Darf man so etwas schreiben? Verharmlosungen in Büchern

Es gibt 38 Antworten in diesem Thema, welches 10.489 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Stormy.

  • Hallo Papyrus,


    ich kann dir die Seite gerne sagen.
    Es ist in der Bild-Bestseller-Bibliothek auf Seite 236.


    Ich lese auch Thriller in denen es sicher auch zu schrecklichen Morden kommt die in diesen Fällen aber auch eindeutig als schlecht und böse definiert sind.


    Ich habe diesen Abschnitt wieder und wieder gelesen. Wenn zu einem Ritual gehört, das in vergangener Zeit stattgefunden hat und zu einem Teil einer Religion gehört ist es für mich auch kein Grund mich jetzt so darüber aufzuregen.
    Was mich so erschüttert hat ist einfach dieser eine Satzteil ".....-bezwungen von der unwiderstehlichen Kraft der Natur."
    Dieser Teil suggeriert mir das es für etwas Natürliches empfunden wird und das kann es nicht sein.


    Wie auch immer....ich bin sehr dankbar für eure Antworten und mache mir so meine Gedanken darüber. Die Wahrheit liegt wohl letztendlich im Auge des Betrachters.

    Liebe Grüße<br />Marco

  • Zitat von "MarcoAntonio"

    Was mich so erschüttert hat ist einfach dieser eine Satzteil ".....-bezwungen von der unwiderstehlichen Kraft der Natur."
    Dieser Teil suggeriert mir das es für etwas Natürliches empfunden wird und das kann es nicht sein.


    Hallo MarcoAntonio!


    Ich sehe das etwas anders als Du. Vielleicht deswegen, weil ich einen Kelten in meinem Hobby darstelle und etwas (aber wirklich nur etwas) über diese Menschen weiß.
    Du liest diese Sätze aus der Warte eines Menschen des XXI. Jh. Ich glaube jedoch nicht, dass die Autorin das wollte. Sie schildert den Vorgang von der Warte einer Menschengruppe aus, die daran glaubt, dass etwas Göttliches passiert. Dass eine Gottheit durch die Handlung besänftigt/herbeigerufen (und und und) wird.
    Die Menschen um Morgaine haben einfach eine ganz andere Motivation, um bestimmte kultische Handlungen auszuführen. Wenn ein Christ zum Beispiel jemandem erzählt, er isst das Leib und trinkt das Blut Christi, so kann dass auch vollkommen anders bei einem Andersgläubigen ankommen, nicht wahr?

    Gesegnet diejenigen, die nicht gegoogelt haben, und dennoch glauben.

  • Die Nebel von Avalon ist ja mein absolutes Lieblingsbuch und ich kenn es stellenweise auswendig.
    Die fragwürdige Szene kommt aber glaub ich nur so rüber, weil Du Dir da ein kleines Mädchen von vielleicht 5 oder 6 Jahren vorstellst. Das hat MZB da aber ganz bestimmt nicht mit gemeint. Zu den Fruchtbarkeitsfesten wurden geschlechtsreife Mädchen geschickt. Sie wird also wahrscheinlich so alt wie Viviane gewesen sein, als die ihr erstes Kind bekam; 14, vielleicht ein Jahr jünger oder älter, je nach ihrer körperlichen Entwicklung. Und zu der Zeit war das nicht ungewöhnlich, dass die Frauen sehr jung heirateten.
    Ich würde die Szene als Teil das Rituals sehen. Und dieses Ritual war für die in dem Buch beschriebenen Menschen eben sehr wichtig.
    Und übrigens, in dem Buch werden immer wieder - für unsere Verhältnisse - sehr junge Mütter erwähnt. Morgause heiratet mit 15 den sehr viel älteren Lot. Komisch, dass Du Dich da nicht drüber aufgeregt hast...

  • Zitat von "MarcoAntonio"

    Hallo Papyrus,


    ich kann dir die Seite gerne sagen.
    Es ist in der Bild-Bestseller-Bibliothek auf Seite 236.


    Danke, nur leider kann ich die Stelle in meinem Buch nicht auf Anhieb finden.
    Dafür durfte ich feststellen, dass meine "Nebel von Avalon" 21 Jahre alt ist.
    Ich ja auch etwas :smile:

  • Kann es sein, dass das der einzige Thread zu dem Buch ist, den wir haben?


    Jetzt wollte ich mich ja über den umständlichen Erzählstil und das unnötige Gerede beklagen, dann lese ich den Eingangspost. Wenn das wirklich so übel ist, breche ich das Buch dann ab, da kenne ich gar nichts. Aber ich werde soweit lesen, um mir ein eigenes Bild zu machen.

  • Interessanter Thread.


    Ich finde MarcoAntonios Frage sehr berechtigt. Allerdings muss man aufpassen, finde ich, dass einige Dinge nicht durcheinander gebracht werden:
    [list type=decimal]
    [li]Wenn man solche Fragen an ein Buch stellt, geht es nicht darum, der Autorin Vorwürfe zu machen. Man kann nicht vom Text direkt auf die Absichten der Urheberin schließen.[/li]
    [li]Die Frage ist auch nicht, ob etwas in einem Buch vorkommen »darf«, sondern wie es dargestellt wird, welche Sicht darauf dem Leser nahegelegt wird etc. Deshalb ist die Frage, ob die Schilderung einer Vergewaltigung auf verharmlosende Weise geschieht, völlig legitim. Sie lässt sich auch nicht einfach mit der rhetorischen Antwort aushebeln, ob denn in einem Krimi auch keine Morde vorkommen dürfen. Es geht um die Aussageabsicht der Darstellung und wie sie zu bewerten ist.[/li]
    [/list]
    Zu der Szene in Die Nebel von Avalon: Ich bin beim Lesen auch darüber gestolpert und finde sie in der Tat verharmlosend. Es wird eindeutig eine Vergewaltigung geschildert: Das Mädchen wehrt sich dagegen, mit dem alten Mann Sex zu haben, und wird dazu gezwungen. An diesem Sachverhalt ändert sich auch dadurch nichts, dass die Szene vor langer Zeit und in einer mit der unseren nicht ganz übereinstimmenden Welt stattfindet. Es mag sein, dass das Mädchen kein Kind sein soll, sondern eine junge Frau, aber das ändert a) nichts an der Vergewaltigung (die wird durch ein höheres Alter nicht besser) und b) ist die kritische Anfrage an den Text zu stellen, warum eine so irreführende Wortwahl wie »little girl« verwendet wird (habe leider gerade keine Ausgabe zur Hand, um zu überprüfen, ob das wirklich so da steht), wenn eigentlich ein älteres Mädchen gemeint ist.


    Die Szene wird aus der Sicht von Morgaine geschildert, eine positive Figur, mit der die Leser sich identifizieren sollen. Sie beobachtet die Geschehnisse, greift aber nicht ein, und es wird erklärt, dass ein Eingreifen im Rahmen des Rituals ohnehin nicht möglich wäre, weil alle Beteiligten unter dem Einfluss der »irresistible force of nature« stünden. Allgemeines Achselzucken also. Mitleid oder Empathie mit dem Mädchen zeigt keine der beteiligten Figuren und wird auch sonst vom Text nicht nahegelegt. Im Fortgang der Handlung wird auf die Szene, wenn ich mich recht erinnere, nie mehr Bezug genommen. Würde der Handlung wirklich etwas fehlen, wenn diese Szene nicht vorkäme? Ich glaube nicht. Ausgesagt wird nur, dass die Vergewaltigung, die für die Handlung keine weitere Funktion hat, irgendwie nicht so schlimm ist, weil sie im Rahmen eines Rituals stattfindet. In meinen Augen ist das voyeuristisch und verharmlosend.
    :grmpf:


    Ich denke außerdem, dass die Problematik dieser Szene mit einem Konstruktionsfehler des Romans zusammenhängt: Er baut auf dem Gegensatz zwischen dem Christentum (das als fanatisch, intolerant und lustfeindlich geschildert wird) und MZBs fiktiver Göttinnenreligion (die als matriarchal, tolerant, sinnlich und naturverbunden geschildert wird) auf, der erst überwunden scheint,

    Die Schwierigkeit für den Leser ist nur: Warum soll ich die Göttinnenreligion für so toll halten, wenn ihre Vertreterinnen ein halbes Kind rituell vergewaltigen lassen und überhaupt die ganze Zeit eine ziemlich gewissenlose Politik betreiben, indem sie irgendwelchen unsympathischen Machthabern junge Mädchen ins Bett legen, damit sie wie Zuchtstuten den dynastisch gewünschten Nachwuchs austragen? Stellenweise ist halt gar nicht mehr so klar, warum die eine Seite gut sein soll und die andere böse. Vor diesem Hintergrund hätte gerade die Vergewaltigungsszene an Beltane bewusst genutzt werden können, um herauszustellen, dass auch die scheinbar so sanfte Göttinnenreligion und die dynastische Machtpolitik Vivianes und Taliesins ziemlich gewissenlos und gewaltförmig sein können, und zwar gerade gegenüber Frauen. Diese Chance wurde aber verpasst, denn so handelt es sich nur um eine ziemlich abstoßende Szene, deren Sinn (über ihren Voyeurismus hinaus) unklar bleibt.


    P.S.: Ich schreibe das nicht, um MZB zu bashen. Ich lese sie gerne und war als Jugendlicher von den Avalon-Büchern ziemlich beeindruckt. Nur betrachte ich gerne auch Bücher, die mir zusagen, mit einem kritischen Blick, und oft kommen interessante Diskussionen dabei heraus. Gegenwärtig lese ich übrigens Diana L. Paxsons Pastiches. Nach der grottigen Priesterin von Avalon finde ich die Ahnen von Avalon wieder etwas besser.


  • Ich denke außerdem, dass die Problematik dieser Szene mit einem Konstruktionsfehler des Romans zusammenhängt: Er baut auf dem Gegensatz zwischen dem Christentum (das als fanatisch, intolerant und lustfeindlich geschildert wird) und MZBs fiktiver Göttinnenreligion (die als matriarchal, tolerant, sinnlich und naturverbunden geschildert wird) auf, der erst überwunden scheint,

    Die Schwierigkeit für den Leser ist nur: Warum soll ich die Göttinnenreligion für so toll halten, wenn ihre Vertreterinnen ein halbes Kind rituell vergewaltigen lassen und überhaupt die ganze Zeit eine ziemlich gewissenlose Politik betreiben, indem sie irgendwelchen unsympathischen Machthabern junge Mädchen ins Bett legen, damit sie wie Zuchtstuten den dynastisch gewünschten Nachwuchs austragen? Stellenweise ist halt gar nicht mehr so klar, warum die eine Seite gut sein soll und die andere böse. Vor diesem Hintergrund hätte gerade die Vergewaltigungsszene an Beltane bewusst genutzt werden können, um herauszustellen, dass auch die scheinbar so sanfte Göttinnenreligion und die dynastische Machtpolitik Vivianes und Taliesins ziemlich gewissenlos und gewaltförmig sein können, und zwar gerade gegenüber Frauen. Diese Chance wurde aber verpasst, denn so handelt es sich nur um eine ziemlich abstoßende Szene, deren Sinn (über ihren Voyeurismus hinaus) unklar bleibt.


    Möglicherweise war das auch die Absicht und ihr war nicht klar, dass das für manche vielleicht nicht rüberkommt? Naja, ich werde auf jeden Fall noch eine Meinung haben, wenn ich soweit bin. :zwinker:


    Aber auch ganz allgemein betrachtet finde ich, gibt es Themen, die einfach enorm heikel sind. Da muss man schon aufpassen, wie man das schildert und wie es wirken soll, denn es ist so leicht in den falschen Hals zu bekommen. Gerade für jemanden, der vielleicht selbst gewisse Erfahrungen gemacht hat oder sich z.B. im Beruf täglich mit gewissen Thematiken beschäftigen muss, kann so etwas sehr schnell kippen. Man fühlt sich angegriffen und hält es für eine Anmassung, da man davon ausgeht, dass der Autor "keine Ahnung" von der Sache hat, weil man sich nicht denken kann, dass jemand der "Ahnung hat" so etwas schreiben könnte. Und doch weiss man auch das nie als Leser. Man weiss auch nicht von vorneherein, was die Absicht des Autors war, also muss das schon sehr gut gemacht sein. Was wiederum wirklich schwierig ist. Ich denke, heikle Themen sind auch immer eine Gratwanderung für beide Seiten, Autor und Leser. Für den Autor, weil er eben so klar werden muss und für den Leser, weil er es eben unter Umständen nicht verträgt.


  • Man fühlt sich angegriffen und hält es für eine Anmassung, da man davon ausgeht, dass der Autor "keine Ahnung" von der Sache hat, weil man sich nicht denken kann, dass jemand der "Ahnung hat" so etwas schreiben könnte. Und doch weiss man auch das nie als Leser. Man weiss auch nicht von vorneherein, was die Absicht des Autors war, also muss das schon sehr gut gemacht sein. Was wiederum wirklich schwierig ist. Ich denke, heikle Themen sind auch immer eine Gratwanderung für beide Seiten, Autor und Leser. Für den Autor, weil er eben so klar werden muss und für den Leser, weil er es eben unter Umständen nicht verträgt.


    Ich denke und hoffe, dass die meisten Autoren sich vorher Gedanken machen und sich informieren, ob es so etwas gab. Sodass Themen, wo andere sich mit beschäftigen, dahingehend geprüft werden, z.B. bei Ritualen, die es früher gab, usw.
    Heikle Themen sind eine Gradwanderung, da stimme ich dir zu, aber ich finde, es wäre um einiges trostloser, wenn Autoren sind versuchen würden, auch so etwas zu thematisieren.
    Das heißt nicht, dass ich Themen wie Vergewaltigung gut finde und gerne darüber lesen, sicher nicht, aber es thematisiert etwas, was auch heute noch relevant ist. Es ruft uns ins Gedächtnis, wie das Opfer sich fühlt und wie schrecklich es beispielsweise sein muss, nichts tun zu können.
    So etwas liest man auch in der Zeitung, aber nüchterner geschrieben, weil Gefühle nicht direkt angesprochen werden, in Büchern ist das anders.
    Insofern finde ich, dass Bücher auch ein moralischen Aspekt aufweisen, sie zeigen, was gut und was schlecht ist.


    Ich stimme meinen Vorschreibern/innen zu: Ja, ein/e Autor/in darf schreiben, was er/sie möchte. Wenn es schlecht ist oder einfach nicht die Werte der Leser trifft, wird es nicht verkauft und es gibt keine Erlöse.


  • Ist es denn erlaubt Alles in jeder Art zu schreiben nur weil es "Fantasy" ist?


    Sollte es nicht erlaubt sein, alles in jeder Art zu schreiben, egal wie man es nennt?


    Selbst wenn in einem Roman schlimme Dinge verharmlost oder verherrlicht werden - es handelt sich um Fiktion. Wie viele Filme sehen wir durchschnittlich im Jahr, in denen wir brutale Helden anfeuern, die links und rechts die Leichen liegen lassen, um heroisch und mit einem spöttischen Kommentar auf den Lippen die Welt zu retten? Da flippt auch niemand aus, weil etwas "verharmlost" wird.


    Sicher, es gibt Bücher, die sollte man nur lesen, wenn man selbst genug eigenständiges Denken mitbringt, um mit solchen Szenen umgehen zu können. Aber da dir, MarcoAntonio, die Stelle sauer aufgestoßen ist, scheinst du ja jetzt nicht zu denken, junge Mädchen zu vergewaltigen sei in Ordnung. Und Morgaine, in der von dir beschriebenen Szene, denkt das offenbar auch nicht. Sonst würde sie ja nicht die Augen verschließen.


    Die Diskussion bezüglich der angesprochenen Textstelle halte ich also für überflüssig.
    Viel interessanter finde ich das eigentliche Thema, nämlich ob es wirklich Dinge gibt, die man als Autor nicht schreiben "darf", die zu weit gehen. ich denke da nur an "American Psycho" - daneben sehen so ziemlich alle anderen Bücher, die ich gelesen habe, sehr harmlos und lieb aus. :zwinker: Und selbst das - mit seiner wirklich verharmlosenden, ja verherrlichenden Gewalt, mit Morden, Folter und Vergewaltigungen, war ein gutes Buch. Nicht wegen dieser Szenen, aber sie sind nun mal Teil einer Geschichte.
    Genauso wie der Geschlechtsakt mit sehr jungen Mädchen Teil der "Nebel von Avalon" ist (soviel weiß ich noch von meiner angefangenen Lektüre vor vielen Jahren).



    Ich stimme meinen Vorschreibern/innen zu: Ja, ein/e Autor/in darf schreiben, was er/sie möchte. Wenn es schlecht ist oder einfach nicht die Werte der Leser trifft, wird es nicht verkauft und es gibt keine Erlöse.


    Das unterschreibe ich mal so. :breitgrins:

    Jahresziel: 2/52<br />SLW 2018: 1/10<br />Mein Blog

  • Zitat

    Viel interessanter finde ich das eigentliche Thema, nämlich ob es wirklich Dinge gibt, die man als Autor nicht schreiben "darf", die zu weit gehen.


    Ich denke, es kommt immer darauf an, wie etwas geschrieben und dargestellt wird. Wenn die Judenvertreibung positiv dargestellt wird, würde ich auch sagen, nein, das geht nicht. Aber wenn es sachlich angemessen dargestellt wird ohne dass man den Eindruck gewinnt, der Autor findet Juden sind weniger wert, finde ich es durchaus ein Thema, was angesprochen werden sollte.

  • Möglicherweise war das auch die Absicht und ihr war nicht klar, dass das für manche vielleicht nicht rüberkommt?


    Wie gesagt: Was eine Autorin beabsichtigt, ist für mich als Leser nur schwer feststellbar. Ich kann nur den Text beurteilen, den ich vor mir habe, und welche Absichten ich darin verwirklicht sehe.



    Selbst wenn in einem Roman schlimme Dinge verharmlost oder verherrlicht werden - es handelt sich um Fiktion. Wie viele Filme sehen wir durchschnittlich im Jahr, in denen wir brutale Helden anfeuern, die links und rechts die Leichen liegen lassen, um heroisch und mit einem spöttischen Kommentar auf den Lippen die Welt zu retten? Da flippt auch niemand aus, weil etwas "verharmlost" wird.


    Da gibt es aber einen entscheidenden Unterschied: Viele Formen von Gewaltdarstellung in Film und Literatur sind halt eindeutig konventionell. Niemand, der einigermaßen bei Verstand ist, wird aus einem Film wie Machete die Botschaft ziehen, dass Polizisten auch in Wirklichkeit Verbrechern die Gliedmaßen abhacken sollten. Es wird einfach als Teil der Fiktion angesehen. Im Falle der Nebel von Avalon ist das etwas anderes. Die darin dargestellte Göttinnenreligion nimmt eindeutig Bezug auf neuheidnische und esoterische Glaubensvorstellungen, die auch in Wirklichkeit existieren. Diese Glaubensvorstellungen werden vom Roman gewissermaßen als ganzheitliche Alternative zum traditionellen Christentum empfohlen – nicht auf aufdringlich-missionierende Art und Weise, aber es wird schon dezidiert Stellung bezogen und dem Leser das Angebot unterbreitet, sich mit der Göttinnenreligion zu identifizieren. Wenn der Roman nun diese Glaubensvorstellungen vertritt und gleichzeitig beschreibt, wie im Rahmen eben dieser Vorstellungen ein Mädchen zum Sex gezwungen wird, ist das weitaus problematischer als die in Filmen normale Gewaltdarstellung, die keinen direkten Bezug zur Wirklichkeit aufweist.

  • Da gibt es aber einen entscheidenden Unterschied: Viele Formen von Gewaltdarstellung in Film und Literatur sind halt eindeutig konventionell. Niemand, der einigermaßen bei Verstand ist, wird aus einem Film wie Machete die Botschaft ziehen, dass Polizisten auch in Wirklichkeit Verbrechern die Gliedmaßen abhacken sollten. Es wird einfach als Teil der Fiktion angesehen. Im Falle der Nebel von Avalon ist das etwas anderes. Die darin dargestellte Göttinnenreligion nimmt eindeutig Bezug auf neuheidnische und esoterische Glaubensvorstellungen, die auch in Wirklichkeit existieren. Diese Glaubensvorstellungen werden vom Roman gewissermaßen als ganzheitliche Alternative zum traditionellen Christentum empfohlen – nicht auf aufdringlich-missionierende Art und Weise, aber es wird schon dezidiert Stellung bezogen und dem Leser das Angebot unterbreitet, sich mit der Göttinnenreligion zu identifizieren. Wenn der Roman nun diese Glaubensvorstellungen vertritt und gleichzeitig beschreibt, wie im Rahmen eben dieser Vorstellungen ein Mädchen zum Sex gezwungen wird, ist das weitaus problematischer als die in Filmen normale Gewaltdarstellung, die keinen direkten Bezug zur Wirklichkeit aufweist.


    Das glaube ich dir einfach mal so, weil ich weder den Roman je zu Ende gelesen, noch mich genauer mit dem Thema beschäftigt habe. Aber selbst wenn es angepriesen oder positiv dargestellt wird - man wird doch wohl noch wissen, dass man einen Roman liest?
    Ich wäre auch nicht begeistert, wenn ein Autor - weil kleinerHase es angesprochen hat - Judenhass als etwas Gutes vertritt. Aber ich habe auch schon viele Charaktere gelesen, die selbst Meinungen haben, bei denen mir das Grausen kommt. Das ändert für mich persönlich nichts daran, dass es trotzdem eine gute Geschichte sein kann.
    Würde die Message eines Romans aussagen, dass Judenverfolgung/Vergewaltigung/was-auch-immer gut ist, würde ich schon länger drüber nachdenken, was mit dem Autor/der Autorin los ist. Und dann bestenfalls das Buch als Mahnung sehen - wie man nicht denken sollte...


    Jetzt mal ganz abgesehen von der Diskussion: Ihr macht mir richtig Lust, die Nebel von Avalon bald nochmal in Angriff zu nehmen (das habe ich damals abgebrochen, weil es gar nicht mein Buch war, sondern das meiner Oma, und ich es nicht mitnehmen wollte).

    Jahresziel: 2/52<br />SLW 2018: 1/10<br />Mein Blog


  • Das glaube ich dir einfach mal so, weil ich weder den Roman je zu Ende gelesen, noch mich genauer mit dem Thema beschäftigt habe. Aber selbst wenn es angepriesen oder positiv dargestellt wird - man wird doch wohl noch wissen, dass man einen Roman liest?


    Natürlich weiss man das immer. Ich liebe auch gewisse Filme, in denen viel Gewalt vorkommt. Ich denke, das Problem ist auch weniger, falsche Vorstellungen einzupflanzen als vielmehr, gewisse wunde Punkte beim Leser allzu sehr zu treffen. Oder gewissen Gefühlen nicht gerecht zu werden, wenn du so willst. Gerade eine Vergewaltigung ist so etwas Unvorstellbares, dass vermutlich die wenigsten Autoren von sich sagen können, diese Schrecklichkeit entsprechend darstellen zu können. Und wenn so etwas dann gar als akzeptiert dargestellt wird (innerhalb der Buchwelt), ist das ein Schlag ins Gesicht für jedes Opfer. Wie aber auch jede einfachste Gewaltdarstellung (Hand auf einer Ladentheke festnageln) bereits ein Schlag ins Gesicht sein kann.


    Ich glaube man muss auseinanderhalten, wie viel Einfluss Bücher auf Lesermeinungen haben und was ein Buch in der Gefühlswelt eines Einzelnen bewirken kann. Natülrich kann man jetzt sagen, "dann lies so etwas nicht", aber das weiss man ja vorher nicht - ausser man nimmt ein Horrorbuch zur Hand, in dem nun einmal gewisse Dinge zu erwarten sind.


    Und das mit der Gefühlswelt ist wirklich eine Frage der Darstellung, von dem, was rüberkommt. Es gibt Bücher, die wirken, als versuche der Autor seinem Leser etwas zu suggerieren oder ihn zu einer Meinung hinzuziehen. Und es gibt Bücher, in denen das ganz eindeutig lediglich als die Sichtweise dieses einen Charakters erkennbar ist. Ersteres - auch wenn man sich mit etwas Verstand logischwerise nicht beeinflussen lässt - löst genau dieses Gefühl aus. Letzteres ist leichter zu ertragen.

    Andererseits gebe ich euch insofern Recht, das jeder schreiben können sollte, was er möchte und das kein Grund sein darf, etwas einfach gar nicht zu schreiben.


  • Das glaube ich dir einfach mal so, weil ich weder den Roman je zu Ende gelesen, noch mich genauer mit dem Thema beschäftigt habe. Aber selbst wenn es angepriesen oder positiv dargestellt wird - man wird doch wohl noch wissen, dass man einen Roman liest?


    Grundsätzlich ja, wie Stormy gesagt hat. Von den Autorinnen weiß man folgendes: Sowohl MZB als auch Diana L. Paxson haben als wichtige Inspirationsquelle für die Avalon-Bücher die Schriften der britischen Esoterikerin Dion Fortune angegeben. MZB hat außerdem in ihrer Stellungnahme über den religiösen Hintergrund des Romans »Thoughts on Avalon« folgendes gesagt:


    Zitat

    For me the key to “female personality development” in my revisionist, or better, reconstructionist version, is simply this. Modern women have been reared on myths/legends/hero tales in which the men do the important things and the women stand by and watch and admire but keep their hands off. Restoring Morgan and the Lady of the Lake to real, integral movers in the drama is, I think, of supreme importance in the religious and psychological development of women in our day. [...] I think the neo-pagan movement offers a very viable alternative for people, especially for women, who have been turned off by the abuses of Judeo-Christian organized religions. [...] People who have become so sickened by the pride, arrogance, anti-woman attitudes, hypocrisy and cruelty of what passes for Christianity that they leap toward atheism or agnosticism, may well reach out for the gentler reign of Goddess-oriented paganism to lead them back to a true perception of the spiritual life of the Earth. Time enough later to make it clear—or let the Mother make it clear to them—that Spirit is One and that they are, in worshipping the Goddess, worshipping the Divine by whatever name.


    Ich würde sagen: Es ist auf jeden Fall ein echter Roman und nicht etwa ein weltanschauliches Pamphlet, das notdürftig mit einem erzählerischem Rahmen versehen wurde. Aber es ist ein Roman, der mit einer starken Botschaft daherkommt und von ihr überzeugen will. Das hat ja auch viel Anklang gefunden, bis hin zur Veröffentlichung neuheidnischer und esoterischer Bücher über die »Spiritualität von Avalon«. Für mich macht das Teil der Faszination der Avalon-Bücher aus.

  • So, ich habe die zitierte Stelle im "Avalon"-Buch nun auch gefunden, weil es mich (nachdem ich beschlossen habe, es vorerst wegzulegen, siehe Thread dort) dann doch zu sehr wunder genommen hat. Und ich muss sagen, ich finde sie auch sehr grenzwertig. Vor allem dieser Terminus "bezwungen von der unwiderstehlichen Kraft der Natur." Als Läge es in der Natur des Mädchens, aufzugeben und diese Schandtat zu geniessen. Selbst wenn das Wort "Natur" sinnbildlich für den Mann gemeint ist, wie kann man nur einen solchen Vergleich ziehen? Das ist doch ein Schlag ins Gesicht für jedes Opfer. Und Morgaine schliesst die Augen anscheinend auch "von dem blendenden Licht der Fackel" und nicht weil sie von dieser Tat abgeschreckt ist?! Das Hauptproblem dabei ist, denke ich, wirklich, dass sie das so nebenbei abhandelt und die Religion, die das zulässt, innerhalb ihrer Buchwelt verherrlicht. Damit nimmt sie diese Resignationshaltung (die übrigens am Anfang auch Igraine pflegt) ein: "Tja, kann man nichts machen, ist eben Schicksal. Die Göttin will es ja so, also darf man es nicht vermeiden." Genau diese Haltung führt ja erst dazu, dass so etwas möglich wird und das wiederum, ist nicht nur in MBZs Buchwelt so. Erscheint mir etwas gedankenlos, ehrlich gesagt.


  • Damit nimmt sie diese Resignationshaltung (die übrigens am Anfang auch Igraine pflegt) ein: "Tja, kann man nichts machen, ist eben Schicksal. Die Göttin will es ja so, also darf man es nicht vermeiden."


    Es ist ein durchgängiges Motiv in der Buchreihe, dass sexuelle Beziehungen nicht von persönlichen Vorlieben, sondern von einer Art Naturmächtigkeit bzw. eben vom Schicksal bestimmt sind. Ich habe mich gerade bei Die Ahnen von Avalon ohne Ende geärgert, weil darin zwei junge Priesterinnen eine Liebesbeziehung anfangen, die dann aber ganz schnell als unreife Verirrung dargestellt wird. Und am Ende sehen sie dann selber ein, dass ihre göttinnengewollte Bestimmung darin liegt, fruchtbar zu sein, mit Männern Kinder zu zeugen und sich in das ihnen vorgesehene Schicksal zu fügen. Krasser Heterosexismus.

  • Das ist interessant, denn gerade in ihrer Darkoverreihe propagiert Bradley ein ganz anderes Bild. Dort gibt es lesbische Beziehungen die auch nicht als Verwirrung beschrieben werden. Aber gut mir sind ihre Bücher eh zu 70er Jahre Feministisch :breitgrins:


  • Ich habe mich gerade bei Die Ahnen von Avalon ohne Ende geärgert, weil darin zwei junge Priesterinnen eine Liebesbeziehung anfangen, die dann aber ganz schnell als unreife Verirrung dargestellt wird. Und am Ende sehen sie dann selber ein, dass ihre göttinnengewollte Bestimmung darin liegt, fruchtbar zu sein, mit Männern Kinder zu zeugen und sich in das ihnen vorgesehene Schicksal zu fügen. Krasser Heterosexismus.


    Gerade so etwas kann ich gar nicht ab. Das ist doch eine Brandmarkung von aussergewöhnlichen Gefühlen (seien sie sexuell oder sonstwie geartet). Vor allem, weil diese Protaognisten immer so doof sind, und den Unsinn glauben, den ihre Umwelt ihnen aufdrängt.


    @Holden: Das ist aber auch interessant, vielleicht sollte ich dann wohl eher diese Reihe von ihr beginnen? :gruebel::zwinker:


    Also ich mag ja King Arthur-Storys eigentlich, aber was ich bis jetzt weiss, schreckt mich von ihrer Version eher ab.