckt, habe ich es mal zu den
    historischen Romanen eingeordnet.


    Judith Kern: "Das Leuchten des Sanddorns"

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    Kurzbeschreibung:
    Das Rauschen der Ostsee, die Blumenpracht, die Faszination der weißen Kreidefelsen – nach Rügen und besonders in das Seebad Binz zieht es Anfang des 20.
    Jahrhunderts zahlreiche Gäste. Hier lebt die schöne junge Marie, die glaubt, mit ihrem Mann, einem ehemaligen Kapitän, glücklich zu sein. Bis sie Sophie von
    Blankenburg kennenlernt, die für die Rechte der Frauen kämpft – eine Begegnung, die nicht nur Maries Ehe gefährdet, sondern auch das Schicksal ihrer Töchter
    und Enkelinnen dramatisch beeinflussen wird …


    Meine Meinung:
    Anfang des 20. Jahrhunderts heiratet Marie den um einige Jahre älteren Franz. Gemeinsam führen sie die "Villa Luise", ein Hotel, auf Rügen. Marie denkt, sie
    ist glücklich, während sie Tag für Tag nur für das Hotel lebt und mit ihrem Mann zwar eine harmonische, aber nicht besonders leidenschaftliche Ehe führt. Ihr
    Leben ändert sich jedoch grundlegend, als sie Sophie von Blankenburg kennenlernt. Sophie kämpft für die Rechte der Frauen, hat andersartige und v.a.
    rebellische Ideen und führt ihr Leben so, wie sie es möchte und nicht, wie es die Gesellschaft zu der Zeit vorsieht. Zuerst ist Marie entsetzt über die
    Ansichten von Sophie und fühlt sich in ihrer Nähe angegriffen. Aus der anfänglichen Abneigung wird jedoch schließlich eine große Liebe und über die Jahre
    hinweg eine intensive Freundschaft, die die Beiden ihr gesamtes Leben lang begleiten wird. Durch die anfängliche Liason zwischen Sophie und Marie, die zu der
    damaligen Zeit natürlich höchst skandalös ist, verliert Marie fast komplett den Zugang zu ihrer Tochter Klara und es scheint, dass keine Versöhnung mehr
    möglich ist...


    Dieses Buch ist viel mehr, als die Kurzbeschreibung und meine kurze Inhaltsangabe vermuten lassen. Vielmehr erzählt das Buch über drei Generationen hinweg, die Geschichte von Müttern und ihren Töchtern zu Zeiten des 1. und 2. Weltkriegs. Ihre Kämpfe, ihre Liebe und ihre Schicksale.


    Als ich mit dem Buch begonnen habe, dachte ich zuerst es würde sich um eine neue Version von "Effi Briest" handeln, aber damit lag ich weit daneben. Marie
    ist kein einfacher Charakter und ich muss gestehen, dass ich sie bis zum Ende nicht komplett durchschaut habe. Sie wirkt oft kühl und unnahbar, jedoch zeigt
    sich im Laufe des Buches immer deutlicher woran ihr Herz hängt und dass sie doch nicht so unnahbar ist, wie es zu Beginn den Anschein hat.
    Ihre Tochter Klara ist dabei eindeutiger gestrickt, jedoch auch sie muss einige schwere Zeiten durchstehen und einige Kämpfe mit sich selbst ausfechten, bei
    der Entscheidung ob sie auf ihr Gewissen oder auf ihr Herz hören soll.
    Marie's Enkelinnen schließlich haben ihre eigenen Probleme und Schicksale und lernen jede auch auf ihre Weise, wie sie ihr Leben meistern können.


    Das Buch liest sich sehr flüssig und ich konnte es teilweise nicht mehr aus der Hand legen. Die Schicksale der einzelnen Hauptdarstellerinnen haben mich sehr
    bewegt und oft habe ich während des Lesens mit den Tränen kämpfen müssen.
    Die Zeit in der das Buch angesiedelt ist, ist eine unruhige und teilweise auch sehr schwere Zeit. Geprägt von den Kriegen, der Zeit zwischen dem 1. und 2.
    Weltkrieg, als sich eine immer stärkere rechte Front kristallisiert hat und schließlich dem 2. Weltkrieg selber.
    Ohne genauer auf die Kriegsjahre einzugehen, schafft es die Autorin in leisen Worten zu schildern, was Krieg für die Menschen und v.a. auch für die Frauen
    bedeutet. Der Leser ist Zeuge im Lazarett, erlebt die Machtergreifung Hitlers aus der Sicht einer Frau, die zu dem Zeitpunkt ganz andere Sorgen hat und liest
    schließlich, wie es den Menschen auf Rügen nach Ende des 2. Weltkrieges ergeht. Der Einmarsch der Russen, die Angst der Frauen vor Vergewaltigung, die
    Enteignung und der tägliche Kampf ums Überleben, der noch härter wird, da immer mehr Flüchtlinge ankommen.


    Die Probleme, Sorgen und das Leid der Kriegsjahre und v. a. der Jahre nach Kriegsende hat die Autorin verpackt in die Lebensgeschichten von Marie, ihrer
    Tochter Klara und den Enkelinnen von Marie. Für mich war dadurch vieles noch mehr greifbar, da ich es aus Sicht einer betroffenen Person "erlebte".


    Bis auf den etwas holprigen Anfang, ein sehr schönes Buch, dass mich sehr bewegt hat.
    Daher vergebe ich 4ratten



    Liebe Grüße
    Tammy

    &WCF_AMPERSAND"Jeder der sich die Fähigkeit erhält, Schönheit zu erkennen, wird nie alt werden.&WCF_AMPERSAND" (Franz Kafka)

  • Ui, das klingt sehr interessant. Scheint ganz nach meinem Geschmack zu sein. Danke für die schöne Rezi. :winken:

    Die Literatur gibt der Seele Nahrung,<br />sie bessert und tröstet sie.<br /><br />:lesen:<br />Alfred Kerr: Die Biographie


  • Ui, das klingt sehr interessant. Scheint ganz nach meinem Geschmack zu sein. Danke für die schöne Rezi. :winken:


    Danke schön! :redface:


    Eine Leseprobe gibt es übrigens hier.


    Liebe Grüße
    Tammy :winken:

    &WCF_AMPERSAND"Jeder der sich die Fähigkeit erhält, Schönheit zu erkennen, wird nie alt werden.&WCF_AMPERSAND" (Franz Kafka)

  • „Das Leuchten des Sanddorns“ beschreibt das Leben einer Rügener Familie über drei Generationen hinweg, wobei immer die Frauen im Vordergrund stehen. Das erste Drittel konzentriert sich zunächst auf Marie ,dann rückt ihre Tochter Klara, die sich zwischen Pflichterfüllung und Liebe entscheiden muss, in den Vordergrund und der dritte Teil konzentriert sich auf die beiden Töchter Klaras.


    Das Buch beginnt um 1910, überspringt den WK1, zeigt ein wenig von der Wirtschaftskrise und dem aufkommenden Nationalsozialismus und macht dann einen Sprung ins Jahr 1945. Noch ein wenig Stoff zur Gründung der DDR und dann endet das Buch mit einem Epilog in den 1990er Jahren. Die Autorin hat also jegliche geschichtlich interessante und relevante Epoche ausgelassen.


    Dadurch bleiben die Figuren ziemlich eindimensional, es mangelt ihnen einfach an Situationen, wo sie persönlich hätten Stellung beziehen müssen und sich nicht fast alles nur um private Befindlichkeiten, sei es gesellschaftliches Ansehen oder Mangelwirtschaft, dreht. Die Autorin enthält sich jeglicher Positionierung und entzieht ihren Figuren so die Möglichkeit Eindruck auf den Leser zu machen. Selbst die lesbischen Interessen Maries reichen gerade um ein paar Gerüchte zu produzieren, es ist aber doch nur eine Affäre und danach gerät die Angelegenheit in Vergessenheit und es bleibt nur eine zerrüttete Beziehung bzw. eine Freundschaft übrig. So ist das ganze Buch von Andeutungen einer durchaus vorhandenen Geschichte geprägt, die Autorin weicht nur jeglichem Konfliktpotential aus.


    Für einen Familienroman sind mir 500 Seiten für 3 Generationen generell etwas zu wenig, aber Judith Kern hat es dann auch noch geschafft, ihre Präferenzen unglücklich zu setzen, ich habe das ganze Buch darauf gewartet, dass irgendeine Figur mir Gefühle entlocken kann. Stattdessen gibt es zu allen Jahreszeiten symbolhaft leuchtende Sanddornfrüchte an irgendwelchen Zweigen, solange, bis sie mir fürchterlich auf die Nerven gingen.


    3ratten