Philippe Grimbert - Ein Geheimnis

Es gibt 10 Antworten in diesem Thema, welches 5.703 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von illy.

  • Philippe Grimbert, Jahrgang 1948, ist französischer Autor und praktizierender Psychoanalytiker und lebt in Paris.


    In diesem Roman erforscht er wieder einmal die Welt der menschlichen Geheimnisse, doch dieses Mal gibt er einen sehr intimen Teil seiner eigenen Geschichte preis.


    Am Anfang des Buches also berichtet der Erzähler Philippe, dass er sich als kleiner Junge und Einzelkind einen Bruder erfunden hat - einen Bruder, der den scheinbaren Ansprüchen seiner Eltern, die sehr talentierte Sportler sind, gerecht wird - ganz im Gegensatz zu sich selbst.


    Mit 15 entdeckt er plötzlich und eher zufällig, dass er Jude ist und dass es den Bruder aus seiner Fantasie tatsächlich gegeben hat! Abgesichts des tiefen Schweigens in seiner Familie über -auch seine- Vergangheit fängt er an, eine Vertraute und gleichzeitig alte Freundin seiner Eltern, Louise, immer wieder zu löchern.
    Bis Louise ihm dann ein schreckliches und erschütterndes Geheimnis erzählt...
    Philippe blickt in die Geschichte zurück und erkennt in ihr die tragischen, prägenden Erlebnisse seiner scheinbar sorglos lebenden Familie. Und er begreift, dass seine Eltern das Schweigen als Schutzschild aufstellten um ihre Selbsterhaltung nicht zu gefährden.


    Philippe Grimbert hat, fast 50 Jahre später, mit "Ein Geheimnis" eine Art Klagelied geschrieben, das aber ohne Anklage ist. Er erzählt seine Biographie, die Biographie eines völlig Unschuldigen, der trotzdem schwer an den vergangenen Geschehnissen trägt und zugleich auch die Biographie seiner belasteten Eltern, die er entlastet.


    Meine Meinung:
    Ein beklemmendes, zutiefst menschliches Buch, das mich sehr bewegt hat!
    5ratten


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    Liebe Grüße

    Tabea

    Einmal editiert, zuletzt von Alfa_Romea ()

  • Hallo dubh!


    Gratuliere zur ersten Rezension! Habe sie mit Interesse gelesen und mir das Buch gleich mal vorgemerkt. Klingt wirklich sehr interessant!


    Viel Spaß beim weiteren SUB-Wettbewerbs-Listen-Abbau! :elch:


    Viele Grüße,
    Liisa

  • Hallo Liisa!


    Zitat von "Liisa"

    Gratuliere zur ersten Rezension! Habe sie mit Interesse gelesen und mir das Buch gleich mal vorgemerkt. Klingt wirklich sehr interessant!


    Das ist aber sehr nett! :redface:


    Zitat

    Viel Spaß beim weiteren SUB-Wettbewerbs-Listen-Abbau! :elch:


    Dankeschön- und den wünsch ich Dir selbstverständlich auch! :zwinker::winken:
    Schöne Grüße von dubh
    PS. Übrigens hast Du einen tollen litblog, CHAPEAU! :klatschen:

    Liebe Grüße

    Tabea

  • Hallo,
    ich habe das Buch jetzt innerhalb von wenigen Stunden gelesen... und kann es nur empfehlen.
    Diese Geschichte gibt einen Eindruck, wie Nachfahren von Angehörigen, die den 2. Weltkrieg mit allen Geschehnissen miterlebt haben, nur langsam von den furchtbaren Erlebnissen ihrer Familie und Freunde erfahren. Darüber hinaus bekommt der Leser selbst das Gefühl, ein dunkles Geheimnis mitzutragen... Ein Gefühl, als ob an der Oberfläche alles in Ordnung scheint, und doch ahnt man, dass mehr hinter den Dingen steckt... So wird jede Seite dieses Buches bedrückender, nähert man sich doch der Familiengeschichte und erfährt letztendlich, was passiert ist.


    Fazit: Eine lesenswerte Sprache, mit Erläuterungen im hinteren Teil zu Institutionen usw. Wer sich für diese Thematik interessiert, wird mit Sicherheit nicht enttäuscht sein. Aber auch für alle anderen ist es sehr zu empfehlen.


    5ratten


    Liebe Grüße
    Lu

  • Hallo !


    Ich bin auch gerade dabei, das Buch zu lesen und ich muss wirklich sagen, dass es mich zutiefst bewegt hat. Vor allem die Schilderungen der Deportationen haben mich sehr nachdenklich gestimmt.
    Philippe Grimbert ist es gelungen, den Roman sprachlich so zu gestalten, dass der Leser mitfühlt und die Melancholie spürt, die sich durch die ganze Geschichte zieht.


    5ratten


    Ich bin wirklich beeindruckt,


    IceTea

  • Philippe Grimbert - Ein Geheimnis


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    Es handelt sich hier um einen autobiografischen Roman, der die Geschichte von Philippes Eltern im Paris Anfang der 40er Jahre erzählt. Es ist das Schicksal zweier jüdischer Familien in dieser grausamen Zeit und es ist auch die Geschichte eines familiären Dramas. Philippe ist 1948 geboren. Er ist ein Einzelkind und sein Leben lang hat er sich einen Bruder erträumt. Einen älteren Bruder, der all das, was Philippe nicht kann, mit Bravour beherrscht. Einen starken, sportlichen Bruder, mit dem er jeden Abend unter seiner Bettdecke imaginäre Kämpfe austrägt, um sich jedesmal von ihm besiegen zu lassen. Im Alter von 15 Jahren erfährt Philippe von einer Freundin der Familie, dass es diesen Bruder tatsächlich gegeben hat. Nicht nur dies wurde vor ihm verheimlicht, sondern auch die Tatsache, dass er Jude ist. Das Buch wurde geschrieben, um seinem Bruder und den anderen von den Nazis ermordeten Familienmitgliedern die Existenz, die ihnen durch das Totschweigen endgültig aberkannt worden war, wieder zurück zu geben und ihnen das bisher verweigerte Grab und Andenken zukommen zu lassen.


    Das Buch ist mit seinen 151 Seiten sehr kurz. Die ersten 60 Seiten erzählen eine andere Version der Biografie von Phillipes Eltern, die Version, die ihm 15 Jahre lang als Lüge aufgetischt wurde. Dann gibt es ein Schlüsselerlebnis, das Louise, die Freundin der Familie zu dem Entschluss bringt, ihm endlich die Wahrheit zu erzählen. Es ist eine sehr bewegende Geschichte, die aber weder rührselig ist, noch grausame Details des Holocausts wiedergibt. Es liest sich wie ein Bericht, der aber in schöner, teilweise leicht potischer Sprache geschrieben ist.


    Ein empfehlenswertes Buch!


    5ratten :tipp:


    Das Buch wurde übrigens auch verfilmt:


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    Ich bezeige, nach Hertzens-Aufrichtigkeit, dass ich mich glücklich schätze, mich mit Verehrung nennen zu dürfen und ersterbe,<br />Roulade<br /><br />[url=http://www.literaturschock.de/autoren/interviews/119-intervie

    Einmal editiert, zuletzt von roulade ()

  • Dieses Buch hat auch bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen, auch wenn ich mich nicht mehr an die Geschichte im Detail erinnern kann. Ich habe es vor meiner Zeit bei Literaturschock gelesen, deswegen kopiere ich einfach meine damaligen Notizen hierher:


    Ein weiter Erfahrungsbericht eines Opfers der Judenverfolgung, könnte man denken. Doch was Philippe Grimbert uns erzählt ist anders als andere Erinnerungen. Grimbert ist ein „Nachgeborener“, und er versucht die Geschichte seiner Eltern zu verstehen. Im Laufe des Buches wird mehr als nur ein Geheimnis enthüllt, wobei die Grenzen zwischen Realität und Fiktion ständig verschwimmen. Die naiven Vorstellungen des Kindes Philippe stehen im scharfen Kontrast zu den wahren Geschehnissen. Der Leser begleitet Philippe nicht nur durch seine Kindheit und deckt mit ihm Geheimnisse auf, sondern beobachtet ihn auch dabei erwachsen zu werden, in eine Rolle hineinzuwachsen und dann darüber hinaus. Das Buch handelt von der Macht des Schweigens, von Nachwirkungen und Ansprüchen, von ganz normalen Schicksalen in einer gar nicht normalen Zeit. Dabei bleibt das konkrete Grauen außen vor, es wurde oft genug geschildert, bei Grimbert erscheint es nur in kurzen Szenen, sein Grauen spielt sich auf einer anderen Ebene ab. Dass der Leser es mit einem besonderen Buch zu tun hat, merkt er nicht zuletzt an der poetischen Sprache.


    Vergebe hätte ich 4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:


    Viele Grüße
    Breña

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges

  • roulade
    Oh, danke für die Info über den Film. Ich habe das Buch auch vor einiger Zeit gelesen und mich hat es auch sehr beeindruckt. Toll zu wissen, dass es soger eine Verfilmung gibt. Hast du den Film denn schon gesehen?

  • Nein, ich habe ihn nicht gesehen. Das habe ich nur zufällig erfahren, weil auf dem Cover meiner Ausgabe, das Bild mit dem Paar aus dem Film ist. Ich fand das unpassend und meine Mutter hat dann gesagt, es sei aus dem Film...

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  • PS: Wir können ja mal eine "Filmguck"-Runde machen :breitgrins:

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  • Philippe Grimbert erzählt in diesem Buch die Geschichte seiner Familie. Der eher schmächtige kleine Philippe fühlt sich von seinen sportversessenen Eltern nicht akzeptiert und erfindet sich einen großen Bruder, der eher den Erwartungen der Eltern entspricht. Doch mit 15 erfährt er, dass es diesen Bruder wirklich gab, die Familie jüdisch ist und die erste Frau seines Vaters mitsamt diesem älteren Bruder von den Nazis ermordet wurde. Philippe wird klar, warum die Familie so klein ist und was sich hinter dem Schweigen, der glatten Oberfläche verbirgt. Als Leser überlegt man, ob das Schweigen eine richtige Entscheidung war, ein effektiver Schutz vor der Vergangenheit. Philippe Grimbert ist letztlich zu der Entscheidung gekommen, dass Schweigen zu Vergessen führt und hat auch deswegen dieses Buch geschrieben.


    Eine eindrucksvolle kleine Geschichte über die langanhaltenden Nachwirkungen der NS-Zeit, denen auch Spät-Geborene und damit "Unbeteiligte" nicht entkommen können und in gewisser Weise auch nicht entkommen können sollten.


    4ratten