Fjodor Dostojewski - Schuld und Sühne bzw. Verbrechen und Strafe

Es gibt 51 Antworten in diesem Thema, welches 37.981 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Onkel Orwell.

  • Fjodor M. Dostojewski - Schuld und Sühne


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    Meine Meinung
    :

    Eigentlich hatte ich gar keine große Lust auf das Buch, da noch so viele andere tolle Bücher herumsubbten - aber die Chance einen solchen Klassiker in einer Leserunde zu lesen, hat den Ausschlag gegeben. Was soll ich sagen - ich habe es nicht bereut. Schon nach ein paar Seiten war ich von der Geschichte und dem außergewöhnlichen, schwierigen und diffusen Charakter Raskolnikows gefesselt.


    Dostojewski schafft wahnsinnig dichte, interessante und wirklich greifbare Charaktere: Raskolnikow, Sonja, Luschin, Rasumichin und und und. Man atmet wirklich in diesem Mikrokosmos und scheint selbst ein Teil davon zu werden. Das sieht man schon alleine daran, wie man mit Raskolnikow mitfiebert, bangt und beinahe verrrückt wird als Porfirij immer wieder Andeutungen, Anschuldigungen macht.


    Toll finde ich auch wie das Leben im 19. Jahrhundert in Russland beschrieben wird - sehr plastisch, nah.


    Dostojewski schreibt wirklich außergewöhnlich gut. Es ist nicht anstrengend zu lesen, aber dennoch anspruchsvoll. Ich lese in der gleichen Zeit normalerweise das Doppelte an Seiten. Aber man fühlt sich immer gut unterhalten.


    Ein Hänger war für mich Teil 2. Hier geht mir die Lethargie, der Irrsinn und die Krankheit Raskolnikows wirklich auf die Nerven. Es passiert einfach gar nichts, es wird nur sein Gefangensein in dieser Situation beschrieben und das über 100 Seiten lang.


    Ansonsten ein sehr sehr gutes Buch, das wohl mehr als einmal zu lesen ist.


    Von daher gibts:


    4ratten


    lg
    bane

  • Inhalt:
    Der Student Rodion Romanowitsch Raskolnikow lebt in sehr ärmlichen Verhältnissen in einem kleinen Zimmer in St. Petersburg. Er beschließt und plant eine alte Wucherin umzubringen und sie zu bestehlen, denn er ist davon überzeugt, dass er ein „großer Mensch“ ist, der anderen überlegen ist und somit sei es ihm erlaubt „lebensunwertes“ zugunsten von „lebenswertem“ Leben zu beseitigen um sich selbst zu helfen. Nach der Tat wird er krank, verfällt in ein tagelanges Delirium, bekommt Besuch seiner Familie und ungewollte Hilfe seines Freundes Rasumichin. Doch das schlechte Gewissen lässt nicht lange auf sich warten...


    Meine Meinung:
    Ich finde, dass das Buch es alleine der Sprache wegen verdient hat gelesen zu werden. Schuld und Sühne ist mein zweites Buch von Dostojewski und auch diesmal hat mich sein Schreibstil beeindruckt. Es liest sich sehr flüssig und ist reichlich vollgepackt mit Details, die es einem ermöglichen vollends in die Geschichte einzutauchen und mit Raskolnikow mitzufiebern.


    Zu Raskolnikow selbst habe ich eine geteilte Meinung. Von der ersten Seite an habe ich mich als seine Komplizin gefühlt – auch wenn es mir manchmal schwer fiel ihn zu verstehen und auch zu mögen. Seite für Seite habe ich mit ihm mitgelitten und manchmal hätte ich ihn am liebsten angeschrien, geschüttelt oder auch geschlagen. Seine unkontrollierten Wutausbrüche und überhebliche Art gingen mir auf den Geist. Aber diese hat er wiederum mit seiner liebevollen Weise sich um andere zu kümmern, denen es noch schlechter geht als ihm selbst, wieder wett gemacht.


    Die Charaktere sind, wie ich finde, alle sehr gut ausgearbeitet und realitätsnah. Außerdem bekommt man einen guten Einblick in die ärmlichen Verhältnisse und Lebensweise der damaligen Menschen und Zeit.


    Schuld und Sühne ist für mich ein Buch, dass ich bestimmt noch mehrmals lesen werde und außerdem ein absoluter :tipp:.


    5ratten

    :leserin: [color=#CC0077]<br />Leo Tolstoi - Anna Karenina<br />Geneva Lee - Royal Passion<br />Frank Schätzing - Tod und Teufel<br />Patrick Rothfuss - The Name of the Wind<br />Maggie Stiefvater - The Raven Boys

  • Meine Meinung:


    Ich hatte das Gefühl die Seiten flögen nur so dahin. Unerwarteter weise las sich dieser Roman sehr gut weg und ich hatte von Anfang an keine Schwierigkeiten mich in die Handlung ein zu finden. Ich hatte erwartet das der Roman eher schwere Kost werden könnte.
    Rodion Raskolnikow ist für mich eine Romanfigur die ich schnell mochte, das mag verwunderlich erscheinen ist er doch ein brutaler Mörder - gut ich habe eine Schwäche für Mörder in Romanen sobald sie die Hauptrolle spielen- da man den Verlauf der Handlung jedoch weitgehend aus seinem Blickwinkel betrachtet, obwohl der Roman in der dritten Person verfasst wurde, kommt man ihm doch recht nahe.


    Schuld und Sühne besitzt mehrere Ebenen. Oberflächlich betrachtet ist es die Geschichte eines Mörders der versucht seine Tat zu verbergen doch Dostojewski kritisiert die bestehenden Verhältnisse seiner Zeit aufs schärfste, lässt die damals aufkommenden politischen Gedanken lebendig werden und zeigt dann doch wieder einen Menschen der egoistisch und Geldgierig ist, der aber dennoch an seiner Tat zu zerbrechen droht. So erscheint Raskolnikow zunächst kaltblütig aber doch auch menschlich.
    Die vielen Nebenfiguren musste ich erstmal auseinanderhalten, zu Beginn gab es da die ein oder andere Verwechslung^^ aber nach und nach gewöhnte ich mich dann wieder an die russischen Namen (bei Anna Karenina wars schlimmer^^) und ab da war es dann kein Problem mehr.
    Was mich ganz persönlich fasziniert hat, war vor allem der Schuldaspekt. Wie geht Roskolnikow damit um das er getötet hat. Ist es ihm wirklich so gleichgültig wie er tut? Ist er sich überhaupt einer Schuld bewusst? Was geschieht mit ihm und letztendlich wird er sich stellen oder nicht?
    Obwohl sehr vieles drumherum geschieht und man so eine Menge über fast jede Nebenfigur erfährt wird der Roman nicht langweilig Ich hatte nie das Gefühl die Handlung zöge sich in die Länge.


    Nur der Schluss... für meinen Geschmack war der Epilog überflüssig. Nach dem letzten Kapitel des 6. Teils war der Roman für mich zu Ende.
    Letztendlich konnte mich Schuld und Sühne sehr begeistern und ich für meinen Teil werde von Dostojewski noch das ein oder Andere lesen!


    5ratten

  • Meine Meinung:


    Schuld und Sühne ist das erste Werk, dass ich von Dostojewski gelesen habe und es hat mich sofort fasziniert. Dostojewski schafft eine so in sich stimmige und tiefgründige Welt, dass es mir auf keiner Seite langweilig geworden ist. Die Gedankengänge der verschiedenen Charaktere und ihre Schicksalsschläge sind hochinteressant, da sie allesamt durch die Erzählweise des Autors fast real anmuten. Das Buch steckt voller inspirierender Theorien und philosophischer Fragestellungen. Ich hatte das Gefühl zusammen mit Raskolnikow langsam einer tieferen Erkenntnis näherzukommen. Liebe und Strafe können einem gequälten Menschen die Lust zum Leben wiedergeben, er kann erst nachdem er seine Taten gebüßt hat wiedergeboren werden.


    Am besten an dem Buch hat mir die Vielfalt der Charaktere gefallen. Jeder einzelne ist glaubwürdig und besonders, keine Spur von flachen nichtssagenden Figuren. Und alle sind sie auf besondere Weise miteinander verflochten. Der Antiheld ist Raskolnikow und seine Beweggründe, Hoffnungen, Ängste etc. werden dem Leser sehr genau geschildert. Das Buch hat zwar den von der Hauptfigur begangenen Mord zum Thema, doch ist dieser nicht penetrant im Fokus und lässt dadurch auch ganz andere Handlungsstränge zu. Der Mord wird aus der Sicht des Mörders wiedergegeben, deswegen weiß der Leser nur soviel über den Ermittlungsstand der Polizei, wieviel Raskolnikow selbst in Erfahrung bringen konnte. Die höchst komplexen Gespräche auf Polizeirevier und die durchaus irreführende Strategie des den Fall ermittelnden Porfiri gehören meiner Meinung nach zu den Höhepunkten des Romans.


    5ratten

    :leserin:

  • Nabend,


    ich muss hier gerade mal eine sehr virulente Fragestellung aufbringen, die mir schon seit einiger Zeit auf den Nägeln brennt:


    Da es ja vor nicht allzu langer Zeit eine Neuübersetzung von Dostojewskis "Schuld und Sühne" mit dem, wie man hört, wörtlicher übersetzten Titel "Verbrechen und Strafe" gegeben hat, die hochgelobt ist, wollte ich mal fragen, ob jemand womöglich mit beiden Übersetzungen Erfahrung gemacht hat bzw. an all die, welche die alte Übersetzung gelesen haben die Frage richten, ob diese Übersetzung in irgendeiner Hinsicht holprig o. ä. wirkte?


    Logischerweise kann letzteres ja eigentlich kaum der Fall sein, schließlich war dieser Roman auch im deutschsprachigen Gebiet lange Zeit vor der Neuübersetzung ein absoluter Klassiker, aber ich überlege eben zurzeit - ich habe hier die HC-Ausgabe vom Albatros Verlag -, ob ich die alte, bereits auf meinem SuB befindliche Ausgabe lesen soll oder ob es tatsächlich eine derart große qualitative Diskrepanz zwischen den beiden Übersetzungen gibt, dass man sich gewissermaßen um ein nicht unbeträchtliches Maß an Lesevergnügen/-erfahrung betrügen würde, läse man die alte?


    Herzlichen Dank!

  • Ich hab die von Richard Hoffmann, hab ich glatt vergessen, anzugeben - hat die evtl. schon jemand gelesen?


    Ich muss sagen, prinzipiell widerstrebt mir der Gedanke, ein Buch in derselben Sprache zweimal zu kaufen, doch ein wenig. Werde mich wohl einfach noch etwas über diese Übersetzung informieren.


  • Ich hab die von Richard Hoffmann, hab ich glatt vergessen, anzugeben - hat die evtl. schon jemand gelesen?


    Ich muss sagen, prinzipiell widerstrebt mir der Gedanke, ein Buch in derselben Sprache zweimal zu kaufen, doch ein wenig. Werde mich wohl einfach noch etwas über diese Übersetzung informieren.


    Huhu Hildegunst, :winken:


    bist Du bei Deinen Recherchen schon weitergekommen? Da ich mir als Lektüre für den kommenden Winter "Schuld und Sühne" bzw. "Verbrechen und Strafe" vorgenommen habe, stelle ich mir natürlich auch die Frage, welche Übersetzung es sein soll, zumal bei mir im Verwandtenkreis bereits unterschiedliche Ausgaben existieren, nur nicht die aktuelle Übersetzung von Swetlana Geier, die so gut sein soll. Und nun überlege ich, ob sich der Kauf dieser Übersetzung lohnt, oder ob es auch eine der älteren Versionen tut. Gibt es eigentlich irgendwo verlässliche Aussagen über die Qualität der unterschiedlichen Übersetzungen...?


    Viele Grüße
    M.

  • Hallo,
    vor einigen Jahren habe ich "Schuld und Sühne" in der Übersetzung von Richard Hoffmann gelesen und fand, dass sie sich sehr gut liest. Ein paar Jahre später habe ich dann "Verbrechen und Strafe", also die Übersetzung von
    Svetlana Geier gelesen und fand die auch sehr gut. Ob Letztere besser war, kann ich nicht genau sagen, weil es schon so lange her war, dass ich die Andere gelesen hatte. Mit hat das Buch insgesamt beim zweiten mal aber auf jeden Fall noch besser gefallen und das könnte durchaus an besserer Übersetzung liegen. Wenn man die Übersetzung von Hoffmann allerdings sowieso schon hat, denke ich, kann man ruhig bei dieser bleiben. Wie gesagt, ich hatte an ihr nichts auszusetzen.


    LG
    Maus

  • Also, die Übersetzung von Richard Hoffmann hab ich auch und, als Teil meiner kürzlich erstandenen Dostojewski-Werkausgabe, die angeblich viel gerühmte Übersetzung von E. K. Rahsin - werde dann wohl die letztere lesen, dem Oeuvre Dostojewskis mich nähern wollte ich jedoch mit den Dämonen oder auch einem sonstigen Werk aus der Werksausgabe.


    Zumindest war es interessant, womöglich glatt beruhigend, dass es auch schon vor Frau Geier mehr als brauchbare Übersetzungen gegeben zu haben scheint, bei all der Euphorie, der ihre Übersetzung begegnete, hätte man daran ja bald zweifeln mögen.


    Wobei diese sich so oder so bei vielen bzw. zu einem großen Teil wohl aus der - meiner Ansicht nach vollkommen lächerlichen - Befriedigung der fehlenden "religiösen Konnotation" des Titels spies. Gut, anscheinend heißt die russische Originalausgabe genau übersetzt wirklich Verbrechen und Strafe, die S&S-Übersetzung ist somit eben wohl kontemporär zu begründen, aber alleine durch die enormen Konflikte des Protagonisten bezüglich Moralität und Absolution sozusagen finde ich diesen alten Titel auch wirklich in Ordnung.

  • Ich lese zur Zeit Dostojewskis "Verbrechen und Strafe" in der Übersetzung von Swetlana Geier aus dem Jahr 1994, und ich wollte mal 'ne kurze Wasserstandsmeldung durchgeben.


    Ich bin jetzt etwa zur Hälfte durch, und obwohl ich mich anfangs noch recht schwer getan und nicht so schnell in die Geschichte gefunden habe, steigt meine Begeisterung nun mit jeder Seite. Rodion Raskolnikow ist eine faszinierende Persönlichkeit, auch wenn er für mich ganz und gar nicht zur Identifikationsfigur taugt. Aber die Art und Weise, wie Dostojewski ihn lebendig werden lässt und seinen Gedanken Ausdruck verleiht und sie, ja, auch in gewisser Weise nachvollziehbar macht, ist ganz große Klasse! Nein, man muss die Ideen Raskolnikows von den "höheren" und "niederen" Menschen und die Art und Weise, wie er den Mord an der alten Wucherin vor sich selbst rechtfertigt, nicht gutheißen, dennoch folgt man fasziniert seinen Gedankengängen. Das hat Dostojewski ganz großartig gemacht.


    Einzig die vielen Personen, die auftauchen und wieder verschwinden und insbesondere all' ihre Namen einschließlich Spitz- und Rufnamen haben mich anfangs echt fertig gemacht. Wer war jetzt schon wieder Awdotja? Und wer Dunja? Und diese Dunetschka? Ach, stimmt ja - ist ja ein und dieselbe Person.... :rollen::breitgrins: Zum Glück hat meine Ausgabe ein Namensverzeichnis im Anhang, das ich regelmäßig konsultiere. :zwinker:


    Noch ist Raskolnikow nicht überführt, so weit bin ich noch nicht, aber es ist faszinierend und spannend, wie er und die Untersuchungsbeamten einander umkreisen, miteinander ihre Psychospielchen spielen: die Polizisten, die Raskolnikow schon im Verdacht haben, etwas mit dem Mord zu tun zu haben und ihn in eine Falle locken wollen, und auf der anderen Seite Raskolnikow, der die Polizisten glauben machen will, er würde in ihre Falle tappen, nur um ihnen im letzten Moment wieder zu entgleiten - das ist toll!


    Ich freu' mich schon, nachher im Bett noch ein wenig weiterzulesen... :smile:

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    Fjodor M. Dostojewski (1821-1881)
    Verbrechen und Strafe
    Originaltitel: Преступление и наказание
    Erstveröffentlichung: 1866
    aus dem Russischen von Swetlana Geier (1994)
    Verlag: Fischer
    Taschenbuch
    738 Seiten


    Ich bin durch. Was für ein Brocken! In jeder Hinsicht. Ein großes Werk, sowohl was den Inhalt als auch den Umfang betrifft. Und obwohl ich mich auf den ersten hundert Seiten ziemlich schwer getan habe und nicht so recht in die Geschichte hineinfinden wollte, zwischendurch sogar eine mehrwöchige Lesepause eingelegt habe, hat mich das Buch doch noch sehr gepackt.


    Der Student Rodion Raskolnikow lebt in ärmlichen Verhältnissen in einer kleinen schäbigen Bude. Viele Kontakte zu seinen Mitmenschen hat er nicht. Stattdessen grübelt er viel und entwickelt wirre Ideen und Moralvorstellungen, wonach es unter anderem "gewöhnliche" und "außergewöhnliche" Menschen gebe, und dass die "höheren" Menschen das natürliche Recht haben, die "niederen" für ihre Zwecke zu missbrauchen und sogar zu töten, wenn sie es für nötig erachten.


    Schließlich fasst Raskolnikow den Entschluss, einen Mord an der alten, in seinen Augen nutzlosen Pfandleiherin zu begehen, auf die er zwar in seiner schwierigen finanziellen Lage prinzipiell angewiesen ist, die aber für ihn nur eine "Laus" ist, wie er sie nennt. Dass er dabei auch noch die zufällig anwesende und leicht zurückgebliebene Schwester der Wucherin erschlägt, war nicht beabsichtigt, aber für ihn auch nicht mehr zu verhindern. Zwar kann er unerkannt entkommen, aber die Tat nagt an ihm, der Widerstreit zwischen der inneren Rechtfertigung der Tat und seinem schlechten Gewissen setzt ihm zu, sein geistiger Zustand verschlimmert sich rapide, schließlich wird er körperlich krank, bekommt Fieberträume und droht, wahnsinnig zu werden. Und als Leser weiß man nicht mehr: Was ist Realität, was ist Traum? Die Schilderungen von Raskolnikows Innenleben, seinen Gedanken und inneren Monologen nach der Tat, und wie er den Mord vor sich rechtfertigt, das macht Dostojewski ganz wunderbar.


    Und wie Raskolnikow versucht, nicht in die Fänge der Untersuchungsbeamten zu geraten, die ihm schon auf den Fersen sind, die Wortwechsel insbesondere zwischen Raskolnikow und dem Staatsanwalt, die Katz-und-Maus-Spielchen, die sie sich gegenseitig liefern: auf der einen Seite Raskolnikow, der die Untersuchungsbeamten an der Nase herumführt, und auf der anderen Seite der Staatsanwalt, der schon genau weiß, dass Raskolnikow der Täter ist und ihm zwar noch nichts nachweisen kann, ihn aber unbedingt aufs Glatteis führen möchte - das ist ganz, ganz große Klasse!


    In seiner schwierigen Situation halten einzig ein ehemaliger Kommilitone sowie seine Mutter und seine Schwester zu Raskolnikow und stehen ihm bei - ebenso die Prostituierte Sonja, deren Familie Raskolnikow nach dem Tod ihres Vaters finanziell unterstützt hat. Sonja gibt ihm moralischen und seelischen Halt, als er sich selbst schon fast aufgegeben hat. Im Laufe der Geschichte wird klar, dass sie ihn auf ihre Weise und aus ihren eigenen, vielleicht nicht immer nachvollziehbaren Gründen liebt. Und auch wenn er sich das anfangs gar nicht eingestehen möchte, wird ihm schließlich klar, dass er sie ebenfalls liebt.


    Unabhängig davon, ob Raskolnikow für seine Tat zur Verantwortung gezogen wird - sein inneres Zerwürfnis und sein schlechtes Gewissen angesichts des unverrückbaren Vertrauens Sonjas zu ihm, aber auch angesichts ihrer Verzweiflung über seine Tat, ist für ihn schon Strafe genug. Die Liebe Sonjas zu ihm und ihr starker Glaube bringen ihn schließlich ins Wanken und auch zur inneren Abkehr von seinen Anschauungen. Was dann am Ende mit ihm und Sonja geschieht, ist schon filmreif und hat mir glatt einen dicken Kloß im Hals beschert. (Ist das Buch eigentlich mal verfilmt worden?)


    Die Art und Weise, wie Dostojewski die Figuren lebendig werden lässt und ihren Gedanken Ausdruck verleiht, hat mir außerordentlich gut gefallen. Dazu mag auch die Übersetzung von Swetlana Geier aus dem Jahr 1994 beitragen, die seinerzeit für ein positives Echo gesorgt hat. Geier verleiht den Figuren jeweils eine ganz eigene Stimme und Ausdrucksweise, und ich hatte beim Lesen jede Person plastisch vor Augen.


    Darüber hinaus hat Dostojewski mir eine Welt gezeigt, ein Leben im St. Petersburg des 19. Jahrhunderts, das mir bislang unbekannt war. Das Buch ist von einer deprimierenden Stimmung durchzogen, die sich insbesondere an den ärmlichen und schwierigen Verhältnissen der verschiedenen Protagonisten festmacht. Mitte des 19. Jahrhunderts zur ärmeren Schicht im damaligen Petersburg zu gehören, wird wahrlich kein Zuckerschlecken gewesen sein. Die Schilderungen der ärmlichen Verhältnisse und der Verzweiflung der Leute haben mich ziemlich erschüttert.


    Fragte man mich nach einer Einordnung des Romans, ich wüsste keine Antwort. Es ist kein Krimi, kein Liebesroman, keine philosophische, politische oder religiöse Abhandlung - und doch von allem etwas. Die großen Fragen des Lebens werden behandelt: Moral, Glaube, Liebe, Freundschaft, Tod und eben Verbrechen und Strafe. Und natürlich die Psychologie. Ich war erstaunt darüber, welch große Rolle sie im Buch spielt, vor allem, wenn man bedenkt, wann das Buch geschrieben wurde - viele Jahre vor Sigmund Freuds Psychoanalyse.


    Ich gebe dem Buch 4ratten und :marypipeshalbeprivatmaus:

  • Ich wage mich auch mal an einen Klassiker. Gestern habe ich begonnen und nach den ersten 50 Seiten habe ich das Gefühl, dass es ganz schön viel "Geschwafel" ist. Aber aufhören kann ich auch nicht, irgendwie hat es etwas, gerade sprachlich finde ich es sehr schön. Ich muss sagen, ich weiß auch noch nicht genau, worauf ich mich eingelassen habe (bis auf das, was im Klappentext steht), aber ich möchte gerne unvoreingenommen an die Lektüre gehen. Deswegen habe ich hier im Thread auch noch nicht gestöbert oder Rezis gelesen.


    Ich lasse das Buch auf mich zukommen und bin gespannt was mich erwartet. Und vor allem, was sich aus dem anfänglichen Blabla so entwickelt.


    Ach ja: Ist bestimmt schon ersichtlich, aus dem was ich geschrieben habe - ich habe noch nichts von Dostojewski gelesen.

    Pessimisten stehen im Regen, Optimisten duschen unter den Wolken.


  • Zara
    Ich fände es interessant was Du dann zu den Rezis und Meinungen etc. hier im Thread sagst wenn Du fertig bist :)


    Klar, kann ich machen.


    Ich bin nun auch schon etwas weiter vorangekommen (ca. Seite 150) und bin froh, dass mittlerweile doch alles seinen Sinn hat. Ich finde Dostojewski schweift teilweise unheimlich ab und zieht Beschreibungen richtig in die Länge, aber interessant ist es allemal. Ich werde auf jeden Fall berichten, wie es mir gefallen hat.


    Nur eines wundert mich:

    Pessimisten stehen im Regen, Optimisten duschen unter den Wolken.


  • Ich bin nun auch schon etwas weiter vorangekommen (ca. Seite 150)


    Und, Zara - bist Du schon weitergekommen? Wenn Du mein Lesetempo bei diesem Buch hast, müsstest Du jetzt ungefähr auf Seite 175 sein. :breitgrins:



    Nur eines wundert mich:


    Dass Raskolnikow einen Sprung in der Schüssel hat, wird dem Leser schnell klar. Und dass die Leute, die ihm nahestehen (seine Mutter, Rasumichin, Sonja) das zunächst nicht wahrnehmen, hängt vielleicht damit zusammen, dass sie möglicherweise blind auf diesem Auge sind und das Offensichtliche nicht so schnell wahrhaben wollen...

  • So nun komme ich endlich dazu, meine Meinung aufzuschreiben. Fertig gelesen hatte ich es bereits im März. Meine Ausgabe wurde von Hermann Röhl übersetzt und ich kam sehr gut mit der Übersetzung zurecht.


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    Mit den ersten 50 Seiten hatte ich etwas zu kämpfen, weil ich mir erstmal überhaupt keinen Reim machen konnte, worauf das Ganze hinauslaufen soll. Doch dann hat mich die Story total gepackt und zwar auf seine eigene, gar nicht so leicht in Worte zu fassende Weise. Es ist nicht wie bei einem Thriller, der durch Schnelligkeit o.ä. einem den Atem raubt - ich hatte eher das Gefühl ständig hingehalten zu werden. Das war es eigentlich, was mich so fasziniert hat. Ich hätte gerne sofort wissen wollen, was denn nun passiert, wurde aber nur langsam vorwärts gelassen.



    Am besten an dem Buch hat mir die Vielfalt der Charaktere gefallen. Jeder einzelne ist glaubwürdig und besonders, keine Spur von flachen nichtssagenden Figuren.


    Die Charaktere haben mir auch besonders gut gefallen.



    Seine unkontrollierten Wutausbrüche und überhebliche Art gingen mir auf den Geist.


    Und Juggalettes Meinung über Raskolnikow kann ich mich auch anschließen. Noch mehr genervt aber war ich von Rasumichin. Er hat zwar alles immer nur gut gemeint, aber eine Nervensäge ist er trotzdem :breitgrins:



    Dieses düstere Russland hat mich leider stark runtergezogen - die ganze Armut hat mich sehr deprimiert. Das war, neben der langatmigen Sprache auch ein Grund, warum sich das Buch bei mir gezogen hat. An vielen Tagen konnte ich mich einfach nicht aufraffen in diese traurige Welt abzutauchen.


    Insgesamt hat sich das Buch für mich gelohnt, auch wenn ich hier mit meiner Bewertung nicht so herausrage: 3ratten

    Pessimisten stehen im Regen, Optimisten duschen unter den Wolken.

  • "Verbrechen und Strafe" (ich finde Swetlana Geiers neuen Titel schlüssig) ist für mich eines der besten Bücher, die jemals geschrieben wurden.


    Allein diese Wahnsinns-Mordszene habe ich etliche male gelesen, Dostojewskij baut da eine derart große Spannung auf... Es gibt so unglaubliche Szenen in dem Buch. Der Alptraum nach der Tat, die endlosen Verhöre bei der Polizei, die schmutzigen Kneipen in St. Petersburg und natürlich die Szene mit der Prostituierten Sofja, die ihm aus dem Evangelium vorliest und dabei als "Gottesnärrin" von Raskolnikow wie eine exotische Tierart beobachtet wird.


    Man macht ja als Leser eigentlich gemeinsame Sache mit dem Mörder. Hey, Raskolnikow begeht einen brutalen Doppelmord - aber trotzdem habe ich bis zuletzt darum gezittert, dass er nicht erwischt wird. Und seine Ideologie ist ja auch mehr als abstoßend, erinnert sehr stark an die Übermenschentheorie der Nazis (unwertes Leben wird wie "eine Laus" zertreten).
    Aber ich fand Raskolnikow irgendwie sogar sympathisch, obwohl er abstoßende Dinge tut und denkt.


    Und die Atmosphäre ist ja wirklich klaustrophobisch und erdrückend - natürlich kann man nicht jeden Tag so was lesen. Aber ich kann mich kaum an ein Buch erinnern, dass mich ähnlich stark bewegt hat wie dieses hier.

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    Gleich zu Beginn möchte ich sagen „Verbrechen und Strafe“ hat mir nicht wirklich gefallen. Ich gebe für dieses Buch nur 2 Sterne, ich werde versuchen hier zu erklären warum. Ich möchte aber damit niemanden davon abhalten dieses Buch selbst zu lesen.
    Wobei geht es in dem Roman „Verbrechen und Strafe“? Es geht um den Studenten Raskolnikow der eine alte Wucherin umbringt. Warum handelt er so? Dieses Verhalten zu erklären und zu durchleuchten davon erzählt der Autor. Er gibt Einblicke in das Leben des Studenten und seine Denkweise. Er erzählt von dem Umfeld in dem Raskolnikow lebt. Dostojewski lässt jeden zu Wort kommen, der auch nur ansatzweise mit Raskolnikow kontakt hat. Sei es die Polizei, die das Verbrechen aufklären soll, oder Nachbarn oder seine Familie (er hat Mutter und Schwester) auch sein Freund darf sich ausführlich äußern. Es gibt Seitenweise Diskusionen mit Gesprächspartnern und auch die Gedankengänge der Protagonisten werden ausführlich geschildert. Die Leben aller Personen werden erzählt und sie haben nicht unbedingt was mit dem Verbrechen von Raskolnikow zu tun. Mir war das alles viel zu viel. Ich hatte Probleme überhaupt in die Geschichte hineinzufinden und mich mit den Protagonisten anzufreunden. Dann waren mir die Diskusionen zu lang und viel zu ausführlich und auch zu philosophisch. Ich fand einfach, dass das eigentliche Thema der Geschichte, (der Mord den Raskolnikow begann) zu kurz kam. Dostojewski ist mir im Laufe der Geschichte einfach zu sehr abgewichen und hat ausführlich von anderen Protagonisten erzählt. Der Autor hat wirklich jedes Detail von allen Seiten beleuchtet und der russische Erzählstil macht das Lesen nicht gerade einfacher. Es gibt für jeden Charakter etliche Kosenamen so dass es mir oben drein auch noch schwer fiel den Überblick nicht ganz zu verlieren. Hinzu kommt dann auch noch, dass russische Namen nicht immer leicht auszusprechen sind, was ich eigentlich nicht weiter tragisch finde, wenn mich denn die eigentliche Story fesselt was hier leider nicht der Fall war.


    Mein Fazit: Auch wenn „Verbrechen und Strafe“ ein Klassiker ist, ist er einfach nicht jedermanns Geschmack und für mich war das Buch einfach nichts. Ich fand ihn zu langatmig und dadurch teilweise einfach langweilig. Die zwei Sterne gibt es von mir, weil es eben ein Klassiker ist und ich die eigentliche Mordgeschichte sowie Aufklärung gut fand.


    2ratten