Nadine Gordimer - July's Leute

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  • Inhalt:


    Vom Ende der Apartheid in Südafrika handelt „July’s Leute“, ein Roman, den Nadine Gordimer schon Anfang der 80er Jahre, geraume Zeit vor der tatsächlichen Aufhebung der Rassentrennung, geschrieben hat.


    Sie erzählt von einem weißen Ehepaar, er Architekt, sie einst Tänzerin. Zusammen mit ihren Kindern und dem schwarzen Hausboy July verlassen die beiden ihr Haus in einem Vorort von Johannesburg. Es ist der Tag, an dem der Aufruhr bewaffneter und vermutlich aus dem Ausland unterstützter schwarzer Rebellen gegen die Regierung zu eskalieren droht. Ihr Fluchtgefährt, ein kleiner Lastwagen mit einem Drei-Liter-Motor und widerstandsfähigen Reifen, bringt Bam und Maureen Smales mit den Kindern hinaus aufs Land. Es ist July, der ihnen in seinem Dorf in Busch eine Unterkunft verschafft. In einer Lehmhütte, mit Gras gedeckt, notdürftig ausgestattet mit dem notwendigsten, beginnt für die Smales ein neues, ganz und gar unsicheres Leben. Ein Leben von einer Minute zur nächsten. Versteckt von July`s Familie, von ihnen ernährt und unterstützt, erleben die Smales eine krasse Umkehr vertrauter Verhältnisse: Sie sind es, die von ihrem Hausboy abhängig und auf ihn angewiesen sind, so wie er es früher von ihrem Wohlwollen und ihrer Toleranz war.



    Meine Meinung:


    Ich gebe zu, dass ich nicht von Anfang in die Geschichte hineingefunden habe. Scheinbar befindet sich die Familie Smales schon zu Beginn des Romans in July’s Dorf, aber Fieberphantasien wechseln mit Bildern von der abenteuerlichen dreitägigigen Autofahrt und Szenen aus dem Leben vor der Flucht. Ich musste mich erst einlesen, aber das war es wert!


    Diese fünf Weißen, die July da angeschleppt hat, werden von den Einheimischen zwar akzeptiert – aber ganz erklären können sie sich deren Anwesenheit nicht. Jemand mit so viel Geld und so viel Besitz soll keinen anderen Zufluchtsort haben als ein primitives Lehmhüttendorf im Busch!? Das kann hier irgendwie keiner so recht glauben.


    Umgekehrt versuchen die Smales sich so gut es geht nützlich zu machen – oder ihren Asylgebern wenigstens nicht zur Last zu fallen. Allerdings merken sie jetzt, wo sich die Vorzeichen umgekehrt haben, ziemlich bald: ganz so fair und korrekt, wie sie es sich selbst immer schöngeredet haben, dürfte sie July daheim in Johannesburg wohl doch nicht behandelt haben. Sie lernen, wie sensibel man schon auf kleine Bevormundungen und Respektlosigkeiten von jemandem reagiert, der das eigene Wohlbefinden in Händen hält.


    July benimmt sich zu Beginn noch wie der Diener von Bam und Maureen – nicht unterwürfig, aber dennoch mit den alten Machtverhältnissen im Hinterkopf. Langsam fängt er aber an, die neue Situation zu begreifen – und durchaus auch auszunutzen.


    Dieses Buch macht es dem Leser nicht leicht, Sympathien oder Antipathien für irgendwelche Personen zu entwickeln. Aber es kratzt an scheinbaren Selbstverständlichkeiten, es hinterfragt und setzt Denkprozesse in Gang - und im Grunde liegt genau darin seine Besonderheit.


    4ratten


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    Einmal editiert, zuletzt von Alfa_Romea ()

  • Ueber die Autorin:
    Nadine Gordimer, Gewinnerin des Literaturnobelpreises 1991, lebt in Suedafrika und ist dort geboren.


    Inhalt:
    Maureen Smales lebte mit ihrem Mann und ihren 3 Kindern ein privilegiertes Leben als Weisse der Mittelklasse in einem Vorort von Johannesburg, Suedafrika.
    Doch schon vor Beendigung der Rassentrennung gibt es politische Unruhen. Aus verschiedenen Gruenden bleiben die Smales trotzdem im Land, bis sie eines Tages vor Rebellen die Flucht ergreifen muessen. July, ihr schwarzer Hausboy, nimmt sie kurzerhand mit in sein Dorf im Busch. Viel haben sie nicht dabei: lediglich ihr kleiner Lastwagen, Geld, ein Gewehr und noch ein paar mehr oder weniger unnuetze Dinge.
    Im Busch aendern sich die Verhaeltnisse recht schnell und die Smales lernen, wie es ist, von jemandem abhaengig zu sein.


    Meine Meinung:
    Anfangs hatte ich ziemliche Probleme, in die Geschichte heinein zu kommen, weil die Autorin recht verworren ueber die Vergangenheit des Ehepaares und die politische Situation schreibt. Dazwischen wird die Huette beschrieben, in der sie nach 3 Tagen und Naechten ununterbrochener Fahrt vollkommen erschoepft angekommen sind.
    Danach wird die Erzaehlweise geordneter, wenn auch recht nuechtern und ein wenig beklemmend. In der englischen Ausgabe wird die woertliche Rede mit Bindestrichen angefuehrt, was anfangs ein wenig gewoehnungsbeduerftig ist. Obwohl das Buch nur 160 Seiten hat, war ich einige Zeit mit dem Lesen beschaeftigt. Einiges wird nur angedeutet, so dass man sich selbst seine Gedanken und Schlussfolgerungen machen muss.


    Nach der Ankunft in dem Dorf, wo Julys Verwandte leben, merkt July recht schnell, dass seine ehemaligen Arbeitgeber keine Macht ueber ihn haben. Er verliert einiges an Respekt, waehrend umgekehrt die Smales merken, wie sehr sie eigentlich von "Ihm" abhaengig sind. Zum ersten Mal machen sie sich darueber Gedanken, wie July sich wohl waehrend der Anstellung bei ihnen gefuehlt hat.
    Auch die Beziehungen innerhalb der Familie Smales aendern sich, weil nichts mehr so ist, wie es einmal war. Das Leben im Busch und die Schwierigkeiten des Alltags werden sehr gut beschrieben, ebenso wie das Gefuehl, nichts mehr zu haben.
    Der Schluss hat mich allerdings ein wenig ratlos zurueckgelassen, scheinbar habe ich das Ende nicht so ganz verstanden.
    Trotzdem ist das Buch empfehlenswert, da es einen Einblick gibt ueber die Misstaende in Suedafrika in der Zeit der Apartheid.


    3ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

  • Originaltitel: July's People (1981)


    Inhaltlich haben Bluebell und whiskers das Essentielle bereits erwähnt, deshalb nur noch ein paar ergänzende Worte von mir dazu:


    Bam und Maureen Smales haben Anzeichen für den drohenden Umsturz ignoriert und müssen sich nun vor den Aufständischen verstecken und mit den neuen Gegebenheiten und unzähligen Unsicherheiten leben lernen. Ihre Kinder Gina, Royce und Victor passen sich schneller als die Eltern an die neue Umgebung an und finden Freunde unter den afrikanischen Kindern. Die Haltung von Julys Familie gegenüber den ehemaligen Dienstherren ist von Misstrauen und Distanz gekennzeichnet. Da die beiden Städter noch über Geld, einen Wagen und ein Gewehr verfügen, können sie dem Misstrauenn anfangs mit den begehrten Gütern begegnen und allmählich wird ihre Anwesenheit zu einer beunruhigenden Normalität.


    Die neuen Verhältnisse haben große Auswirkungen auf viele Ebenen des Zusammenlebens (neben der neuen Abhängigkeit der Smales von July):
    das Verhältnis der Eheleute Bam und Maureen ist von einer bedrückenden Sprachlosigkeit geprägt, deren Basis unter anderem in der neuen Einordnung der eigenen Personen begründet liegt.
    Außerdem müssen July und seine Familie sich daran gewöhnen, viel Zeit miteinander zu verbringen. In ihrem alten Leben war es normal, viel Zeit getrennt voneinander zu verbringen. July und seine Frau Martha hatten sich eigene Lebensstile zu eigen gemacht, die nun aufeinanderprallen und gezwungenermaßen zu einem Kompromiss führen müssen.



    "July's Leute" hat mich sehr beeindruckt. Nadine Gordimer versetzt den Leser in eine Umgebung, in der man sich ebenso fremd wie ihre weißen Protagonisten fühlt. Wechselnde Perspektiven eröffnen einen Einblick in unterschiedliche Welten. Vieles wird nur angedeutet und so bleibt Raum für eigene Gedanken und Interpretationen. Mir erscheint diese offene Form sehr passend für dieses Thema voller Aggressionen und fehlender Gewissheiten. Die Grundstimmung ist bedrückend und der Einstieg nicht unbedingt einfach, aber das Durchhalten hat sich für mich definitiv gelohnt. Das vorgestellte Gedankenexperiment, das zur Zeit seines Entstehens nur ferne Zukunftsmusik war, hat sich inzwischen durch die Abschaffung der Apartheid teilweise überlebt, ist aber dennoch beeindruckend zu lesen.


    Nadine Gordimer ist eine Autorin, von der ich nun noch viel lesen möchte!

    Ich werde kein&nbsp;Geld hinterlassen. Ich werde keinen Aufwand und Luxus hinterlassen. Aber ich möchte ein engagiertes Leben hinterlassen.<br />(Martin Luther King)