Gerhart Hauptmann - Bahnwärter Thiel

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    Da ich leider keine Angaben zum Inhalt bei Amazon gefunden habe, kommt hier mal eine kurze Inhaltszusammenfassung: (fast ohne Spoiler!)
    Es geht um den Bahnwärter Thiel, der seine Frau bei der Geburt seines Sohnes Tobias verloren hat. Etwa ein Jahr später heiratet er eine neue Frau. Als sie dann auch einen Sohn zusammen bekommen, ist Tobias der Stiefmutter total ausgesetzt und muss sich um den kleinen Säugling kümmern, obwohl er selbst gerade mal 2 Jahre ist. Der Bahnwärter Thiel ist schon ein komischer Mann, der sich nicht um andere kümmert, doch als dann seinem Sohn Tobias etwas zustößt, begeht er aus der folgenden geistigen Verwirrung heraus, eine grausige Tat.


    meine Meinung zum Buch:
    Das Buch besitzt in meiner Ausgabe leider nur 35 Seiten (mit Nachwort). Es ist also sehr dünn, in daraus folgt, dass ich die Charaktere nur sehr bedingt kennen und verstehen gelernt habe. Auch kann man von einem Autor kaum erwarten, dass er auf so wenig Seiten einen Spannungsbogen aufbaut... und dennoch gelingt dies Gerhart Hauptmann! Ich habe mit dem Bahnwärter mitgelitten, obwohl ich sein Verhalten am Anfang nicht verstehen konnte. Auch habe ich seine Abneigung zu seiner Frau und seine Liebe zu seinem Sohn empfunden! Ich glaube, G. Hauptmann hat nicht umsonst den Nobelpreis für Literatur erhalten. Was ihn allerdings davon abgehalten hat, mehr Seiten zu schreiben und seinen Protagonisten mehr Tiefe zu geben, weiß ich nicht. Auf jeden Fall gibt es dafür Abzug, aber das Buch war dennoch eine Bereicherung und ich bin froh, diese Lücke geschlossen zu haben;
    4ratten

    Einmal editiert, zuletzt von fairy ()

  • Hi Horusina!


    Von mir sogar 4ratten:marypipeshalbeprivatmaus: .


    Das Buch ist genial. Besonders beeindruckend fand ich die Stimmung die Hauptman entstehen lässt, indem er die Natur anpasst an Thiels Gemütszustand. Thiel fand ich übrigens sehr symphatisch, trotz seiner Bluttat. Jetzt wo ich darüber nachdenke, sollte ich das Buch wohl nochmal lesen...


    LG,


    Ragle

  • Zitat von "Ragle"

    Jetzt wo ich darüber nachdenke, sollte ich das Buch wohl nochmal lesen...


    Ja, mach das! Es wurde mir auch schon geraten. Und ich meine, so lang ist das Buch ja nicht...


    Ich bin schon gespannt, was wir dann alles wieder im Unterricht aus dem Buch "raussaugen" und hineininterpretieren werden... :rollen:

  • Mit welcher Absicht hat Gerhart Hauptmann den Bahnwärter verfasst? bzw. was oder wen will er damit ausdrücken/kritisieren?

  • Ausdrücken und kritisieren will er den Schüler, der seine Hausaufgaben nicht gemacht hat :breitgrins:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Soll hier nicht die Triebdeterminiertheit angesprochen werden?

    Zitat von "Spoiler Ende"

    Thiel ermordet ja aus völliger Verwirrung seine Frau und seinen Sohn.

    Aber Hauptmann wollte ja bestimmt noch mehr damit ausdrücken?

  • Och mann jetzt hast du das Ende schon veraten. Dabei hab ich jetzt grad so Lust bekommen das Büchlein zu lesen :heul:

    [b] "Jean Valjean, mein Bruder, Sie gehören nicht mehr dem Bösen, sondern dem Guten. Ich kaufe ihre Seele frei. Ich entreiße sie den finsteren Gedanken und dem Geist der Verderbnis und übergebe sie Go

  • Zitat von "Thomas"

    Och mann jetzt hast du das Ende schon veraten. Dabei hab ich jetzt grad so Lust bekommen das Büchlein zu lesen :heul:


    :knuddel: Für die nächsten habe ich das Ende mal verspoilert.

    [size=9px]&quot;I can believe anything, provided that it is quite incredible.&quot;<br />~&quot;The picture of Dorian Gray&quot;by Oscar Wilde~<br /><br />:leserin: <br />Henry Fielding - Tom Jones<br /><br />Tad Williams - The Dragonbone Chair<br /><br />Mark Twai

  • Oh, zu Thiel habe ich ein extrem gespanntes Verhältnis - auch noch nach 10 Jahren :zwinker: . Nicht wegen der Geschichte an sich, sondern weil mein damaliger Deutschlehrer wieder so wunderbar ausgetickt ist ...


    Interpretationen sind ja schön und gut, nur kann es weder die allgemein gültige, unfehlbare Interpretation geben (obgleich der Lehrer das gewiß anders sah), noch kann man ruhigen Gewissens unterstellen, daß das, was man da grad rausgearbeitet hat, genau so auch vom Autor bedacht und konstruiert war ...


    Bei Thiel hat er dann den Vogel endgültig abgeschlossen und seine Beweisführung graphisch durchgeführt:


    thiel.jpg

  • Gut fand ich auch die steigende Dramatik anhand kurzer, abgehackter Sätze. Ein Meisterwerk der kurzen Form.


    5ratten


    dumbler

  • Ich mochte den Thiel ja nicht besonders; muss wohl am Stil gelegen haben (ich bin kein Fan des Naturalismus) und an der Kürze der Novelle.


    Aber um noch einmal auf die schon angesprochene Triebgebundeheit Thiels an Lene zu sprechen zu kommen (mein Nachwort findet diese Theorie auch emmens wichtig): Ich sehe sie nicht! Ich wäre nie auf den Gedanken gekommen, dass Thiel Lenes Verhalten nur duldet, weil er sexuell von ihr abhängig ist!
    Ist das denn nun wirklich so gemeint, oder ist das "nur" eine Interpretation?
    Ich hatte beim Lesen eher den Eindruck, dass er 1. ein wenig Angst vor ihr hat und 2. es ihm mehr oder weniger egal ist, weil er 3. denkt, dass eine Frau in einem Haushalt eben nötig sei.
    Diese Triebtheorie kommt mir irgendwie so weit hergeholt her; es klingt für mich so nach einer typischen Deutschlehrermeinung 'das ist eben so'.


    Wie seht ihr das?


    lg,


    mondpilz

  • diese "sexuelle Abhängigkeit" ist doch nicht wirklich aus dem Stück heraus zu interpretieren. Thiel heiratet Lene aus dem für ihm vernünftigen Grund damit sein Sohn Thomas eine Mutter hat, eine reine Zweck-Ehe.


    grüße,
    noc


  • diese "sexuelle Abhängigkeit" ist doch nicht wirklich aus dem Stück heraus zu interpretieren. Thiel heiratet Lene aus dem für ihm vernünftigen Grund damit sein Sohn Thomas eine Mutter hat, eine reine Zweck-Ehe.


    ... und er jemanden für die Arbeiten benötigt, und weil ein Mann mit Kind nicht ohne Frau sein sollte, vielleicht weil es von ihm erwartet wird, weil er von ihr abhängig wird, ... Sexualtrieb?? Nein! Definitiv nicht! Er erträgt sie, weil sie doch so fleißig ist und behält sie, um keinen Tratsch bzw. Skandal im Dorf auszulösen? Immerhin ist er von der unauffälligen, ruhigen Sorte.
    Mich würde doch interessieren, wer auf "Sexualtrieb" geschlossen hat und durch welche Argumentation. Ich lerne gerne dazu :smile:


    mondpilz: Dein 2. Punkt würde ich nicht bestätigen, egal ist es ihm bestimmt nicht, aber da sie doch ziemlich herrschsüchtig ist und unkontrollierte Wutausbrüche hat, könnte dein 1. Punkt der Grund des Nichthandelns bedeuten.


    Gruß,
    dumbler

  • diese sexuelle Abhängigkeit wird im Wikipediabeitrag erwähnt. :rollen:


    gruß
    noc


  • diese sexuelle Abhängigkeit wird im Wikipediabeitrag erwähnt.


    abhängig, ja ... allerdings nicht auf sexueller Ebene.


    Wikipedia, erinnert mich an die Interpretation von Tonio Kröger. Da sollen auch homoerotische Zuneigungen von Thomas Mann herauszulesen sein. Dem kann ich jedoch nicht zustimmen. :rollen:


    Gruß,
    dumbler

  • wikipedia gibt in diesen fällen halt einfach andere interpretationsdeutungen. :zwinker:


    (textstellen bitte, liebe wiki-autoren!) :breitgrins:


    gruß,
    noc


  • Wikipedia, erinnert mich an die Interpretation von Tonio Kröger. Da sollen auch homoerotische Zuneigungen von Thomas Mann herauszulesen sein. Dem kann ich jedoch nicht zustimmen.


    Ähm, um ehrlich zu sein, kannte ich diese Interpretation von Tonio Kröger nicht; mag auch daran liegen, dass ich die Lektüre nach 60 Seiten abgebrochen habe, aber ich finde definitiv, dass sogar in diesen 60 Sieten durchaus homoerotische Neigungen des Autors spärbar waren. Durch den Zauberberg wurde dieses Gefühl nur noch verstärkt. Denn ich persönlich finde es doch etwas eigenartig, wenn ein Autor die, man könnte fast sagen, Verliebtheit seiner männlichen, kindlichen Hauptpersonen zu anderen Knaben beschreibt... In diesem Fall fühle ich mich durch Wikipedia eher bestätigt.


    Beim Thiel allerdings... nun ja, wer weiß, vielleicht sind wir alle einfach nur zu blöd :breitgrins: :breitgrins: :breitgrins:


    lg,


    mondpilz

  • Auf die Gefahr hin ins OT zu geraten. Bei der Beschreibung eines schönen Jungen kann man nicht automatisch annehmen, der Autor sei schwul. Ich lese gerade Diderot und dort wird von einem schönen Jungen berichtet. Sollte ich nun vermuten, Diderot habe die gleichen Vorlieben? Nein, ich denke, weil man um Manns Neigung Bescheid weiß, ist man versucht Dinge herauszulesen. Aber das kann man mit jedem Text.


    Gruß,
    dumbler

  • @dumbler


    Da hast du selbstverständlich Recht, aber ich wusste damals noch nicht, dass Mann schwul war, oder dass man das annimmt. Das Seltsame ist ja auch nicht, einen hübschen Jungen zu beschreiben, das kommt wahrlich sehr häufig in Büchern vor. Interessanter ist vielmehr, dass es eben aus der Sicht eines anderen Jungen geschieht! Bei Tonio Kröger habe ich mich darüber zwar gewundert, dachte aber eigentlich wie du - komisch, aber muss nichts heißen. Als ich aber den Zauberberg gehört habe (Hörbuch) und genau das wieder beschrieben wurde, kam mir schon der Gedanke, dass Mann irgendwie doch andersrum sein könnte.
    Ich hoffe du weißt, was ich meine, denn ich gehöre weder zu der Gruppe Leser, die schnell über den Autor urteilen, noch derjenigen, die versuchen, gewisse Elemente in einem Text zu finden.


    lg,


    mondpilz