Wally Lamb - Die Stunde, in der ich zu glauben begann/The Hour I First Believed

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  • Kurzbeschreibung:
    Erst vor Kurzem sind Caelum und seine Frau Maureen nach Colorado gezogen. Doch was ein Neubeginn für ihre Ehe sein soll, findet durch den Amoklauf an der Columbine Highschool ein abruptes Ende. Mitten in dem blutigen Massaker: Maureen, die den Anschlag versteckt in einem Wandschrank überlebt. Traumatisiert flüchtet sie in eine eigene Welt - und zwingt so auch Caelum, sich seinen Ängsten zu stellen und jenes dunkle Rätsel seiner Herkunft zu lösen, vor dem seine Tante ihn zu schützen versuchte. Eine Tour de force durch die Abgründe der menschlichen Seele, mit der Wally Lamb sein erzählerisches Können und sein Gespür für die großen Themen des Lebens unter Beweis stellt.


    Über den Autor:
    Wally Lamb, geboren 1950, wurde durch seine beiden Romane Die Musik der Wale (1998) und Früh am Morgen beginnt die Nacht (1999), die in 15 Ländern erschienen, auch bei uns zum Bestsellerautor. Lange Zeit als Englischlehrer an einer Highschool an der Ostküste der USA tätig, gibt Lamb seit einigen Jahren in einem Frauengefängnis Kurse in Creative Writing und setzt sich auch politisch für eine Verbesserung der Bedingungen der Gefangenen ein. Wally Lamb hat drei erwachsene Söhne und lebt mit seiner Frau in Connecticut, USA.


    Meine Meinung:


    Erzählt wird die Geschichte von Caelum und Maureen, beide angestellt an der Columbine High Scholl, an der zwei Schüler ein furchtbares Massaker anrichten.


    Maureen überlebt, ist seitdem jedoch schwer traumatisiert.


    Caelum versucht verzweifelt Zugang zu ihr zu finden, hat aber nur wenig Erfolg, wobei er allerdings auch etliche Fehler macht (aus meiner Sicht als Frau). Zudem verhält er sich inkonsequent, verlangt von seiner Frau, sich Hilfe zu suchen und an sich zu arbeiten, verleugnet selbst aber vor anderen Maureens Probleme und kann sich seinen eigenen Abgründen nicht stellen.


    Nebenbei wird man tiefer in die Geschichte der Familie Quirk eingeführt, die, wie sich herausstellt, ziemlich verkorkst zu nennen ist und "etliche Leichen im Keller" hat.


    Langsam erschließt sich, was Caelum zu dem Menschen gemacht hat, der er ist. Und es müssen sich viele Katastrophen und Rückschläge ereignen, ehe er mit sich selbst ins Reine kommt.




    Als ich das Buch das erste Mal in die Hand genommen habe, war ich wegen des Titels etwas skeptisch, da ich religiöser Literatur nicht sonderlich zugetan bin. Ich wurde allerdings positiv überrascht, der Titel erklärt sich erst auf den letzten Seiten und die Geschichte selbst ist nicht auf Religiöses ausgerichtet.


    Vielmehr blickt man in die Abgründe menschlicher Seelen, sieht was Tiefschläge aus Menschen machen können, leidet mit den Hauptpersonen mit, auch wenn man ihnen manchmal einen Tritt versetzen möchte.


    Wally Lamb hat neun Jahre an diesem Roman gearbeitet und dabei die jeweils aktuellen Weltgeschehen in die Handlung eingearbeitet. Man sieht auch deutlich, dass die Geschichte nicht "hingeworfen", sondern durchdacht und liebevoll ausgearbeitet wurde.


    Seine Personen reden wirklich so, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist, was ich sehr erfrischend finde und wodurch ich mich noch besser in ihre Gedankenwelt einfinden konnte.


    Einzig die Familienchronik (zurückreichend bis mindestens zur Ururgroßmutter) hätte ich mir machmal etwas kürzer gewünscht, obwohl sie im Ganzen unabdingbar ist.


    Ein schönes, nachdenkliches und mitreißendes Buch.

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    EDIT: Betreff ganz leicht angepasst. (Komma eingefügt.) LG, Saltanah

    Einmal editiert, zuletzt von Saltanah ()

  • Danke für die Buchvorstellung, Manuela!
    Dank ihr ist das Buch auf meinem Wunschzettel gelandet. Ich habe zwei andere Bücher von Lamb gelesen, die mir beide recht gut gefallen haben, auch wenn sie nicht perfekt waren.


    Einzig die Familienchronik (zurückreichend bis mindestens zur Ururgroßmutter) hätte ich mir machmal etwas kürzer gewünscht, obwohl sie im Ganzen unabdingbar ist.


    So ging es mir mit "Früh am Morgen beginnt die Nacht" auch. Es scheint wohl ein typischer Zug von Lamb zu sein, dass er die Vergangenheit ausführlichst schildern "muss".

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Inhalt:
    Caelum und Maureen führen keine Bilderbuchehe, aber sie bemühen sich, ihre Probleme so weit wie möglich im Griff zu haben, als das Schulmassaker von Littleton ihr ganzes Leben verändert. Maureen muss das Attentat von Eric Harris und Dylan Klebold hautnah miterleben und leidet danach an Posttraumatischem Stresssyndrom. Sie zieht sich immer mehr von Caelum zurück und ihre Ehe zerbricht beinahe daran. Doch kaum scheinen die beiden auf dem Weg der Besserung, geschieht ein weiteres Unglück...


    Meine Meinung:
    In seinem neuen Roman hat Wally Lamb sehr geschickt reale Ereignisse mit fiktiven Personen verknüpft. „Die Stunde, in der ich zu glauben begann“ ist ein sehr ergreifendes und emotionales Buch mit sehr realen Charakteren, die alle ihre Stärken und Schwächen haben und ihre Probleme zu meistern versuchen. Man könnte fast glauben, dass Maureen und Caelum zu hart vom Schicksal geprüft werden, aber die Entwicklung des Romans ist in allen Punkten nachvollziehbar und lässt sich komplett auf das zentrale Ereignis, die Schießerei an der Columbine High School, rückbeziehen.


    Das Buch ist nicht immer leicht zu lesen, was aber keineswegs am Schreibstil liegt. Die Geschichte ist klar und leicht verständlich geschrieben und wird aufgelockert durch eingefügte E-Mails, Briefe und Zeitungsartikel, so wird das Buch trotz der über 700 Seiten nie langweilig oder eintönig. Die Schwierigkeit liegt eher daran, dass Gefühle so detailiert und eindringlich beschrieben sind, dass man gar nicht anders kann, als sich in die Situation der Charaktere hineinzuversetzen. Diese Emotionen entwickeln einen unglaublich starken Sog, in den man als Leser hineingezogen wird. Es bleibt einem gar nichts anderes übrig, als sich selbst auch mit diesen Gefühlen auseinanderzusetzen, die die Stimmung negativ beeinflussen können.


    Schon lange habe ich kein so bewegendes und mitreißendes Buch mehr gelesen, das man am liebsten nicht mehr aus der Hand legen möchte. Man sollte sich auf keinen Fall von dem pseudo-religiösen Titel abschrecken lassen oder etwas falsches versprechen. Das Buch will den Leser nicht missionieren oder zum einzig wahren Glauben bekehren, die Frage nach Gott spielt für Caelum in schwierigen Zeiten immer wieder eine Rolle, dominiert das Buch aber nicht so, wie man vom Titel schließen könnte.


    Im letzten Drittel nimmt Caelums Familiengeschichte und Vergangenheit immer mehr Raum in der Geschichte ein. An manchen Stellen hätte ich mir da leichte Kürzungen gewüncht, vieles war mir zu ausführlich und zog sich etwas in die Länge. Allerdings hat mich der bewegende und sehr gelungene Schluss wieder versöhnt, deshalb kann ich auch gar nicht anders als die volle Punktzahl zu vergeben!


    5ratten

    ~~better to be hated for who you are, than loved for who you&WCF_AMPERSAND're not~~<br /><br />www.literaturschaf.de

  • Aus der Buchbeschreibung will man schließen, dass es sich um einen Roman über die Folgen des Amoklaufs an der Columbine Highschool handelt. Das allein wäre schon eine tolle schriftstellerische Leistung gewesen. Doch dieser Roman bietet sehr viel mehr.


    Der Ich-Erzähler Caelum ist Lehrer an der Columbine Highschool, seine Ehefrau Schulkrankenschwester. Caelum ist ein Mann aus dem Leben voller Kanten und Ecken. Er ist zum dritten Mal verheiratet und insgesamt eine widersprüchliche Persönlichkeit mit einem nicht eben geordneten Leben. Nach einem Seitensprung seiner Frau muss er in eine Anti-Aggressions-Therapie, weil er mit einer Rohrzange auf seinen Nebenbuhler losging. Seine Frau Mo wird von einer ziemlich auffälligen Schülerin „Mom“ genannt und erfährt aus seiner Sicht zu viel Aufmerksamkeit von dieser. In seiner alten Heimat liegt seine geliebte Tante Lolly im Sterben, die ihn nach dem Tode seiner Mutter aufgezogen hatte. Kaum ist er an ihrem Sterbebett angekommen, erfährt er von dem Amoklauf an seiner Schule. In größter Sorge um seine Frau überlässt er anderen Lollys Beerdigung.


    Lange kann der Leser nicht darüber erleichtert sein, dass Mo unverletzt ist. Meine Befürchtung, dass sie schwer traumatisiert ist, bewahrheitet sich schon bald. Jeder Knall triggert sie. Kein Arzt oder Psychotherapeut kann ihr helfen. Mo und Caelum erleben einen Tiefschlag nach dem anderen.


    Aus meiner Erfahrung mit traumatisierten Opfern von belastenden Ereignissen ist dieses Buch sehr gut recherchiert. Ich werde es Kollegen weiter empfehlen, die am Beginn ihrer Ausbildung in „psychischer Erster Hilfe“, „Basisnotfallnachsorge“, „Notfallseelsorge“ o.ä. stehen.


    Meine Befürchtung, es könnte ein religiös belehrendes oder gar bekehrendes Buch sein, hat sich zum Glück nicht bestätigt. Der Autor versteht es, mich über mehr als 700 Seiten zu fesseln. Dabei ist es egal, ob es um die Aufarbeitung seiner Kindheit geht oder um den Amoklauf oder die Haftbedingungen in US-amerikanischen Frauengefängnissen. Ich bin beeindruckt und vergebe 5ratten

  • Hier meine Rezension:



    Wer sucht was er wünscht, findet das, was er braucht



    Inhalt:


    Caelum & Maureen sind seit Jahren - mal mehr und mal weniger glücklich - verheiratet und arbeiten beide an der Columbine Highschool. Caelum ist dort Lehrer, während Maureen eine Teilzeitstelle als Krankenschwester hat.
    An einem Tag im April ändert sich ihr Leben für immer, zwei Schüler zünden Bomben an der Schule und erschießen mehrere Schüler und einen Lehrer. Maureen hält sich die ganze Zeit über in der Schule auf, versteckt in einem Schrank, Caelum ist aus familiären Gründen unterwegs. Maureen überlebt, doch sie ist nicht mehr dieselbe. Sie hat Angst, ist wütend, macht sich Vorwürfe, ist völlig traumatisiert und wird süchtig. Das Ehepaar beschließt umzuziehen, denn gerade hat Caelum die Farm seiner Tante Lolly in Connecticut geerbt. Tatsächlich geht es Maureen nach weiteren Rückschlägen irgendwann besser und sie beginnt wieder als Krankenschwester zu arbeiten. Doch die Panik lässt sie nicht los, bei jedem Vorfall wird Maureen zittrig und beginnt schließlich sich Beruhigungsmittel zu spritzen. Eines Abends fährt sie unter Medikamenteneinfluss einen jungen Mann tot und wird zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt.
    Caelum bleibt alleine zurück und bald tauchen Unterlagen seiner Vorfahren auf, er begibt sich auf deren Fährte und entdeckt beeindruckendes und erschreckendes zugleich.
    Wird es Caelum gelingen sein Leben wieder lebenswert zu leben?


    Meine Meinung:


    Die Covergestaltung des Romanes ist auf den ersten Blick wenig aussagekräftig, doch nach dem Lesen passt sie bestens zum Inhalt. Wie der Mann auf dem Cover dreht Caelum seiner Vergangenheit den Rücken zu und wirkt desinteressiert und gleichgültig. Doch je mehr er über seine Familie erfährt, desto interessierter und faszinierter wird er.


    Wer denkt, dass es nur um den Amoklauf an der Columbine High geht, liegt völlig falsch. Auch die Religion hat immer nur wieder kurze Auftritte und bestimmt das Buch keineswegs.
    Das Buch enthält die Geschichte eines starken Mannes, der durch Freundschaft, Liebe, Religion - aber auch Angst, Unverständnis und Hass, etwas findet, an das er glauben kann.


    Das Geschehen wird aus Sicht von Caelum in der Ich-Form geschildert.
    Die Sprache ist ehrlich, offen, modern und vorantreibend, aber situationsbedingt auch mal derb, mitfühlend und emotional.
    Sie zieht den Leser ins Geschehen und wirkt sehr natürlich und angepasst.


    Die Protagonisten sind sympathisch und bis ins kleinste Detail ausgearbeitet. Ihre Vergangenheit ist eng mit ihren jetzigen Handlungsweisen verknüpft. Ihr Gefühlsleben ist glaubhaft und nachvollziehbar, ihr Handeln so durchaus verständlich.


    Die Handlung allerdings ist leicht überladen, irgendwie wirkt es doch etwas zweifelhaft, das ein und dieselbe Person so viele negative Erlebnisse haben kann.
    Allerdings enthält der Roman auch 750 Seiten in denen natürlich etwas passieren muss, um den Roman nicht langweilig oder langatmig werden zu lassen. Viele Rückblenden, Zeitungsartikel, Tagebuchauszüge & Briefe aus dem 19. Jahrhundert... sorgen immer wieder für den nötigen Schwung und für Abwechslung im Verlauf der Geschichte.
    Teils ist es zwar etwas schwer die Zusammenhänge zu erkennen, aber kurz darauf wird auch alles wieder aufgeklärt und am Ende hat man ein fertiges Puzzle, in dem jedes Teil bestens passt.
    Der Roman umfasst einen Zeitraum von mehreren Jahren, so dass die Entwicklung der Protagonisten genau verfolgt werden kann.


    Fazit:


    Ein überzeugender Roman, der sicherlich auch ohne den ein oder anderen Schicksalsschlag ausgekommen wäre.
    Ein Buch, dem es weder an Spannung, noch an Gefühl fehlt und das Mut macht und zeigt, dass jeder Rückschlag nur noch mehr Kraft gibt, um das zu suchen (und zu finden), was man wirklich braucht.

  • Wie viel Leid kann ein Mensch ertragen? Nach einer schwierigen Kindheit und mehreren Scheidungen wird Cealum Quirks Frau Maureen ein überlebendes Opfer des Amoklaufs in Columbine. Nachdem es schon zu mehreren Todesfällen in seiner Familie kam, wird ihm bewusst, dass seine Frau der größte Verlust in seinem Leben wäre. Maureen überlebt und starb doch an diesem Tag. Traumatisiert lebt sie in den Tag hinein, versucht sich zu betäuben, will es schaffen und kann es nicht. Tablettensucht, Verkehrsunfall und Gefängnis. Der Kampf gegen die Schulden, um die eigene Existenz und die ganze Zeit fragt man sich: Was wäre wenn? Was wäre wenn Sie an diesem Tag nicht zur Arbeit gegangen wäre, wenn ich das Richtige gesagt hätte, wenn ich bei ihr gewesen wäre, wenn sie die Medikamente nicht genommen hätte. Mit diesem „Wenn“ quält sich Cealum. Er kann sich diese Fragen noch so oft stellen, sein Leben und das seiner Frau ist geprägt von Leid und Trauer. In dem Roman folgt eine Tragödie der Anderen. Doch am Anfang steht immer Columbine. Wie ein Virus hat es sich in das Leben der Beiden festgesetzt, lässt sie nicht mehr los und bestimmt ihre Zukunft.
    Das Buch lässt mich an die Hiobsbotschaft denken. Als würden Cealum und Maureen getestet werden, wann sie aufgeben. Dieses Buch hat kein Happy End. Doch die Tatsache, dass die Beiden durchhalten, schließt die Lücke, die am Ende eines solch traurigen Buches sonst entstehen würde.
    Anfangs hat mich der Titel ein wenig abgeschreckt. „Die Stunde, in der ich zu glauben begann“ hört sich nach einem Roman an, der das Ziel verfolgt, zum richtigen Glauben zu führen. Dass dies nicht zwingend etwas mit dem einen Gott zu tun haben muss, beweist der Protagonist Cealum, der am Ende des Romans auf seine Weise zu glauben lernt.
    Ich lese selten Bücher, die mehr als 400 Seiten schwer sind und ich habe noch nie ein solches Buch innerhalb weniger Tage durchgelesen. Der breite Themenumfang lässt nicht zu, dass das Lesen in irgendeinem Moment langweilig zu werden droht. Es ist ein traurigschöner Roman, der Aufmerksamkeit verdient.

  • Hallo!


    Die beiden ersten Romane von Wally Lamb fand ich schon hervorragend und dieses macht da Gott sei Dank keine Ausnahme. Genau kann ich es nicht benennen, was seine Romane so besonders macht. In diesem Fall mag ich besonders die Mischung aus dem, wie die Charaktere mit ihrem (zumeist harten) Schicksal umgehen und alter Familiengeschichte. Vor allem letzteres mag ich sehr, deswegen haben mich die Einschübe, die z.B. aus Briefen von Caelums Vorfahren bestanden, überhaupt nicht gestört, im Gegenteil, darüber hätte ich gerne noch mehr gelesen.


    Aber auch mit den Charakteren konnte ich sehr gut mitleiden, auch wenn sie mir nicht immer sympathisch waren. Mag sein, dass ihnen etwas viel Unglück zustößt, aber gerade wie sie mit diesem Unglück umgehen, macht das Buch so interessant. Ich finde es toll, dass Lamb die Opfer von Columbine namentlich nennt, das macht die Realität des Ereignisses sehr greifbar, auch wenn sie aus der Sicht von fiktiven Figuren geschildert werden.


    Sehr schön fand ich auch, dass einige Charaktere aus "Früh am Morgen beginnt die Nacht" wieder auftauchen, da fühlt man sich gleich fast wie Zuhause.


    Das Ende hat mich ziemlich erschüttert.

    Dennoch ist es sehr hoffnungsvoll, vor allem als der Bezug zum Titel hergestellt wird.


    Fazit: Für mich ein ganz wunderbares Buch, dem ich ohne zu Zögern fünf Ratten gebe.


    5ratten

  • Caelum und Maureen Quirk arbeiten in einer High School in Colorado, er als Lehrer, sie als Schulkrankenschwester. Nach einer schweren Beziehungskrise hat sich ihr Verhältnis weitgehend normalisiert, als an einem Tag im April 1999 zwei Schüler schwerbewaffnet die Schule stürmen und ein Massaker unter Kameraden und Lehrern anrichten. Die Bilanz sind zahlreiche Verletzte und Tote, trauernde und geschockte Angehörige und traumatisierte Augenzeugen.


    Maureen ist eine dieser Zeuginnen, in einem Schrank versteckt ist sie von dem Amoklauf verschont geblieben und zumindest körperlich unversehrt. Seelisch jedoch hat sie schwere Schäden erlitten, und Caelum leidet seinerseits sehr darunter, dass er in einer Familienangelegenheit an der Ostküste unterwegs war, als die beiden Jungen das Feuer eröffneten.


    Wiederum ist ihre Beziehung stark belastet, der Umgang miteinander erschwert, es fällt ihnen schwer, sich einander anzuvertrauen und Verständnis aufzubringen. Maureen ist völlig aus der Bahn geworfen, arbeitsunfähig, wie gelähmt, während Caelum hin- und hergerissen ist zwischen widerstreitenden Gefühlen, dem Bedürfnis, ihr zu helfen und seiner Wut über das Geschehene und die fundamentale Veränderung des gemeinsamen Lebens.


    Ein wenig ablenken kann sich Caelum durch die Beschäftigung mit seiner eigenen Vergangenheit und der seiner Familie - mit seinem alkoholkranken Vater, seiner Zwillingsschwester, die Caelums Ersatzmutter war, der früh verstorbenen Mutter, der respekteinflößenden Urgroßmutter, die einst ein Frauengefängnis gründete, in dem sie die Frauen durch respektvollen Umgang zu rehabilitieren versuchte.


    Vom Klappentext her war eine Auseinandersetzung mit dem Amoklauf an der Columbine High School zu erwarten. Diese findet auch im ersten Teil des Buches mit eindringlichen und beängstigenden Schilderungen statt, die tatsächlichen Personen und Vorfälle werden in die Handlung eingebunden (eine Technik, mit der ich mich ein bisschen schwertue - eine legitime Bemühung um Authentizität oder doch auch ein bisschen Voyeurismus? )


    Später ufert das Buch in verschiedene Richtungen aus. Ausgelöst durch Maureens Columbine-Trauma kommt es zu einem folgenschweren Ereignis, das ihr und Caelums Leben noch einmal auf den Kopf stellt. Dieses Geschehnis und seine Folgen spielen im zweiten Teil des Buches eine tragende Rolle, des weiteren setzt sich Caelum seiner Familiengeschichte auf die Spur, wühlt in alten Aufzeichnungen und Briefen und setzt daraus ein mehrere Generationen umspannendes Familienbild zusammen.


    Ein wenig kam es mir vor, als habe sich Lamb nicht ganz entscheiden können, welches Buch er schreiben will - die durchaus spannende Geschichte der Quirks oder doch die von Columbine und den Folgen. Jeder Ansatz für sich genommen hätte bereits ein Buch füllen können, so wirkt der Roman oft etwas überfrachtet. Auch wenn am Ende die verschiedenen Fäden ganz gut verwoben werden, ist der Roman so randvoll mit den großen Themen des Lebens und der jüngsten Zeitgeschichte - Liebe, Vertrauen, Glaube, Familie, Selbstverwirklichung, Kinder, 9/11, Columbine, Hurrikan Katrina, die Zustände in amerikanischen Gefängnissen einst und jetzt - dass ein bisschen weniger vielleicht mehr gewesen wäre.


    Ein weiterer kleiner Störfaktor war anfangs die Wiederholung bestimmter Kindheitsgeschichten, später geschah das zum Glück nicht mehr. Ansonsten stilistisch nicht die große Kunst, aber gut zu lesen.


    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Vor vielen, vielen Jahren habe ich schon zwei andere Bücher des Autors gelesen und in Folge dessen ist auch dieses Buch auf meinem SUB gelandet. Der religiös klingende Titel hat mich dann aber immer wieder abgeschreckt, es tatsächlich zu lesen. Aber das Forum hilft mit diversen Wettbewerben, solche Altlasten letztlich doch mal in die Hand zu nehmen. Vorweg gesagt - es war überhaupt nicht so religiös wie befürchtet, und zu glauben beginnt der Protagonist erst auf der letzten Seite.


    Hauptfigur ist Caelum, ein Lehrer, zum dritten Mal verheiratet und auch diese Beziehung läuft nicht glatt. Ihm fällt es schwer, Gefühle zu zeigen und sich zu öffnen, auch ein Antiaggressionstraining wurde ihm bereits verordnet. Ausgerechnet als Caelum ans Sterbebett seiner Lieblingstante eilt, wird die Schule, an der er und seine Frau Maureen arbeiten, zum Schauplatz eines Amoklaufs. Maureen überlebt, ist aber traumatisiert. Gemeinsam versuchen sie, darüber hinwegzukommen, doch das ist harte Arbeit voller Rückschläge. Caelum wird dabei realistisch, aber dadurch auch manches Mal ziemlich unsympathisch geschildert, während es mir bei den anderen Figuren an Tiefe fehlte, man nahm sie größtenteils durch Caelums Augen wahr, dessen Aufmerksamkeit hauptsächlich sich selbst galt.


    Lamb deckt gleich drei große US-amerikanische Schreckensereignisse ab, das Columbine-Highschool-Massaker bildet die Ausgangsbasis für den Roman, aber auch Sturm Katrina und der 11. September mit dem darauffolgenden Krieg spielen eine Rolle. Für mich hat der Autor durch die jeweils damit verknüpften Handlungsseitenstränge sowie einiger weiterer Ereignisse, die seinen Figuren zustoßen, einfach zu viel in dieses Buch hineingepackt, der Stoff hätte locker für drei weitere Bücher gereicht.


    Gut erzählt ist das ganze allerdings schon, das muss man Lamb zugestehen und auch die Ausflüge in die entferntere Vergangenheit wären zwar meiner Meinung nach nicht bzw. nicht so ausführlich nötig gewesen, sind aber prinzipiell schon interessant.


    Wirklich begeistert bin ich allerdings nicht, der Roman ist meiner Meinung nach zu überfrachtet und zudem auf eine schwierig zu mögende Person konzentriert.


    3ratten:marypipeshalbeprivatmaus:

  • Da sind wir ja mal wieder einer Meinung ;)


    Der Titel ist im Original ("The Hour I First Believed") ein Zitat aus "Amazing Grace".

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Valentine

    Hat den Titel des Themas von „Wally Lamb - Die Stunde, in der ich zu glauben begann“ zu „Wally Lamb - Die Stunde, in der ich zu glauben begann/The Hour I First Believed“ geändert.