Maarten't Hart: Die Jakobsleiter

Es gibt 4 Antworten in diesem Thema, welches 2.664 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Aldawen.

  • Zum Inhalt: der Einfachheithalber von amazon.de kopiert, da hier alles Wesentliche schön verpackt ist:


    "Ich fühlte mich für etwas schuldig, ... das ich nie würde gutmachen können." Der junge Adriaan sieht sich in eine ausweglose Schuldsituation katapultiert, die Jahre lang sein Leben bestimmen wird: ein Junge fällt am Anleger zwischen Kaimauer und Schiff und gerät in die tödliche Schiffsschraube. Kurz vor dem Unglück hatte Adriaan ihn gesehen. Hätte er helfen können?


    Eine dramatische Geschichte, in der zunächst Adriaan selbst für den Verunglückten gehalten wird. Er aber verbrachte den Tag mit der jungen Klaske. Auch diese Begegnung wird sein Leben bestimmen. "Ich will dich später einmal heiraten."


    Meine Meinung:


    Wieder ein ganz wunderbares Buch von Maarten’t Hart. Er versteht es ganz wunderbar, das Leben des so schwer geprüften Jungen ganz subtil zu beschreiben. Seine Versuche, Anschluss in der Familie des Verunglückten zu suchen, seine eigene Unzulänglichkeit, sein Gefühl, er habe keine Berechtigung in diesem Leben. An einer Textstelle beschreibt er es so „niemand versteht es, außer Jacob Migrodde, denn der glaubt auch, dass die ganze Welt verrückt ist. Er würde am liebsten Präsident der Vereinigten Staaten werden, um dann morgen in der Früh seelenruhig zum roten Knopf für die Atombombe zu gehen und zu sagen: „Meine Damen und Herren, es ist aus und vorbei, wir frühstücken heute im Himmel.“


    Die Handlung selber steht eher im Hintergrund. Vorwiegend geht der Autor auf Naturbeschreibungen, Gefühle, Leute ein. Zentraler Mittelpunkt ist der „Zustand“ der Kirche in den Niederlanden. Es gibt hier nicht weniger als 18 protestantische Kirchengemeinschaften, die sich nur durch ganz geringfügige Rituale unterscheiden. Maarten’t Hart teilt Seitenhiebe aus, zieht so manches ins Lächerliche, und gibt zu Bedenken, dass ein strenges, biblisches Elternhaus keineswegs dafür schützt, dass die Kinder auf die schiefe Bahn geraten.


    Meiner Meinung nach schildert er diese kirchlichen Auseinandersetzungen zu intensiv – bei mir artete es schon in Langeweile aus – der einzige Wermutstropfen bei diesem Buch.


    Dafür machen die letzten 30 Seiten des Buches das alles wieder wett. Eine unerwartete Wendung und ein wunderschöner Abschluss!!



    4ratten


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    :blume:&nbsp; Herzliche Grüße!&nbsp; :blume: <br />creative

    Einmal editiert, zuletzt von Alfa_Romea ()

  • Hallo Creative!


    Danke für die Rezi- jetzt ist "Die Jakobsleiter" auf meiner Wunschliste ein ganzes Stück weiter nach oben gerutscht! Die Diskussionen um Kirche und Glauben und auch die anderen Anspielungen aus Maarten 't Harts Kindheit und Jugend in vielen seiner Bücher gehen mir auch manchmal auf die Nerven. Ich bin gespannt, wie ich sie in diesem Buch empfinden werde.


    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Hallo Kirsten!


    Ich mag an sich so Religions-Diskussionen sehr gerne, aber bei diesem Buch war es definitiv zu viel (das war auch der einzige Grund, warum es nur 4 Ratten wurden). Allerdings habe ich dann schon Bedenken, ob dir das Buch so gut gefallen wird, denn so mittendrin dreht es sich an die hundert Seiten nur um diese Kirchenspaltereien. - aber lies es, und lass es mich hier dann wissen!!


    Liebe Grüße!!

    :blume:&nbsp; Herzliche Grüße!&nbsp; :blume: <br />creative

  • Hallo!


    Ich diskutiere die Bücher immer mit Schatz durch, der wirklich alles von Maarten t'Hart gelesen hat. Ich hoffe, er wird mir über die zu religiösen Stellen weghelfen :breitgrins: "Die Jakobsleiter" ist eines seiner Lieblingsbücher und steht auf niederländisch bei uns- aber das ist mir definitiv zu schwer!


    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Inhalt: An einem schönen Sommertag verbringt Adriaan mehr Zeit bei Verwandten als geplant. Als er endlich nach Hause kommt, halten ihn seine Eltern seit Stunden für tot. Ein Junge war im Hafen von Schiffschrauben zur Unkenntlichkeit zerfetzt worden, und man hatte ihn für das Opfer gehalten, obwohl es sich tatsächlich um Jan Ruygveen handelte. Die Ruygveens gehören einer strengstgläubigen protestantischen Gemeinde an, entsprechend freudlos ist das Haus für die Kinder: kein Spielzeug, kein Radio, keine Photos, nichts – außer der Bibel und zwei stundenlangen Gottesdiensten am Sonntag, zu denen man auch noch bis nach Delft laufen muß. Nach diesem Unfall hat Adriaan das Gefühl, zu unrecht zu leben, einer Verwechslung erlegen zu sein, und er versucht deshalb, Kontakt zur Familie aufzunehmen. Dies gelingt nach mehreren Anläufen über seinen Klassenkameraden Anton Ruygveen. Das besondere Gefühl der Schuld läßt Adriaan zu einem sehr zurückhaltenden Jungen werden, der auch späterhin die Interessen seiner Altersgenossen nicht teilt. Glücklich ist er nur, wenn er lange Touren mit seinem Rennrad fährt. Da ihn die Arbeit als Scheifer nicht befriedigt, zumal er auch mit den Arbeitskollegen keine Interessen teilt und von diesen einen Unfall angelastet bekommt, der in seiner Abwesenheit geschah, nutzt er die Gelegenheit des Wehrdienstes, um sich neu zu orientieren. Zwar findet er auch dort nicht seine Berufung, und hat weiter seine Alpträume, die ihn sich an quasi jedem Todes- und Unglücksfall schuldig fühlen lassen, bis es zu einer überraschenden Wendung kommt.



    Meine Meinung: Bis zu einem gewissen Grad konnte ich Adriaans Gefühle sehr gut nachvollziehen. Für einen Elfjährigen, der in einer solchen religiös aufgeladenen Atmosphäre zwischen Kirchenzwist und Prädestination aufwächst, muß aus dieser Konstellation einfach ein Schuldgefühl erwachsen. Und auch, daß er späterhin Ereignisse auf sich bezieht, die mit ihm und seinen Handlungen in keiner Weise zusammenhängen, ist dabei nicht verwunderlich. Wenigstens gibt es diesen Großvater, der seinem Enkel eine gehörige Portion Lebensklugheit versucht mitzugeben, das war streckenweise wirklich sehr erfrischend!


    Dies gilt auch und vor allem für die Ausführungen über die Zwistigkeiten zwischen den einzelnen protestantischen Richtungen und den beliebten Kirchenspaltungen, denen auch das Küsteramt für Adriaans Vater zum Opfer fällt. Der Großvater ergeht sich mehr als einmal in längeren Erklärungen über die verwickelten Verhältnisse, die in seiner Darstellung recht lächerlich in ihren Anlässen wirkten. Ich wäre nicht wirklich böse gewesen, hätte dieses Thema weniger Raum eingenommen, aber es erfüllt in Verbindung mit Adriaans Gefühlsleben einen wichtigen Zweck in dieser Erzählung, nämlich das Hinterfragen von äußerlichen Riten und den Zweifel an Glaubenssätzen wie vor allem der Prädestination. Ich habe schon mal etwas über die extrem orthodoxen Gemeinden in den Niederlanden gelesen, und ich muß gestehen, daß mir die damit einhergehenden Denkungsart völlig fremd ist und durchaus auch mehr als nur ein Kopfschütteln hervorruft. Um diesen Roman durchgehend mit Genuß zu lesen, was angesichts der präzisen Sprache und der wunderbar eingebundenen Landschaft durchaus möglich gewesen wäre, war es mir dann doch etwas zu viel, wenn auch interessant.


    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:


    Schönen Gruß,
    Aldawen