Ödön von Horvath - Jugend ohne Gott

Es gibt 22 Antworten in diesem Thema, welches 14.467 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Tina.

  • Soeben habe ich meine Lektüre beendet und ich bin echt sehr bewegt und berührt. Ich konnte das Buch gar nicht weglegen und musste die ganze Vorlesung durchlesen *gg*


    Die Rolle des Lehrers und seine Empfindungen spiegeln, meiner Meinung nach, die Zeit sehr gut wieder, denn er findet die Moral (wenn sie denn überhaupt vorhanden ist) der Nazis nicht gut und lehnt sich trotzdem nicht auf. Er hält sich zurück und ist feige, wie es leider viele damals waren.


    Die Sprache ist zwar sehr einfach, aber doch beeindruckend. Besonders Anspielungen und Metaphern (wie das Zeitalter der Fische oder die Namen Adam und Eva) fand ich sehr interessant und passend.


    Die Jungen selbst waren furchteinflössend, da sie "kalt" sind und vollkommen skrupellos scheinen. Erleichternd ist da, der am Ende auftretende, Klub, der sich für Wahrheit einsetzen will. Auch Julias Caesar, der mir anfangs sehr dubios erschien, zeigt, dass es noch Menschlichkeit gibt.


    Die Beziehung des Lehrers zu Eva fand ich dagegen sehr seltsam. Es ist verständlich, dass er Mitleid für sie empfindet und ihr helfen will, doch als er plötzlich beginnt von Liebe zu reden, kann ich ihm nicht mehr folgen.
    Auch der Bezug zu Gott... dass er zu seinem Glauben zurück findet trotz der kalten Gesellschaft und dem "Bösen auf der Welt" finde ich überraschend und faszinierend, vor allem da ja selbst der Pfarrer an Gott zweifelt, der laut ihm "das Schrecklichste auf der Welt" ist (Suhrkamp Seite 51).


    Alles in allem ein bewegendes kleines Buch, das zum Nachdenken anregt.

    If the world weren&#39;t such a beautiful place we might all turn into cynics<br />(Paul Auster)

  • Inhalt
    Nach dem 1. Weltkrieg liegt nicht nur Deutschland in Trümmern, sondern auch der Glauben an Gott wird auf eine harte Probe gestellt. "Jugend ohne Gott" von Ödön von Horváth erzählt die Geschichte von Kindern, die von den Medien und der Gesellschaft nationalsozialsitisches Gedankengut eingeprügelt bekommen, ihre eigene Identität verlieren und zum Mitläufer erzogen werden.


    Meinung
    Irgendwie weiß ich nicht so recht, was ich über das Buch schreiben soll. Den Anfang des Romans finde ich wirklich interessant und spannend. Zu lesen, wie Jugendliche von ihrem Umfeld verdorben werden, zu Nazis erzogen werden und zu Mitläufern ohne Verstand gedrängt werden ist nicht nur erschreckend, sondern auch bezeichnend für die Zeit in der das Buch spielt. Auch wird sehr deutlich geschildert, in welchem Zwiespalt die damalige Bevölkerung steht, die eben nicht zur Mitläuferschaft gehört; sich eben ihre eigene Gedanken macht und dies auch versucht zum Ausdruck zu bringen. Das in diesem Fall der Lehrer überhaupt keine Chance gegen das Regime, bzw. seine Schüler hat ist aufgrund der politischen Lage nicht verwunderlich.


    Mit dem weiteren Verlauf, insbesondere mit dem "Unfall" im Lager habe ich gar nicht gerechnet. Irgendwie bin ich davon ausgegangen, dass das Buch noch mehr auf die Rolle der Jugend, ihre Haltung zur damaligen Zeit bis hin zu deren eventuellen Meinungsänderung zielt. Somit kam die weitere Handlung, insbesondere ab etwa der Hälfte des Buches für mich völlig überraschend.


    Nichtsdestotrotz hat mir das Buch gefallen, weil es Ödön von Horváth mit einer einfachen Sprache, kurzen Sätzen und auf relativ wenigen Seiten schafft ein so vielseitigens Thema wie das des Nationalsozialismus aus einer mir bis dahin unbekannten Sicht zu beschreiben.


    4ratten

    Einmal editiert, zuletzt von Tetr4 ()

  • Horvath geht meines Erachtens sehr wohl auf die Haltung der Jugend ein. Er spricht es nicht explizit aus, aber implizit erfährt man sehr viel durch gerade das nonverbale Verhalten der "Kinder", von ihrer Angst, der Beeinflussung und der verlorenen Kindheit dieser Jugend, die eben viel früher erwachsen werden muss, weil den meisten Erwachsenen eben eine gewisse soziale Kompetenz abhanden gekommen ist. Es sind nur wenige, die sich gegen das System auflehnen, aber die die es tun, sind gezwungen ihre eigenen Vorbilder zu werden. Sie sind umgeben von verblendeten fanatischen Erwachsenen und müssen für sich ihre eigenen Moral, ihr eigenes ethische Verhalten reflektieren und auch schützen. Diese Jugend ist ohne Gott, denn auch in den Kirchen, erfahren sie keine Unterstützung, da diese sich von den Nationalsozialisten ebenso instrumentalisieren lässt, wie der Rest der Bevölkerung. Der Protagonist findet zu Gott zurück, weil er ihn als moralische Instanz in seinem Inneren letzten Endes nie verloren hat, auch wenn er dies glaubte.