Jakob Arjouni: Hausaufgaben

Es gibt 6 Antworten in diesem Thema, welches 6.292 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von mondy.

  • Es ist zwar schon einige Zeit her, dass ich das Buch gelesen habe, aber da es hier noch gar nicht vorgestellt wurde, hole ich das jetzt nach:


    Inhalt


    So hat sich der Deutschlehrer Joachim Linde sein heißersehntes Wochenende wohl nicht vorgestellt: Anstatt eines Ausfluges in die Berge kommt es in der letzten Schulstunde zu einem Eklat, zuhause trifft er auf den Freund seiner aus dem Elternhaus geflohenen Tochter, der ihn mit ungeheuerlichen Vorwürfen konfrontiert, die Mutter einer Schülerin unterstellt ihm unterdes am Telefon Antisemitismus, seine Frau hält sich in einer Nervenheilanstalt auf während sein Sohn die Welt verbessern will. Die Situation eskaliert, Linde steht vor dem Trümmerhaufen seines Lebens. Doch Linde sucht die Schuld immer bei den anderen, nie bei sich selber. Frei nach dem Motto „Ich bin Pädagoge, mir passiert so was nicht“. Laufend versucht er die Wahrheit so zu verdrehen, dass er als Opfer und niemals als Täter dasteht. Er flüchtet sich in eine Welt der Selbsttäuschung und des Selbstmitleides und versucht mit allen Mitteln, die Fassade aufrecht zu erhalten. Seinen Schülern gibt er täglich Hausaufgaben auf, seine eigenen Hausaufgaben hat er vernachlässigt.


    Meine Meinung


    Ein ganz großartiges Buch. Es liest sich sehr leicht und ist in wenigen Stunden ausgelesen. Die Verarbeitung des Stoffes dauert aber länger, als die Lektüre selber (wenn ihr wisst, was ich meine). Es wird ganz wunderbar aufgezeigt, wie Linde die Wahrheit verdreht, wie er sich Ausreden und Ausflüchte zurechtlegt, wie er den anderen und den Umständen die Schuld gibt, wie er auch noch am Schluss glaubt, dass alles wieder gut wird, obwohl er selber bis zum Hals im Schlamassel steckt und dafür auch selber verantwortlich ist.


    Ich habe von Arjouni bereits „Happy birthday Türke“, „Kismet“ und „Idioten“ gelesen, doch „Hausaufgaben“ ist mit Abstand das Beste!!


    5ratten


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    Einmal editiert, zuletzt von Alfa_Romea ()

  • Jakob Arjouni


    Hausaufgaben


    Joachim Linde ist Deutschlehrer am Gymnasium von Reichenheim. Außerdem hat er eine Familie, die gerade dabei ist, auseinanderzubrechen. Kein Wunder, würde ich sagen, denn Linde ist neben dem Untertan eine der unsympathischsten Hauptfiguren, die ich in Büchern bisher getroffen habe.


    Was als normale Deutschstunde vor einem verlängerten Wochenende beginnt, wächst sich für Linde nach und nach zu einem regelrechten Fiasko aus. Schuld sind natürlich alle anderen. So muss sich Linde mit aufmüpfigen Schülern und deren unverschämten Eltern herumschlagen, mit unfreundlichen Kollegen, einem Chef, der nach Lindes Meinung diesen Posten nicht verdient, einer Ehefrau, die auf ganzer Linie eine Enttäuschung darstellt, einer verräterischen Tochter und einem Versager als Sohn. Aber ein toller Hecht wie Linde kann sich von solchen Widrigkeiten doch wohl nicht unterkriegen lassen, oder?



    Ich finde es schwierig, viele Ratten zu spendieren für ein solches A-loch von Hauptfigur. Was natürlich unlogisch ist, aber trotzdem. Außerdem gibt es Abzug für die leider schon normale Kombination "Mädchen/sie".
    3ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

    Bücher sind Magie zum Mitnehmen.

    Einmal editiert, zuletzt von Kiba ()

  • Ich brauchte ein kurzes Buch, um die Lücke zu füllen, bis ich mein Urlaubsbuch anfange. Außerdem sollte es kein Krimi sein. Da war das Buch einfach perfekt, es liest sich echt in einem Rutsch!


    Ich habe schon lange kein Buch mehr gelesen, bei dem mir der Protagonist von Anfang bis Ende so unsympathisch war und immer unsympathischer wurde.


    Zitat

    Außerdem gibt es Abzug für die leider schon normale Kombination "Mädchen/sie".


    Das ist mir gar nicht aufgefallen :redface:.


    Da ich ja nicht Lindes Charakter bewerten muss, dann gäb es sicher null Ratten, sondern das Buch, vergebe ich 3ratten

    Wear the old coat and buy the new book (Austin Phelps)

  • Meine Meinung
    Ja, Joachim Linde ist ein richtiges Arschloch (auch, wenn er das nicht so sieht). Schon ab der ersten Seite fand ich diesen Mann unsympathisch, aber dass sich das bis zum Ende des Buches noch so steigern würde, hätte ich nicht erwartet. Was für ein Kotzbrocken!


    Aber genau diese starke emotionale Einstellung zu der Hauptperson macht dieses Buch so richtig gut. Man kämpft sich von Seite zu Seite vor, meistens mit angeekelt verzerrtem Gesicht, aber man kann auch nicht aufhören zu lesen. Zwischendurch gibt es eine kleine Entspannungspause, bei der man fast denken könnte, dass Linde vielleicht zur Einsicht gelangt ... aber schon bald geht es weiter wie zuvor.


    Meine Mama hat mir das Buch mit den Worten in die Hand gedrückt: "Lies das mal, du wirst doch jetzt Lehrer." (zur Beruhigung: das war nicht böse gemeint :zwinker:). Nachdem ich das Buch gelesen hatte, dachte ich erst, dass das in jedem Berufsstand vorkommen kann, aber dann ist mir aufgefallen, dass es in diesem Buch eigentlich nur mit einem Lehrer funktionieren kann. Linde denkt, nur weil er Pädagoge ist und die Erziehung sein täglich Brot, dass er fehlerlos durchs Leben spaziert. Niemand kann ihm bei diesem Thema das Wasser reichen, schließlich ist das ja sein Beruf. Das macht ihn so uneinsichtig und überheblich. Dieser Punkt hat mich (noch zusätzlich zu dem sowieso schon harten Stoff) zum Nachdenken gebracht und ich hoffe, dass ich auch in Zukunft immer mal wieder daran denken werde. Nicht, dass ich in mir einen neuen Linde sehen würde, aber schon eine abgeschwächte Form wäre furchtbar. :zwinker:


    Insgesamt hat mir das Buch natürlich sehr gut gefallen. Einen halben Punkt Abzug gebe ich, weil ich ständig ein Buch im Hinterkopf hatte, das noch schlimmer war (kleiner Buchtipp am Rande: "Angerichtet" von Herman Koch).
    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

    "Bücher lesen heißt wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben über die Sterne." (Jean Paul)

    Einmal editiert, zuletzt von mondy ()

  • Ja, das Buch ist innerhalb kürzester Zeit ausgelesen, jedoch hat es bei mir nicht lange nachgewirkt. Vielleicht bin ich mit zu großen Erwartungen an das Buch herangegangen?


    Arjouni hat für meinen Geschmack zu dick aufgetragen - zu viele menschliche Abgründe, zu viele Schicksalsschläge. Während des Lesens wünschte ich mir oft eine subtilere Herangehensweise. Dann hätte ich den Protagonisten vielleicht ernst nehmen können...


    Übrigens befürchte ich, dass Linde am Ende tatsächlich einigermaßen glimpflich davon kommt, denn darüber ärgert man sich doch auch im "wahren Leben" meist, nicht wahr? Dass solche Menschen mit ihren Maschen tatsächlich durchkommen und auch aus vermeintlich aussichtslosen Situationen nur ein blaues Auge davon tragen. Dass den Beteiligten der Durchblick fehlt, die Posse zu durchschauen, oder die Konsequenz, ihr ein Ende zu setzen.


    2ratten



    Nachdem ich das Buch gelesen hatte, dachte ich erst, dass das in jedem Berufsstand vorkommen kann, aber dann ist mir aufgefallen, dass es in diesem Buch eigentlich nur mit einem Lehrer funktionieren kann.


    In diesem Buch wahrscheinlich ja, da die Situation sich noch stärker zuspitzen lässt: ein Pädagoge ist für das Wohl seiner Schüler verantwortlich und hat sie zu schützen. Linde jedoch tut dies bei keinem seiner "Schutzbefohlenen", weder seinen Schülern, noch seiner Familie. Tatsächlich kann es jedoch in jedem Berufsstand vorkommen, sobald eine Hierarchie besteht, und somit auch in jeder sozialen Gruppe. Typen wie Linde begegenen einem immer wieder, zum Glück jedoch selten so ausgeprägt.


    Viele Grüße
    Breña

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges

  • In diesem Buch wahrscheinlich ja, da die Situation sich noch stärker zuspitzen lässt: ein Pädagoge ist für das Wohl seiner Schüler verantwortlich und hat sie zu schützen. Linde jedoch tut dies bei keinem seiner "Schutzbefohlenen", weder seinen Schülern, noch seiner Familie. Tatsächlich kann es jedoch in jedem Berufsstand vorkommen, sobald eine Hierarchie besteht, und somit auch in jeder sozialen Gruppe. Typen wie Linde begegenen einem immer wieder, zum Glück jedoch selten so ausgeprägt.


    Ja klar, in jedem Berufsstand gibt es solche Typen. Ich meinte speziell auf das Buch bezogen, dass es mit einem Lehrer (oder allgemein Pädagogen) am besten funktioniert, wie dus ja auch beschrieben hast. :winken:

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