3. König der Vagabunden - Anfang bis "Der Harz"

Es gibt 31 Antworten in diesem Thema, welches 11.699 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von yanni.

  • Bis nach Leipzig habe ich es jetzt auch, aber, wie ich zugeben muß, mit einigem Widerwillen geschafft. Störte mich im ersten Teil neben dem Stil die inhaltliche Konstruktion mit dem philosophischen/religiösen/politisch-intriganten Geschwafel, so sind es hier Stil und die Personen. Eliza und Jack in ihren Gesprächen wirken auf mich fürchterlich künstlich, als spielten sie eine angelernte Rolle. Und dieses pseudo-keltische Qwghlm nervt mich auch, weil es im Kontext so überflüssig ist. Ich will nur hoffen, daß der Autor beim Bergbau nicht ebensolchen Unsinn verzapft wie bei der Sklaverei, dann wäre mein guter Wille nämlich sehr schnell aufgebraucht. Jedenfalls kann ich jetzt schon sicher sagen, daß ich den zweiten Band keinesfalls direkt hinterherlesen werde (wenn ich es überhaupt je tue, was ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt für eher unwahrscheinlich halte :rollen: ).



    Dass es sich bei dem Doktor um Leibniz handelt, davon gehe ich auch aus.


    Es drängt sich auch kein anderer auf, der noch dazu mit Wilkins befreundet gewesen sein könnte ...



    Vorzustellen ist es jedenfalls, dass das Wort Dollar sich vom Thaler, in der ortsüblichen Aussprache, abgeleitet haben könnte. :breitgrins:


    Nicht nur vorstellbar. Das Wort hat definitiv in dieser Form (= dem „D“ statt eines „T“ im Anlaut) niederdeutsche Wurzeln.



    So ähnlich erging es mir auch an der Stelle, als Jack davon spricht "die Pappenheimer zu kennen". War dieser Ausspruch denn schon zu dieser Zeit üblich?!


    Sicher nicht in der der Form, wie wir die Wendung heute benutzen, und auch nicht in der Form, wie sie im Quelltext steht, denn Schiller ist zum hiesigen Buchzeitpunkt ja noch weit von seiner Geburt entfert. :breitgrins: Militärisch bekannt waren die Pappenheimer allerdings seit der langen Belagerung im 30jährigen Krieg.


    Schönen Gruß,
    Aldawen

  • Mit Sicherheit war die Pilzsuppe für Jacks Halluzinationen verantwortlich, enthielt sie doch neben Stücken von Fliegenpilzen auch Tollkirschen. Wohl bekomm's :breitgrins:


    Was allerdings das Thema „Bergbau“ angeht d035.gif


    Erstens: Die vertikalen Grubenbaue sind Schächte, der Eingang (unabhängig ob eines vertikalen oder horizontalen Gruebenbaus) heißt tatsächlich Mundloch. Bis dahin bin ich einverstanden. Aber: Stollen sind nur solche horizontalen Vortriebe in den Berg, die ein solches Mundloch aufweisen. Querverbindungen unter Tage heißen Strecke! :grmpf:


    Zweitens: Es ist ausgesprochen nett von Jack, daß er sich um die arbeitslosen Wasserradtreter Gedanken macht, aber diese waren sicher keine Bergleute. Der Bergmannsberuf genoß hohes Ansehen und wurde nur von freien Männern ausgeübt, die sich eine solche Sklavenarbeit verbeten hätten. Der Antrieb der Entwässerung wurde, wenn er überhaupt mit menschlicher Arbeitskraft durchgeführt wurde, von Zwangsarbeitern, Unfreien, Kriegsgefangenen, Verurteilten etc. geleistet, ganz sicher nicht von einem Bergmann. Bergleute haben die ältesten berufsständischen Vertretungen, die die Rechte der Arbeiter gegenüber den Anteilseignern bzw. dem Staat mit seinem Bergregal verteidigten. Nicht umsonst war Deutschland bergbaumäßig betrachtet das Spitzenland in Europa und „exportierte“ vom 15. bis 17. Jahrhundert sogar Bergleute nach England und Schweden zur Belebung des dortigen Bergbaus.


    Enochs Auftritt kam überraschend, aber daran muß man sich ja wohl gewöhnen. Jacks Auftritt aus dem Phosphor dagegen fand ich dann doch witzig. Ich kann mir das Entsetzen der feinen Gesellschaft jedenfalls gut vorstellen :breitgrins:


    Schönen Gruß,
    Aldawen

  • In Zusammenhang mit meinem ersten Bergbaukritikpunkt oben würde mich interessieren, ob das nicht vielleicht ein Übersetzungsproblem ist. Welchen Ausdruck wird denn im englischen Original benutzt: gallery oder longwall? Für die Schächte sollte es hoffentlich pit sein ...


    Schönen Gruß,
    Aldawen

  • Huch, ich wusste gar nicht, dass du dich im Bergbau auch auskennst, Aldawen. Wenn du mir eine möglichst genaue Stellenangabe machst, gucke ich gerne nach, was da auf englisch steht.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Ich komme mütterlicherseits aus einer Bergbaufamilie, habe selbst bei der Ruhrkohle gelernt (wenn auch in der Verwaltung, aber auch drei Monate auf einer Schachtanlage) und habe mich aus Interesse und im Studium mit Bergbaugeschichte beschäftigt. War und ist ja auch ein durchaus naheliegendes Thema :breitgrins:


    Die beste Stellen um die Wortwahl festzustellen sind folgende:
    - Vor Bockboden besichtigen Jack und Eliza mit Leibniz das aufgelassene Kupferbergwerk. Leibniz macht eine Bemerkung darüber, daß Eliza wohl die zweite Frau sei, die ein Bergwerk betritt. Der nächste Absatz erklärt, daß sie nicht über Leitern in einen tiefen Schacht hinunterzuklettern bräuchten. Der dann folgende Absatz beginnt in der deutschen Ausgabe mit Der Doktor führte sie diesen Stollen hinunter (...) Hier ist der Begriff auch richtig.


    - Bei Jacks Flucht vor den aufgebrachten Hexen (also schon fast am Ende dieses Abschnitts) flieht er ja in die Kapelle mit dem Bergwerkszugang und läßt sich durch einen Schacht auf eine tiefere Sohle hinab. Dort bemerkt er Luftzug, der den Schacht hinaufzieht und angeblich aus Stollen auf ihn zuweht. Hier müßte es Strecke sein.


    Danke fürs Nachsehen :winken:


    Schönen Gruß,
    Aldawen

  • So, ich habe die entsprechenden Stellen gefunden, weiß aber nicht, was du von ihnen halten wirst, Aldawen.
    Für "Schacht" steht da jeweils "shaft", für Stollen/Strecken an beiden Stellen "tunnel". Egal ob das bergbautechnisch jetzt der richtige englische Ausdruck ist, so passt er für mich, denn weder Jack noch Eliza oder Leibniz kennen sich wohl so gut im Bergbau aus, dass sie die korrekten Bezeichnungen kennen würden. Jack krabbelt - genauso wie ich es machen würde - in einem t(T)unnel herum.
    Die wichtige Frage ist hier meiner Meinung nach die nach der gewählten Erzählperspektive. Erzählt ein allwissender Autor, dann ist die "falsche" Bezeichnung tatsächlich falsch, wird aber streng aus der Perspektive der Protagonisten erzählt, sind eigentlich falsche Ausdrücke eben doch richtig, wenn sie dem Sprachverständnis der Betroffenen entsprechen.


    Aber davon unabhängig verstehe ich schon, dass dich diese Ungenauigkeiten stören. Mir würde das bei gewissen anderen Themen auch so gehen, egal ob es nun den Protagonisten angepasster Sprachgebrauch ist oder nicht.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Danke fürs Nachsehen, tatsächlich bin ich mit den Begriffen nicht so richtig glücklich ...



    Die wichtige Frage ist hier meiner Meinung nach die nach der gewählten Erzählperspektive. Erzählt ein allwissender Autor, dann ist die "falsche" Bezeichnung tatsächlich falsch, wird aber streng aus der Perspektive der Protagonisten erzählt, sind eigentlich falsche Ausdrücke eben doch richtig, wenn sie dem Sprachverständnis der Betroffenen entsprechen.


    Da ist durchaus etwas dran. Würde Jack selbst in Ich-Form erzählen, würde ich es auch nachsehen. Bei Leibniz würde ich sogar davon ausgehen, daß er diese Dinge auseinanderhalten konnte, denn er wird Agricolas De re metallica libri XII gekannt haben, eine umfassende Darstellung des Bergbau- und Hüttenwesens, zwar zu dieser Zeit bereits etwa 130 Jahre alt, aber technisch sicher noch nicht überholt. Stephenson tritt ja durchaus immer wieder als erkennbarer Erzähler neben seine Figuren, vor allem, aber nicht nur in den Anmerkungen, und wenn er sich schon so aufspielt, und auch mit Wörtern wie Mundloch und ähnlichem um sich wirft, dann bitte auch konsequent mit dem korrekten Vokabular. Abgesehen davon bleibt immer noch die von ihm offensichtlich nur in Ansätzen verstandene Organisation des deutschen Bergbauwesens ...



    Aber davon unabhängig verstehe ich schon, dass dich diese Ungenauigkeiten stören. Mir würde das bei gewissen anderen Themen auch so gehen, egal ob es nun den Protagonisten angepasster Sprachgebrauch ist oder nicht.


    Wie an Deinen Ausführungen zum Faulbaum und der Erle ja auch sehr schön zu sehen war :breitgrins:


    Schönen Gruß,
    Aldawen


  • Bei Leibniz würde ich sogar davon ausgehen, daß er diese Dinge auseinanderhalten konnte, denn er wird Agricolas De re metallica libri XII gekannt haben


    Kommt drauf an, ob er das lateinische Original oder die Übersetzung Vom Bergkwerck XII Bücher gelesen hat :zwinker: .



    und wenn er sich schon so aufspielt, und auch mit Wörtern wie Mundloch und ähnlichem um sich wirft, dann bitte auch konsequent mit dem korrekten Vokabular.


    Eigentlich volle Zustimmung, aber ich denke, hier musst du eher auf die Übersetzung schimpfen. Mir ist zumindest ein so "sonderbares" (=nie gehört) Wort, wie es Mundloch für mich auf Deutsch ist auf Englisch nicht aufgefallen. Ich kann es jetzt nicht beschwören, glaube aber, dass es da einfach "Eingang" oder etwas ähnliches heißt.



    Abgesehen davon bleibt immer noch die von ihm offensichtlich nur in Ansätzen verstandene Organisation des deutschen Bergbauwesens ...


    Das ist jetzt wirklich Jacks mangelndem Wissen vorzuwerfen. Der hat doch nie in einem deutschen oder anderem Bergwerk gearbeitet und weiß so nicht, dass Pumpen nicht von den Bergleuten selbst bedient werden.



    Wie an Deinen Ausführungen zum Faulbaum und der Erle ja auch sehr schön zu sehen war :breitgrins:


    :breitgrins: Ich hatte schon überlegt, ob ich darauf verweisen sollte. Der große Unterschied ist, dass die Erle in einer Fußnote erwähnt wird!
    Aber wie gesagt, im Prinzip stimme ich dir zu, aber weil mir das Buch gefällt, suche ich nach Entschuldigungen.

    Wir sind irre, also lesen wir!


  • Kommt drauf an, ob er das lateinische Original oder die Übersetzung Vom Bergkwerck XII Bücher gelesen hat :zwinker: .


    :breitgrins: Zugegebenermaßen bin ich mir nicht sicher, wie die lateinischen Begriffe lauten, dafür müßte ich intensivere Recherchen betreiben ...



    Eigentlich volle Zustimmung, aber ich denke, hier musst du eher auf die Übersetzung schimpfen.


    Vermutlich. Blöder Übersetzer!



    Das ist jetzt wirklich Jacks mangelndem Wissen vorzuwerfen. Der hat doch nie in einem deutschen oder anderem Bergwerk gearbeitet und weiß so nicht, dass Pumpen nicht von den Bergleuten selbst bedient werden.


    Aber Leibniz muß es gewußt haben, und Stephenson läßt ihn so dämlich reagieren. Das muß ich dem Autor anlasten, da hilft nicht mal der Übersetzer als Sündenbock :zwinker:



    Aber wie gesagt, im Prinzip stimme ich dir zu, aber weil mir das Buch gefällt, suche ich nach Entschuldigungen.


    Und ich suche inzwischen nach Punkten, über die ich mich noch aufregen kann, damit ich einen Grund habe, den zweiten Band ungelesen vom SuB zu streichen :breitgrins:


    Schönen Gruß,
    Aldawen