Hallgrímur Helgason - 101 Reykjavík

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    Klappentext:


    101 Reykjavík ist eine schwarze Komödie um den 28jährigen Hlynur, einen Mann der zuviel Fernsehen guckt, einen ziemlichen Versager, einen ewigen Teenager, der die Tage im Bett vergammelt, im Internet nach Pornos surft und auch sonst wenig Sinnvolles tut. Er lebt noch bei seiner Mutter und wenn er mal weggeht, dann bloß nachts zum Kneipenbummel mit seinen Kumpels. Und auch da ist er Beobachter – er betrachtet das Leben wie durch die Linse einer Kamera. Er ist ein Mann ohne Ziel, emotional von seiner Mutter unterdrückt, ohne Rückgrat. Er hat zwar Freundinnen, doch hält sich sein Intersse eher in Grenzen: er führt Listen, in denen er penibel den marktwert von Frauen einträgt. Nur mit Lolla ist es anders. Sie ist in seine Mutter verliebt, was sie dennoch nicht hindert, sich von ihm verführen zu lassen. Der one-night stand hat dummerweise Folgen...
    Hlynur, der sich verbissen weigert, seine gemütliche kleine Welt zu verlassen, dämmert es allmählich, daß das Leben ganz und gar nicht so läuft, wie er es sich gedacht hat.


    Meine Meinung:


    Eines vorneweg – der Klappentext stimmt bei diesem Buch nicht so ganz mit dem Inhalt der Buches überein – das ist bei einem nicht gerade billigen Hardcover ziemlich ärgerlich.


    Protagonist ist der 33jährige Ich-Erzähler Hlynur Björn, der im Postleitzahlenbezirk 101 in Reykjavík lebt. Er wohnt noch bei seiner Mama, ist arbeitslos und hat auch sonst keine wirklichen Ziele im Leben. Schlafen, Pornos gucken, sich durch das TV-Programm zappen und der nächtliche Kneipenbummel gehören zu seinem Alltag. Hlynur ist der typische Antiheld - ein Loser der sich von seiner Mama die Unterhosen kaufen läßt und auch sonst von ihr in jeglicher Hinsicht bemuttert wird. Außer dieser Mutter-Sohn-Beziehung scheint er ansonsten beziehungsunfähig zu sein bzw. lässt er diese nicht zu.


    Ausgehend von seinem medialen Konsum und seiner Penis-Fixierung, seinem Alkohol- und Extasy-Konsum erscheint Hlynur nicht als normaler Erwachsener, sondern macht eher den Eindruck eines emotional gestörten Teenagers.
    Sein Sexualleben wirkt entgegen seiner Wünsche und Vorstellungen erfolglos analog zu seiner Gefühlswelt, da er weibliche Wesen nach dem Marktwert in Kronen einteilt, die er für eine Nacht zahlen müsste. Diese Einteilung zieht sich dementsprecehnd wie ein roter Faden durch das gesamte Buch. Jedes weibliche Wesen auch namenslose Charaktere erhalten den entsprechenden Wert in Klammern und wem das nicht reicht, der findet am Ende des Buches noch einmal die gesamte Preisliste.


    Als seine Freundin oder vielmehr Sex-Partnerin Hofi ihm eröffnet, dass sie von ihm Schwanger ist, löst das bei Hlynur keine Gefühlsregungen aus. Er versucht vielmehr so schnell wie möglich zu verschwinden und ignoriert ihre Anrufe, nach dem Motto – es wird sich schon von selbst erledigen.
    Auch seine eigene familiäre Situation ist durchaus nicht ganz einfach – die Großmutter leidet an Demenz, der Vater ist Alkoholiker, die Mutter endeckt gerade ihr lesbische Neigung und so zieht deren Freundin Lolla vorübergehend ein. Der Umstand, dass Lolla ja eigentlich die Freundin seiner Mutter ist, hält ihn nicht davon ab in der Silvesternacht mit ihr zu schlafen.


    Zur Famiele gehört allerdings auch noch seine ältere Schwester, die ein geregeltes Leben mit Mann, Kindern, Haus, Hund und geregelter Arbeit führt. Für Hlynur ist dieses Leben nicht erstrebenswert und so funkt er hier dazwischen – klaut seiner Schwester eine Pille, damit sie Schwanger wird und er sich als „Lebenserschaffer“ brüsten kann und steckt seinem Schwager im Gegenzug Extasy ins Konfekt.
    So witzig diese Szenen erscheinen, entbehren sie bei genauerem Nachdenken jeglicher Komik.


    Dem Leser wird es hier wirklich schwer gemacht, auch nur geringe Sympathien für den „Helden“ zu entwickeln. Dazu kommt noch ein ziemlich gewöhnungsbedürftiger Sprachstil. Hlynurs Gedanken und Dialoge sind dahingeworfene Ein-Wort = Ein Satz-Fetzen. Dieses Stakkato ist dazu noch gespickt mit Wortneuschöpfungen in Anlehnung an die Jugendsprache, unterbrochen von ganzen Passagen auf Englisch.
    Ab und zu hat man bei diesen Ausschweifungen mal einen Lichtblick in der Gedankenwelt des Protagonisten aber so schnell diese Einsichten auftauchen, sind sie wieder verschwunden.


    Auch die weitere Handlung erscheint völlig abstrus von einem Sex-Trip mit seinen homosexuellen Freunden nach Amsterdam über seinen Ausflug auf's Land mit der Begegnung und der „Liebesbezeugung“ zu einem Schaf – über mangelnden Ideenreichtum kann der Leser nicht klagen. Die Genialität des Textes liegt in seiner unterschwelligen bis schreienden Gesellschaftskritik.


    Wer sich geschichtlich, geografisch und kulturell bereits mit Island beschäftigt hat, der wird in diesem Buch viel wiederfinden und der wird vieles verstehen.
    Trotz Einfallsreichtum und zweitweiser Komik kann ich mich jedoch nicht recht mit diesem Buch anfreunden. Erzählweise und Sprache erfordern vom Leser volle Konzentration. Dadurch ist „101 Reykjavík“ keine Lektüre für mal eben zwischendurch.


    3ratten