José Saramago - Das Evangelium nach Jesus Christus

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    Neben zahlreichen anderen Autoren, die das mehr oder weniger erfolgreich versucht haben, hat auch José Saramago seine Interpretation der Lebensgeschichte von Jesus Christus vorgelegt.


    Zunächst begleiten wir über eine recht lange Strecke Maria und Josef als junges Ehepaar (Josef ist in diesem Buch nicht wie sonst häufig schon fast ein Greis, sondern zu Beginn ein junger Mann von 20 Jahren). Die beiden führen ein höchst unspektakuläres Leben im ländlichen Nazareth, bis Maria zum ersten Mal schwanger wird und ihr ein merkwürdiger Bettler begegnet, der nicht nur ihr Furcht einflößt.


    Kurz vor der Geburt des Kindes brechen die beiden zur Volkszählung nach Bethlehem auf, in einer Höhle außerhalb der Stadt wird dann Jesus geboren. Durch Zufall erfährt Josef, dass König Herodes alle Kleinkinder in Bethlehem ermorden lassen will, und flieht mit seiner kleinen Familie. Dass er nicht die ganze Stadt gewarnt hat, ist ein Versäumnis, das ihn sein Leben lang quälen wird.


    Nach der Rückkehr in die Heimat wird die Familie immer größer, neun Kinder bringt Maria innerhalb von nicht viel mehr Jahren zur Welt. Nach dem frühen Tod des Vaters ist es nicht Jesus als der Älteste, der die Führung in der Familie übernimmt. Er geht stattdessen auf Wanderschaft, geht bei einem Hirten in die Lehre, der eigenwillige Ansichten über Gott und die Welt hat und landet schließlich bei den Fischern am See Genezareth, wo seine übernatürlichen Fähigkeiten erstmals richtig deutlich werden ...


    Die zentralen Ereignisse der biblischen Jesus-Geschichte sind auch in diesem Buch enthalten, werden jedoch auf ungewöhnliche Weise neu gedeutet, und die vielen Jahre zwischen der Geburt in Bethlehem und dem in der Bibel beschriebenen öffentlichen Wirken füllt Saramago ebenfalls auf ganz eigene Weise mit Leben und Geschehen. Sein Jesus ist kein verklärter, unirdischer Heiliger, ebensowenig Maria, die durchaus nicht immer gut wegkommt.


    Wer Saramago kennt, kennt auch seine ewig langen Bandwurmsätze, die kaum vorhandenen Absätze und die wörtliche Rede, die nicht durch Anführungsstriche gekennzeichnet, sondern im fließenden Text eingebettet ist. Auch in diesem Buch muss man sich daran ein wenig gewöhnen, es verlangt dem Leser Konzentration ab, ist jedoch auch sehr intensiv und innovativ erzählt.


    Stilistisch und inhaltlich fordernd, aber wenn man sich darauf einlassen kann, auch eine lohnende, diskussionswürdige Lektüre.


    4ratten

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen