Michel Faber - Das karmesinrote Blütenblatt

Hello nimue,

da hatte ich wohl etwas falsch verstanden, was den Zusammenhang zwischen Charakteren & Sympathien & Buch-gefallen betrifft. Ich hatte das auch vollkommen wertfrei gemeint - aber so wie du es jetzt beschreibst, kommt das meiner eigenen Auffassung schon näher.

Also bei William gebe ich dir recht - der bleibt mir auch irgendwie "fern", aber ich kann ihn viel zu wenig leiden, als dass mich das sonderlich stören würde! Sugar ist mir zwar wie dir nicht gerade sympathisch (auch nicht richtig unsympathisch), aber ich kann mich eigentlich sehr gut in sie hineinversetzen und ihre Handlungen nachvollziehen.

Zitat

Auch finde ich, dass die gesamte Atmosphäre, die es anfangs gab, immer weiter abgenommen hat.

Da muss ich dir leider zustimmen - darüber habe ich mir gestern beim Lesen einmal Gedanken gemacht. Teilweise könnte es aber damit zusammenhängen, dass sich die vornehmen Salons der Reichen & Schönen nun mal nicht so "drastisch" und einprägsam schildern lassen wie die Gosse. Außerdem kommt mir vor, dass der Autor jetzt einfach mehr Energien auf die Einzelschicksale verwendet hat, als auf das Drumherum. Aber trotz allem ist es natürlich schade, dass er diese Atmosphäre nicht mehr ganz so hinkriegt wie am Anfang.

Zitat

Aha...ich wusste schon, warum mir William unsympatisch ist...nun vergewaltigt er auch noch seine bewusstlose Frau. DAS hat mich extrem gestört! Und ich sehe es wirklich als Vergewaltigung an, auch wenn das bis vor einigen Jahrzehnten in der Ehe nur ein "Kavaliersdelikt" war - bis wann? In die 80er?

Boah, ja, das war grausig. Vor allem, wie er sich dabei vor sich selbst in Schutz nimmt, indem er sich vorgaukelt, er will nur ihre missglückte erste Nacht wieder gut machen. Pfui Teufel!

Na gut, wenigstens wir beide haben wieder halbwegs eine Diskussion in Schwung gebracht!
Was ist mit dem Rest? Schreibt doch mal eure Gedanken, Sympathien und Antipathien bzgl. der Figuren! Angua, willst du nicht rettend einspringen?

Bye bye,
Bluebell

Hallo Bluebell,

Zitat von "Bluebell"

Also bei William gebe ich dir recht - der bleibt mir auch irgendwie "fern", aber ich kann ihn viel zu wenig leiden, als dass mich das sonderlich stören würde! Sugar ist mir zwar wie dir nicht gerade sympathisch (auch nicht richtig unsympathisch), aber ich kann mich eigentlich sehr gut in sie hineinversetzen und ihre Handlungen nachvollziehen.

Ich glaube, wir sind uns da generell einig, denn seit einigen Seiten - genauer gesagt, seit Sugar bei William wohnt - habe ich auch eher Zugang zu ihr gefunden und sie wurde mir sogar sympathischer. Ihre Handlungen finde ich auch nachvollziehbarer, nachdem man nun doch etwas mehr über sie erfahren hat. Das blieb meiner Meinung nach etwas lange aus.

Weisst Du, was ich mich die ganze Zeit schon frage? Ob noch aufgelöst wird, was William von der ersten Hure verlangt hat, das sie nicht bereit zu geben war und er deshalb zu Sugar geschickt wurde.

Zitat

Da muss ich dir leider zustimmen - darüber habe ich mir gestern beim Lesen einmal Gedanken gemacht. Teilweise könnte es aber damit zusammenhängen, dass sich die vornehmen Salons der Reichen & Schönen nun mal nicht so "drastisch" und einprägsam schildern lassen wie die Gosse.

Anfangs fühlte ich mich auch ganz extrem an "Das Bildnis des Dorian Gray" erinnert. Rein von der Atmosphäre her. Trotz allem: Ein gutes Buch, dessen Kauf ich keineswegs bereue. Nur macht es die Diskussion halt auch viel interessanter, wenn man so unterschiedliche (und auch mal keine durchweg guten) Eindrücke hat

Liebe Grüße
nimue

Hi nimue,

Zitat

Weisst Du, was ich mich die ganze Zeit schon frage? Ob noch aufgelöst wird, was William von der ersten Hure verlangt hat, das sie nicht bereit zu geben war und er deshalb zu Sugar geschickt wurde.

Das würde mich auch interessieren.

Zitat

Anfangs fühlte ich mich auch ganz extrem an "Das Bildnis des Dorian Gray" erinnert. Rein von der Atmosphäre her.

Ja, und wie! Es spielt ja auch ungefähr in derselben Zeit.

Zitat

Trotz allem: Ein gutes Buch, dessen Kauf ich keineswegs bereue. Nur macht es die Diskussion halt auch viel interessanter, wenn man so unterschiedliche (und auch mal keine durchweg guten) Eindrücke hat

Seh ich genauso! :smile:

Ein Thema, das wir seltsamerweise noch gar nicht hatten: wie kommt ihr eigentlich mit der derben Sprache klar? Sugars Verdauungsprobleme werden mit derselben Selbstverständlichkeit (und Detailliertheit) geschildert wie Sophies Nasenbluten. Und während in anderen Büchern überhaupt die direkte Erwähnung von Genitalien schon undenkbar wäre, kommen hier diesbezüglich ziemlich derbe Kraftausdrücke vor, und das sogar öfter als neutrale Begriffe wie "Penis".
Ich nehme an, dass der Autor ganz gezielt provozieren und einmal "anders" schreiben wollte. Im Großen und Ganzen stört es mich auch nicht (auch wenn ich zu Beginn des Buches ein paar Mal große Augen bekam und schlucken musste ), aber sonderlich appetitlich ist die Sprache natürlich nicht, und an manchen Stellen kommt es mir etwas gar arg vor.
Sehr interessant finde ich es aber, ein wenig darauf zu achten, wann der Autor z.B. ganz normal von "Unterleib" oder "Penis" spricht, und wann dagegen von "Möse" und "Schwanz" die Rede ist, usw.

Bis bald,
Bluebell

Huhu,

ich bin feeeertig! Gestern konnte ich nun endlich diesen Wälzer beenden! Uffz...geschafft!

Bluebell, bist Du auch schon fertig?

Zitat von "Bluebell"

Ein Thema, das wir seltsamerweise noch gar nicht hatten: wie kommt ihr eigentlich mit der derben Sprache klar? Sugars Verdauungsprobleme werden mit derselben Selbstverständlichkeit (und Detailliertheit) geschildert wie Sophies Nasenbluten. Und während in anderen Büchern überhaupt die direkte Erwähnung von Genitalien schon undenkbar wäre, kommen hier diesbezüglich ziemlich derbe Kraftausdrücke vor, und das sogar öfter als neutrale Begriffe wie "Penis".
Ich nehme an, dass der Autor ganz gezielt provozieren und einmal "anders" schreiben wollte.

Mich hat es auch nicht sonderlich gestört. Da ich auch zu den Bukowski-Leserinnen gehöre, bin ich an derbe Sprache in Romanen "gewöhnt" (wobei sie bei Bukowski ja noch etwas derber ist).

Sprachlich gehört Michel Faber für mich den richtig Guten. Nicht immer locker runterzulesen, aber immer sehr schön (die Längen zählen da ja nicht). Mich haben nur einige Tippfehler gestört, woran man dem Autor aber wohl keine Schuld geben kann.

Ansonsten: Die Längen haben sich gezogen, wurden aber zum Schluß hin besser.

Nur: Spoiler bis zum Ende des Buches:

Was ist zu diesem Ende zu sagen? Hmm...einerseits ja doch recht unbefriedigend, weil _überhaupt nichts_ gelöst wird. Weder erfahren wir, ob Agnes nun tatsächlich die Leiche war oder ihr Kloster fand, wir erfahren auch nicht, was Sugar für William tun musste am Anfang der Geschichte und wir erfahren auch nicht, was aus Sugar & Sophie letzten Endes wird.

Andererseits macht das schon einen gewissen Reiz des Buches für mich aus. 08-15 Enden haben wir ja eigentlich schon genug, oder?

Die Rezi habe ich übrigens gestern auch noch geschrieben.

Liebe Grüße
nimue

Morgen,

ich bin seit vorgestern abend ebenfalls fertig.
Im ersten Moment fand ich den Schluss genau wie du unbefriedigend. Aber nach zweimal drüber schlafen, kommt er mir einfach nur noch genial vor.
Ein Happy End hätte wohl kaum zu diesem Buch gepasst und den Nachgeschmack ordentlich verdorben. Aber einen richtig schlimmen Schluss wollte uns der Autor eben auch nicht zumuten.
Genau genommen schließt sich der Kreis perfekt: das Buch endet genauso, wie es begonnen hat! Wir sind praktisch zufällig während einer x-beliebigen Szene in das Leben von Sugar und William getreten, und im Prinzip verlassen wir es auch wieder an irgendeiner x-beliebigen Stelle - nur dass dazwischen viel, viel geschehen ist!
Je mehr Zeit vergangen ist, seit ich die letzte Seite zugeschlagen habe, desto gelungener finde ich das Ende.
Und wie du sagst: 08/15-Enden gibt es wirklich schon genug!

Deine Rezi hab ich auch schon gelesen. Die ist dir ja wieder einmal großartig gelungen und wird bestimmt noch vielen potentiellen Kandidaten Lust auf das Buch machen!
Etwas überrascht war ich nur über die 5-Leseratten-Bewertung, dass es nach unseren Diskussionen und allem, was du auch in der Rezi nochmal geschrieben hast (Längen, Wurschtigkeitsgefühl gegenüber den Hauptcharakteren) nicht einmal einen Stern Abzug gegeben hat.

So, was ist mit dem Rest? Liest überhaupt noch jemand, oder stehen nimue und ich allein auf weiter Flur?

Ciao, liebe Grüße
Bluebell

Hallo Bluebell,

Zitat von "Bluebell"

Ein Happy End hätte wohl kaum zu diesem Buch gepasst und den Nachgeschmack ordentlich verdorben. Aber einen richtig schlimmen Schluss wollte uns der Autor eben auch nicht zumuten.
Genau genommen schließt sich der Kreis perfekt: das Buch endet genauso, wie es begonnen hat! Wir sind praktisch zufällig während einer x-beliebigen Szene in das Leben von Sugar und William getreten, und im Prinzip verlassen wir es auch wieder an irgendeiner x-beliebigen Stelle - nur dass dazwischen viel, viel geschehen ist!

Du hast absolut recht! Das Ende ist gelungen und von der Seite betrachtet, schließlich sich der Kreis tatsächlich perfekt. Eigentlich beachtlich, was der Autor da geleistet hat.

Zitat von "Bluebell"

Etwas überrascht war ich nur über die 5-Leseratten-Bewertung, dass es nach unseren Diskussionen und allem, was du auch in der Rezi nochmal geschrieben hast (Längen, Wurschtigkeitsgefühl gegenüber den Hauptcharakteren) nicht einmal einen Stern Abzug gegeben hat.

Ich habe auch eine ganze Weile überlegt, aber mal ehrlich: Verdient das Buch auch nur einen Punkt Abzug? Es ist - trotz der Längen (die euch anderen ja gar nicht so schlimm erschienen - ein wirklich sehr gutes und (noch viel wichtiger für mich) ungewöhnliches Buch. Ich konnte da einfach keine Leseratte abziehen.

Trotzdem bin ich froh, dass ich jetzt endlich mal wieder was anderes lesen kann! Uffz...Die 300 Seiten Elixiere des Teufels werden dagegen wohl fast ein Spaziergang.

Liebe Grüße
nimue

Hallo Beatrix,

stimmt...Sugar hat sich wirklich entwickelt mit der Zeit! Ansonsten stimmen wir ja ziemlich überein mit unseren Meinungen. Allerdings hätte ich dem ersten Teil keine SO geringe Punktzahl gegeben. Die Längen waren zwar da, aber eine 4??

Liebe Grüße
nimue

Hallo Beatrix,

echt? Du hättest das Buch sonst gar nicht beendet? Toll, dass so eine Leserunde dann beim Durchbeißen hilft! War bei mir auch öfter so (beispielsweise bei "Sturmhöhe").

Übrigens: Du hast (wie ich auch öfter) Schwierigkeiten, weil sich das Forum Deinen Login nicht merkt, oder? Das liegt vermutlich entweder an einer Firewall oder an einem Router (da nur dort die Probleme auftreten).

Ich behelfe mir entweder, indem ich meinen Text ins Notepad tippe und dann hier reinkopiere oder ich öffne gleich zwei Nachrichtentextfenster, wo ich dann das andere (in dem ich die Antwort nicht schreibe) aktualisiere. So sehe ich, ob ich noch eingeloggt bin und kann das dann gegebenenfalls wieder tun (und mal wieder Text kopieren etc.).

Hmm..ich weiß jetzt nicht, ob ich das so verständlich machen konnte.

Liebe Grüße
nimue