Kawabata Yasunari, The Scarlet Gang of Asakusa

Es gibt 27 Antworten in diesem Thema, welches 8.271 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von parago.

  • Zur Buchstabengröße:
    Wenn du nach einem Spoiler erst die Farbe "zumachst", und dann das Zitat, bekommen die Buchstaben ihre normale Größe wieder. (Also erst [/color], dann [/quote].) Frag mich nur nicht, warum das so ist.


    Die Schreibpause:
    ist meiner Meinung nach auch deutlich sichtbar. Die Erzählung springt nicht mehr so stark hin und her (stringenter nennt das Bartlebooth mit einem viel eleganteren Ausdruck), aber vor allem wird sie ernster. Im ersten Teil sehe ich die "roaring twenties", in denen die Menschen das Leben mit seinen neuen Freiheiten genießen, im zweiten hat die Rezession zugeschlagen, die Anzahl der Bettler, die Anfangs noch einigermaßen tragbar war, multipliziert sich, Arbeitslose werden zu Obdachlosen, und immer wieder wird diese Entwicklung erwähnt. Zwar gab es Obdachlose und Bettler schon vorher, wirkten aber nicht bedrohlich. Im 2. Teil habe ich den Eindruck, dass die alten Bewohnern Asakusas die Gefahr des eigenen Abrutschens in diese Schicht immer stärker wahrnehmen.
    "Selbst die Strolche haben mittlerweile nichts mehr zu essen" (Kap. 55) ist nur ein Zitat unter vielen in dieser Richtung.


    Zur Prostitution:
    Ich finde Kawabatas Darstellung vor allem im 2. Teil gut, im ersten verharmlost er ein wenig. Er beschreibt bloß, und überlässt es den LeserInnen, ein Urteil darüber zu fällen. Es fehlt die moralische Indignation (die ich nicht vermisse), aber die Schattenseiten sind, wenn man genauer hinguckt, sehr wohl beschrieben. Ich finde jetzt leider die Stelle nicht mehr, aber in einem der letzten 10 Kapitel heißt es (über Oharu?) "sie war noch 2 Jahre jünger als xy." Für mich tun sich durch eine solche Formulierung Abgründe auf. Da braucht nichts weiter beschrieben werden, es läuft mir auch so kalt den Rücken runter.



    Zitat von "Bartlebooth"

    Ob Yumiko nun tatsächlich tot ist? Ich habe keine Ahnung. Akagi könnte tot sein, der ist ja schon ein paar Kapitel vorher im Abschnitt "The arsenic kiss" umgefallen. Aber war das alles nur Show oder nicht? Weiter ist unklar, ob Akiko tot ist, auch das wird ja nahe gelegt. Aber warum?


    Ich habe da folgende Deutung:


    Vogelmotiv:
    ?? Was sagt das englische Glossar dazu? Das deutsche schweigt leider.


    Ich werde gleich noch den Rest des Nachwortes lesen, aber ich will mich schon jetzt für eine spannende Leserunde bedanken. Toller Vorschlag, Bartlebooth! Wie bist du eigentlich auf dieses Buch gestoßen?

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Hallo zusammen,


    ich stecke noch im 39. Kapitel, bin ich damit das Schlusslicht? :zwinker: Muss aber auch zugeben, dass ich mir bei jedem Kapitel einige Notizen mache, was zwar das Lesen erleichtert, aber nicht gerade beschleunigt.


    Bzgl. dem Mann in westlicher Kleidung: ich bin davon ausgegangen, dass es sich um den Erzähler handelt. Zwar beobachtet er mit den anderen Mitgliedern der Bande das Schiff, aber ich dachte, dass er es halt vorher verlassen hat. Na, mal sehen, ob sich das für mich noch klärt.


    Zitat von "Saltanah"

    Vogelmotiv:
    ?? Was sagt das englische Glossar dazu? Das deutsche schweigt leider.


    Im Glossar gibt es das Stichwort Hauptstadtvögel, hilft Dir das weiter?


    Zitat von "parago"

    Muss mal kurz was einwerfen.. faellt euch auch auf, wie massiv Kawabata die Farbe Rot verwendet, vor allem was kleine Details angeht, etwa an Kleidung, Strassenschildern und aehnlichem? Ich habe die Szenen vor dem inneren Auge aehnlich dem Film 'Sin City' falls ihr wisst was ich meine. Alle kleinen Details bzw. Accessoires sind rot.


    Ja, das ist mir auch aufgefallen. Im Glossar heißt es dazu unter "links": ...die Farbe Rot, der allerdings innerhalb der Farbsymbolik Rot vs. Weiß in der Erzählung ein noch viel weiteres Bedeutungsspektrum zukommt. Und im Nachwort wird erwähnt, dass das erste Schriftzeichen des Namens Akagi "rot" bedeutet.


    Die Geschichte der verrückt gewordenen Schwester erschließt sich mir noch nicht so ganz, aber ich finde sie gleichzeitig spannend und tragisch. Die Schilderung in Kapitel 23, was in der Schule passiert ist, lässt mich schaudern. In diesem Zusammenhang: hat der Reislöffel eine tiefere Bedeutung?


    Und gleich noch eine Frage zu der Geschichte von Umekichi: Ein Haus mit zwei Ein- und Ausgängen - ist das ein Bordell? Und hat man Arsen früher wirklich für eine hellere Haut benutzt? :entsetzt:


    Jedenfalls ein sehr interessantes Buch - Bartlebooth, ich schließe mich hier Saltanah an :smile:


    Liebe Grüße
    Manjula

  • Saltanah, danke, jetzt stimmt die Größe wieder!

    Zitat von "Glossar der englischen Ausgabe"

    bird catcher Although not always in the form described here, the bird catcher was a character appearing [in] Edo-period illustrated books. There are several references to birds, or tori, in the Scarlet Gang of Asakusa, and perhaps the bird catcher is also one incarnation of the narrator, who "hunts out little birds" in his travels through Asakusa park. In Japanese mythology, birds were also believed to be bearers of the souls of the deceased.


    Soviel erstmal für heute, morgen mehr.

  • Saltanah, die Interpretation, die du bezüglich Yumiko und Akiko gibst, würde natürlich einiges erklären. Im Nachwort der englischen Ausgabe steht nichts davon; vielleicht im Vorwort? Das habe ich zwar gelesen, aber solche Einzelheiten eher überlesen.


    Manjula, die Geschichte der älteren Schwester Yumikos, Ochiyo, wird in den letzten Kapiteln des Buches noch einmal aufgenommen. Sie ist eine der düstersten Gestalten des ganzen Textes.

    Zitat

    Besonders schlimm fand ich das Ende von K55:
    - There? You mean last night? Did you sleep alone?
    - No, there were four of us. Three men, but Tesu took care of them, says Ochiyo, nonchalant.
    Ochiyo ist damit in Bezug auf den Umgang mit Prostitution die Gegenfigur zu Oharu. Während diese den die Zwangsprostitution gewissermaßen professionalisiert und einigermaßen für sich zu wenden versteht, zerbricht jene an den Folgen.
    Das Spiel mit den Identitäten, das Saltanah auch schon angesprochen hat, scheint mir auch hierher zu gehören. Das Schaffen von anderen Identitäten, die mit anderen Namen versehen werden, könnte ua ein Mittel sein, um sich gegen solche Katastrophen, wie sie Ochiyo erlebt, zu feien.


    Saltanah, Was noch einmal Yumiko/Akiko betrifft: Bezüglich der Identität der beiden finde ich die Parallestellen in K37/38 überzeugend. Was ihr Überleben angeht, hätte ich wohl weiter gezweifelt, wenn sie nicht tatsächlich im letzten Kapitel noch einmal auftauchen würde. Doch durch die nicht lineare Erzählweise bin ich dennoch etwas verunsichert, ob die Ereignisse aus dem zweiten Teil (nach K37) nicht wenigstens zum Teil vor den Ereignissen des ersten Teils stattfinden könnten. Gibt es irgendwelche direkten Bezüge auf bereits Geschehenes, die diesen Zweifel mit Sicherheit ausräumen könnten?


    Haben die auf-Deutsch-Leserinnen denn auch den Eintrag zur Vorsilbe O-, auf den ich oben angespielt habe, davon ausgehend, dass die Glossare identisch wären?


    Auf das Buch bin ich gestoßen, weil ich in irgendeiner englischen Monatszeitschrift (ich glaube im Prospect) eine geradezu euphorische Rezension zu der englischen Übersetzung gesehen habe. Und da ich ohnehin schon längst einmal etwas von Kawabata lesen wollte, habe ich gedacht, dieser Erstling könnte vielleicht geeignet sein.

  • Nein Manjula.. Schlusslicht bin mal wieder ich.. hatte gestern unfreiwillig schon wieder einen 'lesefreien' Tag und haenge nun arg hinterher. Auch heute werd' ich mir wahrscheinlich bloss ein Stuendchen goennen koennen, da sich Familie zum Abendessen angemeldet hat. :entsetzt:


    Folge euren Ausfuehrungen aber taeglich und kann mich natuerlich ebenfalls nur anschliessen - sehr interessante Wahl, die Lust auf mehr japanisches macht. Wie waere es denn mit einem Ishiguro als naechstes? :zwinker:

  • Zitat von "Bartlebooth"

    Doch durch die nicht lineare Erzählweise bin ich dennoch etwas verunsichert, ob die Ereignisse aus dem zweiten Teil (nach K37) nicht wenigstens zum Teil vor den Ereignissen des ersten Teils stattfinden könnten. Gibt es irgendwelche direkten Bezüge auf bereits Geschehenes, die diesen Zweifel mit Sicherheit ausräumen könnten?


    Teile des 2. Teils könnten sich schon früher zugetragen haben. Was Yumiko angeht,

    Zitat

    habe ich einen indirekten Hinweis darauf, dass sie die Bootsszene überlebt hat.
    Am Ende von Kap. 42 heißt es: "Dass ich Linkshänder Hiko begegnet bin, hängt eigentlich auch mit der Rezession zusammen" und "Könnten sie mir nicht einen Yukata kaufen". Die Geschichte mit dem Yukata geht in Kap. 46 weiter: "Ich weiß ja nicht, wie Fräulein Yumiko mit ihnen umgeht, aber ich bin nicht so vertrottelt, dass ich Leute um Frauen-Yukata anbettele". Nun ist ein Yukata laut Worterklärung ein Sommerkimono. Der erste Teil spielt im Herbst/Winter 1929. Der Kimono muss im Sommer 1930 gekauft worden sein, da in Kap. 42 ja die Rezession erwähnt wurde (zumindest, wenn man die mit der Weltwirtschaftskrise gleichsetzt, aber es könnte natürlich sein, dass die japanische Wirtschaft schon vorher kriste.)
    Persönlich bin ich jedenfalls davon überzeugt, dass diese Erwähnung Yumikos nach ihrem "Tod" stattfindet.


    Zitat von "Bartlebooth"

    Haben die auf-Deutsch-Leserinnen denn auch den Eintrag zur Vorsilbe O-, auf den ich oben angespielt habe, davon ausgehend, dass die Glossare identisch wären?


    Im deutschen Glossar steht unter dem Stichwort "Namen":
    "Ein vorgestelltes O- bei weiblichen Vornamen verweist auf die Zugehörigkeit zum Unterhaltungsgewerbe; die Schlusssilbe -ko, die weibliche Vornamen in aller Regel kennzeichnet, fällt weg. So wird beispielsweise aus Haruko mit Verlust ihrer Unschuld Oharu."
    Hier zeigt sich mal wieder, wie wichtig Worterklärungen bei fremdländischer Literatur sind. Ohne diesen Hinweis hätte ich überhaupt nicht gemerkt, wie viele der genannten Frauen Prostituierte sind.


    Zitat von "Parago"

    sehr interessante Wahl, die Lust auf mehr japanisches macht. Wie waere es denn mit einem Ishiguro als naechstes?


    Ich habe auch Lust auf mehr japanische Literatur bekommen, würde Kazuo Ishiguro allerdings eher als britischen Schriftsteller bezeichnen. (Mit 5 Jahren nach England gezogen, schreibt auf englisch sehr "englische" Romane.)

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Hallo zusammen,


    bin gerade fertig geworden und irgendwie verwirrt. Einerseits stellen sich mir noch viele Fragen zur Handlung (ist Umekichi wirklich Hiko? Ist der Erzähler Akagi? Wurde Oito schon vor dem 41. Kapitel erwähnt?...), andererseits bin ich aber am Überlegen, ob diese Fragen gar nicht wichtig sind und es eher lohnend wäre, das Buch nochmals zu lesen und nur auf die Beschreibungen und die Untertöne zu achten? :hm:


    Was für mich in den letzten Kapiteln auffällt, ist, dass der Erzähler stärker involviert ist. Vorher hat er die Armut und Prostitution nur beschrieben, jetzt gehen ihm die geschlossenen Spinnereien "an die Nieren", weil er sich denken kann, was die entlassenen Frauen tun werden. Auch dass er seine Kusine beschreibt, quasi als Gegenpol zu der Kindprostituierten (die im Haus ihrer Mutter "arbeitet"! Und deren Mutter die Schwiegertochter wohl auch dazu zwingt - und die andere Tochter findet es nur nervig, dass die Schwägerin über Schmerzen klagt. Abgründe :entsetzt: ), zeigt seine stärkere Betroffenheit.


    Hat jemand von Euch "Fortunas Tochter" gelesen"? Ich fühlte mich beim Lesen ganz stark an die elenden Sing Song Girls erinnert. Auch die "Technik" des Frauenhandels ist ganz ähnlich.


    @Bartlebooth: ja, die Geschichte mit dem Hund hat mich auch schockiert. Ganz lapidar wird hier eine grauslige Begebenheit erzählt.


    Ein Fazit zu dem Buch fällt mir ehrlich gesagt schwer, ich bin hin- und hergerissen. Aber eins ist sicher: ohne die Leserunde wäre ich wohl nicht durchgekommen :zwinker:


    Liebe Grüße
    Manjula

  • Ihr Lieben.. es faellt mir schwer, aber ich muss mich an dieser Stelle ausklinken. Ich hab das Buch mittlerweile immer und ueberall dabei, komme aber taeglich grade mal dazu, 4 bis 5 Seiten zu lesen - stecke momentan in Kapitel 42.. mir fehlen Zusammenhaenge, ich bin mehr und mehr verwirrt und ertappe mich dabei, wie ich anfange, ganze Absaetze nur zu ueberfliegen - und das macht so einfach keinen Spass.


    Diese und die Letzte Woche sind und waren hektischer, als ich erwartet hatte und momentan ist kein Ende in Sicht (heute schon wieder 2 Arzttermine und Nachmittags der Schwiegermama versprochen, zu helfen.)


    Ich werde das Buch definitiv nachholen und mir dann diesen Strang nochmal zu Gemuete fuehren; ich bin mir sicher, eure Gedankengaenge werden hilfreich sein.


    Bartlebooth.. vielen Dank dafuer, dass du meine Aufmerksamkeit mal wieder auf einen japanischen Autor gelenkt hast; ich hatte bisher nur gute Erfahrungen mit Ishiguro, Murakami und Co. und bin auch diesmla nicht enttaeuscht worden, wenn's auch mal was ganz anderes ist.


    Tut mir leid, dass ich nicht bis zum Ende durchgehalten hab, aber ein Buch wie dieses verlangt uhnd verdient einfach mehr Aufmerksamkeit, als ich ihm im Moment widmen kann..


    Bis zum naechsten Mal.