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David Foster Wallace: "Kurze Interviews mit fiesen Männern"
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Als ich heute die Nachricht gehört habe, der amerikanische Schriftsteller David Foster Wallacesei am 12. September verstorben, (Selbstmord), habe ich mich sehr erschrocken, denn ich habe vor langer Zeit seinen Kurzgeschichtenband "Kurze Interviews mit fiesen Männern" sehr gerne gelesen.
In einem Referat über "Empathie" (2003) habe ich eine Textstelle aus den Stories verwenden können:
Zitat von "mombour zitiert David Foster Wallace in einem Referat"Alles anzeigenDer amerikanische Schriftsteller David Foster Wallace erzählt in einer short story von einer Frau, die in die Gewalt eines Sexualverbrechers gerät. Mit fast übermenschlichem Einsatz von Empathie gelingt es der Frau, ihr Leben zu retten. Sie schlüpft in die Rolle eines psychologischen Beraters.
"Sie zwingt sich, nicht zu weinen oder zu flehen, sondern nur ihre durchdringende Fokussierung zu gebrauchen, um zu versuchen, sich empathisch in die Psychose des Sexverbrechers, seine Wut und Angst und seine psychischen Qualen einzufühlen, und sagt, sie stellt sich vor, wie ihr Fokus bei dem Mulatten den Schleier der Psychose durchdringt und mehrere Schichten von Wut und Angst und Selbsttäuschung durchbohrt, um unter dem ganzen psychotischen Zeug auf die Schönheit und das Edle der wahren menschlichen Seele zu stoßen und so eine auf Mitgefühl basierende Beziehung zwischen ihren Seelen aufzubauen, und sie fokussiert ganz intensiv das Profil des Mulatten und sagt ihm leise, was sie in seiner Seele gesehen hat, und sie besteht darauf, dass das die Wahrheit sei."
In solch einer lebensbedrohlichen Situation seinen evtl. Mörder empathisch ins Gesicht zu sehen, verlangt ungeheure Kräfte ab, die nur wenige aufbringen könnten, und in einer solch akuten Situation einen therapeutischen Gang bei solch einem Verbrecher zu bewirken ist aüßerst bedenklich, weil dazu viel mehr Zeit erforderlich wäre. In geraffter Form vermittelt uns aber der Autor sehr schön den Weg des gesprächspsychotherapeutischen Prozesses. Die Frau in der Rolle des Beraters lenkt ihre Aufmerksamkeit auf die Gefühle des Klienten (durchdringt mehrere Schichten von Wut und Angst) und wirft einen Blick auf das therapeutische Ziel, die volle Entfaltung des Verbrechers, damit er die Schönheit und das Edle seiner wahren Seele erkennen kann.
Die erste Reaktion des Verbrechers ist folgende:
"...der Mulatte hinterm Lenkrad hörte nach und nach auf mit seinem dämlichen Gequatsche und verfiel in angespanntes Schweigen, als ob seine Gedanken mit irgendetwas beschäftigt waren...er fühlte die zarten Anfänge jener Beziehung zu einer anderen Seele, nach der er sich stets gesehnt und die er natürlich im tiefsten Innern seiner Seele gleichzeitig gefürchtet hatte". - An dieser Stelle beginnt der Verbrecher ganz sachte, seine eigenen Gefühle zu reflektieren.
DieTaktik der Frau ist auf die Kernschwäche des Psychopathen gerichtet, der unfähig ist, auf jede konventionelle seelenentblößende Beziehung einzugehen. Dieser Verbrecher kann nur durch Gewalt und Mord eine Beziehung zu seinem Opfer herstellen, er will die absolute Kontrolle über sein Opfer haben, Macht über dessen Ängste und Schmerzen wie ein Gott. Das einfühlende Verstehen der Frau bringt ihn sehr ins schleudern, weil sie ihm seine einzige Möglichkeit, eine Beziehung herzustellen, wegnimmt. Er verliert seine gewaltbereite Macht über sie, gerät in innere Konflikte, bekommt selber Angst und Weinkrämpfe, er fällt in die Rolle des Opfers. Foster Wallace erzählt von der Frau, es hätte ihr fast das Herz gebrochen wie sie gemerkt hat, dass ihr Fokussieren und ihre Beziehung dem Psychopathen viel größere Qualen bereitet haben als er ihr jemals hätte zufügen können. Hier hat Empathie über rohe Gewalt gewonnen.
(Wallace-Zitate kursiv)
Viele Stories haben ihre Wurzeln in der Psychologie (auch die Geschichten mit besonders fiesen Männern ).
Sehr zu empfehlen. Man muss sich aber daran gewöhnen, dass der Autor lange Fußnoten setzt.
Liebe Grüße
mombour