Richard Powers - Der Klang der Zeit

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  • Richard Powers - Der Klang der Zeit


    Vorab: Ich habe über die Suche nur den alten Leserundenthread zu diesem Buch gefunden, in dem auch einige Rezis gepostet wurden. Aber ich finde es schade, dass es noch nicht im Sonstige-Belletristik-Forum besprochen wurde, deswegen mache ich hier ein neues Thema auf.


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    Klappentext
    In einem Roman mit großen Figuren, farbigen Dialogen und vor dem Tableau der Rassenunruhen der letzten Jahrzehnte Amerikas erzählt Richard Powers die Geschichte einer Familie mit zwei Hautfarben - die eines vor den Nazis geflüchteten jüdischen Wissenschaftlers und einer Afroamerikanerin. Ihre Ehe wäre in vielen Staaten der USA noch ein Verbrechen, doch in New York fühlen sie sich sicher. Sie vertrauen ganz auf den amerikanischen Traum, dass sich jeder selbst neu erfinden kann. Mit Hilfe der Musik bauen sie ein Nest, das alle Dissonanzen der Welt fernhalten soll. Und es scheint zu gelingen: Der älteste Sohn wird ein gefeierter Tenor und Liedsänger, der mittlere begleitet ihn am Klavier, und einzig die Tochter durchschaut, dass sich nur Weiße leisten können, über die Hautfarbe hinwegzusehen, und schließt sich den Black Panthers an.


    Meine Meinung


    Die Geschichte wird zum größten Teil aus der Sicht des mittleren Bruders Joseph erzählt, was ich sehr passend fand, da er die meiste Zeit mehr oder weniger eine Zuschauerrolle einnimmt. Der Roman behandelt drei große Themen: Musik, Rassismus und Zeit. Ich bin nicht sehr musikalisch und ich kenne mich auch nicht so gut in Musikgeschichte aus, aber im Buch wurde die Musik und das Musizieren so mitreißend geschildert, dass ich die Musik direkt in meinem Kopf "hören" konnte. Auch war ich schockiert, wie sich der Rassismus in den USA ausgewirkt hat, vor allem wenn man bedenkt, dass das alles noch gar nicht so lange her ist. Hier war die Zeittafel, die die wichtigsten Ereignisse, die im Roman vorkommen, auflistet, sehr hilfreich.
    An Richard Powers' Erzählstil habe ich nichts auszusetzen, er schreibt so packend, dass ich mich gleich in der Geschichte wiederfinden konnte.


    Ein paar Probleme hatte ich doch während des Lesens: der Roman war für mich einfach zu lang und daher manchmal ziemlich ermüdend, so dass ich meistens nicht viele Seiten am Stück lesen konnte. Die zentralen Themen werden immer wieder durchgekaut, was ich zuweilen etwas nervig fand. Das ist echt schade, aber hier wäre weniger echt mehr gewesen.


    Das Ende mag vielleicht etwas "unrealistisch" wirken, aber ich mochte es sehr, weil es den Kreis sozusagen schließt.


    Meine Bewertung
    Hier habe ich mich etwas schwergetan, aber da das Ende mir gut gefallen hat, bekommt das Buch doch 4ratten von mir.

  • Im großen und ganzen habe ich das Buch damals ähnlich gesehen wie Du. Es war vielleicht hier und da ein wenig lang(atmig), aber insbesondere die Passagen über Musik waren großartig, und das Thema Rassentrennung in den USA erschreckt mich immer wieder aufs neue, wenn ich mir vor Augen führe, wie "kurz" das erst her ist ...

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Ja, das mit der Rassentrennung hat mich auch erschreckt. Vor allem konnte ich aus dem Buch gar nicht herauslesen, wann denn nun Schwarze und Weiße (zumindest gesetzlich) gleichgestellt worden sind, oder habe ich das überlesen? :gruebel:


    Aber daran sieht man auch, dass Gesetze so gut wie gar nichts gegen die Vorurteile, die in den Menschen immer noch tief verwurzelt sind, tun können.

  • *Thread mal nach oben zerr*


    Ich lese gerade "Der Klang der Zeit" und bin nicht wirklich begeistert. Der Schreibstil ist mir zu ausschweifend und auch die Geschichte gibt mir so gut wie nichts. Das Wenige, das bisher über die Rassentrennung gesagt wurde, finde ich sehr interessant und ist eigentlich auch das einzige Thema, was mich bei der Stange hält.
    Obwohl ich mich für Musik und all seine Komponenten interessiere, ist mir dieser Themenbereich in dem Buch zu langweilig und einseitig dargestellt ... bisher. Es kann ja noch besser werden. Zumindest würde ich mir wünschen, dass vielleicht Jazz oder Blues miteinbezogen wird und nicht immer nur Opern bzw. klassische Musik.


    Ich werde auf jeden Fall noch ein bisschen weiter lesen, hoffe aber darauf, dass noch etwas Spannung aufkommt.

    "Bücher lesen heißt wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben über die Sterne." (Jean Paul)

  • Okay, ich muss meine Meinung aus dem Post vorher revidieren. Zwar habe ich ziemlich lange gebraucht, bis ich mich eingelesen hatte, aber dann hat das Buch mich wirklich gefesselt. Mit Hilfe der Leserunde hier im Forum und der sehr nützlichen Zeittafel am Ende des Buches konnte ich richtig in die Geschichte eintauchen und habe sehr interessiert Josephs Erzählungen "gelauscht".


    Obwohl Joseph der Erzähler ist, erfährt man über ihn selbst eigentlich nur wenig. Als Mischlingskind wächst er zusammen mit seinem älteren Bruder Jonah und seiner jüngeren Schwester Ruth in der Gebrogenheit seiner Familie auf. Die Eltern, ein weißer, jüdischer Deutscher und eine schwarze Sängerin, eröffnen ihren Kindern von klein auf die Welt der Musik. Und mit dieser Musik muss man sich als Leser auf jeden Fall auseinandersetzen. Ich glaube, es ist schwierig, dieses Buch zu mögen, wenn man keinerlei Verständnis für Musik hat. Powers geht immer wieder detailliert auf den Zauber von Musik allgemein, von Jonahs Stimme oder von bestimmten Kompositionen ein. Musik ist einfach allgegenwärtig und man muss sich auf dieses "stumme Klangexperiment" einlassen können. Ich persönlich fand diese Beschreibungen größten Teils toll, allerdings haben sie mich zum Schluss hin (bis auf das Kinderkonzert) dann doch etwas genervt.


    Richard Powers vermag es gekonnt, das Musikthema mit den Rassenkonflikten in den USA zu verknüpfen. Irgendwo (ich glaube, auf Amazon) hat jemand die Meinung vertreten, dass dieses Thema total verschenkt wurde. Ich bin da ganz andere Meinung. Abgesehen davon, dass viele wichtige Ereignisse auf dem langen Weg zur Gleichberechtigung wirklich intensiv miteinbezogen werden (z.B. das Konzert von Marian Anderson, der Fall Emmett Till, Martin Luther King, ...) ist die Frage nach der Identität allgegenwärtig. Als Mischlingskinder gehören Jonah, Joseph und Ruth weder zu den Weißen noch zu den Schwarzen. Jedes der drei Kinder geht mit diesem Identitätsproblem anders um und es ist faszinierend, sie auf ihrem Weg zu begleiten.


    Auch die Physik bzw. die Zeit spielt eine Rolle. Leider muss ich sagen, dass ich davon sehr wenig bis gar keine Ahnung habe und die Erklärungen von Josephs Vater meistens eher überflogen habe.


    Das Buch hat seine Schwächen und Stärken. Der Einstieg fiel mir wirklich schwer und zum Schluss hin fand ich die Geschichte etwas zäh, den

    hätte ich nicht unbedingt noch gebraucht. Auch gingen mir irgendwann die ganzen ausführlichen Musikbeschreibungen auf den Wecker. Aber die Lebensgeschichte der drei Geschwister und deren Eltern fand ich spannend, die Figurenkonstellationen und die Charaktere gelungen. Dieses Buch hat mit außerdem die Rassenkonflikte in den USA näher gebracht, eigentlich hatte ich gedacht, dass das alles schon viel länger her ist.


    Insgesamt bin ich von einigen Aspekten ziemlich fasziniert, Ausgrenzung und Identitätssuche ziehen sich durch das komplette Buch und ergeben so einen roten Faden. Allerdings hatte die Geschichte auch einige Längen und ich würde es nicht nochmal lesen wollen. Deswegen von mir
    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:


    Meine Empfehlung zum Schluss: Wer die Möglichkeit bzw. die Lust dazu hat, sollte dieses Buch mit anderen zusammen lesen. Es hinterlässt so viele Eindrücke und es gibt so viele Details, die man in einer abschließenden Rezi gar nicht alle ansprechen kann bzw. bis zum Schluss vielleicht wieder vergessen hat. Ein regelmäßiger Austausch lohnt sich hier auf jeden Fall. :winken:

    "Bücher lesen heißt wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben über die Sterne." (Jean Paul)

  • Man - das häste mal eher sagen können, dann hätten wir es mindestens zu zweit anpacken können... schade, aber schön, dass es dir dann doch noch gefallen hat. :winken:

    Liebe Grüße JaneEyre

    Bücher haben Ehrgefühl. Wenn man sie verleiht, kommen sie nicht zurück.

    Theodor Fontane


  • Man - das häste mal eher sagen können, dann hätten wir es mindestens zu zweit anpacken können... schade, aber schön, dass es dir dann doch noch gefallen hat. :winken:


    :traurig: Tut mir Leid, aber wie gesagt, ich hab ja erstmal 150 Seiten zum einlesen gebraucht ... da hab ich noch an keine Leserunde gedacht. Aber wenn dus gelesen hast, können wir uns gerne mal austauschen. :winken:

    "Bücher lesen heißt wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben über die Sterne." (Jean Paul)

  • mondy
    Ich habe deine Rezension sehr gerne gelesen, ich habe beim Lesen in etwa wie du empfunden. Im Nachhinein würde ich wohl mit meiner Bewertung auch etwas runtergehen. Wenn ich an meine Lektüre zurückdenke, fällt mir als erstes ein, wie langatmig ich das Buch teilweise empfand. Ansonsten sind mir von der Handlung - ca. 2,5 Jahre nachdem ich es gelesen habe - nicht viele Einzelheiten im Kopf geblieben, sonst könnte ich hier einen gehaltvolleren Beitrag schreiben. Ich kann aber noch mal durchs Buch blättern und schauen, ob mir etwas auffällt.


    JaneEyre
    Ich bin schon gespannt auf deine Meinung. :winken:

  • Meine Lektüre liegt schon einige Jahre zurück, aber an die Musikschilderungen kann ich mich noch gut erinnern - ich lese so etwas sehr gerne, wenn es gut gemacht ist, und ich fand es hier gut gelungen, kann aber nachvollziehen, dass jemand, der nicht ganz so musikverrückt ist wie ich, davon auf Dauer vielleicht genervt ist.


    Auch für mich hatte das Buch hier und da Längen, insgesamt habe ich es aber in sehr guter Erinnerung. Die Bürgerrechtsbewegung hat man mir selten in Buchform so gut nahegebracht wie hier.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Die Musikschilderungen fand ich auch toll, ich lese alles gerne, was irgendwie mit Musik zu tun hat, auch wenn ich in der klassischen Musik nicht so bewandert bin.


    Auch das mit der Bürgerrechtsbewegung fand ich sehr eindrücklich geschildert. Ich kann gar nicht genau sagen, warum ich das Buch so langatmig fand, vielleicht lag es am ausschweifenden Erzählstil? :gruebel:

  • Kann schon sein. So toll ich dieses Buch hier fand, mit einem anderen Roman von Powers habe ich mich entsetzlich gequält, weil mir alles so zäh und bedeutungsüberfrachtet und konstruiert vorkam.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Du meinst nicht zufällig "Das Echo der Erinnerung"? :zwinker: Das fand ich ebenfalls ziemlich zäh, auch wenn es ganz interessante Themen behandelt hat.

  • Doch. Danke. Ich hatte sogar den Titel verdrängt.


    Der Ansatz hat mir gut gefallen, aber diese extreme Düsternis und die ewigen Kraniche sind mir ziemlich auf den Wecker gefallen.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





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    Klappentext:
    In einem Roman mit großen Figuren, farbigen Dialogen und vor dem Tableau der Rassenunruhen der letzten Jahrzehnte Amerikas erzählt Richard Powers die Geschichte einer Familie mit zwei Hautfarben die eines vor den Nazis geflüchteten jüdischen Wissenschaftlers und einer Afroamerikanerin. Ihre Ehe wäre in vielen Staaten der USA noch ein Verbrechen, doch in New York fühlen sie sich sicher. Sie vertrauen ganz auf den amerikanischen Traum, dass sich jeder selbst neu erfinden kann. Mithilfe der Musik bauen sie ein Nest, das alle Dissonanzen der Welt fernhalten soll. Und es scheint zu gelingen: Der älteste Sohn wird ein gefeierter Tenor und Liedsänger, der mittlere begleitet ihn am Klavier, und einzig die Tochter durchschaut, dass sich nur Weiße leisten können, über die Hautfarbe hinwegzusehen, und schließt sich den Black Panthers an.


    Die Geschichte wird erzählt, von dem jüngeren Bruder Joey. Er erzählt, von den musikalischen Abenden in der Familie, der Bedeutung von Musik für alle Familienmitglieder und den Schwierigkeiten für Jonah eine geeignete Schule zu finden mit Schwerpunkt musikalische Ausbildung. Probleme verursachen die schwarze Mutter und der jüdische Vater. Nach wie vor existiert Rassismus und hier in dieser Familie sind die Kinder diesem so richtig ausgesetzt. Allerdings macht die Liebe der Eltern und die Geschwister alles erträglich.
    Es ist schön zu lesen, wie Richard Powers Musik beschreibt und wie es ihm gelingt, akustisches in Worte zu fassen, dass man glaubt, das beschriebene zu hören. Es mag sein, dass jemandem, der mit Musik nicht so viel am Hut hat, vielleicht ein wenig langatmig erscheinen mag, aber jeder Musiker, wird sich irgendwo in diesem Buch wieder finden. Ich bin erst ganz am Anfang des Buches und bin gespannt, wie es mit der Familie weitergeht. Sie alles sind mir schon nach den ersten Seiten ans Herz gewachsen.

  • Dieser Roman ist nicht immer in der chronologischen Reihenfolge geschrieben, denn sehr oft gibt es Rückblicke in das Leben von Delia, der Mutter von Jonah und Joey, was aber in diesem Buch überhaupt nicht störend wirkt, denn diese Einschübe nehmen immer direkten Bezug auf die Geschichte und erklären sehr oft, die ansonsten unverständlich heftigen Reaktionen von Delia. Ist ist immer wieder schockierend was dumme Ignoranz Menschen antun kann.


  • Es ist schön zu lesen, wie Richard Powers Musik beschreibt und wie es ihm gelingt, akustisches in Worte zu fassen, dass man glaubt, das beschriebene zu hören. Es mag sein, dass jemandem, der mit Musik nicht so viel am Hut hat, vielleicht ein wenig langatmig erscheinen mag, aber jeder Musiker, wird sich irgendwo in diesem Buch wieder finden.


    Die Musikschilderungen sind mit das, was mir von diesem Buch am allermeisten in Erinnerung geblieben ist :herz:


    Vor einigen Jahren hatten wir hierzu eine schöne Leserunde, vielleicht magst Du die auch nachlesen.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen






  • Es ist schön zu lesen, wie Richard Powers Musik beschreibt und wie es ihm gelingt, akustisches in Worte zu fassen, dass man glaubt, das beschriebene zu hören. Es mag sein, dass jemandem, der mit Musik nicht so viel am Hut hat, vielleicht ein wenig langatmig erscheinen mag, aber jeder Musiker, wird sich irgendwo in diesem Buch wieder finden.


    Bist du denn musikalisch begabt ?Wenn ja konnstest du dich bis jetzt in dem Buch wiederfinden ?
    Die Kombination Schwarz+ Jude findet man auch nicht zu häufig, kann mir also gut vorstellen wie die rassistischen Komentare sind :grmpf:


  • Bist du denn musikalisch begabt ?Wenn ja konnstest du dich bis jetzt in dem Buch wiederfinden ?


    Zu Frage Nummer 1: Wenn ich den ersten Geiger unserer Ensembles zitieren darf: "Du bist ein taktloses Suppenhuhn!" :breitgrins:
    Zu Frage Nummer 2: aber es macht viel Spaß. Ich spiele Klarinette und ich habe die Freude an der Musik erst durch das musizieren mit anderen in ihrer Gänze kennengelernt. Musik ist die einzige Sprache, welche in jedem Land dieser Erde verstanden wird. Man kann vielleicht nicht mit Fremden reden, aber man kann mit jedem fremden Musiker musizieren.