Giorgos Seferis – Sechs Nächte auf der Akropolis

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    Inhalt: Ausnahmsweise greife ich dafür mal wieder auf die Angabe im Buch selbst zurück, weil ich – zumindest im Moment – keine vernünftige Zusammenfassung formulieren könnte. „Der Roman spielt um 1925, nach der »Kleinasiatischen Katastrophe«, inmitten des Flüchtlingselends der eineinhalb Millionen Heimatvertriebenen jener Jahre. Der aus Paris heimgekehrte Student Stratis und eine Gruppe junger Leute, Bürger, Kleinbürger, Intellektuelle, bemühen sich um »Kommunikation«, um Selbstfindung, um die erotische Selbstbefreiung, letztlich um ihre Identität als Menschen, aber auch als Griechen. Gespenstisch erhebt sich über ihnen die Kulisse der vollmondbeschienenen Akropolis, wo sie sich regelmäßig treffen, Symbol eines absurd gewordenen Griechenlands der Ahnen, das aber auch die Wurzeln des lebendigen Griechentums birgt. Auf dem Weg einer atemberaubend erzählten Liebesgeschichte, in der zwei Frauen zu einer einzigen Gestalt verschmelzen, reift Stratis zu sich selbst heran.
    Eine besondere Note des Romans stellt die Gestalt des »Dichterfürsten« Longomanos dar, der karikierte Züge zweier großer griechischer Dichter trägt: Kazantzakis' und Sikelianos'.“



    Meine Meinung: Das kann ich am besten in Abgrenzung zu dieser Inhaltsangabe tun, dazu allerdings noch vorweg noch ein weiterer Hinweis aus dem Buch. Die erste Fassung schrieb Seferis wohl schon Ende der 1920er Jahre. 1954 nahm er das Manuskript wieder zur Hand und schrieb den Roman ganz neu. Publiziert wurde es dann erst 1974, drei Jahre nach seinem Tod. Als ich das las, habe ich mich sofort gefragt, wieviel von der Urfassung das Neuschreiben 25 Jahre später überlebt hat, es wäre interessant zu wissen, um eine Einordnung in einen zeit(geist)lichen Kontext vorzunehmen. Tatsache ist: Von dem angesprochenen Flüchtlingselend habe ich nicht viel bemerkt, vielleicht war es so gut versteckt, daß nur mit der griechischen Geschichte jener Zeit besser vertraute Leser es merken.


    Gut, daß mir der Verfasser dieser Inhaltsangabe auch sagt, daß die Gruppe sich um Kommunikation bemüht, das wäre mir sonst nämlich auch nicht aufgefallen. Sie jammern sich gegenseitig die Ohren voll, wenn sie überhaupt wirklich miteinander reden (aneinander vorbei tun sie das häufiger). Die Selbstfindung beschränkt sich auch bestenfalls auf ein paar (pseudo-)künstlerische Ambitionen. Der Versuch der erotischen Selbstbefreiung ist dafür unüberlesbar, da wird alles, wenn auch nicht im Detail, geboten: Prostitution, lesbische Liebe, Reihum-Partnertausch ... Das war zum Zeitpunkt der Erstfassung sicher skandalös und selbst in den 1950er Jahren nicht gerade ein Thema für müdes Abwinken, aber heutzutage wirkt es einigermaßen antiquiert. Daher konnte ich an der Liebesgeschichte auch nichts atemberaubendes finden, im Gegenteil: Gerade Stratis ist ein derartiger Jammerlappen, daß ich ihn gerne mal ordentlich durchgeschüttelt hätte, die beiden Frauen aber nicht minder. Bleibt noch die Identitätssuche als Menschen und besonders als Griechen. Ja, das ist hier ein Thema, vor allem letzteres. Und sogar eins, das ich im zeitlichen Kontext der 1920er Jahre als solches nachvollziehen kann. Hätte Seferis sich etwas mehr auf diesen Aspekt konzentriert und dafür diese unsägliche Liebesgeschichte weggelassen, dann wäre es vielleicht sogar ein Buch geworden, das man auch heute noch mit Gewinn lesen könnte. Schade eigentlich! Somit ist der einzige Grund dafür, dieses Buch in der Kategorie Weltliteratur & Klassiker einzuordnen dit Tatsache, daß Seferis 1963 den Literaturnobelpreis erhielt, allerdings nicht für sein Prosawerk sondern „für seine hervorragende lyrische Dichtung, inspiriert von tiefem Gefühl für die hellenische Kulturwelt“. Ja dann ...


    1ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:


    Schönen Gruß,
    Aldawen

  • Hallo,


    Mir ging es so bei Nikos Kavvadias. Auch er, wie Seferis, gilt als großer Lyriker. Von Kavvadias las ich aber seinen einzigen Roman "Die Wache", konnte aber nichts damit angfangen.


    Dagegen Nikos Kazantzakis, der hat mich nie enttäuscht. Der ist superbe :smile:


    Liebe Grüße
    mombour

  • Mein kurzer Kommentar direkt nach dem Lesen lautete: „Langatmig, verschwurbelt, inhaltsleer ... Sorry, dieses Werk entzieht sich meinem Verständnis.“ … und eigentlich drückt das meine Meinung zu dem Werk auch schon bestens aus. Trotzdem versuche ich mich an einer etwas ausführlicheren Besprechung – lediglich bei der Inhaltsangabe verweise ich auf die von Aldawen bereits zitierte.


    Insgesamt ist Sechs Nächte auf der Akropolis für mich ein weiteres Beispiel für einen unzeitgemäßen Nobelpreisträger. Zum einen ist da die Sprache, die für mich nicht kunstvoll, sondern hölzern und unnötig konstruiert klingt. Es mag an der Übersetzung liegen oder an der Tatsache, dass Seferis eigentlich Lyriker war, jedoch konnte ich seinem sperrigen und zugleich verschnörkelten Stil nicht abgewinnen. Hinzu kommen zahlreiche Anspielungen auf historische Ereignisse, Kulturgeschichte und Zeitgeschehen, die plakativ eingestreut werden, sich jedoch meinem Verständnis entziehen (obwohl ich diesbezüglich nicht ganz unbedarft bin). Den heutigen griechischen Zeitgeist scheinen diese Verweise auch nicht mehr zu treffen und als historisches Zeugnis taugen sie nur bedingt, versicherten mir Freunde.


    Bleibt noch die Handlung. Das wenige, was passiert, erscheint entrückt und weltfremd und ist in erster Linie getrieben von sexueller, weniger von persönlicher Selbstfindung. Ansonsten bestimmen Gespräche das Geschehen, die u.a. aus oben genannten Gründen eine Herausforderung darstellen. Aber auch, weil diese Gruppe Intellektueller aus gescheiterten Existenzen zu bestehen scheint, die in Selbstmitleid vergehen.


    1ratten


    Schöne Grüße
    Breña

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges