Leonardo Sciascia - Das weinfarbene Meer

  • Eine Kurzgeschichtensammlung über Sizilien


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    Sizilien. Sicilia. Das klingt nach immergrünen Zitronenbäumen und Limoncello-Likör, warmen Sonnenschein und griechischen Tempelruinen und dem idyllischen Urlauber-Örtchen Taormina.


    Ein trügerisches Bild, so schön es auch ist, wird vor allem von Touristen in den Köpfen getragen und von den Reiseveranstaltern mit bunten Katalogbildern unterstützt. Natürlich gibt es die Zitronenhaine und den daraus gewonnenen, leckeren Limoncello, auch die Sonne scheint häufig und die Ruinen, nun man kann sie tatsächlich besichtigen. Das wahre Sizilien mit seinen Einwohnern und dem Alltäglichen findet der Besucher jedoch kaum während eines ein- oder zweiwöchigen Aufenthalts.


    Denn Sizilien ist mehr als ein von Hollywood gezeichnetes Bild vom Paradies. Zahlreiche Autoren, darunter viele Sizilianer, widmeten und widmen sich der Insel im Mittelmeer, um den Charakter dieser Region und ihrer Menschen für die Leser einzufangen. Neben dem wohl bekanntesten sizilianischen Schriftsteller, Luigi Pirandello, verlegte auch der 1989 in Palermo verstorbene Autor Leonardo Sciascia, den Ort seiner Geschichten, Gedichte und Essays nach Sizilien. Bekannt wurde er vor allem für seine Kriminalromane, die die mafiösen Verflechtungen in der süditalienischen Gesellschaft zum Thema machten.


    In Italien längst einer der großen, nationalen Autoren, ein guter Teil seiner Romane wurde in den letzten Jahrzehnten in Italien verfilmt, ist Sciascia hier in Deutschland bisher nur einem kleinen Publikum bekannt.


    Dem abzuhelfen, ist nun im Wagenbach-Verlag eine Neuausgabe von Kurzgeschichten erschienen. Diese wurden zwischen 1959 und 1972 geschrieben und sind vom Schriftsteller ein Jahr später, 1973, selbst für die italienische Leserschaft ausgewählt.


    Der sizilianische Autor schaut ungeniert hinter die Fassaden der rosen- und ockerfarben getünchten Häuser, beobachtet die Menschen in ihrem von Religion und Traditionen geprägten Leben, zeichnet damit ein kritisches und doch liebevolles, beinahe romantisches Bild vom Sizilien in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Er schreibt über sizilianische Auswanderer, die Haus, Hof und ihr letztes Hemd verkauften, um ihren Traum eines Neubeginns in den USA zu erfüllen. Er schreibt in der Titelgeschichte “Ein weinfarbenes Meer” über einen Vater und eine Mutter, die von ihrem erstgeborenen Sohn Nené während einer Zugfahrt von Rom nach Agrigent tyrannisiert werden und stolz auf die Schläue und den Ungehorsam ihres Kindes sind. Ein Paradoxon wie man meint, für die “siciliani” offensichtlich eines der normalsten Dinge der Welt, und es finden sich viele solcher normalsten Dinge in den Geschichten von Sciascia. Unter seinen Kurzgeschichten ist auch jene, die das Anwerben sizilianischer Mädchen für einen Fabrikjob in der Schweiz zum Mittelpunkt macht. Und auch der Streit um eine Statue der heiligen Filomena, nach der viele Frauen eines Ortes benannt sind und die nun entfernt werden soll, wird von Sciascia heiter thematisiert.


    Das Besondere der Geschichten liegt darin, dass Sciascia nah am Leben der Sizilianer schreibt, der Leser nimmt teil an den Geschehnissen, erinnert sich in der einen und anderen Szene an eigene Erlebnisse in Italien. Schriftstellerisches Temperament und Tradition füllen unterhaltsam und gleichzeitig nachdenklich stimmend die Seiten des Buches. Sciascia bringt humorvoll einen Querschnitt der täglichen Begebenheiten sizilianischen Lebens in der Mitte des letzten Jahrhunderts. Ganz so könnte auch heute noch das Leben in Sizilien verlaufen. Aber das kann der Leser beim nächsten Besuch auf der Insel mit den immergrünen Zitronenbäumen am besten selbst herausfinden.


    Doreén

    Einmal editiert, zuletzt von Alfa_Romea ()