Juan Ramón Jiménez - Platero und ich

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    Jiménez "Andalusische Elegie" (so der Untertitel) erschien erstmals 1914 als Jugendbuch und wurde 1917 in einer erweiterten, endgültigen Fassung als Buch für Erwachsene herausgegeben.
    Ich habe das Buch in der schwedischen Übersetzung unter dem Titel oder genauer gesagt den Titeln "Silver och jag" und "Samtal med Silver" gelesen. "Silver och jag" entspricht dabei der Erstfassung, der zweite Teil umfasst die später hinzugefügten Teile. Leider musste ich bei Wikisource feststellen, dass Jiménez in seiner endgültigen Fassung die neu geschriebenen kurzen bis kürzesten Kapitel mit den ursprünglichen verquickt hat, ich sie also in der "falschen" Reihenfolge gelesen habe und so kein wirkliches Urteil über das Buch abgeben kann. Schade und völlig unverständlich, wieso der Übersetzer nicht der endgültigen Fassung gefolgt hat, denn immerhin ist die Übersetzung in den 50er Jahren nach Verleihung des Nobelpreises geschehen, nicht direkt nach der Ersterscheinung! :grmpf:
    Entschuldigt die lange Vorrede, aber es erschien mir wichtig, deutlich zu machen, worüber ich schreibe, und das ist eben etwas anderes als die deutsche Übersetzung.


    Jedenfalls besteht das Buch aus 138 kurzen bis kürzesten Kapiteln, die sich durch einen sehr melancholischen Ton auszeichnen. Die erzählende Hauptperson, das "Ich" des Titels, ein Dichter, der zu Beginn des vorigen Jahrhunderts in oder in der Nähe einer spanischen Kleinstadt lebt, gibt in kleinen Vignetten Eindrücke von der ihn umgebenden Landschaft und deren Menschen. Als roter (oder eher silberner) Faden zieht sich Platero, sein geliebter Esel, durch die Geschichten. Teils werden Erlebnisse mit ihm beschrieben, teils spricht der Dichter zu ihm und erzählt ihm seine Gedanken.
    Laut Harenbergs Buch der 1000 Bücher folgt der Aufbau dabei dem Lauf der Natur. Das Buch (allerdings nicht meine falsch geordnete Übersetzung) beginnt im Frühling und endet im Winter und mit Plateros Tod.
    Aber auch in meiner Übersetzung wird der starke Anteil der stimmungsvollen Naturschilderungen deutlich. Sprießendes, zartes Frühlingsgrün, die harte austrocknende Sommersonne, die reifenden Früchte des Herbstes wie auch die Kälte des Winters durchziehen das Buch. Dabei fiel mir besonders die "Farbigkeit" des Buches auf. Kaum eine Vignette ohne die Erwähnung mehrerer Farben, oft schon im Titel erwähnt, wie z. B. "Landschaft in Scharlachrot" oder "Weiße Schmetterlinge".
    Die Kapitel, eigentlich kleine Prosagedichte, verbreiten eine sehr melancholische, mich ansprechende Stimmung. Werden und vor allem Vergehen von sowohl Mensch als auch Tier werden mit deutlicher Trauer, aber gleichzeitig Akzeptanz und Ehrfurcht vor dem Mysterium des Lebens und Sterbens geschildert.


    Was die Beurteilung angeht, bin ich hin- und hergerissen. Einerseits haben mir Stimmung und Sprache sehr gut gefallen aber andererseits hat mich ein Teil der Kapitel auch gelangweilt. Ich denke, das hing sehr von meiner jeweiligen Lesestimmung ab - es war mir unmöglich (und ich glaube auch nicht, dass das dem Buch gerecht würde), es am Stück zu lesen. So hat sich meine Lektüre über anderthalb Monate hingezogen.
    Negativ hat sich sicher auch die falsche Anordnung der Kapitel meiner Übersetzung ausgewirkt. Der große Bogen, den das Buch laut Harenberg schlägt, fehlte bei mir.


    So vergebe ich
    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:
    und ziehe ernsthaft die Anschaffung der deutschen Übersetzung in Betracht, um zu erfahren, wie das Buch "wirklich" ist.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Zunächst einmal muß ich Saltanahs Ausführungen zur „Entstehungsgeschichte“ ein wenig korrigieren. Jiménez hatte dieses Buch nie als Kinderbuch geplant, aber während er noch mit den Arbeiten daran beschäftigt war, bat ihn sein Verleger um einen Auszug der idyllischsten Blätter daraus für die »Jugendbibliothek« des Verlags. Dieser „Vorabdruck“ war so schnell so erfolgreich, daß die vollständige Ausgabe, die gut zwei Jahre später auf den Markt kam, erst Jahrzehnte später die gekürzte Erstfassung in der Wahrnehmung überrunden konnte. Das alles macht allerdings nicht verständlicher, warum man bei der schwedischen Übersetzung einen solchen Unfug produziert hat.


    Tatsächlich ist der Jahreslauf über die 138 Kapitelchen hinweg wunderbar zu verfolgen, und wie Saltanah schon ganz richtig schrieb, sind sie ausgesprochen stimmungsvoll und detailreich in den Naturschilderungen. Da mir die gärtnerische Ader fehlt, gebe ich aber zu, daß mir jene Abschnitte besser gefallen haben, in denen Brauchtum und Lebensweise im Mittelpunkt stehen. Diese strahlen eine Ruhe und auch ... hm, wie nenne ich es? ... vielleicht: Behaglichkeit aus, die man sich in unserer hektischen Zeit kaum noch vorstellen kann.


    Schön auch, daß Platero, der übrigens nicht ein einziger Esel aus dem Leben des Dichters ist, sondern vielmehr eine Reihe seiner Esel in sich vereint, was er auch durch den Namen Platero deutlich macht, der für diese Art silbrigfarbener Esel insgesamt verwandt wurde, nicht vermenschlicht wird. Jiménez spricht zwar mit ihm, aber Platero antwortet höchstens mit Eselsgebrüll und verhält sich auch sonst, wie sich eben ein Esel benimmt (oder zumindest wirkt es auf mich glaubhaft als „eselsgemäß“, meine Erfahrungen mit Eseln sind rein theoretischer Natur :zwinker: ). Gleichwohl sollte man hier keine idyllischen Beschreibungen des Landlebens erwarten, denn schon der Untertitel der Andalusischen Elegie verweist schließlich bereits auf das Klagende und auch Traurige, das den Grundton für die Gesamtheit dieser Prosagedichte ausmacht.


    4ratten


    Schönen Gruß,
    Aldawen