Kevin Baker - Dreamland

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    New York um 1910: eine Zeit der rivalisierenden Gangsterbanden, der Korruption, der Huren, Monstrositätenshows und nicht zuletzt der Proteste in der Arbeitswelt.


    Dreh- und Angelpunkt des Romans ist Dreamland, ein Vergnügungspark auf Coney Island, voller rasanter Fahrgeschäfte, Leckereien, exotischer Tiere und nicht zuletzt menschlicher "Kuriositäten". Man stellt in Vorführungen Naturkatastrophen und Kriege nach und hat gar eine Miniaturstadt gebaut, bevölkert von Kleinwüchsigen und "beherrscht" von Trick dem Zwerg und seiner verrückten Carlotta. Für die Befriedigung von Nervenkitzel, Schadenfreude und Sensationsgier ist also gesorgt.


    Im politischen Leben New Yorks dominieren die Demokraten mit ihrer Zentrale „Tammany Hall“, hauptsächlich irischer Abstammung, die nach Lust und Laune Wahlen manipulieren und mit ihren Gangstertrupps für Ordnung sorgen, wobei es immer wieder zu Kämpfen mit verfeindeten Gangs kommt und in Hinterzimmern und Kellern neben Rattenkämpfen auch mal zum Spaß Menschen das Rückgrat gebrochen wird, von brutalen Gangstern wie Gyp the Blood, ehemals Lazar Abramowitz, in einer strenggläubigen jüdischen Familie aufgewachsen.


    Dessen Schwester Esther wird schon als junges Mädchen zum Geldverdienen in eine Näherei geschickt, wo sie sechzehn Stunden am Tag unter miserablen Arbeitsbedingungen schuftet, aber auch eines Tages Clara kennenlernt, die Beziehungen zur Gewerkschaft hat und Esther und ihre Mitstreiterinnen eines Tages in den Streik führen wird.


    Ein ungewöhnliches Panorama von New York entsteht hier, in den ersten Kapitel sehr verworren und bei den Geschichten aus dem Gangstermilieu sehr brutal und gewalttätig. Erst als Esthers Geschichte anfing, begann ich mich mit dem Buch wohler zu fühlen und hatte endlich einen Anknüpfungspunkt, eine Person, zu der ich eine Beziehung aufbauen konnte.


    Die beengten Wohnverhältnisse, die unmenschlichen Arbeitsbedingungen in den Nähereien, das aufgewühlte, schrille, unecht-fröhliche und dabei auch ein klein wenig abstoßende Ambiente des Vergnügungsparks werden so plastisch geschildert, dass man das Bratfett und die Zuckerwatte beinahe riechen und die unbarmherzige Schinderei in der Kleiderfabrik spüren kann, ein authentisches Gesamtbild.


    Gestört haben mich die häufigen Perspektivenwechsel, die vor allem anfangs Lesefluss und -spaß nicht gerade fördern, und das Fehlen einer kurzen Einführung in die New Yorker Politik von damals. Es ist z.B. ständig von "Tammany" die Rede, ohne dass der Begriff jemals erläutert wird, die politischen Ränkespiele fand ich auch nicht so wahnsinnig interessant. Auch die zahlreichen eingestreuten Liedertexte auf englisch hätte ich in diesem Umfang nicht gebraucht.


    Da ich anfangs mit dem Roman so meine Schwierigkeiten hatte und auch zwischendurch immer wieder auf Längen stieß, an anderer Stelle aber wieder sehr angetan war, lässt er sich gut mit einer Achterbahnfahrt vergleichen, was wiederum zum Titelthema passt. Insgesamt also guter Durchschnitt.


    Dreamland und die zahlreichen merkwürdigen und oft auch geschmacklosen Attraktionen hat es bis zu einem verheerenden Brand tatsächlich gegeben – siehe Wikipedia ...


    3ratten

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen