Thomas Bernhard - Meine Preise

Es gibt 14 Antworten in diesem Thema, welches 5.252 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Kafkaesker Käfer.

  • Thomas Bernhard: Meine Preise. 144 Seiten. Erstausgabe aus dem Nachlass.


    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    20 Jahre nach dem Tod bringt der Suhrkamp-Verlag einen bisher unveröffentlichten Text aus dem Nachlass Thomas Bernhards heraus. Er enthält Aufzeichnungen Bernhards zu neun Literaturpreis-Verleihungen, im Anhang sind einige Preisreden abgedruckt. Der Text ist im Gegensatz zu manchem Roman einfach zu lesen und bringt den Menschen Thomas Bernhard näher. In den einzelnen Episoden beschränkt sich Bernhard nicht auf den eigentlichen Festakt der Preisverleihung, sondern er beschreibt so manche komische Szene, die sich davor oder danach ereignet hat. Das Buch wird dadurch nie langweilig und ergeht sich nicht in Wiederholungen. Besonders gut gefallen hat mir die Episode, in der Bernhard der Meinung war, er bräuchte für eine Preisverleihung einen neuen Anzug, den er sich dann auch bei einem Wiener Herrenausstatter zwei Stunden zuvor (der Mann hat Nerven!) gekauft hat. Nach der Preisverleihung hatte er jedoch das Gefühl, dass genau dieser Anzug ihm viel zu klein sei und er ihn daher umtauschen müsse. Was im Laden dann passiert ist, lese jeder selber nach. Man kann mehrmals herzlich auflachen, auch in diesem Buch findet man Bernhards typischen schwarzen Humor.


    Für Bernhardiner ein Muss, für alle anderen ein guter Einstieg.


    5ratten


    Gruß,
    Thomas



    EDIT: Habe den Betreff etwas angepasst. LG Seychella

    Einmal editiert, zuletzt von Seychella ()

  • Hallo,


    ich betrachte mich als Bernhardiner, wenn er grantelt und humorig tut. "Meine Preise" scheint in dieser Hinsicht lohnend sein.


    In irgendeiner Weise benimmt sich Thomas Bernhard während einer Preisverleihung ziemlich prekär und lässt die Preisverleiher peinlich auflaufen. Ich kann mich bloß nicht mehr erinnern, ob das in seinem Wittgenstein steht oder in Autobiografische Schriften. Auf jedenfall war das köstlich. Im Februar veranstalte ich einen reread von "Wittgensteins Neffe". Von Bernhard mag ich am meisten die Bücher, in denen er seine Persönlichkeit durchschimmern lässt.


    Seinen Roman "Korrekturen" empfinde ich dagegen als zu trocken, nur als ein Prosakonstrukt mit Wiederholungen. Sicher schimmert selbst dort so manch interessantes durch, aber dort schimpft er weniger überzeugend und hat keinen Humor. Humoriger und grotesker ist da noch sein Kalkwerk.


    bernhardinische Grüße
    mombour

    Einmal editiert, zuletzt von mombour ()

  • Die "Korrekturen" Hehehehe. Ich hasse dieses Buch und liebe es zugleich! Es ist doch interessant... irgendwie schon. Ich kann es nicht beschreiben, aber es ist ein Buch, dass mir von Bernhard und ich habe in all den Jahren ALLE gelesen (außer die Gedichte) total in Erinnerung geblieben ist und mich sehr fasziniert hat. Wenn ich ein Ranking machen müsste, dann sage ich: 1.) Gehen - absolut toll. Ich weiß nicht warum, aber es ist so. 2.) Alte Meister - da liebe ich Bernhard ganz besonders. Ich meine, wenn er über die Frau spricht und die Wiener WC Anlagen - es stimmt einfach. 3.) Korrekturen: Es ist die Korrektur von der Korrektur der Korrektur von der Korrektur... und so weiter. Das man so ein Tempo halten kann - das ist Bernhard. 4.) Amras - das ist ganz toll. 5.) Ja - der Schluss hat mich umgerissen. Bernhard macht normalerweise keinen Schluss im herkömmlichen Sinne. nein. Hier schon. 6.) Beton. Das Buch über Bartok wird nicht geschrieben. und so weiter. Auch "Watten" ist sehr gut. Nun, ich liebe Bernhard. Ich kann mir nicht helfen. Auch, wenn seine Aussagen über Frauen kritikwürdig sind, so lächle ich als Frau darüber hinweg. Er ist ein Unikat. Oft kopiert und nie erreicht. DAs muss einem einer nachmachen.
    Daher liegt jetzt "Meine Preise" ganz oberhalb und ich freue mich wie ein kleines Kind. Wirklich.

  • "Meine Preise"


    Zitat von "Bernhard"

    „...ich bin geldgierig, ich bin charakterlos, ich bin selbst ein Schwein."

    (Bernhard, Meine Preise, Seite 72)


    In diesen Texten gibt der Autor u.a. auch Dinge von sich preis, die ihn in ein unangenehmes Licht rücken. Durch das ganze Buch offenbart sich die These, er interessiere sich gar nicht für die Ehre, die ihm durch die Vergabe eines Preises zukommt, sondern nur das Geld – ja, nur allein das Preisgeld interessiere ihn. Einmal kauft er sich ein Auto und fährt nach Jugoslavien, ein anderes Mal verwendet er ein Preisgeld zur Anzahlung eines Hauses. Die Preisveranstaltungen an sich hasst er und Bernhard erzählt in ironischen Anekdoten von seinen manchmal schier unglaublichen Erlebnissen, die er auf solchen Veranstaltungen erlebt hat. Das ist ohne Frage sehr amüsant zu lesen. Jeder Preisverleihung verknüpft Bernhard mit einer Anekdote aus seinem Leben und ihm gelingen erheiternde Pointen. So etwas liest man gerne, ohne Frage. Trotzdem immer dieser schale Beigeschmack, er will die Preise nicht annehmen, nimmt sie trotzdem wegen des Geldes an. Hier ist er überhaupt nicht konsequent und macht sich selbst unglaubwürdig. Also, entweder will man einen Preis annehmen, oder eben nicht. Aber hier, Bernhard erkennt selbst, und das sei ihm zu Gute gehalten, sein Charakter habe ein großes Leck (vgl.Seite 100).


    Zitat von "Bernhard"

    „Aber ich war doch die ganzen Jahre, in welchen Preise auf mich zukamen zu schwach, um nein zu sagen.“


    Selbsterkenntnis ist der erste Weg der Besserung. Ich frage mich aber, was hat Thomas Bernhard dazu verleitet, sich schonungslos zu offenbaren. Die Nachfahren können nun einen Blick in des Autors inneren Charakter werfen. Ganz anders, nämlich konsequent, reagiert Jean Paul Sartre auf seinen Preis, den Nobelpreis: Mit Ablehnung: Er wolle unabhängig beleiben und äußerte gegenüber der französischen Tageszeitung Le Monde:"Kein Mensch verdient, dafür verehrt zu werden, dass er lebt".


    Trotz solcher Peinlichkeiten sind die Texte wegen ihres Humors genießbar. So freut sich der Leser, wenn Bernhard sich darüber ärgert, dass er den Osterreichischen Staatspreis für Literatur bekommen soll. Um diesen Preis zu bekommen, muss ein Manuskript eingereicht werden. Thomas Bernhards Bruder reichte das Manuskript von „Frost“ ein (Thomas weiß nichts davon). So wird ihm der Preis zugesprochen. Bernhard grantelt, weil es sich nur um den Kleinen Staatspreis handelt.


    „In Wirklichkeit hatte ich einen schlechten Magen bei der Idee, als bald Vierzigjähriger einen Preis in Empfang nehmen zu müssen, der den Zwanzigjährigen vorbehalten sein sollte....“


    „Aber einer Ablehnung wollte ich mich nicht aussetzen, dann hätten sie mich wieder alle als arrogant und als größenwahnsinnig verschrien....“


    Es ist also in diese Preisverleihung schuldlos hineingeschlittert; und beim Büchnerpreis, na, da konnte er doch mit ruhigem Gewissen sagen, er wolle vor allem nach Darmstadt reisen, um seiner Tante einen schönen Geburtstag zu machen, denn sie habe, wie Georg Büchner, am achtzehnten Oktober Geburtstag (vgl. Seite 113). Sehr charmant.


    Liebe Grüße
    mombour

    Einmal editiert, zuletzt von mombour ()


  • Trotzdem immer dieser schale Beigeschmack, er will die Preise nicht annehmen, nimmt sie trotzdem wegen des Geldes an.


    Warum nicht des Geldes wegen? Wenn jemand in einer Firma arbeitet, hat er ab und zu die Chance für gute Arbeit eine Prämie zu bekommen. Ein Preis ist nichts anderes als eine Prämie für einen freischaffenden Schriftsteller.

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001

  • Warum nicht des Geldes wegen? Wenn jemand in einer Firma arbeitet, hat er ab und zu die Chance für gute Arbeit eine Prämie zu bekommen. Ein Preis ist nichts anderes als eine Prämie für einen freischaffenden Schriftsteller.


    Ja, soll er doch wegen des Geldes, aber woraus ich hinaus will und versucht habe klarzumachen, ist, dass er diesen ganzen Preisveranstaltungsbetrieb hasst, die Leute reden Unsinn in den Ansprachen, und er will sich das ganze Brimborium nicht antun, tut es sich aber trotzdem an. Ich sehe hierin eine innere Gespaltenheit, die Bernhard sich sogar selber eingesteht.


    Liebe Grüße
    mombour

  • Ja, soll er doch wegen des Geldes, aber woraus ich hinaus will und versucht habe klarzumachen, ist, dass er diesen ganzen Preisveranstaltungsbetrieb hasst, die Leute reden Unsinn in den Ansprachen, und er will sich das ganze Brimborium nicht antun, tut es sich aber trotzdem an. Ich sehe hierin eine innere Gespaltenheit, die Bernhard sich sogar selber eingesteht.


    Ich habe ja noch nie so einen Literaturpreis bekommen, aber vielleicht gibt es die Knete nur inklusive Gelaber. :zwinker:

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001

  • Ja, soll er doch wegen des Geldes, aber woraus ich hinaus will und versucht habe klarzumachen, ist, dass er diesen ganzen Preisveranstaltungsbetrieb hasst, die Leute reden Unsinn in den Ansprachen, und er will sich das ganze Brimborium nicht antun, tut es sich aber trotzdem an. Ich sehe hierin eine innere Gespaltenheit, die Bernhard sich sogar selber eingesteht.


    Liebe Grüße
    mombour



    ich habe jetzt nur diesen kommentar zitiert, meine aber auch deinen ersten zu dem buch mit. :smile:


    also, ich verstehe hier ueberhaupt nicht, wie man bernhard, und vor allem dieses schmale band "meine preise" mit so einem unnachgiebigen ernst lesen kann? und ich frage mich, wieso man sich die muehe macht, seine offenbare "charakterschwaeche" ueberlang zu analysieren, wo doch der autor selbst dies bereits im erwaehnten buch getan hat?


    ja, er verabscheut den literaturbetrieb (und ist bestimmt nicht der einzige kuenstler, der sich sehr kritisch damit auseinandersetzt, und ein grosses problem mit der tatsache hat, dass die wenigsten der menschen, die im kulturleben mitmischen, ja es zur gaenze bestimmen, etwas von der kunst und kultur tatsaechlich verstehen, und sie nicht bloss zu eigenen profilierungszwecken nutzen).


    ja, er will nur das mit dem preis verbundene geld, und nicht die ehre, die in dieser welt seiner einschaetzung nach ohnehin nicht existiert, und zwar aus folgenden gruenden:


    -) weil der staat ohnehin milliarden zum fenster hinausschmeisst und der buerger sich ruhig mal etwas davon nehmen kann, wenn sich im die gelegenheit dazu bietet.
    -) weil er selbst auch charakterlos und ein schwein und nicht zuletzt inkonsequent ist (wie ihm das seine "tante" sofort vorgeworfen hat, denn vor ihr hatte er die geldgier als das einzige motiv keinen moment lang verschwiegen).


    ja, das geld gibt es nur inklusive gelaber (ausgenommen campe-preis natuerlich! :zwinker: ) und ja, das tut er sich an, allein wegen des geldes und trotz der intensiv empfundenen magenbeschwerden.


    das steht alles so drinnen und bedarf keiner weiteren interpretation.


    was fuer ein mensch ist also dieser bernhard?


    einer, der zwar, wie auch zugegeben und von ihm selbst treffend formuliert, zur totalen selbstbeurteilung nicht faehig ist und sich noch immer besser waehnt, als er ist, aber durchaus ueber sich selbst kopf schuetteln und lachen kann! einer, der die kunst der uebertreibung bis zur spitze getrieben hat (und wieder zurueck!). einer, der das philosophische lachprogramm entwickelt, und es damit fier den leser zur herausforderung gemacht hat, an den richtigen stellen losprusten zu koennen.


    just my 5 cents. :breitgrins:


    danke fuers lesen. :zwinker:


  • Hallo,


    ich betrachte mich als Bernhardiner, wenn er grantelt und humorig tut. "Meine Preise" scheint in dieser Hinsicht lohnend sein.


    In irgendeiner Weise benimmt sich Thomas Bernhard während einer Preisverleihung ziemlich prekär und lässt die Preisverleiher peinlich auflaufen. Ich kann mich bloß nicht mehr erinnern, ob das in seinem Wittgenstein steht oder in Autobiografische Schriften. Auf jedenfall war das köstlich. Im Februar veranstalte ich einen reread von "Wittgensteins Neffe". Von Bernhard mag ich am meisten die Bücher, in denen er seine Persönlichkeit durchschimmern lässt.


    dass bernhard immer fuer einen skandal gut ist, sollte fuer keinen bernhardiner eine ueberraschung sein. die meisten mit den preisen verbundenen g'schichtln und skandale kannte ich schon aus meiner gymnasialzeit, weil er ja nicht die einzige quelle der dortigen ereignisse ist. was hast du denn schon alles von bernhard gelesen?


    Zitat

    Seinen Roman "Korrekturen" empfinde ich dagegen als zu trocken, nur als ein Prosakonstrukt mit Wiederholungen. Sicher schimmert selbst dort so manch interessantes durch, aber dort schimpft er weniger überzeugend und hat keinen Humor. Humoriger und grotesker ist da noch sein Kalkwerk.


    bernhardinische Grüße
    mombour


    die wiederholung ist aber eines seiner rhetorischen lieblingsmitteln. hat er wieder mal UEBERTRIEBEN? :breitgrins:

  • Hallo snake charmer,


    Gelesen habe ich "Wittgensteins Neffe","Autobiografische Schriften", "Beton", "Das Kalkwerk", "Korrektur", "Meine Preise", "Der Untergeher".


    Zu dem anderen kurz: Es darf meinerseits darauf hinzuweisen erlaubt sein, das Bernhard (bzw. das literarische "Ich") eine Charakterschwäche hat. Es sei auch erlaubt, mich über dieses schriftlich zu äußern und auf Bernhard Inkonsequentheit (s.o). hinzuweisen. Denn wenn Bernhard schon das Briborium um die Preisverleihung hasst, könnte er auch andererseits konsequent sagen, diesen Unsinn mache ich nicht mit. Dann wäre er ehrlich. Immerhin muss man sich in "Meine Preise" in fast jedem Text sich anhören, wie doof eine Preisverleinung ist.


    Ich mag Bernhards Übertreibungen wenn sie zum Humor führen. Es ist ja eben einiges schon humoristisch in den Texten, dass sehe ich durchaus, aber die Beschimpfungen der Preisverleihung finde ich nicht komisch....


    Die Wiederholungen in "Korrektur" fand ich auch nicht humorvoll, da hat mir "Das Kalkwerk" schon besser gefallen. "Korrektur" ist ein anstrengendes Prosakonstrukt.


    Bernhard darf man schon kritisieren, nicht wahr?


    Inwieweit diese Texte nun wirklich autobiografisch sind, ist auch so eine Frage. Der Text um den Grillparzerpreis ist in "Wittgensteins Neffe" anders erzählt worden. Vielleicht sollte man lieber vom literarischen Ich sprechen als von Thomas Bernhard.


    Liebe Grüße
    mombour

  • So, nun habe ich "Meine Preise" auch endlich gelesen. Dieses kleine Büchlein hat was. Manchmal möchte man kaum glauben, das es die Beschreibung der Realität ist. Mit den Dankesreden habe ich weniger anfangen können, die waren mir zu verschwurbelt. Dafür war das Austrittsschreiben aus der Darmstädter Akademie für mich der Höhepunkt des ganzen Buches.


    Kann mir jemand eine gute Bernhard-Biographie empfehlen? Die wenigen Hinweise auf seine Beziehung zu seiner Tante und den literarischen Beziehungen seines Großvaters haben mich neugierig gemacht.

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001

  • Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links

    Thomas Bernhard (1931-1989)
    Meine Preise
    Erstveröffentlichung: 2009 (aus dem Nachlass)
    Verlag: Suhrkamp
    gebundene Ausgabe
    139 Seiten


    So, jetzt habe ich das Buch auch endlich gelesen.


    Mein Eindruck: Ich bin begeistert! Welch' Ironie steckt in diesem Mann, dessen öffentliche Charakterisierung ich bislang nur als mürrisch, zynisch und menschenfeindlich wahrgenommen habe. Klar, das ist er auch: mürrisch, zynisch und menschenfeindlich. Aber gleichzeitig zeigt er in diesen kurzen Schlaglichtern über die Literaturpreise, die ihm im Laufe seines Schriftstellerdaseins verliehen wurden, dass er auch humorvoll, ironisch und - ja, ich sag's mal - sympathisch sein kann.


    Schmunzeln musste ich über die Episode anlässlich der Verleihung des Grillparzer-Preises 1972, die Thomas weiter oben schon erwähnt hat, und für die T.B. sich kurzfristig einen neuen Anzug zulegt, nur um ihn anschließend wieder umzutauschen. Kurios auch die Episode, in der er sich zusammen mit seiner Tante* und dem Immobilienmakler Hennetmair das Haus ansieht, das er sich kaufen möchte, ein verlassenes und verfallenes Bauernhaus, das schon seit einiger Zeit leersteht. Und während sie durch das Haus gehen, über modrige und durchgefaulte Böden, die zusammenzubrechen drohen, spricht der Immobilienmakler begeistert von den "außerordentlichen Proportionen" des Hauses, und auch Bernhard spricht irgendwann von den "außerordentlichen Proportionen", während seine Tante sich nur ein Taschentuch vor den Mund hält, um den Gestank auszuhalten...


    Natürlich gibt's auch die Bernhard'schen kritischen Untertöne, und Thomas Bernhard verteilt kräftige Seitenhiebe gegen die Staatsrepräsentanten - insbesondere die österreichischen -, die ihm die Preise überreichen und dazu langweilige und auch noch inhaltlich falsche Reden über ihn halten. Und überhaupt verachtet er diesen ganzen Literaturpreiszirkus und macht das alles ja nur wegen des Geldes mit, so viel Charakterschwäche gesteht er sich selbst (und dem Leser) ein. Über so viel Inkonsequenz mag man den Kopf schütteln, aber immerhin ist er darin konsequent inkonsequent.


    Tja - die Dankesreden im Anhang. Welch' Kontrast zu den vorhergegangenen Anekdoten.

    die waren mir zu verschwurbelt.


    Das trifft's ganz gut. Mich haben sie zwar ebenfalls ziemlich ratlos zurückgelassen, und verstanden habe ich kein Wort davon, aber ihretwegen als Minister mit hochrotem Kopf und türenschlagend den Saal zu verlassen, halte ich doch für übertrieben...:zwinker:



    In irgendeiner Weise benimmt sich Thomas Bernhard während einer Preisverleihung ziemlich prekär und lässt die Preisverleiher peinlich auflaufen. Ich kann mich bloß nicht mehr erinnern, ob das in seinem Wittgenstein steht oder in Autobiografische Schriften. Auf jedenfall war das köstlich.


    Das war die Verleihung des Österreichischen Staatspreises, in deren Verlauf der besagte anwesende Kulturminister wutentbrannt den Saal verlässt. Darauf wird im Anhang des Buches eingegangen. Die Niederschrift von "Meine Preise" wurde leider nicht genau von T.B. datiert. Aber anhand zeitlicher Angaben innerhalb des Buches und unter Hinzuziehung anderer Quellen hat man sie auf den Zeitraum der Jahre 1980/1981 eingrenzen können. "Wittgensteins Neffe" entstand danach, ca. ab Januar 1982. Darin greift er diese Episode wieder auf, verändert sie aber ein wenig.


    So, obwohl ich zwar noch so viel Lesestoff von T.B. vor mir habe, kann auch ich jetzt von mir behaupten: Ich bin ein Bernhardiner. :breitgrins:


    Meine Wertung: 5ratten


    Viele Grüße
    Stefan


    * s. nachfolgender Beitrag

  • Wie ich gerade in der Thomas-Bernhard-Biographie von Manfred Mittermayer lese, handelt es sich bei der Tante, die Bernhard des öfteren in Meine Preise erwähnt, gar nicht um seine richtige Tante, sondern um die 36 Jahre ältere Hedwig Stavianicek, Witwe eines Sektionschefs im Gesundheitsministerium, die Thomas Bernhard Anfang der fünfziger Jahre als junger Mann kennenlernt und die ihn unter ihre Fittiche nimmt und künstlerisch und finanziell unterstützt, und die wohl als einzige mit seinem schwierigen Wesen zurechtgekommen ist. In Wittgensteins Neffe nennt er sie seinen "Lebensmenschen", offiziell spricht er von seiner "Tante".


    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Manfred Mittermayer - Thomas Bernhard (Suhrkamp-BasisBiographie)

  • Hallo Freundinnen und Freunde,


    ich habe mich in letzter Zeit wieder in Thomas Bernhards Werke vernarrt und möchte euch kurz Meine Preise vorstellen:

    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    In kurzen, autobiographischen Erzählungen schildert Bernhard, wie er zu neun seiner Preise kam. Als "zornig- ironisch" bezeichnet die Suhrkamp- Ausgabe Bernhards Sicht auf die Umstände der Preisverleihungen. Ich frage mich, ob sich da jemand einen makaberen Scherz erlaubt hat? Bernhard kritisiert zwar die österreichischen und deutschen Kulturszene, aber zornig ist er nicht! Er sagt die Literaturpreise nur des Geldes wegen angenommen zu haben und um nicht als arrogant verschrien zu werden. Des Weiteren wundert er sich, wer ihm einen Preis verleihen würde und wie solch eine Prozedur abläuft. Er darf als Preisträger sogar selbst einmal mitbestimmen, wer sein Nachfolger werden darf und das öffnet ihm die Augen: Mal darf es kein Jude sein, mal will man nur einen Kaufmann und ein anderes Mal geschieht alles nach Geratewohl. Vor allem die dummen Schafe, die sich die Ehre geben Bernhard einen Preis zu verleihen, haben meist noch nie von besagtem gehört.
    Zornig ist Bernhard nicht. Er schreibt, wie er seine Preisgelder verschleudert und in Geldnöten lebt. Einmal ist es für eine Bruchbude, einmal ist es für ein englisches Auto, dass er zu Schrott fährt. Bernhard beweist Humor und Selbstironie, selbst im Krankenhaus. Der Leser erfährt auch von seinen Freunden, seinem Bruder und demNunja seiner Tante. Über den Julius- Campe Preis beispielsweise hat sich Bernhard sehr gefreut. Natürlich flucht und ärgert sich Bernhard über Politiker und Pseudo- Literaten, die ihn missverstehen (über Leute, die Buchdeckel wie den oben zu sehenden gestalten).


    Mein Fazit:


    4ratten


    - Meine Preise sind ideal, um eine innige Beziehung zu Bernhards Leben und Stil aufzubauen.
    - Ohne bereits ein oder zwei Werke Bernhards gelesen zu haben, ist Meine Preise wahrscheinlich weniger interessant. Beachtet auch unsere Diskussionen zu Frost und Holzfällen.
    - Einen Minuspunkt für die verpfuschten und schülerhaften Recherchen im Anhang.

    Da wurde mir klar, dass entweder ich verrückt war oder die Welt. Und ich tippte auf die Welt. Und natürlich hatte ich recht. (Jack Kerouac)

    Einmal editiert, zuletzt von Kafkaesker Käfer ()