Majgull Axelsson - Die Aprilhexe

Es gibt 67 Antworten in diesem Thema, welches 15.690 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Doris.

  • Hallole!


    @Christiane: wenn mich ein Buch so fesselt wie die Aprilhexe, dann lese ich wirklich schnell, weil ich jeden klitzekleinen Moment ausnutze :breitgrins:



    Achtung Spoiler!



    Zu Deiner Frage:
    Ich glaube, dass sowohl Brigittas Verhalten als auch Ellens Vergangenheit letztendlich zu dem Zusammenbruch geführt haben. Ellen war nie ganz gesund, und hatte wohl auch Schuldgefühle wegen Desiree, die an ihr "genagt" haben, so dass es meiner Meinung nach nur den richtigen Auslöser gebraucht hat, was der Streit mit Brigitta war.



    @Tanquola: ich habe das Buch auch als sehr bedrückend empfunden, anders als Du mußte ich einfach weiterlesen weil ich zum einen hoffte, dass sich für die "normalen" Schwestern durch das Befassen mit ihrer Vergangenheit verschiedene Dinge zum Besseren wenden und weil ich auch neugierig war, wie es mit Desiree weitergeht.


    Liebe Grüße:winken:
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Ich habe gestern abend noch das Kapitel "Das entwicklungsgestörte Lächeln" gelesen. Auch das ist ganz schön harte Kost. Wie in den 50er Jahren mit körperlich und geistig Behinderten umgegangen wurde, war nicht schön zu lesen. Und dann schwebt mir ja immer die Frage om Kopf, ob man in 20 Jahren nicht genau so entsetzt darüber sein wird, wie wir heute Behinderte (oder Alte/Kranke/psychisch Kranke) behandeln. Wie menschlich oder unmenschlich sind wir im Umgang mit Schwächeren? Und bei diesem Wort fällt mir ein, dass ich ja eine große, der Gewalt Anderer ausgelieferte Gruppe vergessen habe: die Kinder. Was mit den 4 Schwestern in ihrer Kindheit angestellt wurde, ist ja eigentlich der Dreh- und Angelpunkt des gesamten Buches.
    Besonders bedrückend wirkt das Buch auf mich - das habe ich glaube ich schon mal geschrieben - dadurch, dass (fast) niemand so richtig "böse" ist. Die (meisten) Personen handeln ja nach bestem Wissen und Gewissen. Auch der Neurologe, der Desirée zu dem Vegetieren in dem Heim "verurteilt" (Hubertsson sagt zu Desirée "dein Richter war ein Neurologe"), glaubte sicher an seine Diagnose. Stig glaubte sicherlich auch, dass Astrid "geheilt" war und Christina gut behandeln würde. Astrid selbst ist ja auch ein Opfer, teils ihrer psychischen Erkrankung, teils der Behandlung ihrer Krankheit. Kerstin Eins tut ja auch nur das, was sie für richtig hält, und viele ihrer Kolleginnen stimmen ihr garantiert zu.
    Und trotzdem ist das Ergebnis oft genug eine Katastrophe. Wieso? Ich denke, das liegt daran, dass wir Macht über andere Menschen haben, und diese Macht oft genug (ohne bösen Willen und ohne es zu merken) missbrauchen, indem wir nicht auf die uns ausgelieferten Personen hören. Desirée fasst das im Gespräch mit Elsegerd zusammen: Es sind nicht solche wie wir, die bestimmen, was wirklich ist.


    Dies ist ein schlimmes und gutes Buch, dass mich zum Nachdenken über mich selbst und meine eigenen Handlungen bringt.


    Grüße,
    Saltanah

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Hallole!


    Zitat von "Saltanah"

    Dies ist ein schlimmes und gutes Buch, dass mich zum Nachdenken über mich selbst und meine eigenen Handlungen bringt.


    Da kann ich Dir nur recht geben! Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, in welchem Kapitel das war, in dem Desiree hört, wie 2 ihrer Pfleger sich über sie und das Thema Sterbehilfe unterhalten. Da ist mir spontan wieder der Fall aus den USA (ich kann mich leider nicht mehr an den Namen erinnern) und die ganzen Diskussionen darum eingefallen.


    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Ja, mich bringt das Buch auch sehr zum Nachdenken. Über den Umgang mit Schwächeren, wie schnell man abgestempelt wird, weil man halt nicht ganz entspricht, usw.


    Und es erinnert mich auch an die vor kurzem erst stattgefundene Diskussion von wegen Sterbehilfe etc. im Fall Terry Shiavo.


    Und als ich dann die Schilderungen las, die Freude der kranken Mädchen über gelbe Wände, über Dekoration, über Spaziergänge und Ausflüge usw. - dann denke ich mir, wieviel können wir "Gesunden" von den Beeinträchtigten lernen!!

    :blume:&nbsp; Herzliche Grüße!&nbsp; :blume: <br />creative

  • Hallole!


    creative: da kann ich Dir nur zustimmen! Die jüngste Nichte von Schatz leidet am Down-Syndrom. Sie kann sich so über Kleinigkeiten freuen z.B. über Wunderkerzen oder Nijntje (ein Zeichentrickhase). Andere Kinder in ihrem Alter und auch viele Erwachsene sind so satt, dass sie sich nur über das neueste und teuerste Spielzeug, Computer etc. freuen können und dabei sind es doch die keinen Sachen, die vieles ausmachen.


    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Hallo allerseits,


    ich habe mich ein bischen damit vergnügt, Links zu dem Roman zusammenzusuchen.


    Zuerst zu den Schauplätzen:
    Wikipedia zu Östergötland, der Gegend in der der Roman spielt, mit Links zu den einzelnen Städten
    Vadstena
    Motala
    Linköping
    Norrköping (leider nur auf englisch)


    Desirées schöne und sauteure Gardinen von Josef Frank könnten so ausgesehen haben. (Sie schwärmt im Kapitel "In der Waagschale" davon)


    Und schließlich habe ich auch einen Aufsatz gefunden, der ab S. 123 die Aprilhexe behandelt. Aber Vorsicht: SPOILER!
    Ab S. 131 schreibt die Autorin über Ray Bradburys Kurzgeschichte "Die Aprilhexe" (aus dem Buch "Die goldenen Äpfel der Sonne"), die Majgull Axelsson als Inspiration gedient hat. Dieser Teil kann ohne Spoiler-Gefahr bis zu dem Satz "Das achte Romankapitel..." gelesen werden. Anscheinend hat wirklich Bradbury dieses Wort gebildet.


    Grüße,
    Saltanah

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • @Christiane:


    die Antwort auf die Frage, welche Schwester Desirées Leben gestohlen hat, findest du im letzten Abschnitt des Kapitels "In der Waagschale". Aber vielleicht bist du ja selbst schon so weit, und hast es schon gelesen.


    Saltanah

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • @ Saltanah:
    Ja, habe ich vor ca. 3h gelesen, aber ich bin auch schon vorher zu diesem Schluss gekommen... hat sich ja dann doch schon so abgezeichnet.
    Schön das du diese Links herausgesucht hast, werde sie mit gleich mal in aller Ruhe zu gemüte führen.


    Als Desirée von diesem Mitleidsfaktor spricht habe ich mit trotzdem gedacht das ich im ersten Moment nicht anders als ihre Pfleger(innen) reagiert/gedacht hätte. Es ist nicht einfach sich vorzustellen das so ein Leben lebenswert ist, allerdings sollte es deshalb trotzdem nicht veruteilt werden. Solange ein Mensch noch zu gewissen Dingen fähig ist bzw. die Fähigkeit besitzt sich über irgendwas zu freuen, sollte ihm das niemand wegnehmen.

  • Hallole!


    Saltanah: Vielen Dank für die Mühe, die Links herauszusuchen :bussi: Ich werde mich in meiner MiPa ausführlich darum kümmernm muß jetzt leider schon wieder weg.


    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Jetzt habe ich das Buch beendet, und ich kann nur sagen, dass es mir immer noch so gut gefällt. wie beim ersten Lesen. Ich hatte da etwas Befürchtungen, da ich schon mehrfach beim Wiederlesen von Büchern enttäuscht wurde. Zum Glück aber diesmal nicht.
    Jetzt kann ich es ruhigen Gewissens verschenken und weiterempfehlen.


    Wie fasst ihr das Ende auf?

    Zitat von "Spoiler letzte Seite"

    Meiner Meinung nach stirbt Desirée am Ende an einem schlimmen epileptischen Anfall. Seht ihr das auch so?


    Grüße,
    Saltanah

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Habe das Buch gestern Abend beendet. Mir gefällt es auch bis zum Schluss, muss allerdings auch sagen das ich jeden verstehe dem das Buch zu heftig ist.


    Spoiler:
    Ja ich denke auch das Desirée stirbt. Es ist aber schade das sie Hubertson vor seinem Tod nicht mehr seine Frage beantworten kann. Aber sie trifft ihn ja wieder... also würde das doch heißen das die beiden im Tod vereint sind. Doch wie hat es Hubertson geschafft die Geschichte von Tante Ellen zu kennen, so engen Kontakt mit ihren Pflegekindern zu haben und außerdem noch der Arzt von Desirée zu sein? War das alles nur Zufall? Oder geplant?

  • Ich habe mir jetzt die letzten 50 Seiten für heute abend aufgehoben.
    Ich bin schon recht gespannt, wie es ausgeht.


    Das Buch ist sehr sehr deprimierend. Ich habe jetzt die Kindheitsgeschichte von Brigitta gelesen, und da kommen mir die Tränen. Was sich so ein Kind schon alles mitmachen muss (und das gibts ja in Realität auch), wie alleine und auf sich gestellt so ein kleiner Wurm ist, und trotzdem ganz eisern zur leiblichen Mutter hält und ihr letztendlich alles verzeiht und alles tun würde, nur um bei ihr bleiben zu können. - Dass sich ein solcher Start ins Leben und solche Kindheitsjahre aufs weitere Leben auswirken, ist ja wohl verständlich.


    Liebe Grüße!!!



    P.S. Seid ihr alle schon fertig mit demBuch, wer liest noch (oder bin ich die letzte??) :redface:

    :blume:&nbsp; Herzliche Grüße!&nbsp; :blume: <br />creative

  • Was Birgittas tragische Kindheitsgeschichte angeht, kann ich dir nur voll zustimmen, creative. Noch tragischer finde ich allerdings, dass sie sich ja mit ihrem Sohn wiederholt. Dessen Glück - und Chance - ist nur, dass er schon mit 8 Monaten Pflegeeltern bekam, allerdings doch 8 Monate zu spät. Ich möchte nicht wissen, welche physischen (u. a. durch Unterernährung bedingte) und psychische Schäden er zurückbehalten hat. Tragisch und realistisch.


    Ergreifend fand ich die Szene ganz am Ende des Buches (vorletzter Absatz), als die drei Schwestern plötzlich ganz vorbehaltlos und offen "aus tiefster Seele" miteinander sprechen. Da kommt zum ersten Mal richtiger Kontakt zwischen ihnen zustande, und ich dachte einen Moment, vielleicht, vielleicht werden sie doch noch Freundinnen. Nur ging dieser Moment so schnell vorbei, wie er kam.


    Auf die Gefahr, mich zu wiederholen: welch ein Buch!
    Und ein Tipp an alle, die die Leserunde nicht mitgemacht haben: Lesen!


    Saltanah

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Ich habe jetzt das Kapitel über Christinas Kindheit gelesen. Ich kann sie jetzt viel besser verstehen. Sie kann einem wirklich leid tun, mit diesen Erlebnissen in ihrer Kindheit. Kein Wunder, dass sie Probleme hat, zu anderen Menschen Beziehungen aufzubauen. Und sie hat ja immer noch Angst vor Astrid und fühlt sich verfolgt.


    Ich hatte gedacht, dass es mit dem nächsten Kapitel erst mal etwas "besser" wird - aber von wegen. Desiree tut mir auch total leid, z.B. als sie ihr Mundstück wollte. Oder als sie duschen wollte, und nicht durfte... Diese scheinheilige Krankenschwester regt mich total auf. Dafür fand ich fand aber die Stelle schön, wo sich die "Unfälle" der Krankenschwestern häufen - ein bisschen Genugtuung wenigstens für Desiree.


    Was ich auch sehr schlimm fand, war die Tatsache, dass selbst körperlich behinderte Kinder zu der Zeit nicht in eine normale Schule gehen durften, sondern in ein Heim gesteckt wurden. :entsetzt: Das geistig behinderte Kinder einer besonderen Pflege bedürfen, versteh ich ja noch, aber bei körperlich behinderten Kinder würde ja an sich nichts dagegen sprechen.

  • Zitat von "Saltanah"

    Und ein Tipp an alle, die die Leserunde nicht mitgemacht haben: Lesen!


    Das kann ich nur ausdrücklich unterstreichen!!!!

    :blume:&nbsp; Herzliche Grüße!&nbsp; :blume: <br />creative

  • Hallo!!


    Das klingt alles sehr gut.
    Ich werde das Buch wohl auch demnächst lesen.


    Tschau :smile:

    Bücher sind das Mittel um die Phantasie zu beflügeln!!

  • Hallo!


    Ich habe das Buch gestern ausgelesen. Der Schluss hat mich doch etwas verwirrt und ich denke, man kann ihn verschieden auslegen.


    Meine Auslegung ist die: Desiree ist gestorben, kommt aber auf der Ebene der Benandante wieder auf die Erde. Denn sie entscheidet sich immer für die Erde. Hier trifft sie auch auf Hubertsson, der ja auch einer von ihnen ist. Er war in der Fruchtblase geboren.


    Das Buch war eines der besten, die ich gelesen habe. Es wird mich noch lange beschäftigen, da bin ich mir sicher. Es werden Themen angesprochen, für die es keine "allgemein gültige" Lösung gibt:


    - die Rolle der Mutter im Leben eines jeden Kindes
    - die unerschüttliche Liebe zur leiblichen Mutter und ob sie ersetzbar ist durch eine Pflegemutter
    - der Einfluss der Erziehung und der Kindheit auf das spätere Leben,
    - die Sozialeinrichtungen (Jugendamt, Pflegeheime, etc.) des Staates und ihre Schattenseiten
    - die Rolle der "Schwächeren", der "Nichtvollkommenen" in unserer Gesellschaft,



    Positiv fand ich auch, dass die "übersinnliche" Ebene (Die Fähigkeit, sich in andere Körper zu versetzen) nicht überhand nahm und im Buch eigentlich nur als "Brücke" gebraucht wird. Dadurch bleibt der Roman realistisch und glaubwürdig.


    FAZIT: Eine Bereicherung!!
    -

    :blume:&nbsp; Herzliche Grüße!&nbsp; :blume: <br />creative

  • Hallole!


    creative: da hast Du recht, das Buch ist wirklich eine Bereicherung.


    Allerdings ist mir Huberssons Rolle noch nicht ganz klar. War er vielleicht ein großer Manipulator, der Desiree bewußt zu ihren Handlungen geführt hat, oder war er eher ein Beobachter?


    Verwirrte Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Hallo Kirsten,


    ich sehe hauptsächlich Neugier als Hubertsson Beweggrund. Er hatte ja bei Ellen und ihren drei Töchtern gewohnt, und stieß auch dazu, als Ellen ihre Hirnblutung hatte. Dann geriet er später durch Zufall als Arzt an Desirée und entdeckte, als er ihre Krankenakte studierte, dass sie ja Ellens leibliche Tochter war. Und da wurde er neugierig, und wollte mehr wissen. Dies gilt allerdings nur, wenn wir davon ausgehen, dass das Phänomen der "Aprilhexe" wirklich existiert, und er auch von Desirées Fähigkeiten wusste.


    Für mich entspringen Desirées Ausflüge in die übersinnliche Welt eher ihrer Phantasie, entweder bewusst, oder als Effekt ihrer epileptischen Anfälle. Und da sehe ich Hubertsson als Helfer, der versucht, Desirée ihre Vergangenheit zu geben. Sie ist ja geschichtslos aufgewachsen, ohne eine Ahnung davon zu haben, wer ihre Eltern sind, und was alles dazu führte, dass sie wurde, was sie wurde. Außerdem unterstützte er sie in ihren Phantasien über das Leben ihrer Schwestern, vielleicht damit ihr klar wird, dass das Leben von Gesunden auch nicht automatisch perfekt ist, und es ihr dadurch leichter fällt, sich mit ihrem eigenen Schicksal zu versöhnen, was ihr am Ende auch gelingt.
    Das wäre also meine Deutung des Geschehens.


    Saltanah

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Hallole!


    Zitat von "Saltanah"

    Für mich entspringen Desirées Ausflüge in die übersinnliche Welt eher ihrer Phantasie, entweder bewusst, oder als Effekt ihrer epileptischen Anfälle.



    So ähnlich geht es mir auch! Jedesmal, wenn sie die Ausflüge schildert, die sie mit den Vögeln gemacht hat, bin ich mir nicht sicher, ob es wirklich passiert ist, oder ob Desiree das nur träumt.


    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.