Carlos Ruiz Zafón - Der Schatten des Windes

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  • Soeben habe ich die letzten Seiten gelesen - ich habe das Buch regelrecht verschlungen, obwohl sich der Anfang zugegebenermaßen etwas schleppend las!
    So richtig kann ich gar nicht erklären, weshalb ich das Buch nie lange aus der Hand legen konnte.


    Ganz sicher trug die Sprache ihren Teil dazu bei, denn Zafón hat wunderschöne Bilder dazu verwendet und die Beschreibungen haben mich immer wieder in eine ganz andere Stimmung versetzt, die sich fast über den gesamten Inhalt erstreckte. Stets fühlte ich mich, als wäre ich mittendrin und nicht, als würde mir jemand die Geschichte erzählen. Ich war dabei und genauso neugierig, verängstigt, traurig, fasziniert, ...


    Ein wunderbares Buch zum Eintauchen und ich bin mir jetzt schon sicher, dass ich es irgendwann noch einmal lesen werde. Denn durch die vielen Verstrickungen und da Vieles zunächst wirr erscheint und sich erst nach und nach langsam auflöst, besteht noch ein kleines Chaos in meinem Kopf und ich könnte die Geschichte nicht klar und besonders mit den vielen Personen erzählen. :zwinker:


    Die Personen sind ja auch eine Sache für sich! Häufig musste ich einen Moment innehalten, um zu überlegen, wer DAS jetzt schon wieder war und in welcher Beziehung die Person zu einer anderen stand. Zunächst dachte ich, dass eine Übersicht zu Beginn hilftreich gewesen wäre - allerdings wurde mir im Verlauf der Geschichte klar, dass man damit möglicherweise zu viel verraten würde.


    Fermín bleibt neben Daniel und Julián wohl am längsten im Gedächtnis. Ich stellte mir Fermín immer als drahtiges Kerlchen vor, der irgendwie knuffig wirkte und die Handlung immer mal wieder auflockerte. Viele andere Personen dagegen gewannen leider nicht sehr an Tiefe und blieben etwas farblos, was angesichts der Vielzahl an Namen verständlich ist. Ein paar Menschen weniger hätten dem Buch meiner Meinung gut getan.


    Das ist allerdings der einzige kleine Kritikpunkt, der mir einfällt und ich bin froh, dass ich nun auch endlich dieses Buch gelesen habe. :smile:


    4ratten


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    Und fast vergessen habe ich das Wichtigste: Ich hatte wahnsinnige Probleme mich zurechtzufinden, wenn es darum ging, aus welcher Perspektive nun erzählt wird! Der doch sehr häufige Wechsel brachte mich immer wieder kurzzeitig durcheinander, sodass ich ab und zu einen Absatz nochmals lesen musste. Das lag vielleicht aber nur daran, dass ich zu müde war, um aufmerksamer zu lesen. :zwinker:

    Es geschah kurz nach Anbruch des neuen Jahres, zu einem Zeitpunkt,

    als die violetten und gelben Blüten der Mimosenbäume rings um die Ambulanz

    aufgesprungen waren und ganz Missing in Vanilleduft gehüllt war.


    Abraham Verghese – Rückkehr nach Missing

    Einmal editiert, zuletzt von British_Soul ()

  • Das Buch musste ich nach dem Lesen erstmal sacken lassen. Irgendwie nicht schlecht, aber um gut zu sein, hat mich irgendwie doch zuviel gestört.


    Die Geschichte insgesamt ist zunächst nicht weltbewegend, aber wird von der Atmosphäre her schön erzählt. Düster finde ich es übrigens nicht, eher bedrohlich, wenn Fumero auftritt oder auch teilweise trist. Den Friedhof der ungelesenen Bücher fand ich eine sehr schöne Idee. Vom Schreibstil her liest es sich ganz angenehm, ist mir aber oft zu verschwurbelt. Schlichte Erzählkunst ist mir einfach lieber als eine wilde Aneinanderreihung von Adjektiven. Die Grenze zwischen poetisch und schwülstig ist dünn und wird in meinen Augen doch einige Male überschritten.


    Daniel ist für mich leider kein schlüssiger Charakter. Welcher 10jährige interessiert sich denn für eine 20jährige Frau, dass er alles andere darüber vergisst? Tut mir leid, so frühreif ist nun wirklich niemand. Auch die weitere Beziehung zu Clara... nun ja. Die bessessene Suche nach Julián - warum? Die anderen Charaktere reihen sich da fast alle nahtlos ein. Warum treibt Fumero solch ein Hass an? Warum leidet Julián in Paris passiv vor sich hin, ohne je den Versuch zu unternehmen, etwas zu ändern? Warum lässt Tomas seinen Freund einfach fallen?


    Logik scheint nicht wirklich Zafóns größtest Hobby zu sein. Ein paar Beispiele:



    Das größte Problem hatte ich mit den 'Erzählungen' zwischendrin. Immer, wenn Daniel eine Person mit neuen Informationen findet, erzählt diese ihm ihre halbe Lebensgeschichte. Allerdings wechelt hier der Erzählmodus nicht zu dieser Person, sondern es wird wie von einem allwissenden Erzähler berichtet. Es gibt jeweils taund Details, welche die Person, die angeblich erzählt, gar nicht wissen kann.


    Das klingt nun alles ziemlich negativ, aber es war zumindest so spannend, dass ich nicht abgebrochen, sondern zu Ende gelesen habe. Deshalb noch:


    2ratten

    :lesen: Naomi Novik - Uprooted

  • Ewig hat Der Schatten des Windes bei mir im Regal auf Französisch rumgesubbt, mehrmals habe ich den Roman angefangen und nach ca. 100 Seiten wieder abgebrochen. Nun habe ich mir vor circa 5 Tagen das Buch auf Deutsch geholt und tadaaa - endlich hat es mich gepackt. (Es hatte wohl etwas damit zu tun, dass ich einfach nicht so gerne auf Französisch lese wie auf Deutsch). Und was soll ich sagen? Ich bin begeistert. Nachdem ich Das Spiel des Engels und Marina von Zafón bereits vor längerer Zeit gelesen und geliebt habe, hat mich nun endlich auch dieses Buch verzaubert.



    Zur Geschichte an sich werde ich nicht viel sagen, ausser dass sie mich nicht mehr losgelassen hat. Das Buch war außerordentlich spannend, immer wieder überraschten mich neue Wendungen und Ereignisse, mit denen ich nicht gerechnet hätte. Nicht nur die Handlung selbst hat mich überrascht, sondern auch wie sich die Beziehungen zwischen einzelnen Personen entwickelt haben, wie z.Bsp.



    Immer wieder wurden neue Fragen aufgeworfen, so viele, dass ich mich schon fragte ob es überhaupt möglich sei alle beantwortet zu bekommen bevor dem Ende des Romans. Und doch wurden sie alle beantwortet.


    Die Charaktere sind ebenfalls alle so hingestellt, dass sie einen einfach nicht kalt lassen können - für die einen empfand ich umgehende Sympathie und Zuneigung, andere hingegen fand ich einfach nur verabscheuungswürdig, wie z.Bsp. Fumero, aber auch Clara Barceló, die ich überhaupt nicht mochte. Außerdem fand ich, das sogar die "bösen" Personen, wie z.Bsp. Fumero etwas Menschliches an sich hatten, in seinem Fall eben



    Über Carlos Ruiz Zafón's Schreibstil kann ich ebenfalls nur schwärmen, alles was ich bisher von ihm gelesen habe lässt sich sehr flüssig lesen und ist dennoch wunderschön. Ich kann nicht beschreiben, was genau es ist aber etwas an seiner Art zu Schreiben verzaubert mich und macht es mir unmöglich mit dem Lesen aufzuhören.


    Jedenfalls vergebe ich für Der Schatten des Windes die volle Punktzahl und kann es nur jedem weiterempfehlen. Dieses Buch ist ein wahrer Genuss und zählt nun auf jeden Fall zu meinen absoluten Lieblingen. Ich werde es bestimmt irgendwann noch einmal lesen. 5ratten

    "Von den Sternen kommen wir, zu den Sternen gehen wir. Das Leben ist nur eine Reise in die Fremde." - Walter Moers - Die Stadt der Träumenden Bücher

  • Aus dem Spanischen von Peter Schwaar


    Meine Meinung
    Was für ein Buch! Es hat mich verzaubert, gefesselt, erschlagen und begeistert. Dies war endlich mal wieder eine Geschichte, die bewirkt hat, dass ich möglichst schnell nach Hause wollte, um weiterlesen zu können. Dabei hatten wir vor einigen Jahren keinen besonders guten Start. Damals habe ich das Buch nach ein paar Seiten wieder weggelegt. Diesmal jedoch hat es mich sofort in seinen Bann gezogen.


    Eigentlich auch logisch, denn diese Geschichte hat alles, was mein Bücherherz begehrt: eine interessante Kulisse (Barcelona 1945-1955), eindrucksvolle Charaktere, spannende Wendungen und ein Thema, das mich immer anspricht (Bücher und ihre Auswirkungen auf unser Leben).


    Besonders in Erinnerung bleiben wird mir die Atmosphäre, die Zafón erschaffen hat. Man befindet sich in Barcelona zur Zeit des Franco-Regimes. Es herrscht die ständige, unterschwellige Angst, aufgegriffen zu werden und für immer zu verschwinden. Diese Angst wird durch den Charakter Fumero personifiziert, der zunächst gar nicht präsent ist, im Verlauf der Geschichte allerdings immer mehr zum Tragen kommt. Außerdem hatte ich die ganze Zeit das Gefühl, dass die Charaktere sich nur durch Nebel bewegen, nie wirklich klar sehen können und alles im Verborgenen geschieht. Mich hat diese Atmosphäre gefangen genommen, denn es war kein unangenehmes Gefühl, sondern eher ein spannungsgeladenes.


    Auch die Charaktere laden zum Weiterlesen ein. Es gibt zwar sehr viele Personen, aber jede einzelne hat so ihre Eigenarten, weshalb ich überraschenderweise keine Probleme hatte, sie auseinanderzuhalten. Von vielen erfährt man einiges über ihre Vergangenheit, meist als ganzer Block erzählt. Mir hat das sehr gut gefallen, denn so haben sich die Zusammenhänge Stück für Stück erschlossen und diese eingeschobenen Erzählungen standen stets im Zusammenhang mit der eigentlichen Geschichte.


    Was ist denn nun eigentlich die Geschichte? Kurz gesagt: der junge Daniel begibt sich auf die Suche nach dem Autor Julián Carax, der ein Buch geschrieben hat, das Daniel nicht mehr loslässt. Dabei bringt er so manches Geheimnis ans Licht und Ereignisse geraten ins Rollen, die kaum noch aufzuhalten sind. Dieser Plot klingt erstmal nicht besonders ungewöhnlich, zumal derzeit das Thema "(Familien)Geheimnisse" sehr beliebt ist.


    "Der Schatten des Windes" ist für mich allerdings mehr als seine Handlung. Die besondere Atmosphäre, die Charaktere und ihre individuelle Geschichte und das Vermitteln der Faszination für das Buch, das uns nicht mehr loslässt ... das sind die Dinge, die für mich das Buch so besonders machen.


    5ratten

    "Bücher lesen heißt wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben über die Sterne." (Jean Paul)

  • Nachdem das Buch jahrelang in meinem Bücherregal gestanden und vergeblich gewartet hat, habe ich es vor einigen Wochen auf einer Urlaubsreise nach Spanien mitgenommen.
    Und ich muss sagen - ich war wirklich positiv überrascht! Ich hatte schon viel darüber gehört und gesehen, dass es so einige Bestsellerlisten geschmückt hat (was mich nicht unbedingt zum Kauf eines Buches anregt) und nachdem meine Mutter doch recht unbegeistert von ihrem Leseerlebnis berichtet hat, war ich etwas skeptisch.
    Doch - oder vielleicht gerade deshalb? - ich habe mich köstlich amüsiert, mitgerätselt und mich von der Atmosphäre Barcelonas mitreißen lassen.


    Nur das Ende hat mich doch etwas gestört - das soll es also gewesen sein?
    Nunja, für mich war es sicherlich nicht eines der besten Bücher, das ich je gelesen habe, doch schlecht war es ganz sicher auch nicht.

  • Bei mir ist es inzwischen auch schon eine Weile her, dass ich das Buch gehört habe.


    Ich fand es toll, und habe gleich ein anderes Buch von Carlos Ruiz Zafón gekauft (aber noch nicht gelesen).

    Was ist wertvoller, Wissen oder Fantasie? Es ist die Fantasie, denn das Wissen hat Grenzen.  - Albert Einstein

  • Lustigerweise ging es mir gleich nach dem Lesen genauso wie dir, Vorleser :).
    Da war ich ganz euphorisch und habe mich gleich nach anderen Büchern von Zafón umgeschaut. Als ich dann gesehen habe, dass unsere lokale Bibliothek ein Buch von ihm hat (das zu dem Zeitpunkt gerade ausgeliehen war), habe ich mich damit begnügt und wollte mich in Geduld üben. Allerdings habe ich es bis heute noch nicht ausgeliehen...

  • Originaltitel: La sombra del viento

    Übersetzung: Peter Schwaar


    Eine meisterhafte Komposition verschiedener Genres


    Inhalt:

    Der Buchhändler Sempere nimmt seinen zehnjährigen Sohn Daniel mit zum Friedhof der Vergessenen Bücher. Hier findet der Junge ein Buch (oder das Buch ihn?), das sein Leben komplett auf den Kopf stellen und Daniel in Lebensgefahr bringen wird. Fasziniert von dem Buch mit dem Titel „Der Schatten des Windes“ versucht Daniel, mehr über dessen verschollenen Autor, Julián Carax, herauszufinden. Dabei sticht er in Wespennest aus üblen Verstrickungen…


    Meine Meinung:

    Dies ist der 1. Band einer vierteiligen Reihe von Büchern um den Friedhof der Vergessenen Bücher in Barcelona. Der Roman ist aber in sich abgeschlossen. Man muss die weiteren Bände also nicht lesen, die meisten Leser*innen werden es nach dieser Lektüre aber sicherlich wollen.


    Carlos Ruiz Zafón ist ein begnadeter Erzähler. Mit seinem gehobenen Schreibstil und wundervollen und eindringlichen Worten setzt er das Kopfkino in Gang und fesselt die Lesenden von der ersten bis zur letzten Seite. Die Geschichte entwickelt sich von Seite zu Seite machtvoller und reißt einen unweigerlich mit. Man wird ins Barcelona der Nachkriegszeit katapultiert, das ich mir genau so vorstelle, und begleitet den jungen Daniel auf seiner Suche nach der Wahrheit und nach der Liebe.


    Dabei lässt Ruiz Zafón es nicht an Spannung fehlen. Es gibt viele unheilvolle und gefährliche Szenen, in denen man um die sympathischen Protagonisten bangen muss. Immer wieder präsentiert der Autor überraschende Wendungen, die dem Ganzen zusätzliche Würze geben.


    Es sind die ganz großen Themen, die dieses Buch ausmachen: Liebe, Freundschaft und Verrat. Auch die Liebe zur Literatur spielt natürlich eine große Rolle und lässt das Herz eines jeden Bücherfreundes höher schlagen.


    Die Reihe:

    1. Der Schatten des Windes

    2. Das Spiel des Engels

    3. Der Gefangene des Himmels

    4. Das Labyrinth der Lichter


    ★★★★★

  • Lilli33 : schön, dass es Dir auch so gut gefallen hat. Ich bin gespannt, was Du von den weiteren Bänden hältst, falls Du sie lesen solltest.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Jetzt komme ich mir vor wie ein Alien. Ich fand das Buch sehr enttäuschend, um nicht zu sagen, mies. Die ganze Zeit hatte ich die Stimme von Lemony Snicket im Kopf: Ja, das ist schlimm, aber warte es mal ab, es wird noch viiiieeel schlimmer!

    In endlosen Monologen wird die Geschichte eines Autors erzählt, von dem Zafón behauptet, er sei ein genialer Schriftsteller. Ich will Beweise sehen, bekomme aber keine. Behaupten kann ja jeder.

    Ein Buch beschreibt normalerweise einen Konflikt, wo isser denn?

    Es geht in der Handlung um Liebe, heißt es oft, aber ich sehe nur Besessenheit. Alle leiden ständig herum, das ist nicht schön, das ist deprimierend.

    Poetische Sprache, ja, stimmt. Aber poetische Sprache allein reicht nicht aus, wenn es keine Handlung gibt. Oder eine Handlung, die in 100 Seiten gepasst hätte, die aber auf 570 Seiten aufgebläht wurde, weil Zafón nicht aufhören kann zu schwafeln und die Geschichte jeder (Neben)Figur im Detail erzählen muss.

    Und das alles, obwohl ich das Hörbuch gehört habe und ich bei Hörbüchern fast immer sehr viel milder urteile. Wenn ich das Buch gelesen hätte, hätte ich es nach 50 Seiten abgebrochen.


    So, das musste mal raus. Ihr könnt schon mal die Mistgabeln holen.


    ***

    Aeria

  • Aeria: ach was, Mistgabeln - die Geschmäcker sind ja gottlob unterschiedlich ;)


    So sehr ich dieses Buch geliebt habe, so furchtbar fand ich den 2. Band und habe mir die weiteren dann gar nicht mehr angetan. Mit dem 2. Teil ging es mir so ähnlich wie Dir mit dem hier.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen