Michael Crichton - Timeline

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    Hi!


    Da sich im "Was lest ihr gerade?"-Thread eine kleine "Timeline"-Diskussion anbahnt, eröffne ich mal eine eigene Abteilung dafür.


    Ich habe das Buch gelesen und fand es schlecht. Hier meine Rezi:


    Zum Inhalt:
    Ein grosses amerikanisches Unternehmen, dass sich mit Quantenphysik beschäftigt, erfindet eine Art Zeitreisemaschine. Als ein Geschichtsprofessor in die Zeit des Hundertjährigen Kriegs zwischen Frankreich und England zurückgeschickt wird, passiert ein Missgeschick und der Professor kann nicht mehr aus eigenem Antrieb zurückkehren. Ein Rettungsteam, bestehend aus zwei Historikern und einer Architektin, die ebenfalls Geschichte studiert, wird losgeschickt, um den Professor zu retten. Bald müssen alle vier erkennen, dass im Mittelalter manches anders lief, als sichs der Historiker vorstellt. Und da sie gerade am Vorabend zu einer Schlacht um zwei Burgen eintreffen, geraten sie bald von einer misslichen Lage in die nächste. Nebst ihrem Überlebenskampf haben sie noch ein Zeitproblem: Sie müssen innert 37 Stunden den Professor einsammeln und sich wieder verdrücken.


    Mehr Details:
    Die Idee von Zeitreisen hat den modernen Menschen schon immer faszniert. Crichton versucht uns nun plausibel zu machen, dass Zeitreisen - Quantenphysik sei Dank - möglich sind. (Oder um genau zu sein: Es sind eigentlich gar keine Zeitreisen, man wird einfach in ein Parallel-Universum versetzt, in dem gerade Mittelalter ist.) Er schustert sich da eine Theorie zusammen, die zwar plausibel klingt, wenn man von Quantenphysik keine Ahnung hat (so wie ich), aber ich nehm sie ihm trotzdem nicht ab.
    Und daran scheitert eigentlich das ganze Buch: Es ist fast durchgehend unglaubwürdig. Ein weiteres Beispiel: Chris aus dem Rettungsteam wird ein Handschuh vor die Füsse geschmissen. Er nimmt ihn auf, ohne sich bewusst zu sein, dass er damit ein Duell angenommen hat. Halloooo, der Mann ist Historiker und soll so etwas nicht wissen?
    Der Schwachsinn zieht sich durch: Das Rettungsteam besteht aus drei Personen. André Marek, Historiker, Mittelalterspezialist und -freak. Seine Liebe zum Mittelalter geht so weit, dass er in der heutigen Welt nicht nur zum Bogenschiessen und Reiten geht, er hat sich auch Lanzen und einen Dummy gebastelt, damit er das Duellieren vom Pferd aus üben kann. Ausserdem nimmt er Breitschwert-Unterricht. Und wem das noch nicht reicht: Er spricht ausserdem noch Alt-Französisch und eine mittlerweile tote Sprache, Alt-Okzitanisch. Chris Hughes ist ebenfalls Historiker, aber eher farblos (was wiederum am Schriftsteller liegt, der lieber Quantenphysik erklärt, statt seine Protagonisten anständig zu charakterisieren). Kate Erickson ist halt die Frau, die auch noch mit muss, wobei ihre architektonischen Kenntnisse bisweilen von Nutzen sind. Ausserdem ist sie leidenschaftliche Kletterin, das bringt sie ab und zu auch weiter - natürlich.
    Diese drei landen also im Mittelalter und müssen den Professor retten. Bald steht für den Leser fest: André Marek kann alles, weiss alles und ist eh der Beste. Die anderen zwei stellen sich wie Deppen an und haben meist keine Ahnung, was läuft, obwohl sie auch Geschichte studiert haben. Das nervt, weil es total unrealistisch ist. Das Beispiel mit dem Fehde-Handschuh sagt ja wohl alles. Und Marek in Ehren, aber wer zum Teufel lernt heutzutage eine tote Sprache so gut, dass er sie sprechen kann?


    Meine Wertung:
    :marypipeshalbeprivatmaus:


    Es reicht nicht mal für eine Ratte, sorry...


    Gruss und Feuer frei


    Alfa Romea :smile:

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

    Einmal editiert, zuletzt von nimue ()

  • Hallöchen,


    Ähem, das hört sich ja alles ziemlich daneben an. :entsetzt: :heul:


    Jetzt überlege ich ob ich das Buch überhaupt weiterlesen soll, oder vielleicht mit dem Hintergedanken "Na ja ist halt so".


    Mal sehen


    Liebe Grüße
    epona

    ***********************************<br />Unsere Weisheit stammt aus unserer Erfahrung, und unsere Erfahrung stammt aus unseren Dummheiten.<br />(Sascha Guitry)

  • Zitat von "epona"

    Jetzt überlege ich ob ich das Buch überhaupt weiterlesen soll


    Doch, doch. Mach nur. Es ist zumindest spannend geschrieben, das kann ich dir versichern. Es hat also einen hohen Unterhaltungswert, wenn man sich nicht zu viele Gedanken dabei macht :breitgrins:


    :winken:


    Alfa Romea

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • Ooooch, ich hab das Buch vor langer Zeit gelesen und hab es eigentlich nur in positiver Erinnerung. Sicher, Crichton fabriziert sich natürlich haufenweise Zeug zusammen, damit die Geschichte überhaupt funktioniert. Aber genau wie im Jurassic Park Film fand ich, dass in Timeline zumindest die generelle Idee mit der Quantenphysik recht glaubhaft rübergekommen ist - natürlich muss ich dazu sagen, dass ich davon wirklich überhaupt nichts verstehe. :breitgrins: Es hat halt gut geklungen.


    Zur Geschichte selbst: Ich fand, es hat sich durchs ganze dicke Buch ein hoher Spannungswert gehalten, die Charaktere waren teilweise seicht, teilweise aber auch sehr interessant (Marek). Und das Mittelalter-Feeling war auch durchgehend vorhanden, zumindest bei mir.
    Es ist sicher nicht die gehobenste Art der Unterhaltung, aber ich habe viele schöne Stunden mit Timeline verbracht und werde das Buch bestimmt in Zukunft mal auf Englisch lesen.


    4ratten


    Liebe Grüße,
    Wendy


    P.S.: Der Film war wirklich grottenschlecht! :kotz:

    Jahresziel: 2/52<br />SLW 2018: 1/10<br />Mein Blog

  • So, dann hier mal eine Verfechterin des Films, denn den Film "Timeline" finde ich klasse! :bang:
    Halt ein schöner Abenteuerfilm. Das Buch, das ich vor dem Film gelesen habe, hat mir von der Geschichte her auch gut gefallen, allerdings kenne ich mich weder in Geschichte noch in Physik besonders gut aus und habe somit nicht alle Passagen mit Feuereifer verfolgt. Aber insgesamt fand ich sowohl das Buch als auch den Film (obwohl im Film sehr viele Sachen weggekürzt oder verändert wurden) gut! :klatschen:

  • Also mir hat das Buch eigentlich auch gut gefallen. Die Erklärung mit der Quantenphysik hat wirklich gut geklungen, andererseits habe ich sie auch nicht wirklich ernst genommen. Ich meine es ist ja klar, dass es nicht wirklich funktioniert.
    Mein Lieblingscharakter war auf jeden Fall Marek und so unrealistisch fand ich es garnicht, er war halt ein richtiger Freak und davon gibt es wirklich welche. Ich kenne auch jemanden, der Schwertkampf macht und immer in mittelalterlicher Kleidung rumläuft... :breitgrins:

    [size=9px]&quot;I can believe anything, provided that it is quite incredible.&quot;<br />~&quot;The picture of Dorian Gray&quot;by Oscar Wilde~<br /><br />:leserin: <br />Henry Fielding - Tom Jones<br /><br />Tad Williams - The Dragonbone Chair<br /><br />Mark Twai

  • Hallöchen


    Zitat von "Alfa_Romea"

    Doch, doch. Mach nur. Es ist zumindest spannend geschrieben, das kann ich dir versichern. Es hat also einen hohen Unterhaltungswert, wenn man sich nicht zu viele Gedanken dabei macht :breitgrins:


    OK, ich schalte das Denken dann zeitweise ab, :breitgrins: und lese weiter.


    Aber selbst ich als nicht-Historiker hätte gewußt, was los ist wenn mir einen eine Handschuh vor die Füße wirft.


    Liebe Grüße
    epona

    ***********************************<br />Unsere Weisheit stammt aus unserer Erfahrung, und unsere Erfahrung stammt aus unseren Dummheiten.<br />(Sascha Guitry)

  • Mir gefiel das Buch ebenfalls gut; so gut, dass ich es sogar einmal verschenkt habe. Bei dieser Art von Literatur zählt für mich der Unterhaltungswert, und der war gegeben. Wenn hier immer alles wie im richtigen Leben ablaufen würde, wäre es lange nicht so interessant, daher passiert eben manchmal Unglaubliches. Wie der Autor das Problem dann löst, ist natürlich eine andere Sache. Damit war ich auch nicht immer zufrieden. Fünf Ratten wären es bei mir nicht geworden, aber mehr als ein halbes Mäuschen allemal.


    Liebe Grüße


    Doris

  • Ich wuerde "Timeline" zwar nicht zu meinen Lieblingsbuechern zaehlen, aber ich fand es doch sehr unterhaltsam und einfach zu lesen.
    Die Sache mit der Quantenphysik hat mich eigentlich nicht grossartig gestoert, da die Art wie die Zeitreisen stattfinden sowieso meist etwas an den Haaren herbeigezogen ist.
    Was mir nicht so gefallen hat, waren die vielen Actionszenen. Da haette er es ruhig ein wenig langsamer angehen lassen koennen.

  • Hallöchen,


    So, gerade eben habe ich Timeline zu Ende gelesen. Nun wenn man nicht alles auf die Goldwaage legt fand ich das Buch gar nicht so schlecht. Recht flüssig und unterhaltsam geschrieben.


    Na, ja was die in 37 Stunden alles erlebt haben. Von einem gefährlichen Abenteuer ins nächste und das ohne Pause. Verletzungen und Aktionen die jeden anderen aus der Bahn geworfen hätten, wurden einfach so weggessteckt. Und am Ende gelingt die Rückkehr auf die letzte Sekunde.


    Aber wie gesagt, nicht alles auf die Goldwaage legen. Einfach nur lesen.


    Ich geb dem Buch mal
    3ratten


    Liebe Grüße
    epona

    ***********************************<br />Unsere Weisheit stammt aus unserer Erfahrung, und unsere Erfahrung stammt aus unseren Dummheiten.<br />(Sascha Guitry)

  • Ich muss Alfa Romeo vehement widersprechen. Ich fand das Buch einfach nur spitzenklasse und auch den Film habe ich bereits fünf Mal gesehen.


    Allein das Thema und die Umsetzung in dem Buch waren einfach nur super. Aber ich liebe solche Bücher einfach.


    Katrin

  • @ Alfa_Romea:


    Ich habe den Film gesehen, aber das Buch nur quergelesen, also kann ich nur in punkto *unrealistisch* vom Leder ziehen.
    Historische Wissenschaft ist ein Sammelbegriff für ein Bündel unterschiedlicher Fächer und Unterdisziplinen, zu denen auch einige Sprachwissenschaften gehören. Das Team in der Neuzeit betreibt eher Mittelalterarchäologie als Historik, aber egal..... :rollen:


    Tolkien hat für seine Elben eine ganz neue Sprache erfunden und es gibt Fans, die sich heute in ihr unterhalten. Es gibt Akademiker alter Schule, die sich auf Latein oder Altgriechisch unterhalten können - beides sind tote Sprachen. In einigen Studienfächern ist es Pflicht, Grundkenntnisse in Latein oder Altgriechisch vorzuweisen und Kenntnisse in Norsk oder Altdänisch oder Mittelhochdeutsch oder Altfranzösisch zu erwerben. Keine dieser Sprachen wird heute noch gesprochen, aber man braucht sie, um Originaltexte lesen und verstehen zu können.


    Viele Historiker und Archäologen setzen sich mit den Inhalten ihrer Fächer nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch auseinander. Wer die Herstellungstechnik von Artefakten untersucht und deren Funktionsweise enträtseln will, der kann sich natürlich auf rein visuelles Vergleichen des Unbekannten mit Bekanntem beschränken und auf dieser Basis zu einer Interpretation kommen. Diese kann richtig oder falsch sein. Am einfachsten läßt sich die Richtigkeit einer Interpretation dadurch überprüfen, daß man selbst einmal versucht, ein Artefakt XY in der angedachten Weise herzustellen oder anzuwenden. Sinn und Zweck vieler funktionalen Elemente z.B. an einer Waffe, werden erst wirklich faßbar, wenn man tatsächlich versucht, damit das zu tun, wovon man meint oder sich vorstellt, daß es damit getan worden ist. Praktische Versuche haben schon so manche wunderschöne Theorie zerstört - mitunter im buchstäblichen Sinne. :zwinker:


    Insofern ist nichts weiter dabei, wenn Marek sich mit Reiten, Bogenschießen und Schwertkampf beschäftigt. Er braucht das nicht zwingend zur Ausübung seines Berufs, aber es hilft ihm beträchtlich beim Verständnis der Materie, mit der er sich beschäftigt. Es ist durchaus realistisch, daß ein Historiker oder Archäologe soviel Spaß an dieser spielerischen Seite seines Fachgebietes bekommt, daß entsprechende Übungen zusätzlich seine Freizeit (fast) völlig vereinnahmen.
    Von da bis zum Erlernen toter Sprachen ist nur ein winziger Schritt - wenngleich mit leichten Mühen verbunden. Doch da es inzwischen viele Fachleute sowie Laien gibt, die sich sozusagen 1:1 mit dem Mittelalter (oder anderen Zeiten) auseinandersetzen, gäbe es ggf genügend Gesinnungsgenossen, mit denen jemand diese Sprachen gemeinsam erlernen und sprechen könnte. Letztendlich ist das auch nichts anderes als einen Spanischkurs an der VHS belegen..... :breitgrins:


    Der Unterschied zwischen Marek und seinen Fachkollegen besteht darin, daß sie sich in ihrer Freizeit mit anderen Dingen beschäftigen. Sie sind nicht fanatisch begeistert vom Leben im Mittelalter, sondern es ist für sie ein Fachgebiet, das sie als Wissenschaftler analysieren. Er jedoch beschäftigt sich praktisch rund um die Uhr mit der damaligen Lebensweise und der Sprache - oder sie beschäftigt ihn. Deshalb hat er einen ganz anderen Einblick in die Geisteswelt und Verhaltensweisen jener Zeit und durch diesen psychologischen Vorsprung findet er spielend einen Einstieg in die Zeit seiner Träume. Seine Begleiter betreten die fremde Welt dagegen als neuzeitliche Touristen, die ein Mittelalter-Disneyland besuchen.
    Um sich in dieser Welt zu bewegen, sind alle gezwungen, ihr theoretisches Fachwissen in praktische Verhaltensweisen umzusetzen und dabei jeweils die gesamte Bandbreite möglicher Bedeutungsinhalte einzukalkulieren. Das aber kann nur jemand gelingen, der sich quasi Tag und Nacht so sehr in alle nur erdenklichen Aspekte und Details eines Fachgebietes vertieft hat, daß sie ihm tatsächlich in Fleisch und Blut übergegangen sind und er sie eben ggf. leben kann, ohne allzu viele Fehler zu machen - zumindest für eine gewisse Zeit.
    Marek hat in der Neuzeit seinen Auftritt im Mittelalter ständig als So-tun-als-ob-Rollenspiel geübt, seine Kollegen haben diese Zeit nur anhand von Schriftquellen und Artefakten analysiert. Ihr theoretisches Fachwissen kann noch so groß sein, aber in dieser Situation nützt es ihnen wenig, weil zu viele Variable gleichzeitig ins Spiel kommen. Es ist unmöglich, eine Situation gleichzeitig zu analysieren und darauf zu reagieren.



    Der springende Punkt bei der Frage nach *realistisch/unrealistisch*, ist nur, OB die damalige Zeit so war, wie Marek glaubt? Der Angelpunkt der Fiktion in Buch und Film lautet, DASS diese Zeit deckungsgleich ist mit unseren heutigen Vorstellungen von jener Zeit. Wenn diese Voraussetzung gegeben ist, dann ist Marek als der beste Kenner jener Zeit derjenige der Gruppe, der sich in ihr frei und ungezwungen bewegen kann, während die anderen notgedrungen am laufenden Band stolpern. Beide Darstellungen sind durchaus realistisch.


    Der Archäologe Paul Bahn schrieb einmal: "Wenn Archäologen mit einer Zeitmaschine in die Vergangenheit zurückreisen könnten, würden sie binnen einer halben Stunde nach drei Dingen jammern: Gutem Bier, einer Klimaanlage und - ihren Vorstellungen, wie die Vergangenheit zu sein habe....."
    Die Frage des Advocatus Diaboli lautet also nicht, wie realistisch es ist, daß Marek in jener Zeit wunderbar zurechtkommt, sondern ob es von Crichton realistisch ist, davon auszugehen, daß alles in jener Zeit so war, wie sich Wissenschaft und Forschung das heute vorstellen und rekonstruiert haben? Denn selbst wenn es im Großen und Ganzen stimmen sollte, so kann der Teufel bekanntlich oft im Detail liegen..... :rollen:


    :elch:

  • Zitat von "Tamlin"

    Keine dieser Sprachen wird heute noch gesprochen, aber man braucht sie, um Originaltexte lesen und verstehen zu können.


    Einverstanden, dagegen habe ich ja auch nichts. Aber woher weiss denn der Herr Marek, wie man die Worte ausspricht, woher kennt er die Satzmelodie? Laut Crichton ist seine Aussprache ja sehr gut, was mir seltsam erscheint, da wir ja heute nicht mehr sicher wissen können, wie die Leute im Mittelalter gesprochen haben. Wenn ich mir jetzt ein Buch kaufen und russisch lernen würde, ohne dabei auf audielle Mittel zurückzugreifen, wäre ich zwar imstande, die Sprache perfekt zu lernen, aber die Aussprache würde mit grosser Wahrscheinlichkeit sehr weit daneben liegen.


    Zitat von "Tamlin"

    Am einfachsten läßt sich die Richtigkeit einer Interpretation dadurch überprüfen, daß man selbst einmal versucht, ein Artefakt XY in der angedachten Weise herzustellen oder anzuwenden.
    ...
    Insofern ist nichts weiter dabei, wenn Marek sich mit Reiten, Bogenschießen und Schwertkampf beschäftigt.


    Auch da bin ich grundsätzlich einverstanden. Aber wie schon bei der Sprache: Marek beherrscht diese Künste für meinen Geschmack ein bisschen zu gut für einen Wissenschaftler, der das in seiner Freizeit übt. Immerhin kämpft er später gegen Profis in diesen Disziplinen, die ihr Handwerk von Kindsbeinen an gelernt haben. Trotzdem kann er mithalten. Natürlich dürfte er dank der besseren Ernährung und der besseren medizinischen Versorgung im 20. Jahrhundert körperlich fitter sein als die Ritter, aber das sollten diese mit ihrem Trainingsvorsprung mehr als wett machen können.


    Zitat von "Tamlin"

    Der Unterschied zwischen Marek und seinen Fachkollegen besteht darin, daß sie sich in ihrer Freizeit mit anderen Dingen beschäftigen. Sie sind nicht fanatisch begeistert vom Leben im Mittelalter, sondern es ist für sie ein Fachgebiet, das sie als Wissenschaftler analysieren.
    ...
    Seine Begleiter betreten die fremde Welt dagegen als neuzeitliche Touristen, die ein Mittelalter-Disneyland besuchen.


    Auch wenn diese Leute keine Mittelalterspezialisten sind, sollten sie doch ein bisschen mehr über diese Zeit wissen, als im Buch beschrieben ist. Sonst sind sie auf dieser Ausgrabungsstätte schlichtweg am falschen Ort.


    Was ich an Crichtons Story kritisiere, ist nicht, dass es einen Spezialisten gibt und die andern hinterherhängen, das ist durchaus realistisch. Ich kreide ihm lediglich an, dass der Unterschied zwischen dem Spezialisten und den anderen Fachleuten zu gross ist und dass Marek offenbar alles gleich gut oder besser kann als die Leute, die tatsächlich im Mittelalter leben. Solche Dinge regen mich auf und rauben mir den Spass an einer Geschichte, die eigentlich gar nicht so schlecht wäre.
    Aber so sind sie halt, die amerikanischen Thrillerautoren: Immer alles übertreiben, da wird nicht gekleckert, da wird geklotzt... :zwinker:


    Liebe Grüsse


    Alfa Romea

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • @ Alfa_Romea:


    ad Sprache: Wie schon gesagt, Crichtons Fiktion beruht auf der einseitigen Annahme, daß die Aussprache identisch ist mit dem, was wir (und damit auch Marek) heute über sie lernen können. Das ist für Buch/Film jedoch völlig in Ordnung, denn es IST immerhin eine von zwei Möglichkeiten. Ohne eine echte Zeitreise ins Mittelalter kann niemand Crichton widerlegen, daß er von der falschen Annahme ausgeht.
    Zum Problem könnte eher der Umstand werden, daß Alltagssprache erfahrungsgemäß oft verschliffen wird und etliche Ausdrücke keinen Eingang in die Hochsprache (Dichtung/Prosa) gefunden haben könnten, aufgrund der Marek die Sprache gelernt hat. Aber auch diese Annahme ließe sich nur durch eine echte Zeitreise verifizieren oder widerlegen.....
    Umgekehrt besteht dieses Problem weniger. Marek beherrscht zumindest die Hochsprache und damit müßten ihn alle Leute verstehen können, auch wenn sie ihn aufgrund seiner Aussprache für einen Fremden halten werden. Entscheidend jedoch ist, daß sie ihn trotzdem für einen Zeitgenossen halten können, der (einem entlegenen Winkel) ihrer eigenen Welt entstammt.



    ad Waffenhandwerk: Ein Wissenschaftler kann Kampfsportler sein.....
    Den Aspekt der körperlichen Fitness aufgrund der besseren Ernährung etc. im 20. Jahrhundert kann man getrost knicken. Rüstungen und Waffen haben ihr Gewicht - im unbewaffnetem Kampf (ohne Rüstung) könnte ein Ritter oder Soldat Marek allein durch Muskeln und Körpergewicht mühelos plattmachen. Ritter sind an das Tragen der gesamten Ausrüstung über längere Zeit gewöhnt und sind im Einsatz der Waffen im echten Kampf und Schlachtgetümmel (ohne Regeln) geübt. Marek hat im Vergleich dazu nur herumgespielt - begeistert, akribisch, ausdauernd, aber dennoch war sein Leben niemals bedroht und er hat nie jemand getötet. Das alles sind Nachteile.
    Doch er hat auch einige Vorteile auf seiner Seite, die dafür sprechen, daß es realistisch ist, davon auszugehen, daß er mithalten kann. Er ist mit Sicherheit ein ganzes Stück größer als seine Gegner, was ihm im Nahkampf und zu Pferd einen Reichweitenvorteil verschafft und er ist dazu beweglicher und gelenkiger. Überdies ist er kein integraler Bestandteil der Geistesstruktur des Mittelalters, sondern kann als Mensch der Neuzeit außer auf die im MA üblichen Kampftechniken auch auf die späterer Zeiten sowie die aus anderen Teilen der Welt zurückgreifen - zuzüglich etlicher Kampfsportarten. Wenn er sein theoretisches und praktisches Wissen über alternative Bewegungsabläufe und Techniken in den Gebrauch mittelalterlicher Waffen umsetzen kann, dann macht ihn das zu einem unkonventionellen, gefährlichen Kämpfer. Zumindest solange ihn kein mittelalterlicher Ritterbrocken durch rohe Kraft nach Rugbymanier einfach rammt und unter sich begräbt oder so nah an ihn herankommt, daß er ihm seine gepanzerte Faust auf's Auge setzen kann.



    ad Fachkenntnis von Historikern/Archäologen: Laut Film sind die meisten *Kollegen* jüngere Studenten, während Marek ein älteres Semester ist. Der Sohn des Professors ist überhaupt nicht vom Fach und selbiges gilt für die Architekturstudentin. Ein weiterer Student wird nicht wegen seiner Fachkenntnis mitgenommen, sondern nur deshalb, weil er Franzose ist und dolmetschen soll.
    Ich fürchte, Du hegst falsche Vorstellungen von den Teilnehmern einer Ausgrabung. Was diese Herrschaften veranstalten und wie sie mit Fundstücken umgehen, ist ohnehin ein Lachschlager. Sie benehmen sich wie Raubgräber - insofern ist es dann auch realistisch, wieviel sie über die Zeit nicht wissen...... :rollen:

    Mit dem Leben im Mittelalter hat sich außer dem Professor anscheinend nur Marek detailliert und ausführlich beschäftigt. Die anderen schusseln so mit. Historiker beschäftigen sich vor allem mit dem theoretischen Ablauf geschichtlicher Ereignisse aufgrund schriftlicher Zeugnisse. Über das alltägliche Leben des gemeinen Volkes steht jedoch immer nur sehr wenig in den Schriftquellen.....
    Als Historiker haben sie im (echten) Mittelalter ein doppeltes Handicap. Erstens bezieht sich ihr Fachwissen eher auf geschichtliche Zusammenhänge im größeren Maßstab, während hier praktische Kenntnisse über das Alltagsleben gefragt sind. Zweitens kommt es in dieser Situation darauf an, theoretisch (passiv) erworbenes Fachwissen in aktives Verhalten (Sprache und Handlung) umzusetzen.
    Nur Marek hat sich vorher gründlich in die Geistes- und Alltagswelt des Mittelalters vertieft und ist darin geübt, sein Fachwissen spielerisch in praktische Aktionen umzusetzen. Deshalb erachte ich sowohl die Mühelosigkeit, mit der er im Rahmen der geschilderten Handlung mit dem Leben im Mittelalter zurechtkommt, für realistisch als auch die Schwierigkeiten, die seine Kollegen haben. Die eigentlich Frage wäre, ob Marek seine Rolle auf der mittelalterlichen Bühne ein Leben lang spielen kann, ohne sich verdächtig zu machen und über kurz oder lang auf die Nase zu fallen. Diesbezüglich bin ich ziemlich skeptisch......


    :elch:

  • Hi Tamlin!


    Vielen Dank für deine sehr ausführliche Antwort. Ich will ja auch gar nichts dagegen sagen, deine Argumente sprechen für sich und sind sehr stichhaltig. Trotzdem ändert das nur wenig bis nichts an meiner schlechten Meinung über Timeline.
    Auch wenn man das, was ich Crichton ankreide, sehr schön erklären kann (wie du es getan hast), kann ich es ihm doch nicht "verzeihen" :zwinker: Meine Meinung habe ich mir während des Lesens von Timeline gebildet und mich immer wieder über verschiedene Dinge aufgeregt... Deine Argumentation wirkt auf mich wie eine Art Schöngerede (nicht negativ gemeint!) der Unzulänglichkeiten des Autors :rollen: :smile:


    Fazit: Wir werden uns in diesen Fragen wohl nie einigen können, aber es war interessant, darüber zu diskutieren :elch:


    Mit einem lieben Gruss


    Alfa Romea

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • @ Alfa_Romea:


    Entschuldigung, ich versuche nicht die Unzulänglichkeiten des Autors schönzureden oder Deine schlechte Meinung über „Timeline“ zu ändern, sondern ich protestiere nur gegen die einseitige Voreingenommenheit Deiner Annahmen.
    Im Grunde kreidest Du Crichton an, daß seine Vorstellung vom Mittelalter anders ist als Deine und daß er Historiker sowohl besser als auch schlechter darstellt als sie Deiner persönlichen Meinung nach sein dürfen.


    Es geht um Glaubwürdigkeit in zweierlei Hinsicht – einmal der innerhalb von Crichtons Fiktion und zum anderen jener zwischen seiner Fiktion und der Wirklichkeit. Für Dich ist beides dasselbe, für mich jedoch nicht. Insofern werden wir natürlich nie Einigkeit erzielen, aber das verlangt ja auch kein Mensch.
    Ich kann (zumindest als Leser) im Rahmen von Crichtons Fiktion - einer Abenteuergeschichte - akzeptieren, daß die Ritter und Leute im Mittelalter sich so verhalten und so sprechen, wie Marek es geübt hat.
    Du akzeptierst es im Rahmen der Fiktion nicht, weil Dein Anspruch an Crichton lautet, daß seine Fiktion mit Deiner Vorstellung von der mittelalterlichen Realität übereinstimmen muß. Du unterstellst quasi, daß im Mittelalter vieles anders gewesen ist als wir es uns heute vorstellen und daß Marek sich demnach gar nicht soviel an Wissen und Fähigkeiten aneignen konnte, um im MA bestehen und mithalten zu können. Parallel dazu kreidest Du aber Chris an, daß er Dinge nicht weiß, die Deiner subjektiven Ansicht nach zum selbstverständlichen Hintergrundwissen eines Historikers gehören.....
    Es geht hierbei um unterschiedliche Erwartungshaltungen und ich verteidige Crichton nur insofern, als daß ich behaupte, daß bei den von Dir genannten "unrealistischen" Aspekten in Wirklichkeit beides gleichermaßen realistisch, da objektiv betrachtet möglich ist - sowohl Deine Erwartung als auch Crichtons. Wie mehrfach angedeutet, ist tatsächlich manches in "Timeline" unrealistisch dargestellt, aber eben nicht aus den Gründen, die Du angeführt hast. :rollen:



    Beispiel Fehdehandschuh:
    Du findest es unrealistisch, daß Chris als Historiker nicht erkennt, die Aufforderung zu einem Duell anzunehmen, wenn er einen Handschuh aufhebt, der ihm vor die Füße geworfen wird. Ich meine, daß das allenfalls auf Mängel bei Chris Allgemeinbildung hindeutet und im Rahmen von Fiktion und Wirklichkeit akzeptabel (realistisch) ist.


    Der Haken liegt nämlich ganz woanders: Adlige glaubten allein fehdeberechtigt zu sein. Das Werfen des Fehdehandschuhs war eine ritualisierte Kampfansage - aber nur unter Gleichen, also von Edelmann zu Edelmann. Kein Adliger würde jemand herausfordern, von dem er nicht weiß, ob derjenige seinem eigenen Stand angehört, d.h. „satisfaktionsfähig“ ist! Außerdem war das Werfen des Handschuhs eine persönlich zielgerichtete, provokante Geste mit zusätzlich verächtlichem Beleidigungscharakter, die aber unabhängig von einer Herausforderung zum Duell war. Und das Aufheben des Handschuhs bedeutete nur dann die Annahme einer Duellforderung, wenn die geforderte Person von Adel war.
    Es ist also völlig unrealistisch, daß ein Adliger den als Landmann/Magister auftretenden Chris überhaupt herausfordert! In diesem Punkt hat Crichton aus dramaturgischen Gründen oder sachlicher Unkenntnis geschlampt. Die Darstellung des ritterlichen Verhaltens ist unrealistisch, während man beim Umfang des Fachwissens des Historikers unterschiedlicher Meinung sein kann. :breitgrins:


    :elch:

  • ich habe das buch schon 3 mal gelesen und finde es immer wieder toll. Erstklassike Unterhaltung und ich persönlich habe einen gewissen Ahnung davon bekommen, wie es wäre in der Zeit zurück zureisen (auf Technik basierend), was mir bei Diana Gabaldons Highlander-Saga nicht passiert ist.


    Zitat

    Die ganze Geschichte liest sichr sehr überzeugend, doch Marek kommt mir auch ein wenig übernatürlich vor. Er hat wahnsinnig viel Erfahrung für sein Alter (er liest sich für mich zumindest wie Anfang dreißig) und dann bleibt er auch noch dort. Er entschliesst sich so einfach dafür, ohn das der Eindruck entstht das er wirklich darüber nachgedacht hat. Gut er gibt die begründung vor das er in diese Zeit besser passt, aber .. ich war leicht verstört.



    Im Gegensatz zum Buch mag ich den Film kein bisschen, er hat mich ziemlich enttäuscht. Die Charaktere kommen mir so eintönig gespielt vor.

    http://exlibris.parlaris.de<br /><br />Vitamin liest gerade: <br />Leo Tolstoi - Anna Karenina (LR)

    Einmal editiert, zuletzt von ()

  • Zitat von "Vitamin"


    Die ganze Geschichte liest sichr sehr überzeugend, doch Marek kommt mir auch ein wenig übernatürlich vor. Er hat wahnsinnig viel Erfahrung für sein Alter (er liest sich für mich zumindest wie Anfang dreißig) und dann bleibt er auch noch dort. Er entschliesst sich so einfach dafür, ohn das der Eindruck entstht das er wirklich darüber nachgedacht hat. Gut er gibt die begründung vor das er in diese Zeit besser passt, aber .. ich war leicht verstört.


    Markiere das doch vorsichtshalber lieber als Spoiler.

    [size=9px]&quot;I can believe anything, provided that it is quite incredible.&quot;<br />~&quot;The picture of Dorian Gray&quot;by Oscar Wilde~<br /><br />:leserin: <br />Henry Fielding - Tom Jones<br /><br />Tad Williams - The Dragonbone Chair<br /><br />Mark Twai

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