Susanna Clarke - Jonathan Strange und Mr. Norrell

Es gibt 177 Antworten in diesem Thema, welches 50.757 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Juva.

  • So, ich habe 'Jonathan Strange & Mr Norrell' jetzt auch ausgelesen, meine Eindrücke sind noch ganz frisch und ich wollte sie einfach mal loswerden. Mir hat das Buch auch sehr gut gefallen, ich fand den Detailreichtum sehr schön, und der 'gentleman with the thistle-down hair' ( :zwinker:) war ganz großartig, auch wenn Stephen Black wohl meine Lieblingsfigur war. Die Bilder, die sich vor meinem inneren Auge aufgetan haben (besonders mehrere Szenen im Schnee, bzw. im winterlichen Wald) haben auch alles, was da eventuell an Langatmigkeit drohte aufzukommen, wieder wett gemacht. Ich hab mich jedenfalls nicht gelangweilt!
    Ich vergebe
    4ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

  • Hallo!


    Da habe ich das Buch schon so lange ausgelesen und immer noch keinen Kommentar dazu geschrieben :rollen:


    Wie schon vorher erwähnt, fand ich das Buch an manchen Stellen etwas lang, wobei ich mich nach meiner Lesepause weniger an den Längen gestört habe. Was mir sehr gut gefallen hat war die lebendige Beschreibung der Charaktere. Nach ein paar Seiten hatte ich das Gefühl, die Leute zu kennen und auch wenn sie nach längerer Zeit wieder auftauchten war es so, als ob sie gerade erst "weggegangen" waren. Ein weiterer Pluspunkt waren die vielen Details in Beschreibungen von Orten und Begebenheiten, dadurch sind mir beim Lesen immer wieder Bilder durch den Kopf geschossen- fast so wie der Film zum Buch :zwinker: Mein Fazit: ein dickes Buch, das jede Seite wert ist, deshalb vergebe ich 4ratten


    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Ich habe auf der englischen Phantastik-Seite Crooked Timber einen ausführlichen und sehr interessanten Beitrag über das Buch gefunden. Die haben eine Art "Blog-Seminar" dazu gemacht, in dem sich u.a. auch Susanna Clarke selbst geäußert hat. Die Ergebnisse, insgesamt 5 Essays, sind als PDF hier herunterzuladen.


    Und für alle die sich das nicht auf englisch antun wollen, hat Alex Müller in seinem Molochronik-Blog eine deutsche Fassung (ebenfalls als pdf) veröffentlicht.

    Viele Grüße aus dem Zwielicht<br />[size=9px]Rihla.info | blooks - Rezensionen und mehr<br />[b][url=http://www.librarythi

  • Hi!


    Ich habe das Buch (endlich) auch gelesen, nachdem es fast ein Jahr auf meinem SUB lag. Auch ich schliesse mich der Fraktion der Begeisterten an.


    Inhalt:
    England, im frühen 19. Jahrhundert. Der Magier Gilbert Norrell, der einzige seiner Art, sammelt und hortet Bücher über Magie. Er verbringt seine Tage in seinem Landhaus mit dem Lesen dieser Bücher und dem vorsichtigen Üben seiner Kunst. Eines Tages wird er überredet, nach London zu ziehen und der Kunst der Magie in England wieder zu Anerkennung zu verhelfen. Und tatsächlich: Bald macht die Regierung von seinen Diensten im Krieg gegen die Franzosen Gebrauch.
    Norrell ist glücklich und wird gefeiert, bis eines Tages ein zweiter Magier auftaucht: Jonathan Strange ist das Gegenstück zu Norrell. Experimentierfreudig und extrem talentiert. Er wird Norrells Schüler. Beide müssen jedoch merken, dass es auf der Welt Kräfte gibt, die stärker sind als sie.


    Meine Meinung:
    Dieses Buch hat alles, was ein Buch haben muss: Eine durchdachte Geschichte, die aufgeht, schön ausgearbeitete Charaktere, Atmosphäre, ein würdiges Ende und einen brillanten Erzählstil mit einer Prise knochentrockenen Humors.
    Nach dem ersten (von 69) Kapiteln fürchtete ich, dass ich auf den 1006 gehörig leiden müsste, mich durchquälen. Der Eindruck verschwand zwei Kapitel später und ich dachte, es würde so lala gehen. Ein paar Kapitel später hatte ich schon ziemlich viel Spass und gegen Ende konnte ich es kaum noch aus der Hand legen. Und das, obwohl ich Fantasy nur bedingt mag.
    Am meisten beeindruckt hat mich Susanna Clarkes Stil. Leicht, aber nicht oberflächlich und mit viel Humor versehen, der manchmal auch bitterböse ist. Wie oben schon erwähnt, sind auch die Charaktere sehr gut gelungen. Jeder Protagonist hat seine Fehler, manche sogar eine ganze Menge davon, und trotzdem gingen sie mir nicht auf die Nerven. Ich habe noch nie so viele symphatische Unsymphaten in einem einzigen Buch angetroffen.
    Dieses Buch zu loben fällt leicht. Wo sind also die negativen Seiten? Es hat eine: Die Geschichte hat Längen. Nicht viele, nicht sehr ausgeprägte, aber manchmal wirkt Susanna Clarke gar etwas schwatzhaft und ausschweifend, ohne dass wirklich ein Beitrag zur Handlung geleistet wird.
    Aber insgesamt hat mir Fantasy selten so viel Spass gemacht - vielleicht auch, weil die beiden Magier keine Übermenschen sind, die alles können. Sondern nur ein alter Stinkstiefel und ein junger Besserwisser. Meine Empfehlung: Wer keine Angst vor dicken Büchern hat und gut erzählte Geschichten mag, soll «Jonathan Strange & Mr Norrell» lesen.


    4ratten


    Alfa Romea

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • Alfa, ich muss es einfach so sagen: Ich liebe deine Rezis :herz:


    Aber mein Geldbeutel eher nicht so... :zwinker:

    ♪♫♪<br /><br />Luci ♥<br /><br />&lt;a href=&quot;http://www.BuchSaiten.de&quot;&gt;Mein Bücherblog: BuchSaiten.de&lt;/a&gt;<br /><br />SLW 2010 - 4/10 noch 6 Bücher<br /><br />Das gute Gefühl, ein schönes Buch beendet zu haben ist irgendwie nicht vergleichbar ♥

  • [quote author=Lucidique]
    Alfa, ich muss es einfach so sagen: Ich liebe deine Rezis :herz:[/quote]


    :entsetzt::redface::redface:


    Danke schön!

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • Ich habe das Buch jetzt auch schon über ein Jahr auf meinen SUB liegen und schleiche immer drum herum, weil die meisten Rezensenten dieses Buch als sehr langartmig und schlecht zu lesen betitteln.


    @Alfa:Nach deiner Rezi hab ich aber jetzt so richtig Lust es mir als nächstes zu schnappen :klatschen:.


    Danke :bussi:

    Lieber barfuß als ohne Buch. <br />(Isländisches Sprichwort)<br /><br /><br />:leserin:

  • Auf Alfas Wunsch jetzt auch nochmal hier :)


    Ein waschechter Fantasyschmöker mit allem was dazugehört - Zauberer, magische Rituale, merkwürdige Wesen, verwunschene Orte, geheimnisvolle Bücher und machtvolle Artefakte - und dennoch keinerlei Ähnlichkeit mit Tolkiens “Herr der Ringe”? Genau das hat man mit diesem Buch vor sich, und es ist trotz seines Umfangs ausgesprochen erfrischend zu lesen.


    Das erste Kompliment, das man Susanna Clarke für ihren Roman machen muss ist, dass sie erfolgreich versucht, die seit Tolkiens Zeiten allzu ausgetretenen Fantasy-Pfade zu verlassen und etwas Neues zu probieren. Ob nun all diese neuen Wege auch zielführend sind sei zunächst mal dahin gestellt, schon der Versuch, etwas anderes zu schaffen als die immer gleichen Fantasy-Klischees mit aus dem Nichts kommenden Superhelden mit garantierter Weltenrettung vor abgrundtief bösen Entitäten ist mehr als lobenswert. Aber um es kurz zu machen: Auch an der Umsetzung ist nur wenig auszusetzen.


    Auf über 1000 Seiten wird die Geschichte eines England des 19. Jahrhunderts erzählt, wie es jeder Leser aus vielen anderen Lektüren vor allem englischer Klassiker wie Jane Austen, George Eliot oder auch Charles Dickens zu kennen meint: Eine streng hierarchische Gesellschaft, in der jeder Mensch aufgrund seiner Herkunft seinen Platz hat, Standesunterschiede bis in die feinsten Feinheiten zelebriert werden und vor allem für die Mitglieder der “besseren” Gesellschaft die Wahrung der Contenance auch angesichts der größten Katastrophen das höchste Gut darstellt. Es gibt allerdings einen Unterschied zum “klassischen” England: Das Land hat eine hochgradig magische Vergangenheit, und auch wenn die praktische Magie inzwischen ausgestorben ist, ist das Studium der Zauberei doch eine jedem Gentleman und Gelehrten angemessene Beschäftigung.


    Zumindest so lange, bis Mr. Norrell, einer der Titelgeber des Buches, in der Zauberergilde von York auftaucht: Er ist der einzige praktische Zauberer seit Jahrhunderten, und er reißt das Gewerbe so vollkommen an sich, dass alle theoretischen Zauberer von nun an ihres Hobbys verlustig gehen. Anschließend führt er sich mit Hilfe zweier zwielichter Gestalten im Zentrum der Macht, in der Regierung in London ein und macht sich innerhalb kurzer Zeit mit seinen Künsten unentbehrlich. Allerdings widerfährt ihm schon sehr früh ein kapitaler Fehler: Zum Zwecke der Wiederbelebung einer jungen Adligen ruft er sich einen Elfen zu Hilfe und zerstört so nicht nur mehrere Existenzen, sondern löst auch Ereignisse aus, denen er letztendlich allein nicht mehr gewachsen ist.


    Muss er auch nicht, bekommt er doch einen Gehilfen und Lehrling: Jonathan Strange ist eine magische Naturbegabung und nutzt gerne die Gelegenheit, beim Meister seines Fachs zu lernen. Schon bald allerdings macht er sich selbständig, nimmt eigene Aufträge an, greift in den napoleonischen Krieg ein und stellt sich schließlich - nach dem tragischen Verlust seiner Frau - sogar gegen seinen ehemaligen Lehrer.


    Als Gegenpol zu der geschilderten fast idyllischen englischen Szenerie gibt es dann einige Einblicke in das Elfenreich, das nach wie vor gleich jenseits der Schwelle der Wahrnehmung existiert, für Zauberer allerdings recht leicht zugänglich ist. Diese Elfen sind allerdings keine großen, eleganten, edelmütigen und spitzohrigen Überwesen wie gewohnt, sondern ziemlich unangenehme Zeitgenossen. Der “Herr mit dem Haar wie Diestelwolle” ist so ein typischer Vertreter seiner Art: Voller Hochmut und Dünkel ist er nicht davon abzubringen, seine Pläne und Vorhaben mit den Menschen, die das Pech haben sein Interesse zu wecken könne nur zu ihrem Besten sein, selbst wenn er ihre Existenzen damit für immer zerstört. Dieses Elfenreich ist überhaupt ein Ort der Düsternis und des Verfalls, all sein Glanz ist ein ehemaliger - nicht zuletzt aufrecht erhalten von der Erinnerung an den “Rabenkönig”, eine sagenhafte Herrschergestalt mit mehreren Reichen u.a. in England und im Elfenreich. Auf diese mythische Figur wird immer wieder Bezug genommen, von denen einen mit Neid und Verachtung, von den anderen mit Hochachtung und dem Wunsch, ihn zurückzuholen.


    Dieses Buch lebt weniger von Handlung und Action (und ist deshalb vielleicht auch für klassische Fantasy-Leser eher schwere Kost) als vielmehr von den wunderbar gezeichneten Figuren und der dadurch aufgebauten Atmosphäre. Die Handlung dieses opulenten Romans entfaltet sich langsam, aber gewaltig, entwickelt sich aber spätestens im letzten Drittel zum echten Pageturner. Statt dessen pflegt die Autorin einen Detailreichtum in ihren Beschreibungen sowohl der Personen als auch der Szenerie, die auf den einen zwar behäbig wirken mag, dem anderen (u.a. auch mir) aber erst ein echtes Abtauchen in die Geschichte ermöglicht.


    Das Personal ist einfach grandios - eine Vielzahl interessanter, fein gezeichneter und fast immer sehr ambivalenter Charaktere bevölkert den Plot. Keiner von ihnen ist nur böse oder nur gut, aber alle sind bis zu einem gewissen Grad schlicht egoistisch. Da wären zunächst die beiden Protagonisten Norrell und Strange - beide weit davon entfernt, als strahlende Helden aufzutreten sind sie vielmehr alle beide ganz auf sich selbst, ihr eigenens Wohlergehen und ihren eigenen Machterhalt fixiert - bis aus diesen Bestrebungen heraus die Katastrophe vor der Tür steht. Schon der erste Auftritt Norrells prädestiniert ihn eigentlich für die Rolle des Unholds, und im ganzen Buch bleibt er seinen Charakter als missmutiger, geiziger, engstirniger, menschenverachtender Widerling treu. Und auch Strange scheint nur auf den ersten Blick sympathischer, gewinnt er doch seinen Bonus vor allem deshalb, weil er sich als einziger gegen Norrell stellt. Ansonsten ist er ebenso selbstverliebt und eitel wie eigenbrötlerisch und beratungsresistent und ähnelt darin seinem Zauberer-Kollegen öfter als ihm selbst lieb sein kann.


    Aber auch die Nebenfiguren haben es in sich. Da sind die Speichellecker und Schönredner Drawlight und Lascelles, denen Norrell in seinem blinden, aber unerfahrenen Ehrgeiz immer und immer wieder auf den Leim geht; da ist Annabelle, die entzückende Mrs. Strange, die eine perfekte Imitation (und Persiflage) von Jane Austens Frauenfiguren ist; da ist Childermass, der geheimnisvolle Diener Norrells, dessen Stellung nie ganz klar ist und der über Einsichten zu verfügen scheint, die allen andere verborgen bleiben; und Vinculus, der einzige Zauberer, der sich von Norrell nicht das Wort verbieten lässt und am Ende eine ganz besondere Rolle zu spielen hat.


    Auch stilistisch und sprachlich macht dieser Roman einfach Spaß und hat nebenbei noch einige unverwechselbare Charakteristika zu bieten. Zum einen ist er dank des typisch englischen und teilweise sehr schwarzen Humors, der immer wieder durchschimmert, schlicht und einfach witzig. Auch merkt man dem Buch an, dass er von einer Frau geschrieben wurde; eine typisch weibliche Form der Ironie macht aus allen Männerfiguren in irgendeiner Form seltsame Gestalten, völlig normal ist von denen keiner. Und auch die immer wieder auftauchenden Seitenhiebe sowohl auf den klassischen englischen Gesellschaftsroman als auch auf das typische Fantasy-Genre machen das Lesen zu einem Vergnügen. Andererseits verwendet Clarke einige Stilmittel, die unüblich sind und das übliche Leseschema durchbrechen. Der Text wird auf vielfache Weise gebrochen; einerseits durch die Aufteilung in fast 70 relativ kurze Kapitel, mit denen jeweils auch ein Perspektivwechsel verbunden ist, andererseits durch die Verwendung ausufernder, seitenlanger Fußnoten. Teilweise werden in ihnen Anekdoten aus früheren Zauberzeiten oder Ausschnitte aus Zauberbüchern dargebracht, teilweise sind die enthaltenen Informationen z.B. über die Geschichte des Rabenkönigs aber auch essentiell für das spätere Verständnis der Handlung. Diese Fußnoten werden in vielen Rezensionen als echtes Manko genannt, mir erschienen sie eher wie ein weiterer Einfall der Autorin, auch durch die Form Atmosphäre zu erzeugen.


    Wer sich auf diesen Wälzer einlässt, muss vor allem in der ersten Hälfte einiges an Durchhaltevermögen beweisen; ausufernd und weitschweifend wird der Leser in eine Szenerie eingeführt, deren Skurrilität erst auf den zweiten Blick zu entdecken ist. Später aber kommt jede Menge Schwung in die Sache, und die Ereignisse überstürzen sich geradezu - und auch das Ende lässt keine Wünsche offen, selten hat mich ein Buch nach der letzten Seite so vertieft und fast atemlos zurück gelassen.


    Die Autorin:
    Susanna Clarke, geboren 1959 in Nottinghamshire, arbeitete nach ihrem Oxford-Studium zunächst als Englisch-Lehrerin u.a. in Turin und Bilbao, bevor sie als Kochbuchlektorin nach London übersiedelte. Jonathan Strange & Mr. Norrell ist ihr Roman-Erstling. Heute lebt sie mit ihrem Partner, dem Autor Colin Greenland, in Cambridge.


    Wertung:


    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

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  • So, endlich habe ich das Buch auch mal ausglesen. Anfangs fand ich die ausladende Sprache ja noch ganz lustig, aber gegen Schluss wurde das ganze doch etwas langatmig. Als ich das Buch dann zugeklappt habe, war mir eigentlich gar nicht wirklich klar, wie die Dinge zusammenhingen. Wer war denn jetzt Uskglass? Vielleicht hätte ich das Buch doch mit weniger Pausen lesen sollen. :zwinker:

    Einmal editiert, zuletzt von Puenktchen ()

  • Eine Rezension zu einem Buch zu verfassen, das schon von so vielen Menschen gelesen und kommentiert wurde, und sich dabei nicht zu wiederholen, ist eine Unmöglichkeit. Daher versuche ich mich kurz zu fassen, bitte aber schon einmal von vornherein um Nachsicht :zwinker:


    Klappentext:


    Einst - als Magie in England etwas ganz Selbstverständliches war - war der Rabenkönig der größte aller Zauberer. Anfang des 19. Jahrhunderts ist er nur noch eine Legende. Kein Mensch glaubt mehr an Magie! Doch eines Tages bewirkt der eher zurückgezogen lebende Mr. Norell, dass die Statuen in der Kathedrale zu sprechen beginnen ...


    Meine Meinung:


    Susanna Clarke hat wirklich eine großartige Phantasie. Doch scheinbar bisher keinen großartigen Lektor, denn dieser hätte sie vielleicht davon überzeugen können, das Buch um einige Handlungsstränge zu kürzen. Ich war durchaus beeindruckt von diesem Roman, es wäre mir jedoch lieber gewesen, wenn nicht nach jeder mitreißenden Sequenz eine Flaute gefolgt wäre. So bleibt ein etwas unbefriedigtes Gefühl zurück, obwohl ich mit dem Ende an sich sehr zufrieden war - eine ausgewogene Mischung von Happy End, Melancholie und Hoffnung.
    Den hier schon häufiger gelobten Stil der Autorin fand ich eher mittelmäßig, besonders genervt hat mich die sehr gewollt wirkende pseudo-altertümliche Schreibweise mancher Wörter - mich hat sie einfach immer wieder aus dem Lesefluss gerissen.


    Den schon vor geraumer Zeit erschienenen Kurzgeschichtenband, der auch in dem Strange-Universum spielt, werde ich ganz bestimmt lesen. Vielleicht hat die Autorin für Kurzgeschichten ein besseres Händchen...



    2ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

  • Im Großen und Ganzen kann ich mich eurer Meinung anschließen. Susanna Clarke erzählt die Geschichte so lebendig und authentisch, dass ich mich tatsächlich ins London des 19. Jahrhunderts hineinversetzt wähnte. Trotz des eher schönen Wetters in den letzten Wochen brauchte ich nur ein paar Zeilen zu lesen und die düstere Atmosphäre nahm mich gefangen. Die Charaktere sind sehr lebendig gezeichnet, trotzdem gab es keinen, mit dem ich mich richtig identifizieren und mitleiden konnte. Das Buch hat zwischendurch zwar ein paar Längen und das Erzähltempo ist eher gemächlich, trotzdem konnte es mich so sehr fesseln, dass ich es dann doch relativ fix durchgelesen hatte.


    Am Ende wurde es noch mal richtig spannend und auch das Ende finde ich sehr passend. Der ganz große Knaller ist dieser Roman meiner Meinung nach nicht, aber 4ratten ist es mir wert.

  • England, früher, zur Regierungszeit des sagenumwobenen "Rabenkönigs" eine Hochburg der Zauberei, ist Anfang des 19. Jahrhunderts nur noch von einigen Zaubertheoretikern bevölkert, die sich in Vereinigungen organisieren und jegliche praktische Zauberei als viel zu gefährlich verteufeln.


    Der kauzige Mr. Norrell belehrt sie eines Tages eines Besseren. In einer verblüffenden Demonstration seines Könnens erweckt er steinerne Statuen in der Kathedrale von York zum Leben und lässt keine Zweifel daran, dass man es hier mit dem wohl letzten praktischen Zauberer Englands zu tun hat.


    Diese Episode bleibt natürlich der Öffentlichkeit nicht verborgen, und als Norrell dem Politiker Sir Walter Pole einen ganz großen Dienst erweist, um seine Eheschließung zu retten, werden überall Begehrlichkeiten geweckt, die Norrell aber nicht zu erfüllen gewillt ist, zumal seine zauberische Intervention nicht ohne gravierende Folgen geblieben ist.


    Schließlich nimmt Norrell etwas widerwillig doch einen Schüler auf, den jungen Jonathan Strange, der sich als höchst begabt erweist und sich das, was Norrell ihm nicht beibringen will, selbst erarbeitet. Durch sein freundliches und offenes Wesen ist er bald allseits beliebt, im Gegensatz zum Meister selbst, und eines Tages kommt es zum Bruch zwischen den beiden ...


    Man braucht Zeit und Muße für diesen dicken Wälzer, eine gewisse Vorliebe für den Stil von Jane Austen oder Charles Dickens kann nicht schaden, und wer Angst vor Fußnoten hat, sollte das Buch gar nicht erst anfassen.


    Wer sich an den umfangreichen Schinken heranwagt, wird nach den ersten paar Seiten, die ein bisschen verwirrend wirken, mit einer atmosphärischen Zauberergeschichte belohnt, die ohne plakative Knalleffekte scheinbar ganz realistisch und eng an der tatsächlichen englischen Geschichte entlang daherkommt und dabei ein ganz anderes, phantastisches England zeigt, voller Zauberei, Mythen und Wegen ins Elfenland, wobei die Elfen hier nicht direkt Sympathieträger sind.


    Mr. Norrell ist ebenfalls kein knuffiger Opi, sondern ein verschrobener Typ von der eher misanthropischen Sorte, während Jonathan Strange mitsamt seiner Arabella Sympathie weckt, manchmal aber auch Benehmen an den Tag legt, bei dem man ihn nur schütteln könnte.


    Das schlichte schwarze Cover mit der weißen Schrift und dem fliegenden Raben (dessen Bedeutung sich beim Lesen erschließen wird) ist auch wunderbar gelungen.


    Feiner, schräger Humor, eine wunderschöne poetische Sprache und eine sehr originelle Variation des Themas "Zauberer in der realen Welt" zeichnen das Buch aus, und der Spannungsbogen wird trotz der ausschweifenden Erzählweise stets aufrechterhalten. Abgerundet wird das Ganze durch einen in meinen Augen wunderschönen Schluss.


    5ratten

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Susanna Clarke: Jonathan Strange & Mr. Norrell


    Es wurde ja schon viel über dieses Buch geschrieben, viel Neues kann ich da gar nicht mehr hinzufügen. Insbesondere hat Twilight in ihrer ausführlichen Rezension schon vieles gesagt, was ich ganz ähnlich sehe.


    Ich fand das Buch kurzweilig, amüsant, sehr humorvoll (wobei sich nach ca. einem Drittel des Buches der Humor etwas verlor, und erst später wieder hier und da hervorschaute - vielleicht liegt das daran, daß das Buch von zwei Personen übersetzt wurde?). Insgesamt habe ich mich sehr gut unterhalten gefühlt. Stellenweise habe ich die Augen verdreht :rollen: über die Leichtfertigkeit und den Größenwahn der beiden Zauberer Strange und (vor allem!) Norrell. Da studieren sie jahrelang die Zauberei, wollen die Zauberei wieder nach England zurückbringen - und dann ist der eine (Norrell) so egoistisch, alles Zauberwissen für sich selbst zu beanspruchen und dem Rest aller Engländer sämtliche Zauberbücher vorzuenthalten; und alle beide fischten beim Zaubern eigentlich nur im Trüben und hatten oft keine genaue Vorstellung, was sie da eigentlich alles an Wirkungen und Nebenwirkungen bewirken :rollen:! (ich persönlich überlege mir die Konsequenzen meiner Experimente lieber vorher und deshalb hat dieser Aspekt des Buches bei mir ein etwas unbehagliches Gefühl erzeugt). Zumal es wirklich lange Zeit so schien, als steuerte das Ganze auf eine Katastrophe zu, aber zum Glück gab es dann doch noch ein paar unerwartete Wendungen... (und trotzdem strapaziert das Buch nicht zu sehr das altbekannte Motiv des Kampfes "Gut gegen Böse" :breitgrins:).


    Die Sprache empfand ich weder als besonders altmodisch, noch gekünstelt, sondern als der Geschichte durchaus angemessen, und auch die Fußnoten haben mich nicht gestört, sondern waren gut "beherrschbar".


    Das Einzige, was für mich ein wenig das Lesevergnügen störte, sind das oben erwähnten Unbehagen und einige Längen in der Geschichte (besonders der Teil, in dem es um den Krieg gegen Napoleon geht). Abgesehen davon: ein sehr empfehlenswertes Buch.
    4ratten


    Viele Grüße
    Katja

    Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (R. Luxemburg)

    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.

    Einmal editiert, zuletzt von kaluma ()

  • Hallo!


    Susanna Clarke: Jonatha Strange & Mr. Norrell


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    Inhalt:
    Vor vielen Jahrhunderten gab es in England noch Magie, und der größte aller Zauberer war der »Rabenkönig«. Anfang des 19. Jahrhunderts ist er nur noch eine Legende und England glaubt nicht mehr an Zauberei. Bis der zurückgezogen lebende Mr. Norrell autaucht und die Statuen der Kathedrale von York sprechen und tanzen lässt. Die Nachricht über dieses Ereignis verbreitet sich, und Mr. Norrell geht nach London. Er nimmt den brillianten jungen Zauberer Jonathan Strange als Schüler auf und begründet mit ihm eine neue Tradition englischer Magie. Doch bad wird aus der Partnerschaft Rivalität … (Buch)


    Bewertung:
    Das Buch hat viele Seiten. Viele Seiten ziehen mich magisch an, auch wenn sie kein Kriterium für ein gutes Buch sind. Betrachte ich das Cover sehe ich einen weißen Raben auf schwarzem Grund - Schlichtheit besticht. Trotzdem überkam mich an einer bestimmten Stelle in der Geschichte das Gefühl, ich hätte mir die Ausgabe mit dem schwarzen Raben auf weißem Grund kaufen sollen. Mein Buch fühlte sich plötzlich falsch an, obwohl es mir äußerlich bis dahin gut gefiel.
    Es scheint heutzutage schwierig zu sein Fantasyromane vor dem Aufdruck von Meinungen über das Buch zu bewahren. Soll der Leser bestochen werden, das Buch auch gut zu finden, nur weil in irgendeiner Zeitung oder einem Magazn stand, das es gut ist oder weil ein anderer Autor es gut fand? Ich finde diese Flut von Meinungsaudränglung bevor man die erste Seite aufgeschlagen hat, ermüdend. Immmerhin kann man nach dem Lesen überprüfen, wie viel Substanz die Behauptungen haben.
    Diesem Buch reichte ein Zitat nicht, oder zwei. Nein, es mussten gleich vier sein. Die Autorin kann nichts dafür, die Geschichte kann nichts dafür und trotzdem kamn mir Zweifel, ob ich mir das mit dem Lesen dieses Werkes gut überlegt hatte.


    - »Ein Meisterk, das Tolkien Konkurrenz macht.« (Time Magazin)
    Die beliebte Tolkienverbindung! Als wäre allein die Erwähnung dieses Namens im Zusammenhang mit diesem Buch eine Verkaufsgarantie. Wie kann ein Buch eigentlich einem Autoren Konkurrenz machen? Oder bezieht sich das Zitat auf den Herrn der Ringe? Ich geh mal davon aus.
    Inwiefern macht dieses Buch Tolkien Konkurrenz? Von der Seitenzahl der Geschichte her? Immerhin knapp über 1000 Seiten … Aufgrund des Schauplatzes? England im 19. Jahrhundert hat Spannung, lässt sich aber schwer mit einem Gebiet wie Mittelerde vergleichen. Macht die Sprache der Autorin der von Tolkien Konkurrenz? Clark kann eine Geschichte erzählen. Tut sie das auf in Erinnerung bleibende, packende Weise? Nur bedingt. So viele Seite müssen gefüllt werden und manchmal macht sich das bemerkbar und die Handlung gleitet in Langatmigkeit.


    - »Ein Buch, für lange Herbstschmöckerabende, ein Buch, auf dessen honigfarbene Seiten einfach Schokoladen- und Kaffeflecken gehören.« (Die Zeit)
    Ich weiß wie Honig aussieht. Honig kann viele Farbtöne haben. Diese Seiten erinnern mich farblich überhaupt nicht an Honig. Habe ich die falsche Ausgabe?
    Wohlwollend nehme ich an, dass das mit den Schokoladen- und Kaffeflecken nur dazu dienen soll, das Gefühl von Gemütlichkeit zu erzeugen. Auf Buchseiten gehören überhaupt keine Flecken, es sei denn sie wurden als Verzierung hineingedruckt.


    - »In der gelungenen Übersetzung lässt sich das Buch in wenigen Tagen oder Nächten verschlingen.« (Süddeutsche Zeitung)
    Ob die Übersetzung gelungen ist oder nicht, kann ich nicht beurteilen. Wahr ist, dass sich das Buch schnell lesen lässt, obwohl die Handlung manchmal nicht recht vorangehen will.


    - »Das Buch lebt durch seine wundervolle Sprache, die einen streckenweise an Jane Austen denken lässt.« (Brigitte)
    Die Sprache als wundervoll zu bezeichnen ist übertrieben. Das Buch lässt sich flüssig lesen, was sicherlich durch die Sprache mitbedingt wird, aber mir ist daran nichts außerordentlich Gutes aufgefallen.
    An Jane Austen musste ich dabei auch nicht denken. Habe ich etwas falsch gemacht?


    Weshalb wird in England nicht mehr gezaubert? Diese berechtigte Frage wagt ein theoretischer Zauberer zu stellen. Auf der Suche nach Antwort, trifft er auf Mr. Norrell und dieser beweist, das es mit der Zauberei in England noch nicht vorbei ist.


    Mr. Norrell. Es gibt eines, das mir an Mr. Norrell gefällt und das ist, dass er Bücher mag. Leicht zu manipulieren, seine Bücherschätze beschützend und überall mögliche Gegner witternd durchlebt er das Geschehen. Wenn ich an Mr. Norrell denke, habe ich das Gefühl, das eine Staubschicht auf ihm liegt als wäre er eine alte Statue.
    Fast genauso wenig Verbindung hatte ich zu Jonathan Strange. Ich hatte nicht das Gefühl, ihn nach dem Lesen besonders gut zu kennen. Als Norrells Schüler und späterer Rivale, hätte ich mich sehr für ihn interessieren müssen, doch viel bleibt von ihm nicht in Erinnerung.
    Die übrigen Figuren fallen auch nicht angenehm auf.
    Die Geschichte wird nicht schlechter davon, wenn man keine Beziehung zu den Personen aufbauen kann, es sorgt nur dafür, das mir das Buch weniger gefällt.


    Nichts gegen Fußnoten. Sie können ungemein amüsant sein oder sehr nützlich. Das habe ich schon bei anderen Büchern erlebt. Aber wenn die Fußnoten in einem Roman (!) ganze Seiten einnehmen und tausend nicht immer wichtige Geschichten erzählen müssen, kommt mir das doch ein wenig übertrieben vor.
    Meine Meinung über die hier angewandte Erzähltechnik verschlechterte sich noch als dann Fußoten mit der Aufforderung kamen zurück zu einer anderen Fußnote zu blättern. Dazu hätte man wenigstens die Seite angeben können, statt nur das Kapitel. Ich hätte damit leben können, wirklich - bis die Aufforderung kam zu einer Fußnote vorzublättern. Das geh nun wirklich nicht. Ich blättere in einem Buch nicht gerne vor. Man ließt dann vielleicht versehentlich Dinge, die man gar nicht lesen will und die Spannung ist dahin …


    Ein Meisterwerk?
    Ein Buch, das man lesen kann. Es macht Spaß sich durch diese Seiten zu schmökern und trotzdem nagte an mir am Ende das Gefühl, das etwas gefehlt hat, das die Geschichte trotz aller Bemühungen am Ende nur zwischen Mittelmaß und gut schwankt.


    3ratten

    „Jeg ser, jeg ser …<br />Jeg er vist kommet på en feil klode! <br />Her er så underligt …“<br /><br />Sigbjørn Obstfelder - Jeg ser

  • Hi,


    ich bin gerade dabei das Buch zu lesen und bin zur Zeit auf Seite 400 und noch etwas. Ich war etwas überrascht, dass ich doch schon so weit war, obwohl ich nicht das Gefühl hatte, dass schon wirklich viel passiert war. Zumindest lässt sich das Buch, trotz Fußnoten, recht gut lesen und ich kann es nur schlecht weglegen.
    Dennoch fällt es mir noch schwerer als sonst zu sagen, wovon das Buch handelt.
    Ich bin auf jeden Fall gespannt, was noch alles passiert. Ein wenig habe ich ja durch die Rezis hier mitbekommen.

    Was wäre mein Leben ohne Bücher? Einfach nur leer. <br /><br />Zu viele Bücher, die ich lesen möchte und zu wenig Zeit, sie alle zu lesen.