Carlos María Domínguez - Das Papierhaus

Es gibt 11 Antworten in diesem Thema, welches 3.783 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Breña.

  • Inhalt
    In Domínguez‘ Roman geht es um die Schicksale mehrerer Bibliophiler: fanatische Leserinnen und Leser, deren Lebensfäden durch die Lektüre teils zwar abgeschnitten, gleichzeitig aber auch verwoben werden. Die Literaturdozentin Bluma Lennon wird bei der Lektüre einer alten Ausgabe der Gedichte von Emily Dickinson beim zweiten Sonett von einem Auto erfasst. Nach ihrem Tod erhält ein argentinischer Kollege ein an Bluma adressiertes Päckchen mit einem zerlesenen Roman Joseph Conrads, der auch eine rätselhafte Widmung der Überfahrenen enthält. Der Argentinier macht sich auf die Suche, um die Widmung zu entschlüsseln - und muss im Laufe seiner abenteuerlichen Recherche feststellen, dass auch Bücher Biografien haben können.


    Meine Meinung
    Hierbei handelt es sich nicht um einen Krimi, sondern um ein Buch über Bücher - wenn auch nicht im üblichen Sinn. Zwar wird teilweise mit Autoren und Buchtiteln nur um sich geworfen, aber es geht um mehr als eine Reise durch die Literatur Lateinamerikas. Es geht um das Verhältnis zwischen Buch und Mensch: Was fangen wir mit der Masse an Büchern an, können wir sie überhaupt begreifen? Oder haben sich die Bücher selbständig gemacht, und wir dienen ihnen nur noch? Sind die Bücher in der richtigen Reihenfolge geordnet? Darf man Bücher zusammenstellen, deren Autoren zerstritten sind? Läßt sich all das, was in Jahrhunderten geschrieben wurde, noch ordnen, kategorisieren, systematisieren? Oder ist alles so sinnlos, wie die vollgekritzelten Ränder auf den Seiten der Bücher des buchverrückten Carlos, die Kommentare zum Kommentar zum Kommentar eines Autors?


    Intelligent geschrieben, aber einfach zu lesen - auch wenn ich nicht alle Andeutungen verstanden habe (was auch daran liegen kann, dass ich die meisten genannten Bücher nicht kenne). Untergründig ist da immer eine dunkle, melancholische Stimmung - der Sinn von Literatur wird angezweifelt, ja teilweise sogar als Gefahr gesehen. Durch einige Anekdoten, z.B. über die menschliche Eitelkeit beim Büchersammeln, wird diese Stimmung jedoch aufgelockert.
    Durch dieses Buch wird man angeregt, über die eigene Art des Umgangs mit Büchern nachzudenken, man vergleicht, ist erleichtert (sooo schlimm bin ich nicht!) und vielleicht um einige Fragen reicher. Ich frage mich z.B. warum ich meine Bücher nicht nach Autor alphabetisch sortiere (wo ich ansonsten viel auf Logik gebe), und warum meine Bücher von Diana L. Paxson direkt neben denen von Marion Zimmer Bradley stehen. Absichtlich habe ich sie nicht dorthin gestellt, es ist fast als ob es so sein sollte, als ob sie eine tiefere Bindung haben...


    4ratten


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  • Ich habe dieses Büchlein gerade ausgelesen und mich an vielen Stellen wiedererkannt. Bücher gehen weniger schnell bzw. selten kaputt als Fernseher oder Kleidung, Bücher verleiht man weniger schnell bzw. gern als anderes.
    Büchersammler- und liebhaber sind sehr eigen und gehen mit ihren Schätzen sorgsam um, obwohl sie die meisten von ihnen nicht einmal mehr im Leben aufschlagen werden. Und doch hüten wir das (Un)Gelesene, als sei es ein Teil unserer Erinnerung.


    Für alle Bibliophilen also absolut lesenswert. Ich fand allerdings schade, dass man außer ein paar Namen nichts über die lateinamerikanische Literatur erfährt.


    3ratten

  • Ich habe das Buch letztes Jahr gelesen und fand es auch wunderschön.


    Besonders die Szenen in denen das Lesen richtig zelebriert wird mit Kerzen, Musik und Wein war toll zu lesen.


    Für jeden Bücherliebhaber nur zu empfehlen.


    :tipp:


    Lg
    Germa

  • Hallo!


    Ich habe dieses Buch gestern in einem Rutsch ausgelesen - sind ja auch nur 96 Seiten und es liest sich wirklich sehr schön.
    Ganz toll fand ich die Aufmachung des Buches. Auch das TB hat eine Landkarte, darstellend Südamerika, auf pergament-ähnlichem Papier gleich zu Beginn. Sieht sehr edel aus.


    Gut gefallen haben mir die Schilderungen und Beschreibungen der Lesetypen und Lesemacken. Wie man Ordnung in seine Büchermassen bekommt, wie man noch mehr Platz schaffen kann und dass man einfach nicht "nein" sagen kann, wenn sich ein Buch anbietet. Dass man Bücher "besitzen" muss.
    Ich erkannte mich an vielen Stellen wieder, z.B.


    Zitat

    Wir Leser spionieren die Bücherschränke unserer Freunde aus und sei es zur Ablenkung. Weil wir ein Buch entdecken könnten, das wir lesen wollen und nicht besitzen, oder weil wir einfach wissen wollen, was ein Tier, das wir vor der Nase haben, in sich hineingefressen hat.


    Mit der Rahmenhandlung kam ich weniger gut zurecht. Was der Unfalltod der Bluna Lennon mit diesem Buch "Die Schattenlinie" von Joseph Conrad zu tun hat, usw. Die Rahmenhandlung wirkte sehr konstruiert und es hätte mir besser gefallen, wäre darauf verzichtet worden und hätte man schlicht und einfach auf das Leben der Leser konzentriert.


    Auf jeden Fall macht das Buch Lust aufs Lesen!


    3ratten

    :blume:&nbsp; Herzliche Grüße!&nbsp; :blume: <br />creative

  • Und wieder ein Buch mehr auf meiner Wunschliste... danke schön, Seychella! :zwinker:

    Viele Grüße aus dem Zwielicht<br />[size=9px]Rihla.info | blooks - Rezensionen und mehr<br />[b][url=http://www.librarythi

  • Hallo,


    heute habe ich in einem Rutsch "Das Papierhaus" gelesen. Im Prinzip kann ich nicht mehr viel hinzufügen, weil fast alles über dieses Buch schon geschrieben worden ist. Auch mich hatte die Beschreibung der verschiedenen Lesetypen und Lesemacken sehr begeistert. In der einen oder anderen Lesemacke habe auch ich mich wiedererkannt. Und ich habe auch etwas neues gelernt. Man erkennt einen "Buch-Abhängigen" ganz leicht :breitgrins::


    Zitat

    "Man kann das an der Haut erkennen; bei den Abhängigen ist sie leicht pergamentartig."


    Gut zu wissen, oder? :breitgrins:


    Die Rahmenhandlung konnte mich allerdings nicht sehr überzeugen. Wie creative schon geschrieben hat, wirkt sie ein wenig konstruiert.


    Für mich war es einfach ein nettes Buch zwischendurch, dass mich durch seine wunderbaren Beschreibungen der Lesegewohnheiten amüsiert hatte.



    Ich vergebe 3ratten

  • Gelesen im Rahmen des „Wir lesen uns rund um die Welt“ Projektes: Argentinien


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    Inhalt


    Bluma ist Dozentin für Hispanik an der Universität Cambridge. Ihr Leben findet ein jähes Ende, als sie von einem Auto überfahren wird, während sie in einem Gedichtband liest.
    Kurze Zeit später trifft ein Päckchen ohne Absender für sie ein, das ein zementverkrustetes Buch mit Widmung enthält. Dadurch neugierig geworden, macht sich ihr Kollege auf nach Uruguay, um das Rätsel des Buches zu lösen.


    Über den Autor:


    Carlos Maria Dominguez wurde 1955 in Buenos Aires geboren und lebt heute in Uruguay als Journalist, Schriftsteller und Literaturkritiker. „Das Papierhaus“ wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet.


    Meine Meinung:


    Aufmerksam geworden durch die schöne Aufmachung des Eichborn-Verlags hat mich dieses dünne Büchlein auch inhaltlich nicht enttäuscht.
    Auf knapp 100 Seiten schafft es der Autor in seiner Erzählung Liebe, Tod und vor allem eine Unmenge an Büchern zu vereinen. Wenn Bücher zu Büchern führen, führt dieses Buch in ganze Bibliotheken.
    Der Anfang ist noch leicht und mit einem Augenzwinkern erzählt, so werden neben Blumas Tod weitere Unglücksfälle geschildert, die die Gefährlichkeit von Büchern zeigen. Schnell wird aber klar, dass etwas Ernsteres dahintersteckt. Die Spur des zementverkrusteten Buches führt zu einem lesebesessenen Menschen, dessen Welt eines Tages zusammenbricht, als er die Übersicht über seinen Buchbestand verliert.
    Dieser Carlos scheint mir stellvertretend für alle zu sein, die etwas an sich Schönes zum Zwang werden lassen und ihre Leidenschaft nicht mehr unter Kontrolle haben.


    Für Bücherverrückte ein Schatzkästchen, das etwas märchenhaftes an sich hat. Für alle anderen wohl eher schwerverdauliche Kost.


    4ratten

    Einmal editiert, zuletzt von WannaBe ()

  • Dazu gibt es schon einen Thread hier.



    EDIT
    Hallo, habe die beiden Threads zusammengefügt. LG Seychella

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001

    Einmal editiert, zuletzt von Seychella ()


  • Dazu gibt es schon einen Thread hier.



    EDIT
    Hallo, habe die beiden Threads zusammengefügt. LG Seychella


    Sorry, den hatte ich trotz Suchfunktion nicht gefunden.[


    Hispanistik?


    Tja, man sollte als Nicht-Akademiker eben nicht in diesem Forum schreiben...

  • Mir hat das Buch sehr gut gefallen. Schnell zu lesen aufgrund der Seitenzahl, aber auf diesen wenigen Seiten wird die Liebe zum Buch und zur Literatur sehr klar dargestellt.
    Vielleicht hätte man auch einen 300 Seiten Roman daraus machen können, aber ob dann die Leichtigkeit erhalten bliebe, ist zu bezweifeln.
    Die Idee des Hauses aus Büchern fand ich auch sehr gelungen.


    Jedem Bücherfreund sei dieses Buch ans Herz gelegen, es eignet sich wunderbar für einen faulen Nachmittag auf der Couch inmitten der eigenen Bücher.
    5ratten von mir für diesen kurzweiligen Lesegenuss.

  • Hallo,


    entgegen der vorherrschenden Meinung hat mir das Büchlein kaum gefallen. Den Schreibstil fand ich nicht herausragend, die Geschichte als solche gibt nicht viel her und Domínguez wirft mit Autorennamen nur so um sich. Ausschlaggebend für meine Abneigung ist allerdings das schlechte Gefühl, mit dem die Lektüre mich zurückgelassen hat. Schon auf den ersten Seiten spricht der Erzähler von der Gefahr der Bücher, führt Beispiele an und gibt die Warnung seiner Großmutter wieder: Jedes Mal, wenn meine Großmutter mich beim Lesen im Bett erwischte, ermahnte sie mich:" Das solltest du lassen, weißt du denn nicht, wie gefährlich Bücher sind?" Ich habe viele Jahre an ihre Unwissenheit geglaubt, aber die Zeit hat der Vernunft meiner deutschen Großmutter doch Recht gegeben. (S. 8) Die Ereignisse beginnen daraufhin mit dem Autounfall der lesenden Bluma Lennon. Hier wird der Zusammenhang zwischen ihrem Tod und den Gedichten Dickinsons wenigstens noch in Frage gestellt:"Ein Auto hat sie getötet. Nicht das Gedicht." (S. 9)


    Im weiteren Verlauf begegnen wird jedoch Carlos Brauer, der


    Auch Delgado, der die Geschichte Brauers erzählt, macht einen seltsamen Eindruck auf mich


    Die Ereignisse treiben den Erzähler selbst schließlich dazu,


    Meine Bücherregale sind bei weitem nicht so gefüllt wie die der Protagonisten, anscheinend bin ich also noch nicht solch großen Gefahren ausgesetzt, dennoch gefällt mir die Aussage, die mir Das Papierhaus vermittelt, ganz und gar nicht. Für mich ist das Büchlein keine Liebeserklärung an Bücher und das Lesen, da helfen auch die wenigen Stellen, in denen die tatsächliche Liebe zum Lesen und zu Büchern durchscheint, nicht.


    Und auch wenn Domínguez mir duch sein bloßes Namedropping keine Autoren oder gar Bücher näherbringen konnte, bin ich nun neugierig, warum er gerade Joseph Conrads Schattenlinie gewählt hat, um die Geschichte loszutreten. Dieses Buch wird also demnächste Einzug in meine "Bibliothek" halten, während Das Papierhaus umgehend daraus verschwinden wird.


    Viele Grüße
    Breña

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges