Richard Powers - Der Klang der Zeit

Es gibt 33 Antworten in diesem Thema, welches 8.439 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von finsbury.

  • Hallo ihr Lieben,


    diese Leserunde ist ab sofort zur Diskussion freigegeben! Viel Spaß!


    Inhalt:


    In einem Roman mit großen Figuren, farbigen Dialogen und vor dem Tableau der Rassenunruhen der letzten Jahrzehnte Amerikas erzählt Richard Powers die Geschichte einer Familie mit zwei Hautfarben – die eines vor den Nazis geflüchteten jüdischen Wissenschaftlers und einer Afroamerikanerin. Ihre Ehe wäre in vielen Staaten der USA noch ein Verbrechen, doch in New York fühlen sie sich sicher. Sie vertrauen ganz auf den amerikanischen Traum, dass sich jeder selbst neu erfinden kann. Mithilfe der Musik bauen sie ein Nest, das alle Dissonanzen der Welt fernhalten soll. Und es scheint zu gelingen: Der älteste Sohn wird ein gefeierter Tenor und Liedsänger, der mittlere begleitet ihn am Klavier, und einzig die Tochter durchschaut, dass sich nur Weiße leisten können, über die Hautfarbe hinwegzusehen, und schließt sich den Black Panthers an.


    Denn wie eine Melodie sich nur in der Zeit der Musik entfaltet, entgeht keiner der Geschichte seiner Gegenwart: die Musik mag Zuflucht sein vor der Frage nach der Hautfarbe, doch schließlich droht die Familie an ihr zu zerbrechen ...



    Für die Leserunde angemeldet hatten sich:


    finsbury
    Saltanah
    Valentine


    Liebe Grüße
    nimue

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

  • Hallo Nimue, Saltanah und Valentine,


    @ Nimue,


    herzlichen Dank fürs Einrichten der Leserunde. Wir haben einen beleibten
    Wälzer vor uns.


    Aber der Anfang ist ja schon furios!


    Es beginnt mit einer in sich verschachtelten Rückblende des Erzählers Joey aus dem Jahr 2001 auf den Anfang der Gesangskarriere seines Bruders Jonah im Jahre 1961, von dem dann weiter zurückgegangen wird in die beginnenden 50er Jahre.


    Bereits am Anfang wird das Motiv des Nicht-dazu-Gehörens auf Grund der Herkunft aus einer doppelt verfehmten Familie angeschlagen: Sowohl mit dem Rassismus gegenüber Farbigen als auch mit dem Antisemitismus
    haben die Brüder zu kämpfen.


    Sicherheit und Geborgenheit bietet ihnen und ihren Eltern die große Welt der Musik, die ihnen selbstverständlich ist wie die Luft zum Atmen.
    Auch die besondere Rolle der kleinen Schwester Ruth, auf die der Waschzettel des Buches hindeutet, wird bereits zu Anfang angedeutet: Während ihre Brüder eher den Eindruck "hellhäutiger Araber" machen, kommt sie nach ihrer "farbigen" Mutter, die schon zu Beginn des Buches mannigfaltigen Repressalien ausgesetzt ist. So darf sie z.B. ihren Sohn nicht zur Vorstellung an einer renommierten Musikschule begleiten und muss bei Autofahrten auf dem Rücksitz neben ihrer Tochter, nicht vorne neben ihrem "weißen" Mann sitzen.


    Es dreht sich einem wirklich der Magen um, wenn man all dieses liest.


    Und diese Geisteshaltung der 50er Jahre ist in vielen Köpfen ja leider keineswegs gewichen.


    Wie ihr seht, bin ich bereits sehr angetan von unserer Lektüre: Spannend ist es noch dazu. Leider muss ich gleich auf Verwandtenbesuch, werde also über die ersten 30 bis 40 Seiten nicht hinauskommen.


    Und wie geht's euch so mit dem Buch?


    Einen schönen ersten Mai :blume::sonne:


    wünscht
    finsbury

  • Mich hat das Buch von der ersten Seite an gefesselt. Da stimmt einfach alles: Stil, Personen, Handlung und nicht zuletzt die Musik. Klassische Vokalmusik begeistert mich total, ich mag da alles, was bisher erwähnt wurde: Dowland, Bach-Kantaten, Schubert-Lieder etc. Ein Problem ist nur, dass ich mir die entsprechende Musik auch gleich anhöre, bei Musik aber schlecht lesen kann. Daher muss ich immer wieder Pausen in meiner Lektüre machen.


    Auch mir hat sich an einigen Stellen der Magen umgedreht. Eigentlich weiß ich ja, wie es den Schwarzen in den USA erging, trotzdem habe ich manchmal Schwierigkeiten, alles zu glauben, weil es ja wirklich unfassbar ist, was geschildert wird. Gerade die "Kleinigkeit", dass die Mutter nicht auf dem Vordersitz neben ihrem Mann sitzen darf, hat sich mir besonders eingeprägt. Und das im "liberalen" Norden. So was darf einfach nicht wahr sein, so absurd sind die Verbote. Und trotzdem war es so.


    Gespannt bin ich darauf, wie Delias Familie auf ihren weißen Schwiegersohn reagiert. Mir schwant nichts Gutes, ihre Familie wird ja in Josephs Kindheitsschilderung überhaupt nicht erwähnt.


    Kennt jemand von euch ein Buch oder eine Internetseite, dass/die einen kurzen Überblick über die Geschichte der Schwarzen in den USA bietet? Da ist mir doch einiges völlig unbekannt.
    Hier etwas über Marian Anderson, deren Name mir sonderbarerweise bisher völlig unbekannt war. Ich werde mal gucken, was an Einspielungen mit ihr verfügbar ist.


    Danke für den Buchvorschlag, Finsbury. Wahrscheinlich wäre ich sonst nicht auf das Buch gestoßen. Wie bist du daran gekommen?


    Saltanah

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Zitat von "Saltanah"

    Danke für den Buchvorschlag, Finsbury. Wahrscheinlich wäre ich sonst nicht auf das Buch gestoßen. Wie bist du daran gekommen?


    Saltanah


    Hallo Saltanah,


    tja, ich muss gestehen, dass ich Bertelsmann-Kunde bin, weil es damals dieses tolle Angebot mit den fünf Büchern für umsonst gab, und darunter waren einige preisige Werke, die noch nicht als Taschenbuch erschienen waren, die ich aber gerne möglichst bald lesen wollte.
    Und obwohl Bertelsmann auch unglaublich viel Schrott hat, habe ich bisher immer etwas für die Quartalsabnahme gefunden, ohne mich über die Verpflichtung geärgert zu haben.
    Beim "Klang der Zeit" hat mich tatsächlich die Bemerkung auf dem Waschzettel geködert, dass diejenigen, die "Middlesex" und "Die Korrekturen" mochten, auch dieses Buch mit Begeisterung lesen würden.
    Ich mag die neue Tendenz in der amerikanischen Gegenwartsliteratur, Migranten- und andere Schicksale an Familiengeschichten des 20. JHs paradigmatisch nachzuweisen, z.B: auch in Proulx "Grünem Akkordeon".
    Außerdem liebe ich die klassische Musik, allerdings Vokalmusik eher in Form von Requien, Messen und Oratorien.
    Ich bin auch immer noch sehr angetan von diesem langen Atem, eben zum Beispiel bei der Beschreibung von Marian Andersons Auftritt.
    Danke, dass du die Seite über sie herausfgefunden hast, ich werde nachher mal reingucken.
    Im Internet habe ich zur Geschichte der Farbigen noch nicht recherchiert.
    In der Club-Ausgabe ist ein kleiner Anhang über Ereignisse der amerikanischen Geschichte, auf die der Roman Bezug nimmt. Sehr hilfreich!
    Ich nehme an, du liest den Roman auf Englisch, weil du dich oben nach dem Titel erkundigtest.
    Wie bist du denn darauf gekommen?


    HG
    finsbury


    @ Valentine :winken: Bist du dabei oder hast du doch keine Zeit?

  • *keuch*


    Melde mich zum Dienst!


    Ich war Ende letzter Woche auf Dienstreise und bin wochenends nur selten online, dazu musste ich gestern und vorgestern viel aufarbeiten, so dass ich mich erst heute hier einklinken kann.


    Mit dem Buch habe ich zwar am Sonntag abend begonnen, aber erst heute in der MiPa mehr als 10 Seiten am Stück gelesen. Abends war ich einfach immer zu müde.


    Ich hoffe, dass das Buch so gut bleibt. Ich war von den ersten Seiten an begeistert. Musikschilderungen sind häufig bloßes Namedropping, blutleer und fade, aber hier lebt Musik. Dass ich viele erwähnte Stücke kenne, macht die Beschreibungen natürlich noch interessanter.


    Das Buch entwickelt gleich zu Beginn einen unglaublichen Sog, noch stärker als "Die Korrekturen" und "Middlesex", finde ich.


    Diese "kleinen" Begleiterscheinungen der Rassentrennung wie das mit dem Auto haben mich auch im negativen Sinne beeindruckt :(


    Ich bin gespannt, wohin das Leben Jonah führen wird. Dass er nicht alt werden wird, wissen wir ja bereits.


    Die Familie hält untereinander zusammen wie Pech und Schwefel und ist dabei in der Bemühung, die Kinder zu beschützen, recht weltfremd. Die Gewöhnungsphase in Boylston muss für die Jungen hart gewesen sein - plötzlich Anfeindungen und derbe Scherze statt liebevollem Miteinander.


    Und ich muss die Übersetzung loben. Bisher ist mir noch nichts unangenehm aufgefallen, was nicht häufig vorkommt :zwinker:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Hallo Valentine und Saltanah,


    bin inzwischen in meiner Ausgabe auf Seite 108, also noch nicht weit gekommen. Die Seiten sind übrigens verhältnismäßig eng bedruckt, bei einer normalen Schriftgröße könnte das Werk leicht auch an die 1000 Seiten haben, denke ich. Wie sieht's bei euch mit dem Satzspiegel aus?


    Valentine, schön, dass du jetzt dabei bist. Lass dir Zeit, so ein Buch sollte man genießen und nicht durchhetzen müssen.


    Gerade habe ich die Stelle gelesen, wo Delia bei der Aufnahmeprüfung abgelehnt wird, weil sie die falsche Hautfarbe hat. Ich habe selten ein Buch gelesen, dass Rassismus im Alltag so eindringlich darstellt: Solche Passagen wecken bei mir einen ohnmächtigen Zorn. Und - wie oben gesagt - dieses Problem haben wir ja heute auch immer noch in unserem so "toleranten" Europa.


    Faszinierend ist für mich die Verbindung von Musik und neuer Physik, wenn ich auch vieles nicht verstehe.
    Ich bin gespannt, wann die Tochter Ruth richtig ins Geschehen eingreift.


    Schönen Feiertag
    :sonne:
    HG
    finsbury

  • Zitat von "finsbury"

    Hallo Valentine und Saltanah,


    bin inzwischen in meiner Ausgabe auf Seite 108, also noch nicht weit gekommen. Die Seiten sind übrigens verhältnismäßig eng bedruckt, bei einer normalen Schriftgröße könnte das Werk leicht auch an die 1000 Seiten haben, denke ich. Wie sieht's bei euch mit dem Satzspiegel aus?


    Die Fachausdrücke kenne ich nicht, aber ich würde mein Buch so beschreiben: große Seiten mit kleinem Text und schmalen Rändern. Wie viele Seiten hat das Buch denn auf deutsch? Mein englisches hat 631 Seiten, mittlerweile bin ich auf S. 150 angekommen. In den letzten 3 Tagen habe ich allerdings kaum was gelesen, da ich so mit Pullmans "magischem Messer" beschäftigt war.



    Zitat von "finsbury"

    Ich habe selten ein Buch gelesen, dass Rassismus im Alltag so eindringlich darstellt: Solche Passagen wecken bei mir einen ohnmächtigen Zorn.


    Ohnmächtiger Zorn - mit diesen Worten triffst du genau meine Reaktion.


    Mehr zu dem Buch werde ich demnächst schreiben, wenn ich ein Stück weitergekommen bin.


    Sonnige Feiertage,
    Saltanah

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Mittlerweile habe ich etwa ein Drittel gelesen. Weiterhin bin ich begeistert von Stil und Handlung, und gespannt darauf, wie es mit den Kindern (naja Kinder, JoJo sind schon 18/19) weitergeht, aber auch, wie Delias Eltern auf ihren Schwiegersohn reagieren werden. Eine ganze Menge kann man ja erschließen, trotzdem hätte ich gerne eine genauere Beschreibung.


    Die Jungen gehen mittlerweile auf die Juilliard-School, wo man angeblich ganz unrassistisch ist: Juilliard's highest talents thought of themselves as color-blind. (...) At Juilliard, color was still too successfully contained to pose much threat. Whith a few crazy exceptions like the lovable Strom boy's, the Negro's scene was elsewhere. Race was a southern crisis. Und etwas später: Race was just a bagatelle.The curators of proper singing saved their real fire-power for the clearer, more present danger: class. Klar, wenn "die Anderen" keine echte Konkurrenz darstellen, ist es leicht, tolerant zu sein.


    Ich hoffe wirklich, dass Ruth bald eine größere Rolle zu spielen bekommt. Das wenige, dass von ihr erzählt wird, ist jedenfalls vielversprechend. Sie wird wohl nicht in die Fußstapfen ihrer älteren Brüder treten werden.


    Wie weit seid ihr vorgedrungen?


    Grüße,
    Saltanah

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Ich bin gestern zum Glück ein ganzes Stück vorangekommen und bin jetzt bei Seite 285 (Büchergilde-Ausgabe, auch klein und eng gedruckt).


    Die physikalischen Ausführungen sind mir manchmal etwas zu physikalisch, aber ansonsten habe ich wirklich nichts zu meckern.


    Man lebt und leidet mit JoJo mit, vor allem


    Zitat von "Spoiler"

    als die Mutter so tragisch stirbt


    Jonah erscheint mir als begabter Rebell, er will sich nicht ins Korsett der Erwartungen anderer Menschen zwängen lassen, bindet aber gleichzeitig Joseph so fest an sich, dass der ihm immer wieder widerwillig nachgibt.


    Ruth bleibt bislang größtenteils im Hintergrund, auffällig bisher nur ihre Reaktion

    Zitat von "Spoiler"

    auf den Tod der Mutter, den sie ja quasi tatenlos mit ansehen musste. Ein herbes Erlebnis für eine Zehnjährige.


    Man weiß es aus vielen Büchern und Filmen, aber trotzdem ist es immer wieder erschütternd zu lesen, wie offen Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe abgelehnt wurden - und dass sich das im so aufgeklärten 20. Jahrhundert erst so richtig verschärft zu haben scheint. Delias Urgroßeltern konnten, wenn ich das recht verstehe, "freier" leben als sie und ihr Vater.


    Herrlich fand ich die Geschichte, wie William Daley seine spätere Frau kennenlernt und die ihm erst mal beibringen muss, was man tut, wenn man verliebt ist :breitgrins:.


    Auch das Kennenlernen von Delia und David war wunderschön geschildert, wie sie auf dem Konzert die Zeit vergisst ... und dann sein Antrittsbesuch bei ihren Eltern.


    Schade, dass man sich nicht sämtliche Einzelheiten und Formulierungen merken kann. Immer noch ein tolles Buch, vor allem die Musikschilderungen haben es mir nach wie vor angetan.


    "Bist du bei mir" von Bach werde ich zukünftig wohl mit anderen Augen sehen; das muss ich mir unbedingt mal wieder anhören.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Huhu,


    ihr seid mir ja weit vorausgeeeilt. Musste für den Job Einiges konzipieren, dseshalb hänge ich noch immer kurz nach Delias Beerdigung herum. Hoffe, ich komme bald weiter!


    HG
    finsbury

  • Nach etwa 3/4 gefällt mir das Buch immer noch, obwohl ein paar (kürzere) Längen aufgetaucht sind, und ich mal gedacht habe: "Oh nein, jetzt brechen sie wieder spontan in Gesang aus."
    Noch mehr als die Musik faszinieren mich Davids Gedanken über die Zeit. Überhaupt gefällt er mir mehr und mehr, leider kommt er etwas kurz weg.
    Mittlerweile hat auch die "Wurzellosigkeit" und "Geschichtslosigkeit" der Kinder eine Erklärung gefunden. Ich finde es tragisch, dass sie so ohne jeglichen Kontakt zu den Familien ihrer Eltern aufwachsen; selbst ein Kontakt nur durch Erinnerungen ihrer Eltern fehlen. Zwar verstehe ich Davids und Delias Beweggründe, denke aber trotzdem, dass es ein Fehler war.
    Schön ist, dass jetzt endlich mal Joseph im Zentrum der Erzählung steht, nur Ruths Geschichte fehlt immer noch. Hoffentlich kommt die noch.
    Wie geht's euch mit dem Buch?


    Grüße,
    Saltanah

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Ich bin mittlerweile bei S. 428 angekommen.


    So intensiv habe ich die Rassenunruhen der 60er Jahre selten geschildert gelesen, man ist richtig im Geschehen dabei - und erlebt mit, wie sich die drei Geschwister zwischen allen Stühlen wiederfinden, weil sie weder hier noch dort richtig dazugehören. Manchmal ist es fast, als seien sie ihren Eltern böse, weil sie sie als "Mulatten" in die Welt gesetzt haben, die nicht ins Schubladendenken der meisten passen und schnell ins Kreuzfeuer der Ideologien geraten, bloß weil sie zufällig zur falschen Zeit in der falschen Straße unterwegs sind :entsetzt:


    Die Musikschilderungen genieße ich nach wie vor sehr, aber die eine Szene mit David und den Kindern, in der Ruth über die Rassenzugehörigkeit philosophiert, empfand ich als etwas länglich.


    Die Geschichte von David und Delia dagegen gefällt mir auch immer noch gut. Fast ein bisschen makaber,

    Zitat von "Spoiler"

    dass Delia beim Brand an Josephs 1. Geburtstag die Vision hat, dass ihr eigenes Haus abbrennt ... als wäre es eine Vorahnung, wie sie Jahre später enden wird.


    Mich würde aber auch noch brennend interessieren, wie Ruth im Untergrund gelandet ist, was ja schon ziemlich weit vorn im Buch angekündigt wurde.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Hallo Saltanah und Valentine,


    ich hänge euch immer noch weit hinterher, obwohl ich mich auch anstrenge und ebenfalls nach wie vor sehr angetan von dem Roman bin.
    Beim Surfen habe ich einige negative Kritiken zum Buch gefunden (Hyperlinken muss ich mir noch wieder draufschaffen, aber über Google kommt ihr ran, eine steht bei amazon), die ich absolut nicht nachvollziehen kann. Da wird zum Beispiel behauptet, das Buch verschenke die Rassenthematik, weil sich Jonah und Joey in die Musik flüchten. Aber das ist ja genau das Erschütternde und allzu Menschliche:
    Menschen, die auf Grund einer Eigenschaft diskriminiert werden, wollen das ja oft nicht wahrhaben und so tun, als würden sie ganz normal akzeptiert und gerade dann ist es besonders tragisch, wie sie im Alltäglichen immer wieder scheitern. Ich habe das in noch keinem Buch so intensiv und aufwühlend geschildert erlebt.
    Teilweise zieht mich das Buch wirklich runter, aber das ist auch eine Qualität, die Literatur mitunter haben muss.


    Ich bin jetzt auf Seite 361, kurz nach dem Gespräch zwischen Ruth und ihren Brüder am Weihnachtsabend, das du erwähnt hast, Saltanah. Ich finde diese Passage nicht zu lang, weil ich glaube, dass sie ein Kernstück des Romans ist: das passive Mitleben-Wollen der Brüder und das aktive Aufbegehren der Schwester.


    Schneller als in diesem Tempo geht's bei mir momentan nicht voran: Ich fürchte, da verbleibe ich nachher als Einzelkämpfer ... :sauer: .


    HG
    finsbury

  • Macht doch nix, Finsbury, jeder in seinem Tempo ;)


    Erschütternd finde ich, dass Ruth und viele ihrer "schwarzen Brüder und Schwestern" auf ihre Weise auch Rassismus leben und alles "Weiße" ablehnen, wie z.B. die klassische Musik, die Jonah und Joey so viel bedeutet, und ganz schlimm empfand ich, dass sie

    Zitat von "Spoiler"

    ihrem Vater die Schuld am Tod ihrer Mutter in die Schuhe schieben will, weil er als Weißer eine schwarze Frau geheiratet hat.


    Das Schreiben von der Versicherung hat ja, so wie ich es verstehe, auch zum endgültigen Bruch zwischen ihr und dem Vater geführt.


    Ich bin auch gespannt, warum

    Zitat

    Delia nach dem Kriegstod ihres Bruders ebenfalls keinen Kontakt mehr zu ihrer Familie hatte - fühlte sie sich als Frau eines Weißen, eines Deutschen nicht mehr zugehörig im Angesicht des Leids?


    Zitat

    Die Trennung von Joey und Jonah wird so lapidar berichtet, dass es mir im ersten Moment gar nicht auffiel, dass Jonah nicht einfach weggegangen ist, sondern den Bruch vollzogen hat, der Joey zum Barpianisten degradiert hat!


    Ich bin mal gespannt, ob sich zwischen Teresa und Joey etwas Tiefergehendes entwickelt...


    Freu mich schon aufs Weiterlesen in der Mittagspause.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Hab in der Pause ein Stück weitergelesen.


    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Bin wieder etwas weiter ;)


    Krass fand ich, wie


    Zitat

    Delias Mutter sich unerbittlich von ihr abwendet, weil ihr Vater es auch tut.


    In ihrem letzten Brief vor Ruths Geburt zitiert Nettie Ellen aus der Bibel "Wo du hingehst, will ich auch hingehen" etc.


    Soweit ich weiß, stammt diese Stelle aus dem Buch Ruth. Ob Delia das Kind bewusst so tauft, wird allerdings nicht klar.


    Und was mir jetzt erst richtig bewusst wurde:


    Zitat

    David hat an der Entwicklung der Atombombe mitgearbeitet :entsetzt:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Zitat

    Ich hatte es befürchtet, mit Teresa und Joey wird es letztendlich nix, er weigert sich, sie zu heiraten, weil die gemischtrassige Ehe seiner Eltern in seinen Augen nur zu Problemen geführt hat, was Teresa wiederum als Missachtung empfindet, weil sie ihr ganzes Leben für ihn umgekrempelt und sich seinetwegen mit ihren Eltern überworfen hat.


    Als Jonah ihn in seinen experimentellen Sängerkreis nach Europa holt, folgt er sofort - wie so oft wird der Verlauf seines Lebens von seinem Bruder bestimmt.


    Die Passagen über die Proben, die "Reanimation" alter Musik, überhaupt über die Zeit in Europa finde ich wieder klasse, die Musik wird so intensiv geschildert, dass man es förmlich zu hören glaubt.


    Zitat

    Was ich mich frage: war die Frau im Konzert wirklich Tante Hannah oder nur jemand, der sie kannte?

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Bei mir geht es gerade nur langsam voran. Der Bruch zwischen Delia und ihren Eltern ist gerade vollzogen. Tragisch und nachvollziehbar zugleich.


    Zitat von "Valentine"


    Danke für die "Quellenangabe". Ich bin nicht so bibelfest, dass ich den Ursprung des Zitates hätte angeben können. Ich denke schon, dass Delia ihre Tochter bewusst so nennt. Ich hatte mich über die Bestimmtheit ihrer Ausdrucksweise gewundert, als sie auf Davids Frage "What should we name her?" antwortet "Her name is Ruth."


    Grüße,
    Saltanah

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Huhu,


    leider komme ich noch langsamer voran, als ich mir dachte. auf meinem Schreibtisch stapeln sich Gebirge und manchmal muss man ja auch etwas
    fürs sonstige Überleben tun, Pfingsten ist Lohnsteuer angesagt! :entsetzt:


    Bin daher bis jetzt nur bis zu Joeys und Jonahs Ausflug in die Rassenkrawalle in LA 1965 vorgedrungen. Ob sich jetzt die Einstellung der Brüder ändert? Von der ganzen Buchkonzeption her glaube ich das eher nicht.


    Melde mich bald wieder
    HG
    finsbury